Sonntag, 24. Januar 2016 (20:05-21:00 Uhr) KW 03 Deutschlandfunk Abt. Feature/ Hörspiel/ Hintergrund Kultur FREISTIL Gut gemacht?! Von der Zwiespältigkeit des Lobes Von Gabi Wuttke und Günter Rohleder Regie: Uta Reitz Redaktion: Klaus Pilger Produktion: Deutschlandfunk 2016 Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © - ggf. unkorrigiertes Exemplar - 1 Text: F(rau) (begeistert): Dieses Hemd: Da traust Du Dich ja was! Steht Dir wahnsinnig gut, dieses knallige Rot. Text M(ann) (erstaunt): Wirklich? Text F: Ehrlich! Text M (bescheiden): War ein Sonderangebot, weil hier, siehst Du: Am Kragen ist ein Webfehler. 1. Musik „Canon in Frame“ (aus „Saxoridoo“ Friedemann Graef & Achim Goettert) 2. O-Ton Baecker Ich glaub nicht, dass wir auf Lob nicht verzichten können. Mein Name ist Dirk Baecker, ich bin Soziologe und arbeite an dem Lehrstuhl für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten Herdecke 3. O-Ton Reinboth Es kommt darauf an, wofür das Kind gelobt wird. Ich bin Ruth Reinboth, psychologische Psychotherapeutin 4. O-Ton Knape Wir loben den, der sowieso unvermeidlich die Macht hat. Joachim Knape, Professor für allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen 5. O-Ton El-Manhy Ich bin Jasmin El Manhy, bin Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde: Halleluja. Lobet den Herrn (lacht). Ja. 6. O-Ton Kaschuba Wer lobt und wer gelobt wird, die beiden gehen ein Verhältnis ein. Wolfgang Kaschuba, Ethnologe, Kulturwissenschaftler in Berlin 7. O-Ton Gerdes Jeder Anlass zu loben ist mir sehr willkommen. Weil einfach das, was man zurück bekommt, sind strahlende Augen, entspannte Leute, ja und einfach n bisschen Lebensfreude. 8. O-Ton Sophie Wenn ich gelobt werde, dann ist das eigentlich voll schön und ich fühl mich auch voll schön und glücklich und es ist einfach n cooles Gefühl. 9. O-Ton Luca Es gibt nichts Peinlicheres als gelobt zu werden Musik „Canon in Frame“ 2 Sprecher: "Gut gemacht!? Von der Zwiespältigkeit des Lobes" Ein Feature von Günter Rohleder und Gabi Wuttke Musik (hochziehen und kurz stehenlassen) Text F: Magst Du es eigentlich, gelobt zu werden? Text M: So ein Kompliment wie eben? Text F: Lob oder Kompliment, nenn es wie du willst. Text M: Ja, irgendwie gefällt es mir schon, wenn Du sagst, dass dir mein Hemd gefällt. Ich war nur ein bisschen überrascht, weil.... Text F: Nix ‚weil“. (streng) Nimm's doch einfach an, wenn ich deinen Mut lobe. Und deinen Geschmack. Text M (leicht genervt): Also, ehrlich gesagt, ich finde das Rot gar nicht so knallig, und bin Komplimente von Dir einfach nicht gewohnt. Text F (entrüstet): Jetzt behaupte nicht, ich mach nie welche! Ich bin doch nicht wie mein Opa. Der hat immer gesagt: „Nicht kritisiert, ist genug gelobt“. Text M: (beruhigend) Fragen wir uns also: Wie funktioniert das Lob und was macht es mit uns? 10. Musik: Kurzer Ausschnitt aus „Az Utolso Poharban“ (aus „Saxoridoo“ Friedemann Graef & Achim Goettert) Text M: Ich habe gerade zwei Tage lang die Wohnung aufgeräumt und meine Mitbewohnerin kommt vorhin von ihrem Wohlfühl-Wochenende zurück und sagt.... Nichts! (erregt) Und ich merke: Ich habe was erwartet. (noch erregter) Ich habe ein Lob erwartet. Aber da kommt nix. Und dann traue ich mich auch nicht, was zu sagen. Und dann bleibt dieses.... 