Erinnerungen an Haste aus meiner Jugendzeit Friedrich Hardinghaus Erinnerungen an Haste aus meiner Jugendzeit herausgegeben von Wido Spratte H. Th. Wenner ISBN 3-87898-379-4 © H. Th. Wenner 2002 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopie, Nachdruck, Bildentnahme, Übersetzung, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Inhalt Vorwort · · · · · · · · · · · · · · · · · · 7 Mein erster Schultag · · · · · · · · · · · · · 17 De graute School · · · · · · · · · · · · · · 20 Wie ich als Knabe Fronleichnam im Dom erlebte 27 Die Kapelle auf Gut Nette · · · · · · · · · · 31 Das Familiengebet unserer Eltern · · · · · · · 38 Beim Kühehüten · · · · · · · · · · · · · · 40 Im Dome zu Osnabrück · · · · · · · · · · · 44 Mein Erstkommuniontag · · · · · · · · · · 51 Tante Drütken · · · · · · · · · · · · · · · 55 Das alte »Gewitterbook« · · · · · · · · · · · 61 Das Zweite Gesicht · · · · · · · · · · · · · 66 Eine alte Ansichtskarte erzählt · · · · · · · · 71 Aus dem Revolutionsjahre 1848 · · · · · · · · 72 Schmett Baller · · · · · · · · · · · · · · · 75 Gerd Drämmel · · · · · · · · · · · · · · · 79 De graute Wispel · · · · · · · · · · · · · · 82 De olle Brömstrup · · · · · · · · · · · · · 86 Piepen Willem · · · · · · · · · · · · · · · 88 Haukappen Franz · · · · · · · · · · · · · · 90 Michel un sien Dwassfoot · · · · · · · · · · 94 Die älteste und jüngste Kirche im alten Sachsenlande · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 99 Erläuterungen · · · · · · · · · · · · · · · 104 Abbildungsverzeichnis · · · · · · · · · · · 120 Literatur · · · · · · · · · · · · · · · · · 120 Vorwort 7 Vorwort In landschaftlich reizvoller Lage liegt östlich von Gut Nette und in unmittelbarer Nähe eines alten Flußüberganges die Hofanlage Hardinghaus. Nur der Östringer Weg trennt ihn vom Lauf der Nette, die von hier, zwischen grünen Wiesen aus dem Nettetal kommend, am nahen Kloster vorbei der Nackten Mühle entgegenfließt. Schön ist vom Hof der Blick in die Runde: zum Turm der Klosterkapelle, auf den bewaldeten Rücken des Haster Berges und weiter seitlich über uraltes Haster Bauernland zu Steinen eines Hünengrabes und dem Giebel des Meiers zu Oestringen. Der Hof Hardinghaus gehörte ursprüglich zum Gut Honeburg. Von dort wurde er durch Baron Ostman von der Leye in Pacht vergeben. Im 19. Jh. gelangte die Anlage in den Besitz der Familie Hardinghaus. 1906 wurde das in Fachwerk erbaute Haupthaus in Bruchstein neu errichtet. Später erfuhr die Hofanlage mehrere Veränderungen durch zusätzliche Wirtschaftsgebäude. Dabei wurde über dem Eingang des 1909 errichteten östlichen Schuppens ein alter geschnitzter Balken eingelassen, der Hinweise auf das Baujahr des früheren Haupthauses gibt und gleichzeitig den damaligen Erbauer nennt: »Anno 1716 Henrich Harenhausz und Enggel Negengerd sine Hauszfrauwe haben dieses Hausz aufrichten laszen Den 4. Junius«. Aus dieser Zeit erhalten geblieben ist ein Backhaus. Das in schönem Fachwerk ausgeführte Gebäude wurde, wie bei vielen Hofanlagen, nicht in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses errichtet, damit ein möglicher Brand nicht übergreifen konnte. Der Bau diente später Wohnzwecken und wurde darum in seinem Innern verändert. Er birgt 8 Vorwort Dechant Friedrich Hardinghaus (26. 6. 1877 - 13. 10. 1946) aber immer noch Reste des gemauerten alten Backofens. 1916 gehörten zum Grund des Hofes 44 Hektar fruchtbares Saat- und Ackerland. -—— Hofbesitzer Ferdinand Hardinghaus wurde am 6. Oktober 1879 geboren. Er war, wie schon sein Vater, Bürgermeister und in Haste zugleich letzter Gemeindevorsteher. Seine Amtszeit stand an den Schnittstellen des Wechsels vom ländlichen Vorort zum Stadtteil und von der Weimarer Republik zu Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg. Die Amtszeit endete am 1. April 1940 mit Eingliederung der Gemeinde Haste in den Stadtbezirk von Osnabrück. Ferdinand Hardinghaus starb am 26. Mai 1945, als eine bewaffnete Bande befreiter russischer Gefangener den Hof überfiel. Heute bewirtschaftet ein Enkel den traditionsreichen Hof seiner Vorfahren, und die Hardinghausstraße erinnert an Hastes letzten Bürgermeister und an das alte Bauerngeschlecht. Friedrich Hardinghaus, Verfasser der vorliegenden Erinnerungen, wurde am 26. Juni 1877 geboren und war ein älterer Bruder von Ferdinand. Wie dieser verbrachte er Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Hof und wuchs so in einer Familie auf, die tief im christlichen Vorwort 9 Wertebewußtsein und bester bäuerlicher Tradition selbstbewußt