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A. VERSAMMLUNGSRECHT
GLIEDERUNG
I. Allgemeines: Grundrecht der Versammlungsfreiheit/sonstige gesetzliche Grundlagen
II. Was ist eine Versammlung?
III. Anmeldung einer Versammlung
IV. Gang des Verfahrens
V. Rechtsmittel gegen Versammlungsverbote und Auflagen
VI. Rechte und Pflichten der Beteiligten
VII. Polizei bei Versammlungen
I. Allgemeines: Grundrecht der Versammlungsfreiheit/sonstige gesetzliche Grundlagen
1. Art. 8 Grundgesetz

Wortlaut Art. 8 GG:
(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne
Waffen zu versammeln.
(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz
oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“

Schutz- und Abwehrrecht: richtet sich gegen den Staat und alle Träger öffentlicher Gewalt;
Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen in das Grundrecht, sich zu versammeln;
aber: nicht nur Schutzrecht gegenüber dem Staat, sondern auch gegenüber Veranstalter
(Teilnahmerecht an Versammlungen!)
Leistungsrecht gegenüber dem Staat: Verpflichtung des Staates zum Schutz der
Versammlungsfreiheit
→ Staat hat Versammlungen vor Störungen zu schützen
→ Verpflichtung des Staates, öffentliche Verkehrsflächen zur Verfügung zu stellen und
Versammlungen unter freiem Himmel notfalls durch Verkehrsumleitungen, Absperrungen etc.
zu ermöglichen!

Auch „Nicht-Deutsche“ dürfen sich frei und friedlich versammeln, Art. 2 GG, Art. 11 EMRK
(Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit aller Menschen)

Recht auf Versammlungsfreiheit wird nicht schrankenlos gewährt (Art. 8 II GG) →
Bundesversammlungsgesetz (VersammlG); Versammlungsgesetze der Länder
2. Versammlungsgesetz des Bundes/Versammlungsgesetze der Länder

Föderalismusreform 2006: Länder erhielten die Möglichkeit, das VersammlR in eigener
Zuständigkeit zu regeln

Davon Gebrauch gemacht haben: Bayern, Berlin (in Teilbereichen), Niedersachsen, Sachsen,
Sachsen-Anhalt

In den übrigen Bundesländern gilt nach wie vor das VersammlG

Versammlungsgesetze regeln Rechte und Pflichten von Veranstaltern, Versammlungsleitern,
Teilnehmern und den jeweils zuständigen Behörden; sie enthalten außerdem Straf- und
Bußgeldvorschriften.
II. Was ist eine Versammlung?
1. Definition

Begriff weder im GG noch im VersammlG definiert

BayVersG: V. ist Zusammenkunft von mind. 2 Personen zur gemeinschaftlichen, überwiegend
auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder
Kundgebung, Art. 2 I BayVersG.

Versammlung ist laut BVerfG: örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zwecks
gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgabe mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen
Meinungsbildung.

Ziel der Zusammenkunft: Einwirkung auf öffentliche Meinungsbildung  Versammlung (+)

Abgrenzung zu anderen Veranstaltungen oder Menschenansammlungen wichtig: nur
Versammlung genießt Schutz des Versammlungsrechts
2. Versammlungen unter freiem Himmel, §§ 14 ff. VersammlG

Abgrenzung Versammlung/reiner Infostand:
Aufstellung eines Infostandes genießt für sich genommen nicht Schutz des
Versammlungsrechts!
Wann „Versammlung am Infotisch“ vorliegt, im Einzelnen strittig
BVerwG: auch dann keine Versammlung, wenn Stand der Verteilung politischer Schriften
durch mehrere Personen dient
Dem ist nicht zuzustimmen; deshalb: wenn am Infotisch nicht nur einseitig Informationen
unterbreitet werden, sondern von anwesenden Personen kollektive Meinungsäußerung
abgegeben wird (Verteilen von Flyern, Spruchbänder, Banner, Redebeiträge, Aktionstheater
etc.)  Versammlung (+)

Privatgrundstücke: kein Recht auf freie Versammlungen
 Was ist mit Flughäfen, Bahnhöfen etc.?
 Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 22. Februar 2011 - 1 BvR
699/06):
Staat kann sich Grundrechtsbindung nicht entziehen; wird das private Grundstück von einem
öffentlich-rechtlichen Träger gehalten, unterliegt dieser der Grundrechtsbindung aus Art. 8 I
GG; bei einer Minderheitenbeteiligung der öffentlichen Hand besteht Verpflichtung auf
privaten Mehrheitseigentümer Einfluss auszuüben, damit Versammlung ermöglicht wird.
3. Versammlungen in geschlossenen Räumen

Unterliegen einem höheren Schutzrecht als Versammlungen unter freiem Himmel

Bestimmter bzw. bestimmbarer Personenkreis kann von vorne herein ausgeschlossen werden

Vortrag beschäftigt sich mit Versammlungen unter freiem Himmel
III. Anmeldung einer Versammlung
1. Anmeldung durch den Veranstalter

Versammlungen sind erlaubnisfrei, SIE BEDÜRFEN KEINER GENEHMIGUNG!

