Feuilleton regional 32 NUMMER 196 Sommerserie – Kultur aus der Kulturstraße Feuilleton kompakt Kulturstraße kompakt MOZART@AUGSBURG Morgen beginnt das Musikfestival in St. Ulrich Die Amerikaner in der Kulturstraße Mit einem reinen Mozart-Abend beginnt zum vierten Mal das Festival „Mozart@Augsburg“. Die Eröffnungsgala findet am Freitag, 28. August, um 19.30 Uhr in evangelisch St. Ulrich statt. Es spielen die Camerata Salzburg unter der Leitung von Alexander Schelley. Als Solisten sind Mojca Erdmann (Sopran) und Sebastian Knauer (Klavier) zu hören. Auf dem Programm stehen unter anderem Mozarts Konzertarie „Ch’io mi scordi di te?“, das Klavierkonzert Nr. 23 A-Dur KV 488, die Arie „Giunse alfin il momento“ aus dem Figaro und die Sinfonie Nr. 39 Es-Dur (KV 543). (AZ) LITERATUR IM BIERGARTEN Die vierte Lesung ist ausverkauft Der Literaturwissenschaftler Dirk Heißerer beschäftigt sich im Rahmen der „Literatur im Biergarten“ mit Bertolt Brecht und Karl Valentin und wie die beiden sich spontan mit Texten von Frank Wedekind, Alfred Lichtenstein, Klabund und Ringelnatz auseinandergesetzt haben. Musikalisch begleitet wird Heißerer von dem Duo „Take two“ mit Trompete und Saxofon. Die vierte und letzte Veranstaltung der diesjährigen „Literatur im Biergarten“ am Sonntag, 30. August, um 19 Uhr im Biergarten „Drei Königinnen“ in Augsburg ist ausverkauft. (AZ) LEOPOLD-MOZART-ZENTRUM Musik für Violoncello im Konzertsaal Der junge Cellist Yi-Hsun Chiu (Klasse Professor Julius Berger) gibt am morgigen Freitag, 28. August, um 19.30 Uhr im Konzertsaal des Leopold-Mozart-Zentrums (Maximilienstraße 59) ein Kammermusikkonzert. Auf seinem Programm stehen Werke von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert, Johannes Brahms und weiteren. Begleitet wird Yi-Hsun Chiu von Ayumi Janke am Klavier. (AZ) SCHWÄBISCHE GALERIE Sonntagsführung durch die Sonderausstellung Unter dem Titel „Hier – jetzt – heute“ präsentiert die Schwäbische Galerie im Volkskundemuseum Oberschönenfeld vier Künstler aus Schwaben, die sich in ihren Arbeiten mit der Gegenwart auseinandergesetzt haben: Dorothea Dudek, Christian Hof, Christian Hörl und Jo Thoma. Bärbel Steinfeld bietet am Sonntag, 30. August, um 15 Uhr eine Führung durch die Sonderausstellung an und erläutert die Absichten und Standpunkte der vier Künstler. Für die Führung ist keine Anmeldung nötig, als Kosten fällt der Museumseintritt an. (AZ) DONNERSTAG, 27. AUGUST 2015 Bis in die Dunkelheit hinein waren der junge Bertolt Brecht und Lechhausen ein Thema an unserem Schreibtisch. Fotos: Michael Schreiner, Richard Mayr An die Erdbeerfelder, den großen Hund des Gärtners Koch, der sie als Kinder verfolgte, wenn sie Früchte stibitzten: All das kam Erwin Grist, 78, wieder in den Sinn, als er so viel von der Kulturstraße las. Das Malergeschäft dort und der Karre, der ein Mordsspaßvogel war und regelmäßig Auftritte hatte – etwa auf der Kirchweih. Oder der Biergarten in der Kulturstraße, mit den Riesenkastanien. Dort hatten die Amerikaner nach dem Krieg ihre Panzer und Lkw stehen. Als Kinder sind sie vor der Schule zu den Soldaten gerannt, um Bonbons oder Schokolade zu bekommen. Als Grist sich eines Tages wie gewöhnlich am Lastwagen hochzog und durch die Scheibe schaute, bekam er den Schrecken seines Lebens, wie er sagt. „Ich sah meinen ersten Neger“, erzählt Grist, der damit so gar nicht gerechnet hatte. „Ich rannte schreiend nach Hause und heulte.