verwurzelt war. Das gemeinsame Gebet mit Eltern, Knechten und Mägden, der sonntägliche Kirchgang zu Fuß von Haste zum Dom in Osnabrück, die Teilnahme an Fronleichnams- und Bittprozessionen waren so selbstverständlich wie Einsaat und Ernte, wie Regen und Sonnenschein. Der Hof Hardinghaus unterschied sich hier kaum von den anderen bäuerlichen Familien in Haste. Nicht umsonst würden große Teile der Haster Bevölkerung Jahrzehnte später dem Nationalsozialismus gegenüber eine erstaunliche Immunität beweisen. Friedrich Hardinghaus besuchte zunächst die Haster Volksschule. Danach wechselte er zum Gymnasium Carolinum. Nach dem Abitur folgte das Theologiestudium in Freiburg und Münster. Im Jahre 1900 ermöglichte ihm das Stipendium von Verwandten die Teilnahme an einer Reise ins Heilige Land, wo er zusammen mit vielen anderen deutschen Katholiken die Grundsteinlegung für die Dormitio-Kirche (»Heimgang Mariens«) miterleben durfte. Nach dem Besuch des Priesterseminars wurde Friedrich Hardinghaus am 22. Februar 1902 im Osnabrücker Dom durch Bischof Hubertus Voss zum Priester geweiht. Die feierliche Heimatprimiz fand ebenfalls im Dom statt, der seit Jahrhunderten für die Haster Katholiken zuständige Gemeindekirche war. Seine erste Pfarrstelle erhielt der junge Priester als Kaplan an der Schloßkapelle in Matgendorf, nordöstlich von Güstrow. Die kleine Kirche gehörte zur Pfarre Rostock. Hier blieb er vier Jahre. 1906 wurde Friedrich Hardinghaus nach Bremen berufen. In der Hanse- und Hafenstadt sollte er bis zum Ende seines Lebens als überaus engagierter und zugleich weltoffener Geistlicher segensreich tätig sein. Zunächst betreute er als leitender Seelsorger die Gemeinde St. Marien in Bremen-Valle. 1914 berief ihn Bischof Berning zum Pastor primarius der Pfarrei St. Johann in Bre- 10 Vorwort Die Bremer Propsteikirche St. Johann mit dem Davidsstern im Giebel men-Altstadt mit der 1380 erbauten gotischen Hallenkirche St. Johann. Nach Gründung des Dekanates Bremen - hier hatten die Bestimmungen des preußischen Konkordates von 1930 eine Rolle gespielt - wurde er zum Dechanten ernannt, bei gleichzeitig verliehenem Ehrentitel eines Päpstlichen Geheimkämmerers. Der vorbildliche Seelsorger war in der Öffentlichkeit ein kluger Vertreter kirchlicher Interessen. In mühevoller Arbeit und mit viel diplomatischem Geschick gründete Pfarrer Hardinghaus in Bremen unter schwierigen Bedingungen fünf weitere Gemeinden: St. Josef in Oslebshausen, St. Elisabeth in Hastedt, Herz-Jesu in Huckelriede, St. Nicolaus in Gröpelingen und St. Georg in Horn. Das St.-Johannis-Waisenhaus, Theresienheim, St.-Elisabeth-Haus und besonders das St.-Josefs-Stift sind Zeugen seiner caritativen Sorge und Liebe für Kinder, Alte, Kranke und Gefährdete. Die Namen dieser Häuser und Einrichtungen werden auch in Zukunft mit dem Namen Hardinghaus verbunden sein. Als am 21. Oktober 1934 in seiner Heimat Haste die Christus-König-Kirche konsekriert wurde, gehörte er Vorwort 11 zu den Ehrengästen und zu den Geistlichen, die zusammen mit dem Bischof nach einer Prozession durch die geschmückte Bramstraße unter Glockengeläut und den feierlichen Klängen des Tedeums in das neue Gotteshaus einzogen. Nach der Regierungsübernahme durch Adolf Hitler machte sich Friedrich Hardinghaus über die Zukunft der Kirchen im nationalsozialistischen Deutschland von Anfang an keine Illusionen. Als man ihn aufforderte, den großen Davidsstern, oben im Außengiebel seiner Propsteikirche St. Johann, zu entfernen, weigerte er sich und argumentierte hanseatisch: Bremen sei eine internationale und für seine Weltoffenheit bekannte Hafenstadt. Katholische Seeleute aus aller Herren Länder kämen nach Bremen. Viele von ihnen würden diese Kirche mit dem Symbol kennen und gerne wiedererkennen. Es sei daher unklug und nicht opportun, das Zeichen zu beseitigen. Der Dechant hatte Erfolg. - Das alttestamentliche Symbol des Hauses David und königlichen Psalmendichters blieb am Giebel und überdauerte das »Tausendjährige Reich«. Während des Zweiten Weltkrieges erlebte Dechant Hardinghaus die fast völlige Zerstörung Bremens durch alliierte Bombardierungen, die Schikanen und Bedrängnisse der Nationalsozialisten, Not und Tod seiner Gemeinde und die Beschädigungen der Pfarrkirche St. Johann. Friedrich Hardinghaus starb am 13. Oktober 1946 in Bremen. »Weit über den Rahmen seiner Gemeinde hinaus schätzte, verehrte und liebte man ihn wegen seiner hohen Eigenschaften an Geist und Herz.