Versammlungen unter freiem Himmel sind anmeldepflichtig, § 14 VersammlG

Anmeldepflicht trifft den Veranstalter (= wer öffentlich zur Teilnahme an Versammlung
aufruft, sie organisiert und die Verantwortung übernimmt)

Bei mehreren Organisatoren genügt Anmeldung durch einen Mitorganisator

Veranstalter grds. Versammlungsleiter; kann Leitung aber auf andere Person übertragen
2. Zuständige Behörde

Zuständigkeit richtet sich nach Landesrecht

Zuständigkeiten im Einzelnen:
Baden-Württemberg Kreispolizeibehörden
Bayern Kreisverwaltungsbehörden
Berlin Polizeipräsident
Brandenburg die Polizeipräsidien
Bremen die Ortspolizeibehörden
Hamburg die Behörde für Inneres
Hessen die Kreis- bzw. in Gemeinden ab 7500 Einwohner die örtliche Ordnungsbehörde
Mecklenburg-Vorpommern die Polizeipräsidien
Niedersachsen Polizeidirektion in Braunschweig und Hannover, sonst Landkreise, kreisfreien
Städte, die großen selbstständigen Städte und die selbstständigen Gemeinden
Nordrhein-Westfalen Kreispolizeibehörden
Rheinland-Pfalz örtliche Ordnungsbehörden
Saarland die Landkreise, der Stadtverband Saarbrücken bzw. die der Landeshauptstadt, in
unaufschiebbaren Fällen die Vollzugspolizei
Sachsen Kreispolizeibehörden
Sachsen-Anhalt Landkreise und die kreisfreie Stadt Dessau, in Halle und Magdeburg
Polizeidirektionen
Schleswig-Holstein Kreisordnungsbehörden
Thüringen die Kreisverwaltungsbehörden
3. Anmeldefrist/Form der Anmeldung

48 h vor der ersten Bekanntgabe, § 14 I VersammlG:
Bekanntgabe ist Mitteilung des Veranstalters von Zeit, Ort, Thema der Versammlung an
bestimmten/bestimmbaren oder unbestimmten Personenkreis

Bei Fristberechnung werden Samstage, Sonn- und Feiertage grds. nicht mitgerechnet

Besondere Form der Anmeldung nicht vorgeschrieben: Anmeldung kann persönlich,
telefonisch, schriftlich (auch per Mail oder Fax) erfolgen; ratsam: Zugang der Anmeldung
sollte nachgewiesen werden können

Sonderfall: Eilversammlung  Anmeldefrist gilt nicht, wenn bei Einhaltung der Frist der mit
der Versammlung erfolgte Zweck nicht erreicht werden kann  Verkürzung der Anzeigefrist
(sp. bei Bekanntgabe)

Sonderfall: Spontanversammlung (Abgrenzung zur Eilversammlung im Einzelfall schwierig)
in BY: es fehlt ein Veranstalter  keine Anmeldepflicht!

Rechtsfolge bei vorsätzlicher (!) Verletzung der Anzeigepflicht:
§ 26 Nr. 2 VersammlG: Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (verfassungsrechtlich
bedenklich)
In BY: Herabstufung zur OWi, Art. 21 I Nr. 7 BayVersG (nur noch mit Bußgeld bedroht)
4. Erforderliche Angaben

§§ 14, 25 Nr. 1 VersammlG: Gegenstand der Versammlung (Versammlungsthema);
Versammlungsleiter (Name, Anschrift); Ort, Zeit.

