Mikroanalyse zu dem Film „Lilli_Schneekugeln“

Asja Kranaster
EU­Projekt Naturbild
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
12/2010
Mikroanalyse zu dem Film „Lilli_Schneekugeln“
Analyse des Kinderspiels
Das Beispiel Lilli
Was tut das Kind? Welche Bewegungen, Aktionen lassen sich unterscheiden? Wie variiert das Kind seine Aktionen? Welche Entwicklung ist in der Aktions­
folge festzustellen? Gibt es Wendungen, Brüche? Lilli sitzt mit ausgestreckten Beinen alleine im Schnee und spielt mit Schnee. Sie formt mit ihren dicken Fausthandschuhen Schneekugeln in verschiedenen Größen. Sie nimmt immer wieder neuen Schnee auf, den sie im Sitzen aus ihrer nächsten Umgebung zusammenklaubt, und drückt ihn zu Kugeln zusammen. Dabei fällt immer wieder Schnee an der Seite herunter, oder die Kugeln brechen. Mit großer Kraftanstrengung drückt sie den Schnee in ihren kleinen Händen zusammen. Sie dreht und wendet die Kugel, und drückt von jeder möglichen Seite auf den Schnee, um ihm eine feste und runde Form zu geben. Als ihr die Kugel aus den Händen kullert, und neben ihrem Bein liegen bleibt, nimmt sie neuen Schnee auf um eine weitere Kugel zu formen und legt sie anschließend zwischen ihren Beinen ab. Dann nimmt sie erneut Schnee auf und presst ihn zusammen. Nimmt dann aber die Kugel von ihren Beinen, und drückt die beiden zusammen um eine größere zu erhalten. Anschließend versucht sie, die größere Kugel und die Kugel, die noch an ihrer Seite liegt, aufeinander zu drücken um so einen Schneemann zu bauen. Sie entscheidet sich dann aber zunächst dafür die kleinere Kugel noch etwas zu bearbeiten, indem sie sie auf ihrem Bein hin und her rollt, und sie noch etwas zusammendrückt. Dann drückt sie die beiden Kugeln vorsichtig aufeinander und betrachtet glücklich ihren ersten Schneemann. Sie setzt ihn behutsam neben sich. Sie beginnt sofort eine weitere Kugel zu formen. Schaut dabei jedoch immer wieder zu den anderen Kindern die mit einem Schlitten einen Hügel hinunter rutschen. Sie ist in ihrer Tätigkeit unermüdlich, hält nicht inne, oder macht eine Pause. Sie wirkt aber abgelenkt von dem Geschehen um sie herum. Sie legt die Kugel auf ihr Bein und formt eine nächste. Dann steckt sie wieder beide aufeinander und erhält einen weiteren kleinen Schneemann. Behutsam setzt sie auch diesen neben sich und dem anderen Schneemann ab. Als sie bereits wieder Schnee in den Händen hält und weiter formt, wird sie auf ein anderes Kind, welches auch einen Schneemann baut, aufmerksam. Es ist der erste Moment, indem sie in ihrer Tätigkeit inne hält. Sie ist ganz erstaunt und ruft mit piepsiger Stimme: „Hey was macht die // da? Die macht auch Schneemänner.“ Im Folgenden sagt sie, dass sie auch Schneemänner macht, aber kleinere und dass „sie größere nur machen kann, wenn sie schon angefangen sind“. Sie macht mit ihren Armen eine ausholende Drehbewegung und zeigt der filmenden Erzieherin, wie sie eine große Kugel im Schnee rollen kann. Weiterhin erläutert sie, dass ihre Mutter dazu gesagt hat, dass sie es „probier­versuchen soll“. Und sagt daraufhin: „Und kriegs net hin“. Lilli wirkt immer wieder abgelenkt, von den anderen spielenden Kindern in ihrer Umgebung. Obwohl sie, um die anderen Kinder sehen zu können, ihren Oberkörper in eine andere Richtung drehen muss, hört sie nicht auf Schneebälle zu formen. Man könnte annehmen, dass ihre Aufmerksamkeit nicht in den Schneebällen liegt, sondern hauptsächlich in ihrer Umgebung. Ob das die Schlitten fahrenden Kinder sind, oder das Mädchen, welches auch einen Schneemann baut, oder die Erzieherin, die sie filmt und ihr zuhört und Fragen stellt. Sie schwenkt ihren Kopf oft hin und her, und beobachtet das, was um sie herum passiert.