« hieß es auf dem Totenzettel. Das feierliche Pontifikal-Requiem fand in der überfüllten Christus-König-Kirche seiner Heimatgemeinde statt. Bischof Wilhelm Berning würdigte dabei den Menschen und Priester in einer ergreifenden Predigt. 12 Vorwort Hof Hardinghaus am Östringer Weg Nach eigenem Wunsch wurde Friedrich Hardinghaus neben seinen Geschwistern auf dem Haster Friedhof beigesetzt. —— Die hier vorgelegten Erinnerungen sind nicht datiert. Sie entstanden aber wahrscheinlich in den dreißiger Jahren, einzelne Teile wohl auch erst 1940, als Hardinghaus die Texte zusammenfaßte und für Freunde und Verwandte in einfacher Technik vervielfältigte. Ein erhaltenes Exemplar befindet sich im Besitz der Familie Hardinghaus, die es dem Herausgeber gern für diese Buchausgabe zur Verfügung stellte. Drei Abschnitte erschienen 1934 und 1940 im Kirchenboten bzw. Bistumskalender. Der historisch interessierte Pastor hatte schon in den zwanziger Jahren in der Kirchenzeitung Ansgarius Aufsätze zur Geschichte der katholischen Gemeinde in Bremen veröffentlicht. Den zeitlichen Rahmen der Erinnerungen an Haste bilden die Jahre etwa ab 1883 bis 1940. Einige Kapitel, Vorwort 13 Blick vom Haster Berg auf die Umgebung der Christus-KönigKirche um 1934 wie der Text zum Revolutionsjahr 1848, greifen allerdings auch schon weit davorliegende Begebenheiten auf. —— Bis in die Mitte des 19. Jh. war die Bevölkerung der Gemeinde Haste landwirtschaftlich geprägt. Neben den beiden Gütern Honeburg und Nette gab es die Besitzer der großen Höfe, einige Neubauern, Erb- und Markkötter sowie zahlreiche Heuerleute, deren Broterwerb seit Jahrhunderten die bäuerliche Arbeit war. Daneben fanden einige Handwerker wie Holzschuhmacher, Müller, Schmiede und Stellmacher in der Gemeinde ihr Auskommen. Seit dem 16. Jh. gab es in Haste etwas Wollund Leinenweberei. Auch in der Kohlenzeche des Piesberges mag schon der eine oder andere Heuerlingssohn gearbeitet haben. Wichtige Geschäfte und Einkäufe wurden im nahen Osnabrück getätigt. Hierher ging oder fuhr man auch zum sonntäglichen Gottesdienst, zu Kindtaufen, Hochzeiten, Prozessionen und anderen kirchlichen Feiern, weil die katholische Bevölkerung, 14 Vorwort wie schon erwähnt, zum Domkirchspiel gehörte. Evangelische Christen bildeten in Haste eine Minderheit. Sie gehörten kirchlich zu St. Marien in Osnabrück. Die Bevölkerungszahlen stiegen etwa von der Mitte des 19. Jh. stark an: Zählte man 1821 nur 359 und 1876 bereits 1320 Einwohner, war die Zahl im Jahre 1900 auf 1924 angestiegen. Schon um 1880 kaufte die Gemeinde ein Gebäude auf der Netter Heide, um es als Armenhaus einzurichten. Friedrich Hardinghaus schildert in seinen Erinnerungen eine Zeit, in der es noch »Originale« gab, und das nicht nur in Haste. Er schrieb sie als katholischer Geistlicher. So nehmen auch Schilderungen von religiösen oder kirchlichen Ereignissen einen relativ breiten Raum ein. Seine Texte sind aber nie frömmelnd, nie nur persönlich, wehmütig oder sentimental. Sie beweisen dagegen viel augenzwinkernden Humor, oft einen Hauch von Poesie und starke Bindungen an seine Heimat, in der die Wurzeln des Bauernsohnes lagen und mit der er sich bis an sein Lebensende tief verbunden fühlte. Weilte Friedrich Hardinghaus an freien Tagen auf dem elterlichen Hof, gesellte er sich gern zu Jungen, die auf abgeernteten Feldern Kartoffelfeuer angezündet hatten und in der Glut Kartoffeln rösteten. Die Erinnerungen können und wollen keine genaue Darstellung der Bauerschaft Haste jener Zeit sein. Ihre einzelnen Kapitel sind aber liebenswert gezeichnete Bilder, die sich im eilenden Wasser der Nette spiegeln. Erfrischende plattdeutsche Zitate reichern die Texte an und beleben sie. Platt war in Haste damals Umgangssprache und den Kindern so selbstverständlich wie die Holzschuhe an ihren Füßen. Hochdeutsch lernten sie in der Kirche und in der Schule. Die Texte wurden ungekürzt übernommen und vom Herausgeber durch ausgewähltes Bildmaterial ergänzt. Erläuterungen und Hinweise zu den einzelnen Kapiteln finden sich im Anhang des Buches. Wido Spratte 15 Und jedesmal, wenn ich die beiden Glocken in ihrem schönen Zusammenklang höre, wird mir das Herz warm. Dann steigen Jugenderinnerungen in mir auf, dann wird alles lebendig um mich herum. Dann sind die Wege nach Gut Nette belebt. Vom Kuhlenkampe und der Oestringer Mühle, vom Hone und vom Haster Berg, vom Haster Esch und der Dodesheide kommen die Kirchgänger, zum Teil in Holzschuhen und mit großen seidenen Umschlagtüchern ... Friedrich Hardinghaus Mein erster Schultag 17 Mein erster Schultag Weihnachten hatte das Christkind