Empfehlenswert: stellvertretender Versammlungsleiter; Lautsprechereinsatz und sonstige
Hilfsmittel

Unvollständige Anmeldung: Behörde kann notwendige Ergänzungen verlangen; Versammlung
kann aber nicht verboten werden

Wird Versammlung wesentlich anders durchgeführt als angegeben  § 25 Nr. 1 VersammlG:
Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe
IV. Gang des Verfahrens
1. Kooperationsgespräch

Kooperationsverpflichtung der Behörde (in einigen Ländern - bspw. BY – mittlerweile
ausdrücklich gesetzlich geregelt)

BVerfG: Kommunikation zwischen Beteiligten soll im Rahmen der Vorbereitung und
Durchführung einer Versammlung für deren reibungslosen Ablauf unter Beachtung der
Bedeutung der Versammlungsfreiheit sorgen; Erörterung versammlungsrechtlicher und
organisatorischer Fragen, Lösung von Konflikten

Veranstalter nicht zur Kooperation verpflichtet  Nichtteilnahme führt aber zum Absinken
der Eingriffsschwelle!
2. Verbot und Auflösung von Versammlungen

Präventivverbot, § 15 I VersammlG: nur im Einzelfall; nur unter sehr engen Voraussetzungen
(wenn konkrete Gefahr für Rechtsgüter vorliegt, die dem Recht der Versammlungsfreiheit
mind. ebenbürtig sind; Leben, Gesundheit)

Auflösung nach Beginn, § 15 III VersammlG: ebenfalls nur unter engen Voraussetzungen (z.B.
Versammlung nimmt gewalttätigen Verlauf, aus der Versammlung heraus werden Straftaten
verübt)
3. Auflagen durch die Behörde, § 14 I VersammlG
Auflage/Beschränkung: dem Veranstalter wird ein gewisses Tun oder Unterlassen zur Pflicht gemacht

Behörde kann (Ermessen; Abwägung) Durchführung der Versammlung von Auflagen abhängig
machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar
gefährdet ist
 Beschränkungen müssen erforderlich und geeignet sein, die Gefahren zu verhindern,
denen sie begegnen sollen und sich auf das zum Schutz von Rechtsgütern unbedingt
notwendige Maß unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
beschränken

Versammlungsrechtliche Praxis der letzten Jahre: es werden standardisiert bestimmte und
zunehmend gleichlautende Auflagen erlassen

Nicht zulässig; erforderlich ist konkrete Gefährdung; diese muss genau bezeichnet sein; für
Vorhandensein dieser Gefährdung müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen; bloße
Vermutungen genügen nicht; es muss genaue Gefahrenprognose für Einzelfall angestellt
werden

Jede einzelne Auflage stellt selbstständig einen belastenden Verwaltungsakt dar und ist
selbstständig angreifbar
4. Beispiele für unzulässige Auflagen
Ausschließlicher Marschweg durch unbewohnte Stadtteile
Zeitliche Verlegung anlassbezogener Versammlungen auf anderen Tag
Verbot des Verteilens von Flugblättern, Verbot von Transparenten
Einschränkungen der Lautstärke insofern, dass nur Versammlungsteilnehmer angesprochen werden
Abhängigmachen des Lautsprechereinsatzes von der Anzahl der Teilnehmer
Verbot des Zeigens sog. „Schockbilder“
Tatsächlich unmögliche Auflagen, wie z. B. Straßenverkehr darf nicht beeinträchtigt werden
Auflagen für die Zeit vor Beginn oder nach Beendigung der Versammlung (z.B. Transparente etc.
dürfen vor und nach der Versammlung nur eingerollt transportiert werden)
Auch allg. Handlungsanweisungen wie „Den Weisungen von Polizeibeamten ist Folge zu leisten“ oder
die Wiedergabe gesetzlicher Pflichten sind unzulässig (letztere stellen keine eigene Regelung auf eine
konkrete Versammlung dar und beruhen nicht auf einer konkreten Gefahrenprognose)
V. Rechtsmittel gegen Versammlungsverbote und Auflagen
1. Rechtsmittel vor Durchführung der Versammlung

Bundesländer mit Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO):
Widerspruch gegen Auflagenbescheid (Form: schriftlich oder zur Niederschrift bei der
Behörde, die den Bescheid erlassen hat; Frist: binnen eines Monats ab Bekanntgabe),
Widerspruch entfaltet keine aufschiebende Wirkung, wenn Sofortvollzug angeordnet wurde
(regelmäßig der Fall), § 80 II Nr. 4 VwGO → Bescheid ist trotzdem vollstreckbar
Daher Antrag beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung erforderlich (Eilrechtsschutz) (schriftlich), § 80 V VwGO