Zu Beginn sagt sie, dass es „ganz schön schwer“ sei und meint damit vermutlich das Drücken des Schnees in ihren Händen. Sie wirkt aber entspannt und zufrieden, macht keine Anstrengungen aufzustehen oder den anderen Kindern mit ihren Schlitten nachzueifern.
Lilli hat offenbar vorher schon einmal Schneebälle geformt. Lilli ist sich Wie agiert das Kind? Welche Empfindungen drückt es aus? Inwieweit ist sein Spiel von Freude, Wachheit und Aufmerksamkeit, Neugier und Ausdauer, Mut und Risikobereitschaft getragen? Woran lässt sich auf die Intensität und Qualität des Erlebens schließen? Wie werden die Aktionen sprachlich begleitet?
Welche Bedeutungen legt es in 1
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seine Aktionen? Liegt den Aktionen eine explizite Über­
legung zugrunde? Gibt es Handlungspausen, Phasen der Überlegung und Orientierung? Kommentiert, begründet das Kind seine Aktionen? Gibt es implizite Fragen und Hypothesen, auf die man schließen kann? Was probiert das Kind aus? Gibt es ein übergreifendes Handlungsthema? Werden in den Aktionen subjektive Lebensthemen, Erlebnisse, auch gerade gemachte Erfahrungen aufgegriffen und fortgesetzt? Welche wichtigen Handlungs­
umstände gibt es? Gibt es äußere Gegebenheiten, Randbedingungen, Einflüsse Erwachsener, die auf das Spiel einwirken? Welche Erfahrungen macht das Kind? Gibt es Widerstände und Schwierigkeiten? Gelingen die Aktionen? Welche Wirkungen, Ergebnisse nimmt das Kind wahr? Wie deutet es diese Ergebnisse? Welche Erfahrungen macht das Kind mit sich selbst, mit anderen?
Wie kommuniziert das Kind seine Aktionen und Erfahr­ungen? Realisiert das Kind über seine Aktionen Kontakte, Beziehungen zu anderen Kindern? Werden gemeinsame Themen entwickelt? Werden Aktionen mit anderen abgestimmt? Werden Handlungen anderer nachgeahmt? Werden Empfindungen, Erfah­rungen, Deutungen kommuniziert? Werden eigene Ideen entwickelt und vermittelt? Welche Resonanz finden die Aktionen im sozialen Umfeld?
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bewusst, dass sie keine großen Kugeln machen kann. Ob sie das aber überhaupt will, bleibt offen. Ist sie nicht einfach sehr genügsam mit ihrer Situation, nämlich dass sie im Sitzen Schneebälle formen kann. Und eben nicht wie bei den großen Kugeln, den Schnee mühsam umwälzen muss, die Kugel durch den Schnee rollen und mit ihr mitlaufen. Begriffe wie 'Arbeit' und 'Üben' sind Kategorien, die von uns Erwachsenen, in Lillis Spiel hinein interpretiert werden können. Ob sie aber tatsächlich mit dieser Absicht handelt, ist unklar. Im Gegenteil dazu wirkt Lillis Spiel, bei mehrmaliger Betrachtung, wohl eher entspannt und sinnlich. Sie wiederholt dieselben Bewegungen, drückt unermüdlich auf den Schnee. Bewegt ihn hin und her, von der einen Hand in die andere. Obwohl immer wieder Schnee an der Seite herunter fällt und vom Ball abbricht, wirkt sie nicht frustriert oder verbissen. Stattdessen macht sie emsig weiter, und nimmt mit einer schwungvollen Armbewegung neuen Schnee auf.
Lilli gestaltet insgesamt zwei Schneemänner, wirkt oft abgelenkt von den anderen Kindern, und steht im Mittelpunkt der Kamera. Sie ist in keinem Moment versucht, aufzustehen und mit den anderen Kindern Schlitten zu fahren, schwenkt aber ihren Kopf immer in die Richtung in der gerade etwas passiert oder jemand etwas ruft. Die filmende Erzieherin steht die ganze Zeit bewegungslos dabei und beobachtet sie mit der Kamera. Vielleicht wäre Lilli nicht so ausdauernd, dort in dem kalten nassen Schnee gesessen, wenn die Erzieherin nicht da wäre. Vielleicht würde ihr dann der soziale Kontext fehlen. Vielleicht erhält sie durch die Kamera die nötige Aufmerksamkeit um dort sitzen zu bleiben.