schon eine Schiefertafel und einen Griffelkasten gebracht. Der Kasten war von Buchenholz mit einem Schieber darauf. Oben auf dem Deckel war eine bunte Blume gemalt. Im Kasten lagen zwei schöne Griffel, zur Hälfte mit buntem Papier umhüllt. Dieses war das Zeichen dafür, daß ich Ostern zur Schule mußte. Ich dachte mir nicht viel dabei und hatte weder Angst noch besonderes Verlangen nach der Schule. Es war eben ein unabwendbares Schicksal, daß man zur Schule mußte und darum wurde es mit Gleichmut hingenommen. Meine Eltern waren auch nicht so töricht, uns mit den Schlägen, die wir dort bekommen würden, zu drohen. Wenn es nötig war, griffen sie selber zum Stock. Vom älteren Bruder wurde mir einmal der Lehrer für die Schulneulinge gezeigt. Dieser war Jäger. Als er in der Nähe unseres Hofes an einem Hasen vorbeischoß, sagte mein Bruder: »Süh mal da, dat is neichstens dien Schommester!« Ich wußte schon, vorbeischießen kann jeder Jäger, aber daß es mein zukünftiger Lehrer auch tat, war für mich eine gewisse Beruhigung. Weiter aber quälte uns der Gedanke an die Schule nicht. Wir hatten so viel in den Scheunen, Ställen, auf dem Hofe und im Walde zu tun und, sobald es wärmer wurde, auch in dem klaren Wasser der Nette, so daß wir an die Schule kaum dachten. Am ersten Schultage wurden wir nicht von der Mutter begleitet, uns winkte auch keine große Tüte mit Bonbons. Wir bekamen einen sauberen Anzug von derbem, aber sehr haltbarem Drillichstoff, wurden sauber gewaschen und mit guten Ermahnungen, uns artig zu betragen, auf den Weg geschickt. 18 Mein erster Schultag Das erste Haster Schulgebäude von 1783 Als ich mich anzog, kam mein Vater mit dem Knechte in die Stube. Sie hatten »Holskestieweln« an, ein etwas klobiges, aber sehr praktisches Schuhwerk, das bei Arbeiten im Nassen unentbehrlich war. Es waren Holzschuhe mit langen Lederschäften. Mein Vater sagte zu mir: »Mach man zu! Elise kommt schon durch den Esch!« Elise war ein Nachbarsmädchen und Verwandte, die ebenfalls zum ersten Mal zur Schule mußte. Wir trafen bald andere Nachbarskinder, auch solche, die schon ein oder mehrere Jahre den Weg gemacht hatten. Diese brachten uns ins Klassenzimmer und schoben uns auf einen Platz. Als der »lütke Schommester« hereinkam - er war größer als der »graute Schommester«, das machte aber nichts, er war eben der »lütke«, weil er die kleinen Kinder unterrichtete - gab es zunächst ein Umsetzen, denn es waren mehr Jungen als Mädchen da. Die Jungenbänke konnten nicht alle fassen, und so mußte etwa ein Dutzend von uns auf die Mädchenseite herüber. Darunter war ich. Ich weiß noch, wie mich das wurmte. Ich Gerd Drämmel 79 Gerd Drämmel Er hieß mit Vornamen nicht Gerhard, sondern Heinrich. Er hieß auch nicht Drämmel, sondern sein Name war einer der in Haste am meisten vorkommenden Hausnamen, darum gab man ihm einen Zunamen. Weil sein Vater Gerd hieß, war er Gerd sein Drämmel. Der Zuname oder Spitzname wurde nicht als Schimpf aufgefaßt. Gerd war ein hochgeachteter Mann, hilfsbereit, klug, ein tüchtiger Handwerksmeister. Er selber nahm es auch nicht übel, wenn man ihn so anredete, manche kannten ihn nur unter diesem Namen. Gerd war Drechsler von Beruf. Seine Werkstatt hatte er in der Kegelbahn einer sehr bekannten Gaststätte in der Nähe der Volksschule eingerichtet. Die Wirtschaft war ganz neu aufgebaut, danach wurden die Räume im alten Gebäude für ihn frei. Später wurde mit dem alten Hause und der Kegelbahn noch eine Rangerhöhung Drehbank mit Trittrad, wie sie ähnlich auch von Gerd Drämmel benutzt wurde. 80 Gerd Drämmel Haus Lesemann (Hintergrund), in dem Gerd Drämmel nach dem Bau der Gaststätte Osterhaus (links) seine Drechslerwerkstatt hatte. Später wurde das Gebäude erstes Haster Gemeindebüro. vorgenommen: Sie wurden zum ersten Haster Gemeindebüro. Jetzt steht von den Gebäuden keines mehr. Gern gingen wir in die Werkstatt. Es waren hauptsächlich Spinnräder, die neu gemacht oder repariert wurden. Besonders angetan hatte es uns die Drehbank. Es machte viel Vergnügen und war schön anzusehen, wenn die Späne flogen. Wir hatten uns die Mechanik so gut angesehen, daß wir Jungen später zu Hause auch eine Drehbank, zwar primitiv, aber funktionierend, nachbauen konnten. Das Erste, was wir drehten, waren Eier aus Birkenholz. Es machte tausend Spaß, wenn die Hühner darauf hereinfielen und sie für richtige Eier annahmen. So ganz nebenbei war Gerd Drämmel Musiker. In der beliebten Bergmannskapelle strich er die große Baßgeige. Auf allen Festlichkeiten der Umgebung mußte die Kapelle spielen. »Opa«, ein in Haste bekanntes Original und ganz besondere Nummer für sich, hatte die Musiker zu kutschieren. Wenn jemand fehlte, nahm Opa Horn, Trompete oder Tuba, setzte sich zwischen die Gerd Drämmel 81 »Auf allen Festlichkeiten der Umgebung mußte die Kapelle spielen.