3 Text F: .... dieses Scheiß-Gefühl. Text M: Genau! Du weißt, was ich meine. Text F (lakonisch): Ich besorge zwei Theaterkarten. Premiere. Erste Reihe. Stehe stundenlang in der Schlange vor der Kasse. Die Arbeit bleibt liegen. Und, was sagen die Eltern? Vom 2. Rang aus hätten wir..... Text M+F (zusammen schmunzelnd)…auch gut gesehen! 11. O-Ton Reinboth Der Hunger nach Lob, den bezeichne ich als eine Abhängigkeit von außen, weil ich in mir einen Hunger habe, der nicht gesättigt ist. Also es ist ein Mangel an Selbstwertschätzung und an Selbstanerkennung, der natürlich Wurzeln hat in der Biographie. Text F: Autsch. Das geht ins Eingemachte. Hast Du es erst mal ein bisschen kleiner? Text M: Kleiner nicht. Aber weiter weg. 12. O-Ton Knape Ich unterscheide mit der antiken Theorie zwischen dem Loben als Sprechakt, als kommunikative Handlung und dann der Textsorte, der Gattung Lobrede. Die ist sehr spezifiziert, da haben wir also viele Untergattungen: Das Herrscherlob, das Personenlob, dann, was wir heute unter Laudatio kennen. Also, das Lob wird verhandelt auch in der Theorie als etwas, was das soziale Leben zusammenhält. Was ne gewisse Affirmation bedeutet, also die Werte der Gesellschaft werden bestätigt, in dem ich etwas lobe und vor allen Dingen Menschen lobe. Text F: Menschenlob als Kitt für die Gesellschaft? Text M: Man muss die Leute bei der Stange halten.... 13. O-Ton Musik („Wir sind Helden“: Aus „Ode an die Arbeit“) „An die Arbeit! Los und eins und zwei und eins und zwei und: Du bist Preußen! Eins und zwei und eins und zwei und eins und zwei und: Fertig An die Arbeit! Los und eins und zwei und eins und zwei und: Schluss“ 4 14. O-Ton „Buddenbrooks“ CD 3, Take 2, 1:20: „Ick bün man’n armen Mann, mine Herrschaften, öawer ick hew’n empfindend Hart, un dat Glück un de Freud von min Herrn, Kunsel Buddenbrook, welcher ümmer gaut tau mi west ist, dat geht mi nah (....) so’n Herr, as Kunsel , giwt dat nich veele, dat ist’n edeln Herrn (...) So, Grobleben! Dat hewn Sei schön segt! Veelen Dank ook, Grobleben!“ Text F (schnippisch-nachäffend): Ist immer gut zu mir gewesen, der edle Herr, von denen es nicht viele gibt.... 15. O-Ton Knape Traditionell ist das Herrscherlob immer mit Übertreibungen verbunden. Man spricht dann von Hyperbolik. Also das heißt nach oben offen. Text F (weiter schnippisch): ... nach oben offen auf der Chef-Skala. Das ist mir sehr nah. Schön gesagt, lieber Untertan. Aber jetzt wieder husch an die Arbeit. Text M: Konsul Buddenbrook spricht im Jahre des Herrn 1836... Text F (unwirsch): Ich meine das nicht historisch. Mich ärgert dieser Halbgott-Status. 16. Musik: Aus „Umbra“ (aus „Saxoridoo“ Friedemann Graef & Achim Goettert) 17. O-Ton El Manhy aus Psalm 113: Halleluja! Lobet, ihr Knechte des HERRN, lobet den Namen des HERRN! Gelobt sei der Name des HERRN von nun an bis in Ewigkeit! Musik (Fortsetzung El Manhy O-Ton) 18. O-Ton El Manhy: Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des HERRN! Der HERR ist hoch über alle Völker; seine Herrlichkeit reicht, soweit der Himmel ist. Wer ist wie der HERR, unser Gott im Himmel und auf Erden? 19. O-Ton Knape Gotteslob kennt keine Grenzen. 