“ Erst später realisierte er, dass die ihm vertrauten Soldaten abgelöst worden waren. (mls,rim) Nachtschicht mit Bertolt Brecht Serie Der Buchhändler Kurt Idrizovic erzählt an unserem mobilen Schreibtisch, wie wichtig der Lech für den jungen Dichter war. Radfahrer grüßen, Mädchen lachen und eine Frau ruft: „Ist das schön“ VON MICHAEL SCHREINER UND RICHARD MAYR Zwei Teenies gehen vorbei, schauen rüber und tun, was junge Mädchen so tun: Sie lachen und können gar nicht mehr aufhören zu lachen. Es dämmert in der Kulturstraße, der Himmel ist wolkenlos, Windstille. In einem offenen Fenster ein Mann, der raucht, aus der Ferne das Scheppern von leeren Flaschen im Glascontainer. An einem solchen Abend wäre der junge Brecht vielleicht drüben am Lech gesessen mit einem Mädchen oder seinen Kumpanen im „Haselgestrüpp des Lechrains“. Davon erzählt gerade der BrechtFreund, Buchhändler, gebürtige Lechhauser und Literaturliebhaber Kurt Idrizovic an unserem mobilen Schreibtisch in der Kulturstraße. Es gibt Wein aus Plastikbechern. Viele Besucher sitzen auf Stühlen, die Nachbarn schnell herbeigeschafft haben, weil unser Mobiliar für den Andrang wieder einmal nicht ausreicht. Vorbeiradelnde grüßen und sind leicht irritiert. So viele Leute, die sich am Straßenrand niedergelassen haben, an einem Dienstagabend – das gab’s so noch nicht in der Kulturstraße, sagen auch Leute, die schon 35 Jahre hier wohnen. Bert Brecht und Lechhausen: Davon erzählt Idrizovic, der seine halbe Brecht-Bibliothek mitgebracht hat, in der Kulturstraße. Überall Markierungen und bunte Einmerker. Wie wichtig der Lech und seine Landschaft für den jungen Dichter war, der sich zwischen Wolfzahnau, Griesle und Birkenau herumtrieb, das belegt der Buchhändler mit Zitaten aus Brechts Werk, aber auch aus Briefen seiner Freunde und Erinnerungen des Bruders Walter. Mit Leidenschaft und ohne falsche Ehrfurcht vor dem großen Dichter entwirft Kurt Idrizovic das Augsburg Brechts. „Na, wo hat er’s her? Da, vom Lech“, ruft der Literaturerzähler in die Runde und deutet Richtung Fluss. Aus Brechts Tagebuch zitiert er, wie der junge Dichter festhielt, wie viele Stunden er wieder am Lech gesessen und gearbeitet habe. Und gleichsam aus dem vorbeifließenden Lech stieg die Inspiration auf … „Im bleichen Sommer, wenn die Winde oben/ Nur in dem Laub der großen Bäume sausen/ Muss man in Kultur aus der Der Augsburger Brecht-Freund, Literaturliebhaber und Buchhändler Kurt Idrizovic erzählte vom jungen Brecht und Lechhausen. In der Sommerserie ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 11 bis 15 Uhr in der Kulturstraße in Augsburg zu finden. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und versuchen, vor Ort eine Zeitungsseite zu produzieren. Flüssen liegen oder Teichen“, zitiert Idrizovic aus einem Gedicht. „Ist das schön“, ruft eine Frau aus und hält sich beide Hände kurz vor das Gesicht. Ach ja, und es wird noch schöner. Brecht und die Mädchen und das Gestrüpp am Lech… Von des jungen Bert Brechts Job als „Bootschupfer“ auf der Kahnfahrt („das ist kein Ausbildungsberuf!“) erzählt der Buchhändler so beseelt, als wäre er damals dabei gewesen. Draußen wird es langsam dunkel. Von irgendwoher aus der Tiefe der Kulturstraße kommt ein Mann, der sich als Spanier vorstellt. Er müsse auch gleich wieder zurück nach Spanien, sagt er in eher osteuropäisch gefärbtem Englisch – aber für einen Becher Rotwein reiche seine Zeit … Der Abend unter der Birke, die nun keinen Schatten mehr wirft, klingt aus wie ein Nachbarschaftstreffen. Stimmengewirr. Leute, die seit Jahren hier wohnen, sich aber nicht kannten, lernen sich kennen. Brecht hat das Schlusswort in der Kulturstraße. Der Schluss seines Gedichts „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“ passt gut zu diesem Abend: „Am besten ist’s, man hält’s bis Abend aus/ Weil dann der bleiche Haifischhimmel kommt/ Bös und gefräßig über Fluß und Sträuchern/ Und alle Dinge sind, wie’s ihnen frommt.