« - Bergwerkskapelle des Piesbergs, in der auch Gerd Drämmel musizierte. Musiker und mimte tüchtig mit. Blasen tat er aber nie, weil er von Musik nichts verstand. In einem regnerischen Sommer war wochentags, wenn geerntet werden sollte, regelmäßig schlechtes Wetter. Aber sonntags, wenn die Schützenfeste und Kirmessen waren, schien die Sonne prächtig und warm vom blauen Himmel. Als mein Vater zu Opa einmal sagte: »Ihr Kerls habt doch immer Glück mit dem Wetter«, da antwortete dieser: »Fennand, dat kannst du us to gläuben, van Johr hält unse Herrgott mit dem Janhagel to.« Einmal kam Gerd Drämmel in mein Elternhaus. Mutter sagte: »Kumm, du kannst woll mit us fröhstücken, dat hest du lange nich mehr daun.« »Oh, dat doh ick jeden Morgen.« »Neh, ick meene, bie us nich.« Eines Tages saß ein Bauer in der Werkstatt und sah zu, wie Gerd eine Spinnradflucht machte. Das ist eine Gabel von Buchenholz, die den Faden dreht und zugleich aufspult. Beim Einsetzen der eisernen Haken, die den Faden führen müssen, sprang die Flucht kaputt. 82 De graute Wispel »Wat makest du nu?« fragte der Bauer aufgeregt. Gerd antwortete ganz ruhig: »Eene nie.« Als Gerd die Kegelbahn aufgab und sich etwas entfernt vom Orte anbaute, sprach zu ihm der Lehrer ganz ernstlich: »Herr M., wenn Sie man keinen dummen Streich machen. Hier in Haste haben Sie viel Arbeit gehabt. Wenn die Kunden da hinten man nicht ausbleiben und Sie keine Arbeit behalten.« »Ach, Herr Lehrer«, antwortete er ganz bedächtig, »darauf habe ich mein ganzes Leben lang fingeliert, eine Stelle zu bekommen, wo ich nicht mehr zu arbeiten brauche, das könnte mir darum gerade so passen.« Die alte Werkstatt ist abgebrochen und der gute Meister tot, - wieder ein Haster Original dahin. De graute Wispel Es gab nicht nur einen grauten, es gab auch einen lüttken Wispel. Beide waren Brüder und Heuerlinge des Gutes Nette. Der eine wohnte auf dem Südhange des Haster Berges, der andere an der Südseite des Rosterberges, das Nettetal trennte sie. Der Name »Wispel« war nicht ihr Familienname, sondern ein Zuname, weil viele Leute im Orte den gleichen Namen trugen. Und warum gerade »Wispel«? Niemand wußte das zu sagen; verächtlich war er nicht gemeint. Beide Brüder waren fleißig und hochachtbare Leute. Vom grauten Wispel möchte ich erzählen. Wie der Name schon sagt, war er groß und ging ein ganz klein wenig vornübergebeugt. Langsam sprach er, ruhig und bedächtig. Er hatte ein gütiges, aber durchdringendes Auge und wohnte an dem genannten Berghang in einer kleinen Senke, die eine Quelle aufwies. Der Wald kam an sein Haus heran, aber durch intensiven Fleiß drängte er ihn zurück und schuf Ackerland, wie es die Zister- De graute Wispel 83 Haus Am Haster Berg Nr. 29. Hier wohnte bis etwa 1908 »de graute Wispel«. ziensermönche im Mittelalter nicht besser hätten machen können. Stolz ackerte er mit seinen beiden Kühen. Das Haus war umstanden von Obst-, Kirsch- und Walnußbäumen, unter denen der Brunnen lag. Vor dem Hause standen oder hingen oft Käfige, in denen Vögel oder Eichhörnchen gehalten wurden. Als ich mir vor einigen Jahren einmal wieder die schöne Waldecke ansehen wollte, wo der alte Wispel gewohnt hatte, da staunte ich. Noch stand das Haus; die alten Bäume hatten sich sehr gelichtet. Ganz nahe bei seinem Hause und in einer Waldecke, die der alte Wispel noch selber ausgerodet hatte, stand eine Villa, ein Holzgebäude in alpenländischem Schweizer Baustil. Hatte mein Vater nicht oft gesagt, wenn wir durch den Haster Berg gingen und Wispels Haus sahen: »Hier könnte sich ein Millionär gut ein Schloß bauen.« Wenn der Bau auch etwas bescheidener ausgefallen war: Das erträumte schöne Haus als Herrensitz stand dort. Und siehe: Am 84 De graute Wispel »Ganz nahe bei seinem Hause und in einer Waldecke, die der alte Wispel noch selber ausgerodet hatte, stand eine Villa, ein Holzgebäude in alpenländischem Schweizer Baustil.« - Haus des Kaufmannes Ferdinand Schnettler am Haster Berg. Waldrande sah ich in Gedanken den grauten Wispel gehen, wie wir ihn so oft getroffen hatten, wenn wir mit Vater am Haster Berge gingen. Irgendwo, zwischen Haster Berg und Oestringer Mühlenteich, war er zu finden. Von ihm konnte man mit dem Dichter sagen: »Er trieb sich aller Wegen, Gebirg und Tal entlang. Kein Sturm und auch kein Regen, verleidet ihm den Gang.