AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !1 (!6) Stadtspaziergang 19. März 2016 Was heisst eigentlich „STADTVERKEHR“ ? Spaziergang an der Usterstrasse Kurz-Dokumentation einer komplexen öffentlichen Angelegenheit Ausgangspunkte Qualitäten und Problematik Empfehlungen zum Vorgehen Endstation Mobilität? Wie viele Infrastrukturen? Planung als Lösung? AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !2 (!6) 1. Worum geht es? Von seiner biologischen Anlage her ist der Mensch mobil, ein Bewegungswesen. 20 bis 40 km Fussmarsch pro Tag wären eigentlich normal, heute beträgt die tägliche Fussbewegung nur noch 0,8 bis 1,5 km. Die motorisierte Bewegung hingegen ist bei uns mittlerweile auf durchschnittlich über 50 km pro Mensch und Tag angewachsen. Das dauert rund 90 Minuten täglich. Die Mobilitätskosten betragen im Durchschnitt jeden Monat 1’100 Fr. pro Person. An Energie werden dafür rund 11’000 kWh pro Person aufgewendet, was 38 % des Gesamtenergieverbrauchs entspricht. Dadurch entstehen rund 35 % der Schweizer THGEmissionen. Rund ein Drittel des Wetziker Siedlungsgebiets sind heute Verkehrsflächen, vorwiegend für den motorisierten Verkehr. Über viele Jahrzehnte wurde der MIV (motorisierter Individualverkehr) und der GSV (Güterschwerverkehr) massiv ausgebaut. Trotzdem sind einige in der Bevölkerung der Meinung, das Strassennetz müsste weiter ergänzt werden, während andere eine Veränderung des Modal Split (Verteilung der Bewegungen auf die verschiedenen Verkehrsformen) zugunsten des LV (Langsamverkehr) und ÖV (öffentlicher Verkehr) vorschlagen. Wetzikon weist eine für den motorisierten Verkehr ungünstige Gestalt auf. Seit gut 50 Jahren wurden auch bei sämtlichen Bauvorhaben viele Parkplätze bereit gestellt und dadurch der MIV gefördert. Wegen der Hoffnung auf Entlastung durch neue regionale Strassen wie Ost- und Westtangente und Oberland-Autobahn wurde dem stadtinternen Verkehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dadurch wurde konzeptlos jeweils punktuell die Kapazität einzelner Strassenabschnitte für MIV und GSV erhöht, meist zulasten des LV und der angrenzenden Gärten. Auf den Hauptachsen in Unterwetzikon und Kempten verkehren täglich rund 25’000 Motorfahrzeuge, auf Bahnhofstrasse und Usterstrasse etwa 10’000. In den letzten Jahren haben sich die vorherigen, stetigen Zuwachsraten abgeschwächt, auf wenigen Strecken gab es sogar Rückgänge an MIV. Weiterhin zunehmend sind allerdings die Anteile am GSV. An Auswirkungen können für Wetzikon folgende aufgelistet werden: - Unfälle: durchschnittlich 53 Unfälle mit Personenschäden und 136 Unfälle mit Sachschäden pro Jahr - Luftverschmutzung: Belastung durch Stickoxide, Ozon und Feinstäube im Bereich der Grenzwerte mit einzelnen Überschreitungen - Lärm: ca. 7’000 belastete Einwohner; einzelne Strassenabschnitte liegen oberhalb der Grenzwerte, insbesondere nachts - … Im Parlament wurden in den vergangenen Monaten zahlreiche Vorstösse zum Stadtverkehr eingereicht, darunter insbesondere ein Antrag für ein Gesamtverkehrskonzept. Als Grundlage dafür sollte anstelle einer Fortschreibung des business as usual das Thema Stadtverkehr grundsätzlich erörtert werden. Denn gebaute Infrastrukturen im Verkehrsbereich haben eine lange Bestandszeit von vielen Jahrzehnten und sind dementsprechend teuer. Der finanzielle Aufwand betrifft nicht nur den Bau selber, sondern auch die Kapitalfolgekosten mit jährlich etwa 4 % und etwa 5 % für Unterhalt und Reparatur. In den letzten 20 Jahren setzten die Politische Gemeinde Wetzikon und der Kanton durchschnittlich Fr. 3,2 Mio. für Strassenneubau ein (entspricht kommunal 4 Steuerprozenten und kantonal 6). AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !3 (!6) 2. Stadtverkehrsarten und ihre Folgen Abb. 1: Flächenansprüche Abb. 2: Ein Vergleich des unterschiedlichen Flächenanspruchs von MIV und ÖV Die verschiedenen Bewegungsformen, bzw. Verkehrsmittel haben sehr unterschiedliche Ansprüche an die Umwelt und