Bundesländer ohne Widerspruchsverfahren (z.B. BY, NRW):
Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Aufhebung der Beschränkung
(Anfechtungsklage) (schriftlich, binnen eines Monats ab Bekanntgabe des
Auflagenbescheids), § 74 VwGO +
Antrag beim zuständigen Verwaltungsgericht auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
der Klage (weil die Behörde in der Regel den Sofortvollzug angeordnet hat), § 80 V VwGO
(Eilrechtsschutz)

Auflagenbescheid muss Rechtsmittelbelehrung enthalten

Folgen der Eilentscheidung des Gerichts: Der Beschluss des Gerichts entfaltet seine
Schutzwirkung grundsätzlich bis zur Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts bzw. bis zur
rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache (BVerwGE 78, 192, 208; OBG Weimar NVwZRR 1999, 698; VGH Mannheim DÖV 1970, 684; S/S/B/Schoch VwGO § 80 Rn 536;
Sodan/Ziekow/Puttler VwGO § 80 Rn 172). Wird allerdings die Anfechtungsklage in erster
Instanz abgewiesen, verliert der Beschluss gem. § 80b VwGO vorzeitig seine Schutzwirkung.
Die Schutzwirkung endet dann bereits drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen
Rechtsmittelbegründungsfrist (§ 80b Abs 1 S 1 und 2 VwGO). Mit Eintritt der
Unanfechtbarkeit bzw. Rechtskraft in der Hauptsache sowie mit Ablauf der in § 80b Abs. 1 S 1
VwGO genannten Frist wird der Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO gegenstandslos. Er bedarf
keiner förmlichen Aufhebung (Sodan/Ziekow/Puttler VwGO § 80 Rn 172).
2. Rechtsmittel nach Ende der Versammlung
•
Feststellungsklage, § 43 I VwGO
•
Fortsetzungsfeststellungsklage: Antrag auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit
von Auflagen, § 113 I 4 VwGO
Vss.en: Wiederholungsgefahr oder Rehabilitationsinteresse
VI. Rechte und Pflichten der Beteiligten
1. Versammlungsleiter

Kann bei Versammlungen unter freiem Himmel nach Beginn der Versammlung nicht neu
bestimmt werden

Versammlungsleiter hat für die Einhaltung der erteilten Auflagen zu sorgen, kann insofern
Weisungen erteilen

Kann Versammlung unterbrechen oder beenden; ist Versammlung beendet, endet
Verantwortung des Versammlungsleiters

Straftaten: z.B. Fortsetzung der Versammlung trotz Auflösung, § 26 Nr. 1 VersammlG;
Durchführung trotz Verbots, § 26 VersammlG; wesentliche Abweichung von der Anmeldung,
§ 25 Nr. 1 VersammlG

Ordnungswidrigkeit: z.B. entsandten Polizeibeamten die Anwesenheit zu verweigern oder
ihnen keinen angemessenen Platz einzuräumen, § 29 Nr. 8 VersammlG
2. Ordner

Helfen Versammlungsleiter bei Durchsetzung der auferlegten Pflichten; handeln stets
weisungsgebunden

Dürfen nur ehrenamtlich tätig sein, müssen volljährig sein und weiße Armbinden mit der
Aufschrift „Ordner“ tragen

Einsatz von Ordnern kann bei Anmeldung beantragt werden; Behörde kann Ordnereinsatz
auch mittels Auflage bestimmen

Anzahl der eingesetzten Ordner muss mitgeteilt werden, Namen müssen nicht genannt
werden (entsprechende Auflage ist unzulässig)
3. Versammlungsteilnehmer

Nur Teilnehmer unterliegen dem Schutz der Versammlungsfreiheit!

V.teilnehmer: wer sich im Versammlungsraum aufhält, um sich der Versammlung
anzuschließen; Nicht erforderlich: zustimmende Teilnahme

Polizisten in Ausübung ihres Dienstes: keine V.teilnehmer

Störer: grds. ebenfalls Teilnehmer; A: wer sich ausschließlich mit dem Zweck betätigt, die
Versammlung zu verhindern, zu sprengen oder ihre Durchführung sonst zu vereiteln

V.teilnehmer haben zulässigen Weisungen des V.leiters zu folgen

Straftaten: z.B. Sprengen der Versammlung, §21 VersammlG; Führen von Waffen,
Schutzwaffen, Vermummung, §27 VersammlG

Ordnungswidrigkeiten: Nichtbefolgen von Auflagen, § 29 I Nr. 3 VersammlG; fortgesetztes
Stören, § 29 I Nr. 4 VersammlG; Mitführen von zur Vermummung geeigneten Gegenständen,
§ 29 I Nr. 1a) VersammlG; Nichtverlassen der Versammlung nach Auflösung oder Ausschluss,
§ 29 I Nr. 2 bzw. 5 VersammlG
4. Ausschluss von Versammlungsteilnehmern (bei Versammlungen unter freiem Himmel)

Teilnahmerecht besteht auch ggü. Veranstalter und V.leiter und beinhaltet Recht,
abweichende Meinung kundzutun

Nur Polizei kann V.teilnehmer ausschließen!