« Auch wenn er stehen blieb, hatte er sein Auge überall. Er sah den Gegenüberstehenden kaum an, sondern der Blick ging ständig suchend umher. Wir freuten uns auf diese Begegnungen mit ihm, denn immer wurde dabei Schönes erzählt, von Vieh, vom Wind, von Hunden und vom Wald. Erläuterungen zu »Schmett Baller« (Seite 75) 113 der Oldenburger Landstraße, dem späteren Anwesen der Familie Boberg. Bei Entstehung der Ansichtskarte war Conrad Schürmann Schmiedemeister und Wirt. In seinem Gastzimmer hing folgender Spruch: In dieser Schänke, wo wir sind, ließ Sachsenherzog Wittekind sein edles Pferd beschlagen, als er ritt zur Burg in Schagen. Das Schmiedehaus wurde später abgebrochen und auf der gegenüberliegenden Seite, an der Einmündung der jetzigen Straße Im Hone wieder aufgebaut. Das für Haste historisch so interessante kleine Gebäude beherbergt heute einen Holzhandel und befindet sich in beklagenswertem Zustand. Aus dem Revolutionsjahr 1848 (Seite 72) Im Jahre 1848 tagte in der Frankfurter Paulskirche die erste deutsche Nationalversammlung. Die liberalen Ideen und revolutionären Strömungen dieser Zeit erschütterten auch das Königreich Hannover und hinterließen auch in der Bevölkerung Osnabrücks und seiner ländlichen Umgebung ihre Spuren. Schmett Baller (Seite 75) Schmiede und Wohnhaus von Schmett Baller haben wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Waldfriedhofes Dodesheide gestanden. Dieser Grund gehörte ursprünglich den Jesuiten des Carolinums. Das ganz in der Nähe gelegene »Carolinger Holz« erinnert noch immer an den »alten Klosterwald«. »benaut«: beklemmend, ängstlich Schwedenschanze: Sie verläuft zwischen Ellerstraße und Vehrter Landstraße. Der Blick auf Osnabrück ist heute durch die Siedlungen in der Dodesheide fast gänzlich verbaut und beschränkt sich fast nur noch auf die Sicht des Iduna-Hochhauses und die Spitze des Katharinenkirchturmes. 114 Erläuterungen zu »Gerd Drämmel« (Seite 79) Ab 1905 ließen Bauer Hardinghaus und die benachbarten Höfe ihre Arbeiten und Reparaturen in der Schmiede Johannes Bensmann anfertigen. Gerd Drämmel (Seite 79) Gaststätte in der Nähe der Volksschule: Gaststätte Osterhaus, zu der früher auch eine Kegelbahn gehörte (heute Kaffeehaus und Landhaus-Hotel). »... und so wurden die alten Räume für ihn frei.«: Gemeint sind Räumlichkeiten im Hause Lesemann, zu denen auch eine Gaststätte und ein kleiner Saal gehörten. (Hier fanden übrigens 1875 die ersten Proben des M.G.V. Liedertafel statt.) Nach dem Bau der Gaststätte Osterhaus wurden die Räumlichkeiten für Gerd Drämmels Werkstatt frei. Bis zu seinem Abriß war das Gebäude Hastes erstes Gemeindebüro. Das Haus stand auf dem heutigen Eberleplatz. Bergmannskapelle: »Piesberger Bergwerks Capelle 1890«. Sie probte wahrscheinlich im »Berghaus«, der späteren Gaststätte Steinkamp-Sandmann an der Oldenburger Landstraße. Noch 1958 wurden vom Instrumentenbauer Goswin Spratte zwei abgegriffene Blasinstrumente (Tuba und Helikon) repariert, die eindeutig aus Haste stammten und um die Zeit von Gerd Drämmel und »Opa« in Gebrauch gewesen sein müssen. »Fennand, dat kannst du us to gläuben, van Johr hält use Herrgott mit dem Janhagel to.«: Ferdinand, das kannst du mir glauben, in diesem Jahr hält unser Herrgott es mit diesen zusammengelaufenen Leuten. De graute Wispel (Seite 82) Wispel hieß mit seinem richtigen Namen Johann Heinrich Wallenhorst. Rosterberg: Alte Bezeichnung für den Höhenrücken, über den heute die Vehrter Landstraße verläuft. Wispels Gebäude hat, wenn auch umgebaut, die Zeiten überdauert. Es ist heute das Haus Am Haster Berg Erläuterungen zu »Piepen Willem« (Seite 88) 115 Nr. 29, dessen liebevoll restaurierte Ostseite noch immer an den alten Fachwerkbau und den »grauten Wispel«, erinnert. »... Holzgebäude in alpenländischem Schweizer Baustil.«: Wohnhaus des Holzhändlers Ferdinand Schnettler. Das eindrucksvolle Gebäude in bemerkenswerter Holzarchitektur an einem schönen Hang trägt heute die Nr. 37 der Straße Am Haster Berg. »Et giff kein graut Lock.«: Es gibt kein großes Loch. »Junge, segg ick, du miggst nich reggen ut,«: Junge, sagte ich, du pinkelst da nicht zu Ende. Wispel starb um 1908. De olle Brömstrup (Seite 86) Brömstrup wohnte an der linken Seite der heutigen Straße Im Hone (Blickrichtung Ruller Straße), kurz vor der Lechtinger Grenze und oberhalb der Karlsteine. Fastnachtsmontag: Rosenmontag »Brömstrup hielt den einzigen Ziegenbock in der ganzen Umgebung.