20. O-Ton El Manhy Ja, warum loben wir Gott? Menschen kommen in die Kirche und loben Gott aus Dankbarkeit, weil ihnen was Gutes widerfahren ist. Z.B. Menschen, die lange nicht in der Kirche waren und dann ihr erstes Kind bekommen und dann 5 in die Kirche gehen und Gott dafür danken möchten. Ich lobe, weil Gott mir Gutes getan hat. Ich lobe Gott und das Leben, auch wenn es Tod gibt. Ich glaube weiter an die Liebe, auch wenn sie mir gerade Schlechtes getan hat. So. Musik 21. O-Ton El Manhy Ich vergewissere mich meiner selbst oder ich bin bei mir, wenn ich Gott lobe, auch im Gegenüber zu Gott, insofern ist es auch ne Freiheit, mich nämlich nicht an dem anderen zu orientieren, sondern mich in dem Moment wieder auszurichten auf Gott hin. Text M: Irgendwie eine schöne Erklärung, finde ich. Text F: Hört sich beruhigend an, ja. Aber mich stimmt das trotzdem nicht um. Kirche und herrschende Klasse: Alles eins: Oben ist, wer gelobt wird. Unten ist, wer lobt. Sprecher: Aus dem Paulusbrief an die Römer, in der Übersetzung von Martin Luther: „Jederman sey untertan der Oberkeit / die Gewalt uber jn hat. Denn es ist keine Oberkeit / on von Gott / Wo aber Oberkeit ist / die ist von Gott verordnet. (...) Wiltu dich aber nicht fürchten fur der Oberkeit / so thue gutes / so wirstu lob von derselbigen haben / Denn sie ist Gottes Dienerin / dir zu gut. Thustu aber böses / so fürchte dich (In der Produktion entscheiden: Sollte die Original-Luther-Übersetzung nicht verständlich genug sein, die Fassung von 1984 verwenden:) Sprecher: Aus dem Paulusbrief an die Römer: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet. (...) Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes; so wirst du Lob von ihr erhalten. Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich“ 22. O-Ton El Manhy: Ich hab nicht das Gefühl, dass das die Menschen klein macht, dass sie sich damit klein machen, sondern eher dass sie sich – Loben ist so – das ist ja oft auch in den Gesängen ein Aufschwingen zu Gott. Das ist auch ne Fröhlichkeit, 6 dieses Halleluja, ich lobe Gott. Weil er heilig ist, also diese Demut vor dem Heiligen. Gottes Schönheit. Das Geheimnis. Ja. Musik „Umbra“ 23. O-Ton Kaschuba: Wir betrachten ja Formen eben der Verehrung, der Anbetung und andere Dinge immer auch so in einem Echo-Effekt als Bestätigung auch der Gemeinschaft, die das tut. Also dem wohnt immer ein hohes pathetisches Moment inne. Wir wissen alle, dass wir - vielleicht nicht von jedem Kirchenlied -, aber von ganz bestimmten Klängen, von ganz bestimmten kollektiven Formen, von ganz bestimmten emotionalen Abläufen, ergriffen werden. 24. O-Ton Brigitte Dieses Lobpreisen ist bei Gott, das ist eben eine Form, die mir Ruhe gibt und Ausgleich mit anderen Menschen aus anderen Ländern richtig zu kommunizieren. In der Kirche habe ich gesungen im Chor und da wurde mir gesagt: Ich singe nicht gut, aber überzeugend (lacht). Das ist ja auch ein Lob. (lacht) 25. O-Ton Kaschuba Gotteslob und Fürstenlob sind natürlich einfach Bestätigungen einer Ordnung, die nicht hinterfragbar ist und an der ich nur teilhaben kann, wenn ich sie auch teile und bestätige. Ja, kollektive Identitäten in Zeiten des Christseins und normative Identitäten in Zeiten des Feudalwesens fordern solche Formen als rituelle Formen der Anerkennung, und wenn ich sie verweigere, kann ich mich nicht selber loben, sondern hab ich gar kein