Dem berechtigten Ausschlussverlangen des Versammlungsleiters muss Polizei entsprechen

Ausschlussverlangen berechtigt, wenn Ordnung gröblich gestört wird (wenn Störung
Unterbrechung, Behinderung, Auflösung der Versammlung bezweckt oder zur Folge haben
kann)

Sonderfall: Umgang mit Nazis
VII. Polizei bei Versammlungen
1. Polizei bei Versammlungen

Anwesenheitsrecht

Beamte (auch in zivil) müssen sich dem Versammlungsleiter zu erkennen geben; müssen sich
ausweisen

Polizeifestigkeit des Versammlungsrecht: allgemeines Polizeirecht nicht anwendbar; es gilt
ausschließlich Versammlungsrecht (gilt auch für andere gesetzliche Regelungen, z.B. StVO)

Schließt nicht aus, dass zum Schutz gleichwertiger Rechtsgüter, zur unmittelbaren
Gefahrenabwehr und zur Straftatenverfolgung gegen einzelne Teilnehmer polizeiliche
Maßnahmen möglich sind; damit einhergehende und nicht ausschließbare Einschränkung des
Versammlungsrechtes darf nur Nebenfolge und nicht Zweck der polizeilichen Maßnahme sein

Für polizeiliche Maßnahmen gilt (wie für alle Grundrechtseingriffe) der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Polizeiliche Maßnahmen und Aufforderungen sind zunächst ungeachtet einer eventuell
bestehenden Rechtswidrigkeit zu befolgen; Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen ist in
jedem Falle strafbar, es sei denn, eine Straftat des Polizeibeamten ist offenkundig

Ein unmittelbar gegen eine polizeiliche Maßnahme eingelegter Widerspruch entfaltet keine
aufschiebende Wirkung

Recht auf nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit im Rahmen eines
Gerichtsverfahrens oder eines Dienstaufsichtsverfahrens besteht dessen ungeachtet
2. Sonderproblem: Vorfeldmaßnahmen




Seit Ende des letzten Jahrtausends werden zunehmend auch Maßnahmen im Vorfeld von
Versammlungen ergriffen, die durchaus Auswirkungen auf die Ausübung des Grundrechts
haben
Beispiele für Vorfeldmaßnahmen: Vorfeldkontrollen, Gefährderansprachen, Meldeauflagen,
Rückführungsgewahrsam
Problem: Gilt Versammlungsrecht oder Polizeirecht?
→ BVerfG: auch der Weg zur Versammlung ist vom Grundrechtsschutz umfasst (BverfGE 84
203, 209)
→ es läge also nahe, Versammlungsrecht anzuwenden
→ gleichwohl werden Vorfeldmaßnahmen – gebilligt von der Rspr. des BVerwG – auf
allgemeines Polizeirecht gestützt
Besonders praxisrelevant: Identitätskontrollen an extra eingerichteten Kontrollstellen
(Regelungen hierzu finden sich in den Polizeigesetzen der Länder; BY: Art. 13 I Nr. 4 BayPAG)
Sind als Maßnahmen der Gefahrenabwehr ereignisunabhängig und ohne eine unmittelbar
bevorstehende und konkrete Gefahr zulässig; Voraussetzung ist lediglich die auf Tatsachen
beruhende Einschätzung, dass Personen, die eine Straftat nach § 27 VersammlG begehen
wollen, an der Kontrollstelle festgestellt und an der Begehung der Straftat gehindert werden
können;
Polizei hat zwar „versammlungsfreundlich“ vorzugehen; gleichwohl stellt diese
Vorgehensweise einen massiven Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit dar; die
Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts ist in Gefahr.
Zum Nachlesen:
- Mobit (Mobile Beratung in Thüringen. Für Demokratie – Gegen Rechtsextremismus): Handbuch
Versammlungsrecht
- Köhler/Dürig-Friedl/Meyer: Demonstrations- und Versammlungsrecht; Verlag C.H. Beck
- Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen: Demoleitfaden: http://akj.rewi.huberlin.de/aktuell/Demo-Leitfaden.pdf