Lilli berichtet davon, dass sie größere Kugeln nur machen kann, wenn sie jemand anderes schon vorbereitet hat. Ob sie aber tatsächlich früher schon einmal eine größere Schneekugel gerollt hat, die jemand anderes angefangen hatte, oder ob sie nur beobachtet hat, wie man das macht, bleibt offen.
Lilli macht die Erfahrung, dass sie mit viel Kraftanstrengung kleinere Schneemänner formen kann. Außerdem macht sie die Erfahrung, dass andere Kinder größere Schneebälle und Schneemänner formen können. Vielleicht ist sie sich dessen auch bewusst, dass sie mit ihrer Technik (Schnee zusammen drücken im Sitzen) nur kleine Kugeln formen kann und für größere aufstehen müsste. Ihre Äußerungen über ihre kleinen Kugeln, im Vergleich zu den anderen, deuten darauf hin, dass sie sich mit anderen Kindern vergleicht bzw. misst, und ihre eigenen Fähigkeiten versucht einzuschätzen. Vielleicht möchte sie sich verbessern? Aus Lillis Kindersichtweise denkt sie aber wahrscheinlich gar nicht in Kategorien des Könnens, Übens und Verbesserns. Als sie ein anderes Kind sieht, welches auch einen Schneemann baut, erfährt das Spiel eine Wendung. Sie blickt auf, hält inne, und beginnt zu reden. Das erste Mal während ihrer gesamten Tätigkeit senkt sie ihre Arme nieder und macht eine Pause. Sie erzählt von ihren bisherigen Erfahrungen mit Schneeballformen und was sie bereits kann und was nicht.
Als Erwachsener kennt man die Angewohnheit, scheinbar nebensächlich an etwas herumzukneten oder zu formen, nur all zu gut. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob wir unsere erwachsene Sichtweise hier überhaupt auf Lilli übertragen können. Und ob es ihrer Handlung überhaupt gerecht wird? Ist Lilli nicht doch sehr vertieft in ihre Handlung? Macht sie auf uns den Eindruck als ob sie abgelenkt sei? Wenn ja, ist sie es wirklich? Macht Lilli nicht den Eindruck, als ginge sie einer sehr zufriedenstellenden Tätigkeit nach und genießt es dabei, herumzuschauen und die anderen Kinder einfach mal zu beobachten anstatt mitzumachen? Es scheint als ob Lilli diesen Moment der 2
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Was erfahren wir über das Kind? Wie deutet, versteht das Kind dieses Phänomen? Welche Angebote der Reflexion kann das Kind nutzen? Impulse, Anregungen zur Reflexion, Fragen, die man dem Kind stellen kann. Hinweise für weitere Angebote und Herausforderungen.
Was erfahren wir über das Kinderspiel?
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Muße und Ruhe benötigt und genießt. Erst als sie das andere Kind erblickt, wird sie aus ihrem „Traum“ herausgerissen. Sie erblickt ein anderes Kind, das genau dieselbe Tätigkeit macht oder zumindest dieselbe Absicht hat, nämlich einen Schneemann zu bauen.
Lilli scheint sich keinerlei Gedanken über die Beschaffenheit des Schnees zu machen, sondern genießt schlichtweg ihre wiederholende Tätigkeit. Sie weiß, dass sie Schnee zusammendrücken kann und daraus etwas formen kann, wie z.B. einen Schneemann. Sie scheint zunächst der Tätigkeit unreflektiert nachzugehen. Als sie dann aber das andere Kind erblickt, wird sie sich ihrer Situation bewusst. Sie sieht, wie jemand anderes das auch macht. Obwohl Lilli den Moment mit sich selbst genießt, wäre es interessant gewesen wie eine Zusammenarbeit mit einem anderen Kind ausgesehen hätte. Wie hätte sie sich im Umgang mit anderen Kindern verhalten? Hätte sie sich weiterhin vergleicht und ihr eigenes Können reflektiert. In diesem Spiel bleibt Lilli allein. Umso wichtiger erscheint es, Lilli zum einen dazu aufzufordern ihr Spiel zu reflektieren und zum anderen sich in den sozialen Spielraum einzubringen. Lillis Spiel zeichnet sich dadurch aus, dass sie scheinbar mit einer großen Zufriedenheit alleine spielt. Ihre Umgebung nimmt zwar an ihrem Spiel nicht teil, schenkt ihr aber viel Aufmerksamkeit. 3