Lob. Text F (maulig): Das erklärt das Lob von Unten nach Oben, macht es aber nicht besser! Text M (beruhigend): Sieh Dir doch mal die andere Seite der Medaille an, und spiel’ jetzt nicht Robin Hood. Du weißt doch selbst, dass es ein geschickter Schachzug sein kann, sich beim Chef einzuschleimen. Nennt sich „Panegyrik“: Unechtes Herrscherlob. Musik kurzer Ausschnitt aus „Az Utolso Poharban“ 26. O-Ton Knape Bei dieser Art von schmeichlerischem Lob kommen Euphemismen ins Spiel, also unehrliche Ausdrucksformen. Man sagt dann nicht, er hat leichtsinnig gehandelt, sondern man sagt dann, er war sehr tapfer und ist nach vorne gestürmt. Man sagt dann nicht, das war verschwenderisches Handeln, sondern man sagt, das ist ein sehr großzügiger Mensch gewesen. Man sagt dann auch nicht, der war geizig, sondern man sagt dann, das war ein sehr sparsamer Mensch. 7 Text F: Ja, da gehe ich mit. Aber, ehrlich gesagt: Es gab schon die ein oder andere Situation, in der ich aus taktischen Gründen gelobt habe – und danach hatte ich ein ziemlich flaues Gefühl im Magen. 27. O-Ton Knape Loben heißt eine Differenz markieren. Also eine Differenz soll aufgebaut werden durch eine Heraushebung, bedeutet, dass ich die Seiten des Geehrten, des Gelobten oder der gelobten Sache hervorkehre, die wichtig sind im Unterschied zu weniger wichtigen Dingen oder vielleicht auch zu den Schattenseiten, die überall in der Welt sind, sage ich, indem ich lobe, dieses ist aber wichtiger. Und das ist dann auch nicht gelogen, nicht Schmeichelei, unehrliche Rede. – Das ist gattungsbedingt. Text F (spitz): So, so. Gattungsbedingt. Das klingt so staatstragend wie ‚systemrelevant’.... Text M: Jetzt bist Du aber streng! Text F: Nein, nur pragmatisch. Text M: Du denkst zu sehr im Hier und Jetzt. Text F: Und Du liebst zu sehr die Theorie! Text M (begeistert): Die Rhetorik von Aristoteles: Das war Pi mal Daumen vor über 2000 Jahren. Da war das Halleluja noch nicht erfunden.... Text F (schnippisch): Und deshalb ist heutzutage eine Rede rhetorisch umso besser, je mehr gelobhudelt wird? 28. O-Ton Knape Die Rhetorik ist immer an die Wahrheit gebunden. Text F: Wer sagt das? 29. O-Ton Knape (Fortsetzung): Das sagt Aristoteles ganz klar in seiner Rhetorik und der Redner hat auch drei wesentliche Merkmale auszudrücken, die ihn, wenn er in einen Redeakt eintritt, auszeichnen. Also er soll Sachkenntnis haben, Phronesis, er soll integer sein, Arete, Tugend sagt man auch dafür, soll er zeigen. Und er soll Eunoia zeigen, Wohlwollen. Wir würden modern Empathie sagen. 8 Text M (grinsend): Ich würde jetzt ja gerne mal den Advocatus Diaboli spielen.. Text F (süffisant): Ich dachte immer, das Teuflische sei Deinem Wesen völlig fremd.... Text M: Manchmal ist nicht nur der Lobende, sondern auch der Gelobte arm dran. 30. O-Ton Baecker Die Lobrede stellt den Gelobten aus. Ja, der Gelobte muss sich sogar über das Lob freuen. Und er merkt unter Umständen nicht - oder er merkt es doch und muss es dann verbergen -, dass hier Kriterien formuliert werden, die für den Lobenden gelten und Kriterien, die von denen, die dieser Lobrede jetzt zuhören, das ganze Publikum drumherum, erst einmal übernommen werden und als Kriterien festgehalten werden, an denen das Verhalten des Gelobten morgen und übermorgen gemessen