«: Im Jahre 1900, also etwa ein Jahrzehnt nach der von Friedrich Hardinghaus erzählten Geschichte, meckerten noch immer 419 Ziegen in Haster Ställen und Bretterverschlägen (belegt in amtlicher Viehzählung). »Seepen, Seepen, wat schall ick dormet. Wasken, wasken scha’k mi auk noch? Du hess di olle Dage schrappet un schürt un hess kein Spier Hoahre mehr upp’n Koppe. Süh, ick heff se olle noch.«: Seife, Seife, was soll ich damit. Waschen, waschen soll ich mich auch noch? Du hast dich alle Tage rasiert und gescheuert und hast kein einziges Haar mehr auf dem Kopfe. Sieh, ich habe sie alle noch. »Wat bin ich bien ollen Brömstrup to gange kuom,«: Was bin ich beim ollen Brömstrup zugange gekommen. Piepen Willem (Seite 88) Willem hieß mit seinem richtigen Namen Wilhelm Haucap. 116 Erläuterungen zu »Haukappen Franz« (Seite 90) »Jä! Piepen Willem is nu auk daude.«: Ja, Piepen Willem ist nun auch tot. »He sprang do jüst herut.«: Er sprang da gerade heraus. »Ick göng dür de Bursk Kuhlen, dor satt do een Hasen. Ick fiäge em mit minen Stock so quer öwer de Rippen, de Wulle stauf doraf, ower jä, den Düwel göng he.«: Ich ging da durch die Sandsteingruben der Bauerschaft, da saß da ein Hase. Ich schlug ihm mit meinem Stock quer über die Rippen. Die Wolle stob ab, aber zum Teufel ging er. »Willem, wat hest du schuoten?«: Wilhelm, was hast du geschossen? »Puer! Hier sitt eener!«: Bauer! Hier sitzt einer! »Puer, Puer! Do sitt he!«: Bauer, Bauer! Da sitzt er! Haukappen Franz (Seite 90) Die verbliebenen Reste des Hofes Haukap gegenüber dem Anwesen Hardinghaus lassen heute kaum noch die Größe des einstigen bäuerlichen Besitzes erkennen. Der Vollerbe war ursprünglich dem Osnabrücker Domkapitel hörig. 1877 kam der Hof an Gut Nette, dessen Besitzer damals die Familie von Böselager war. Danach wurde das Anwesen an den Förster des Gutes, Hermann Goldkamp, verpachtet. Seine Nachfahren bewirtschafteten Hof Haukap in mehreren Generationen. 1890 wurde das baufällig gewordene Haupthaus abgerissen, eine große Scheune zum Wohnhaus umgebaut und auch die anderen Gebäudeteile in der Folgezeit stark verändert. Als 1925 der Bischöfliche Stuhl Gut Nette kaufte, erwarb er damit gleichzeitig das Anwesen Haukap. Seit 1990 nutzt die Fachhochschule Osnabrück in Pacht die alte Hofstelle und ihre 40 Hektar Saatland als landwirtschaftlichen Versuchsbetrieb. Das aus der Frühzeit des Hofes zunächst erhalten gebliebene alte Backhaus, es war zu Lebzeiten von Hau- Erläuterungen zu »Michel un sien Dwasfoot« (Seite 94) 117 kappen Franz schon fast dreihundert Jahre alt, fiel noch 1961 einem Abrißbagger zum Opfer. »Franz, wat makest du do in’ne Furchen?«: Franz, was machst du da in der Furche? »Ick lure den Kerl up, wecke de Arbeet erfunen häff. Ick woll hem de Jack gehörig vull hobben!«: Ich laure dem Mann auf, der die Arbeit erfunden hat. Ich möchte ihn gehörig durchhauen. »... daß die Nachbarn bei einem Nachbarn Totenwache hielten.«: Das Zusammenkommen von Nachbarn und Verwandten am Sarg eines Verstorbenen, um dort zu beten (z. B. den Rosenkranz), ist auch heute noch in vielen Gemeinden des Osnabrücker Landes guter Brauch. »Laut den Kerl heeten, wo he will. Seggt man Bitte für uns.«: Laßt den Kerl heißen, wie er will. Sagt man Bitte für uns. Wiemen: Räucherkammer »... ein bekannter Armenhäusler.«: Um 1880 kaufte die Gemeinde das Gebäude des Neubauern Bohle auf der Netter Heide und richtete es als Armenhaus ein. »De Schnook breckt ut!«: Der Schnook bricht aus! Michel un sien Dwasfoot (Seite 94) Der Hof Michel am Krümpel gehörte zu den ältesten bäuerlichen Anwesen in Haste. Seine Besitzer waren Vollerben und in alter Zeit Lehnsmänner des Osnabrücker Domkapitels. Der Grund des Bauern zählte zum besten Saatland in Haste. Am Ende des 19. Jahrhunderts war der Hof verschuldet. 1884 wurde er durch Baron Ostman von der Leye aufgekauft und verpachtet. Letzter Pächter war die Familie Franz Vogt. Nach über siebenhundertjähriger bäuerlicher Bewirtschaftung wurde der Michelhof bei Gründung der Höheren Gartenbauschule 1949 an die Stadt Osnabrück verkauft, die 1960 das alte Haster Bauernhaus abreißen ließ. Heute erinnern nur noch einige 118 Erläuterungen zu »Die älteste und jüngste Kirche« (Seite 99) alte Eichen an Michel un sien Dwasfoot und an die Familie Franz Vogt. Bei den Texten über Michel erinnern manche Begebenheiten, - z. B. die Geschichte, in der Dwasfoot als feiner Herr kutschiert wird und der Ritt in ein Gasthaus, an Geschichten und Legenden vom »tollen Bomberg« des Münsterlandes. Weniger bekannt wurde, daß Bauer Michel den Männergesangverein Liedertafel in den ersten Jahren nach der Gründung finanziell förderte. »Kumm hier! Dien Geld!