Kieler Nachrichten – 2015.11.24 – Kultur – Die Stunde der Hunde Seite 1 von 1 Die Stunde der Hunde „Edgar – der Schrecken der Briefträger“ feierte eine umjubelte Premiere im Werftparktheater 2 Hinter all den tierischen Eigenheiten lassen sich kleine menschliche Schwächen entdecken. Von Beate Jänicke Kiel. Hundebesitzer wissen es längst: Der Hund ist auch nur ein Mensch. Was wohl auch einer der Gründe dafür ist, dass ein Musical mit Hunden als Hauptdarstellern so prima funktionieren kann als Projektionsfläche für Menschen ab sechs Jahren. Wie bei der Premiere von Edgar – der Schrecken der Briefträger im ausverkauften Werftparktheater vor begeistertem Publikum zu erleben war. Temperamentvolles Bühnengeschehen mit Hund Roy (Johanna Kröner), Hund Carlo (Julius Ohlemann), Hund Edgar (Fenja Schneider), Hund Manni (Dirk Stierand) und Christoph, dem Briefträger (Matisek Brockhues). © Olaf Struck „Ein Haus ohne Hund ist wie eine Dose Würstchen ohne Würstchen“, ist sich Rasserüde Carlo (schön versnobt: Julius Ohlemann) sicher. Und weiß sich darin einig mit seinen Kollegen aus den Nachbargärten: der durchtrainierten Boxerhündin Roy (unter Strom: Johanna Kröner) und Manni, dem Dackel, der viel lieber ein Pudel wäre (auf komischer Identitätssuche: Dirk Stierand). Sehr witzig und liebevoll setzt Autorin und Regisseurin Gertrud Pigor, die das Stück gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Musikkabarettisten Thomas Pigor, geschrieben hat, ihre tierischen Hauptfiguren in Szene. Dafür hat Ausstatterin Sibylle Meyer eine bunte handtuchschmale Reihenhaus-Welt mit eingebauten Überraschungseffekten wie einem multifunktionalen Maulwurfshügel gestaltet. Jeden der Hunde charakterisiert die Regisseurin als speziellen Typ, bei dem man hinter den tierischen Eigenheiten natürlich kleine menschliche Schwächen entdecken kann. Wie die Unsicherheit der ständig ihre Muskeln präsentierenden Roxy oder die Sehnsucht nach Schönheit des aufs Äußere so bedachten Manni oder Carlos Eingebildetsein auf seine Herkunft. Das Tagesritual der tierischen Truppe wird bestimmt von morgendlichen Schnüffeltouren, vor allem aber vom alltäglichen Kämpfchen mit dem Briefträger, den Matisek Brockhues mit stoischer Gelassenheit wie einen Verwandten von Jacques Tati auftreten lässt. Wunderbar anzusehen ist es, wie der Postbote in präziser Leichtigkeit (Choreografie: Helen Rosenthal) die Hunde-Clique einen nach dem anderen austanzt, um seine Briefe einzuwerfen, nicht ohne ihnen danach ein Würstchen zu gönnen. In diese abgezirkelte Welt dringt der neu in die Nachbarschaft gezogene Welpe Edgar (sprudelnd vor Übermut: Fenja Schneider) ein und mischt schon bald ihre Ordnung auf: „Die Welt geht hier hinten ja noch weiter!“ Der Postbote wird dank Edgars Abenteuerlust ausgetrickst, es schlägt die „Stunde der Hunde“. Aber die Freude währt nur kurz. Denn als die Drohne „Uwe 2.0“ den Post-Job übernimmt, merkt man erst, was für ein tolles Team Mensch und Hunde doch waren und wie viel Spaß man zusammen hatte. Zum Glück hat Edgar auch dazu eine Idee. Den gelungenen Soundtrack zum Musical liefert ebenfalls Thomas Pigor, gemeinsam mit Jan-Willem Fritsch. Und der ist weit mehr als simple Kindermusik, um ein paar Szenen zu untermalen. Da wird in Pigor-typischer, aber kindgerechter Weise Rap, Funk und Pop vermischt, um die Hundemeute und den Briefträger zum Singen und Tanzen zu bringen. Ein großer Kompliment an die Darsteller, die neben dem sehr physischen Spiel auch noch den Tanz und Gesang klasse wuppen. Bis zum märchenhaft glücklichen Ende nimmt das sowieso schon temperamentvolle Musical immer noch an Fahrt auf. Es sprudeln die skurrilen Einfälle. Da kann man nur sagen: Wau, äh, wow! Weitere Termine: 24. und 25.11., 10.30 Uhr; 29.11., 16 Uhr; Kartentel.: 0431 / 910 901; www.theater-kiel.de http://epaper.kieler-nachrichten.de/ 24.11.2015
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