wirken sich in ebenfalls sehr unterschiedlicher Form belastend auf die Umwelt und die Menschen aus. Tab. 1: Übersicht über einige Eigenschaften verschiedener Bewegungsarten Fuss Notwendige Infrastruktur Flächenbedarf ruhend in m2 Flächenbedarf Bewegung m2 Velo PW (Weg) Weg Strasse, techn. Infrastruktur 1,0 1,5 15 4 (bei 5 km/h) 25 (bei 20 km/h 140 (bei 50 km/h) Fremdenergieaufwand in kWh/100 km 0 0 58 bei 50 km/h CO2eq-Emission in g/km 0 0 150 Lärm in dB 0 0 70 (bei 50 km/h, trocken) 12 3 1,2 0 0,02 0,5 Zeit in Minuten/km Individuelle Kosten in Fr./km AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !4 (!6) 3. Historische Entwicklung und das Phänomen des Wachstums Wie das Autozeitalter begann … Abb: 4: Der legendäre VW-Käfer aus den 1960-er Jahren. Abb. 3: Stolz werden die Automobile präsentiert. Das Auto ist in der Schweiz und auch in Wetzikon seit Jahrzehnten das dominierende Verkehrsmittel. Allerdings hat „das Auto“ von 1960 bis heute sein Aussehen und seine Ausstattung wesentlich verändert. Tab. 2: Unterschiede in der Entwicklung eines durchschnittlichen PW von 1960 - 2015 PW 1960 (VW-Käfer) PW 2010 (VW-Passat) Differenz Länge in cm 392 479 + 22 % Breite in cm 158 183 + 19 % Fläche in m2 6,2 8,8 + 42 % Höhe in cm 142 156 + 10 % Rauminhalt in m3 5,8 10,9 + 88 % 5 Personen 5 Personen 3 1,5 Leergewicht in kg 650 1486 + 128 % Reifenbreite in mm 165 205 + 24 % Motorstärke in PS 30 150 + 400 % Höchstgeschwindigkeit 100 220 + 120 % Beschleunigung von 0 auf 80 km/h in sec 21,5 6,8 + 216 % Platzangebot Besetzungsgrad Ausstattung Heizung ABS, Airbag, Klima-Anlage, Audio-System, Navi 0 -50 % +++ Energieverbrauch/100 km und 50 km/h in l Benzin 8,0 6,5 -18 % CO2eq-Emission in g/km 220 150 -32 % AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !5 (!6) Die Entwicklung des PW-Bestands im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum zeigt die unten stehende Tabelle. Daraus geht deutlich hervor, dass zum allgemeine Wachstum zusätzlich eine Steigerung des Motorisierungsgrads stattgefunden hat. Damit wird auch klar, dass sämtliche Effizienzgewinne aus dem technischen Fortschritt sozusagen neutralisiert wurden. Abb. 5: Darstellung der quantitativen Entwicklung von Bevölkerung und PW-Bestand. 4. Spielräume für künftige Entwicklungen In dichteren Siedlungsgebieten sinkt der Motorisierungsgrad und der Anteil der Haushalte ohne PW sinkt erheblich. Neue Nutzungsformen mit Sharing-Modellen vermindern die notwendige Anzahl an PW. So kann der Modal Split, also die Verteilung des Mobilitätsvolumens auf die verschiedenen Bewegungsformen, zugunsten des LV und des ÖV gezielt verändert werden. Und zudem werden auch Flächen im Siedlungsbereich für andere Zwecke, z.B. Spielflächen, öffentliche Plätze und Pärke frei. Für Wetzikon stehen im Vordergrund: - Gesamtverkehrskonzept als Mobilitätskonzept statt Strassenbauplanung - Tempo-30 als Grundgeschwindigkeit im Siedlungsgebiet - 3-4 Stadtteilzentren; Fussgängerzone im Zentrum Oberwetzikon - attraktives und flächendeckenden Fusswegenetz mit Grünkorridoren - attraktives und sicheres Velowegnetz - flächendeckende Versorgungseinrichtungen in allen Quartieren (Stadt der kurzen Wege) - Umdenken beim sozialen Status des Autos und der Frage des schnellen Vorankommens in der Stadt - … - … AG Planung & Umwelt STADTSPAZIERGANG 01-2016 VERKEHR / 19. März 2016 U. Scheibler Seite !6 (!6) Abb. 6: Ausschnitt aus der Landeskarte von 1960 Zwischen den beiden Kartendarstellungen haben sich entscheidende Veränderungen vollzogen. Noch 1960 waren LV, MIV und ÖV noch ungefähr gleich bedeutend und der GSV wurde fast vollständig über die Bahn abgewickelt. Die meisten Gebäude wiesen eine Strassenseite auf, hatten aber auf den anderen Seiten meist erheblichen Freiraum zur Verfügung. Ab 1990 dominierte der MIV und die Strassen wurden immer mehr zu Schneisen im Siedlungsbrei. Abb. 7: Ausschnitt aus dem Gesamtverkehrsmodell des Kantons Zürich
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