“ In der Kulturstraße auf jeden Fall. Erwin Grist hat ein Album dabei mit Bildern des alten Lechhausen. Kultur, das sind zum Beispiel auch Hüte Der Kulturbegriff, der müsse weit gefasst werden, findet die Augsburgerin Ursula Brenner. An unseren Schreibtisch in der Kulturstraße ist sie mit zwei Hüten gekommen, die die Lechhauser Modistin Doris Limmer angefertigt hat, raumgreifende und ausgefallene Modelle. „Das gehört doch auch zur Kultur“, sagt sie. (mls,rim) Ursula Brenner mit zwei Modellen der Lechhauser Hutmacherin Doris Limmer. Streng und galant Mit Countrymusik in den Sonnenuntergang Orgelmusik Georg Staudacher in St. Ulrich Konzert Die Straßenmusiker „Katze mit Bart“ im Raben Biergarten VON STEPHANIE KNAUER Organist Georg Staudacher beschäftigt sich mit historischer Aufführungspraxis und das hörte man auch. Der 26-Jährige studiert in München Orgel und Kirchenmusik und absolviert zudem noch ein Medizinstudium an der Münchner Universität. Am Montag spielte er im Rahmen der 30-Minuten-Reihe in der Ulrichsbasilika ein Soloprogramm mit Renaissance- und Barock-Stücken. Dabei erhielt jedes der drei gespielten Werke seine charakteristischen Registerfarben samt differenziertem Spiel. Der Nürnberger RenaissanceKomponist Johann Stauden klang in seinem „Aufzug à 4“ nach kräftigfestlichem Schreiten, das in der Mitte von einem tänzerischen Dreiertakt abgelöst wurde. Das Stück von Nicolas de Grigny wirkte typisch französisch, streng und doch galant. Die zierlichen Triller erinnerten daran, dass der Rokoko in Versailles erfunden wurde. Die Solostimme war mal im Bass, mal im Diskant zu finden. Staudacher beeindruckte mit farbigen Registern, schmückenden Ornamenten und einer bravourösen Kunstfertigkeit an Pedal und Manualen. Weil Bach ein Bewunderer de Grignys war, schloss sich sein BWV 532 in D folgerichtig an. Das Präludium begann mit einer gefürchteten Tirata im Pedal. Staudacher führte sie musikalisch sinnig zum Ziel. Die Klangfarben waren strahlend, das Tempo war passend gewählt. Nach dem kurzen Bruch in Moll folgte das freudig rotierende Fugenthema, das sich kulminierend im Pedal wiederfand – auch hier begeisterte Staudacher mit Souveränität und einer Formung zum prachtvollen Gewoge. Der Beifall war entsprechend begeistert. VON ERIC ZWANG-ERIKSSON Im Juni im Pow Wow, im Neruda Café und als Vorprogramm beim Lechflimmern, im Juli bei Modular Youngstars und beim Perpeto Mobile Festival am Ammersee, im August beim Augsburger Kultstrand und schließlich im Raben Biergarten: Können das noch Straßenmusiker sein? Den Status gibt sich trotz der vielen Konzerte die Augsburger Band „Katze mit Bart“. Und sie hat Recht damit, denn der Flair von Straßenmusik umgab das Trio auch auf der Bühne des Raben. „Wir sind Straßenmusiker und besprechen oft spontan, was wir als nächstes spielen. Das gleiche könnte auch heute Abend passieren“, erklärte Gitarrist Simon während des Konzertes im prallvollen Biergarten des Kulturhauses Abraxas. Es passierte aber selten. Was indes den straßenmusikalischen Charakter un- terstrich, war die sorglose Spielfreude der drei Protagonisten. Der guten alten Americana, also der traditionellen amerikanischen Folk Music, hat sich die Band verschrieben. Zwar standen Traditionals ebenso auf dem Programm wie Songs von Bob Dylan oder – gleich mehrfach – Johnny Cash, doch wandelte sich selbst „Swing Low Sweet Chariot“ unter der freudvollen Bearbeitung von Mebel (Gesang, Mandoline), Simon (Gesang, Gitarre) und Peter (Kontrabass) zum mitrei- Mebel (links) und Simon erinnerten in ihrer Art zu singen an das Country-Traumpaar Johnny Cash und June Carter. Foto: Zwang-Eriksson ßenden Country Hit. Schwungvoll interpretierte das Trio unvergessene Melodien wie „It Ain’t Me Babe“, „Jackson“ und „500 Miles“. Die von der Band selbst kreierten Songs fügten sich nahtlos ein in den Country-Kosmos mit klitzekleinen Ausflügen in den Bluegrass. Besonders beeindruckend funktionierte die archetypische Zweistimmigkeit der beiden Vokalisten. Tatsächlich erinnerten Mebel mit ihrem leicht nasalen, sehr amerikanisch artikulierten Sopran und Simon mit seinem angenehm schnurrenden Tenor an das Traumpaar Johnny Cash und June Carter. Die Darbietung der drei Augsburger Musiker hatte wohl nur eines im Sinn: Das Publikum auf leichte Art prachtvoll zu unterhalten. Und das tat Katze mit Bart zweifelsohne. Mit charmanter Countrymusik in den Sonnenuntergang geleitet zu werden, war etwas Besonderes.
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