werden kann. 31. O-Ton Kaschuba Man hört Bilder, man hört über Leistungen. Man hört über Dinge, die man angeblich getan hat. Mich erinnert das immer sehr stark an meine alte Fußballer-Erfahrung: Wenn man vor dem Spiel rumgebolzt hat, aufs Tor und hat getroffen, dann haben die anderen gesagt: Geh jetzt besser duschen. Besser kann’s nicht mehr gehen. Jetzt kann ich eigentlich nur noch schlechter werden. Jetzt kann ich eigentlich nur noch etwas anrichten, weil das Lob natürlich in vieler Hinsicht überhöht. Musik Text M: Ich weiß nicht, ob das was an Deiner Meinung ändert, aber..... Text F (lächelnd): Der Dreh war schon geschickt. Chapeau! Text M: Der war nicht von mir, sondern... Text F:... Mann, Mann, Mann. Im Lob-Angeln Extra-Klasse. 32. O-Ton Sophie Ahhh, ich seh nicht gut aus. Und davor hat aber schon jemand gesagt: Du siehst voll gut aus. Dann könnten manche denken: Du willst einfach nur mehr Lob kriegen. Du willst einfach nur versichert kriegen, dass du cool bist und gut bist. Text F: Sag mal: Was hat Dich eigentlich geritten, Dir dieses knallrote Hemd zu kaufen? Text M (leicht genervt): Jetzt lass doch mal gut sein! Text F: T’schuldigung.... 9 Text M: Also ..... Es gibt da einen Kabarettisten: Der trägt auf der Bühne immer einen Cordhut und ein Hemd mit Karos... Text F: Wie Du sonst auch... Text M: Ja, nur nicht bis unter’s Kinn zugeknöpft. Aber egal. Ich sitze also mit Harti in der Vorstellung und sehe plötzlich, dass er verstohlen auf mein Hemd starrt und fühle mich auf einmal selbst ....... kleinkariert. Musik Text F: Wer ist Harti? Text M: Ein alter Kumpel. Wir haben im Studium im selben Malerbetrieb gejobbt. Harti war uns beim Lackieren immer eine Tür voraus – und der einzige, den der Chef lobte: ‚Gute Arbeit, Hartmann, keine Nasen und immer sparsam mit der Farbe!’ Text F: Das hat Dich geärgert? Text M: Nein, der Chef war eigentlich ganz in Ordnung. Und Harti hat wirklich akkurat gearbeitet. Trotzdem waren wir verunsichert und Harti war es peinlich, dass er sich immer auch ein bisschen gefreut hat. 33. O-Ton Luca Wer heute gelobt wird, muss morgen noch etwas mehr leisten, damit er noch weiter gelobt wird, damit er auf der Höhe dieses Lobes bleibt. Wer lobt, setzt einen Maßstab einer anderen Person, einem anderen Menschen und dieser andere Mensch fühlt sich sehr stark verpflichtet, diesen Maßstab zu halten. Und auf dieser Höhe zu bleiben. 34. O-Ton Baecker Wenn ich lobe, dann picke ich aus dem Verhalten, das gelobt wird, aus und lasse andere weg. Das heißt: Ich operiere extrem selektiv und zeige damit dem Gelobten, in welchen Hinsichten es sich für ihn lohnen mag, wenn er gelobt werden möchte. Text F: Danke für diese Bestätigung. Die ‚Alte Schule’ funktioniert also immer noch tadellos. Auch wenn im Handbuch für modernes Personal-Management was anderes steht. 10 Text M (leicht hämisch): Das heißt jetzt ‚Feedback’. Text F (theatralisch): Und die ‚Führungskraft’ sagt: „Sie sind ein wertvoller Mitarbeiter. Aber ich nehme wahr, dass Sie in letzter Zeit Hemden in auffälligen Farben tragen. Ich wünsche mir, Sie spielen wieder im Team: Stark in der Performance, aber dezent in der Präsentation.