«: Komm her! Dein Geld! »Wowiet hört et mien?«: Wieweit gehört es mir? »Bur, dat wick di seggen, dat preußische Geld giww eenen grauten Haupen; aber et is riewe uppe.«: Bauer, das will ich dir sagen, das preußische Geld gibt einen großen Haufen; aber es ist schnell ausgegeben. »Met ollen Klocken werd do lutt, wenn düsse Kerl ut Haste tuht.«: Mit allen Glocken wird da geläutet, wenn dieser Kerl aus Haste zieht. Die älteste und jüngste Kirche (Seite 99) Kirchweih in Haste: Gemeint ist die ChristusKönig-Kirche, deren Konsekration am 21. Oktober 1934 durch Bischof Wilhelm Berning stattfand. Dabei gehörte Dechant Hardinghaus zu den Ehrengästen. Alte Kirche in Wallenhorst: In ihr werden nach sorgfältiger Restaurierung heute wieder gottesdienstliche Feiern abgehalten. Kreuz im Hone: Es befindet sich, in Richtung Wallenhorst gesehen, auf der linken Seite der Oldenburger Landstraße etwa 200 Meter vor der Überführung der B 68. Die eingemeißelte Inschrift lautet: »Hoc loco Caroli Magni temporibus primam in hac regione missam celebratam esse antiquitus traditum est.« (An dieser Stelle wurde zur Zeit Karls des Großen, wie von alters her überliefert ist, die erste Messe in dieser Gegend gefeiert.) Karlsteine: Sie gelten als Deutschlands schönstes Großsteingrab. Die sagenumwobene Anlage aus verwitterungsbeständigem Piesberger Kohlesandstein Erläuterungen zu »Die älteste und jüngste Kirche« (Seite 99) 119 befindet sich auf der rechten Seite der Oldenburger Landtstraße, dem Kreuz im Hone schräg gegenüber. Friedhof am Haster Berg: Er wurde schon vor dem Bau der Kirche angelegt. Die erste Beisetzung fand hier im Mai 1926 statt. Der »neu ernannte Pastor der Gemeinde« war Wilhelm von Euch. Er wurde am 24. Juni 1885 in Meppen geboren und kam 1922 als Seelsorger nach Haste, um hier den Bau der Christus-König-Kirche vorzubereiten und durchzuführen. Wilhelm von Euch starb am 8. März 1942. Figur am Außengiebel der Kirche: Sie stammt aus der Werkstatt des Bildhauers Holtmann. Die Inneneinrichtung der Kirche mit den reifsten Arbeiten Ludwig Noldes sollte zehn Jahre später zwar die Explosionen schwerer Sprengbomben überstehen, nicht aber die Eingriffe nach der Liturgiereform. »Ich mußte an den ersten Heuerling des Elternhofes denken ...«: Joseph Haucap, der Küster von Gut Nette. Die evangelischen Christen Hastes gehörten kirchlich zu St. Marien in Osnabrück. Am 28. Oktober 1952 wurde die Paul-GerhardtKirche durch Landessuperintendent Brandt eingeweiht. Erste evangelische Pastoren in Haste waren Heinz Kestner und Gerhard Brünig. 120 Für freundliche Hilfe und Unterstützung bedankt sich der Herausgeber besonders bei: Johannes Bensmann, Agnes Bolte, Lisa Flake, Horst Frankenberg, Friedrich Hardinghaus, Gerd Heit, Monika Hoor, Reimar Jungmann, Michael Marx, Ferdinand Osterhaus, Clemens Freiherr Ostman v. d. Leye, Ferdinand Schnettler, Hans-Georg Spratte, Theresia Stallkamp, Wilhelm Tacke, Ursula Teepe, Bernhardine Wallenhorst Abbildungsverzeichnis Archiv Christus-König-Gemeinde: 102; Agnes Bolte: 8; Hermann H. Brinkmann: 46; Familie Gerding: 60 (Ölgemälde), 89; Friedrich Hardinghaus: 12, 39, 59; Junkers Luftbild: 28; Rudolf Lichtenberg: 49, 57, 103; Horst Marx: 96; Karl Ordelheide: 91; Hedwig Ostman von der Leye: 13 (Gouache-Zeichnung); Ferdinand Schnettler: 84; Goswin Spratte: 36, 64, 81; Hans-Georg Spratte: 30, 43; Johann Spratte: 41 (Bleistiftzeichnung); Peter Spratte: 98; Wilhelm Tacke: 10; Bernhardine Wallenhorst: 83; Aloys Wurm: 101; Wido Spratte: alle übrigen Literatur Bischöfl. Generalvikariat (Hrsg.): Handbuch des Bistums Osnabrück, bearbeitet von Paul Berlage, Osnabrück 1968 Jäger, Helmut: Das Bistum Osnabrück, Bd. 3, Kehl 2001 Kirchenbote für das Bistum Osnabrück, Ausgabe November 1946 Langer, Panke-Koschinske, Spilker: Clubs, Cafés und Knappschaftsbiere, Bramsche 1993 Lorenz-Flake, Wilma: Schmied im Hone, in: Heimat-Jahrbuch Osnabrücker Land 1988 Spratte, Johann: 50 Jahre Christus-König-Kirche, Osnabrück 1984 Spratte, Wido: Osnabrück-Haste, Chronik eines Stadtteils, Osnabrück 1993 Stredelmann, Wilhelm: Festschrift zur Einweihung des Neubaus der Kath. Volksschule Osnabrück-Haste, Osnabrück 1967 Tacke, Wilhelm: Wann kam der Davidsstern an den Giebel? in: Mitteilungen des Vereins für Niedersächsisches Volkstum, Heft 136, 1995 Vom Bruch, Rudolf: Die Rittersitze des Fürstentums Osnabrück, Osnabrück 1982
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