“ Text M: Und das soll motivieren? Text F: Nö. Das ist der neue Stil zu tadeln. Text M: Und wie geht positives Feedback? Text F (zynisch): „Herr Hartmann, toll, dass Sie jeden Morgen in den Korb mit den frischen Äpfeln greifen, den wir hier kostenlos aufgebaut haben! Gesundheit geht uns doch über alles!“ Text M (interessiert): Aha. So geht die Methode: Intrinsisch arbeitsam: von innen heraus. Text F (spitz): Aber immer mit Ansage und immer mit dem Ziel: Leistung, Leistung, Leistung. Also: Husch, ins Körbchen. 35. O-Ton Baecker Ich glaub, dass wir mehr von oben nach unten als von unten nach oben gegenwärtig leben, äh, loben, vielleicht leben auch. Dass wir doch mit viel mehr hierarchischen Situationen, und zwar eines kontrollierenden Typs, eines zurichtenden, eines in Netzwerke einbettenden Typs zu tun haben, als wir in unserer egalitären Gesellschaft gerne unterstellen. Text M: Also, wenn da was dran ist, dann gilt das auch für die Erziehung. Text F: Ich freu’ mich, dass Kinder heute ernst genommen werden. 36. O-Ton Sophie Ich glaube, für uns, wenn wir von unseren Eltern nicht gelobt werden, dann wär das für uns komisch. 37. O-Ton Gerdes Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, also ich hab meine Kinder für jeden Krickelkrackel gelobt und hab gesagt, ach wie schön, und nimm doch mal die Farben, dann wird das noch schöner. Text M (finster): Da hörst Du es: Der frühe Vogel fängt den Wurm. 11 Text F: Das ist zynisch. Text M: Wieso? Ein Bild, das mit anderen Farben noch schöner wird. Steckt da nicht genau derselbe Leistungsgedanke hinter wie bei den Äpfeln im Vorzimmer des Chefs? Text F (störrisch): Eltern meinen es doch nur gut mit ihrem Nachwuchs. Du kannst nicht ernsthaft behaupten, Kinder werden heutzutage gelobt, um angepasste, fleißige Erwachsene zu werden?! Text M (lakonisch): Einiges spricht dagegen, Vieles dafür: „Fleißig“ ist überholt, aber von „Erfolg“ spricht jeder. Die erste Fremdsprache wird praktisch schon mit der Muttermilch gelernt..... Text F: Was hat das mit Lob zu tun? Text M: Na, um ihre Kinder zu motivieren, loben diese Eltern sich doch halbtot. Aus Angst, sie übersehen Potenziale und ihre Kinder werden deshalb später von anderen abgehängt. 38. O-Ton Kaschuba Also die Selbstverständlichkeit, in einer Gesellschaft zu funktionieren, die Aufgaben zu erfüllen, Rollen nachzukommen, daraus bricht das bürgerliche Milieu aus mit der Vorstellung, dass das Individuum entwicklungsfähig ist. Dass Lob und Ermutigung wichtig sind, und dann im zweiten Schritt die Kindheit als besonders wichtigen Bereich des Lobes. Dort ist das Lob dann pädagogisch gemeint, nicht nur emotional. 39. O-Ton Reinboth Es kommt darauf an, wofür das Kind gelobt wird. Es gibt ja viele Kinder, die werden für Leistung gelobt, aber nicht für ihr So-sein. Text F: Du meinst also, aufgeweckte Eltern geben heute den Druck, den sie selber ständig haben, an ihre Kinder weiter und entlasten sich durch ständiges Loben? Text M: Anders kann ich mir diese überbehütenden Eltern nicht erklären. Text F: Und deshalb quillt aus jeder Ritze diese lautstarke Entzückung: Das hast du super, klasse, toll gemacht? 12 40. O-Ton Reinboth Lob als Er-Ziehungsmittel ist weniger bedeutsam als Be-Ziehung. Also BeZiehung ist wichtiger als Er-Ziehung. Es braucht ja auch Herausforderungen, Frustrationen zum Wachsen, zum Lernen. Schmerzen, Frustrationen, Enttäuschungen: Das alles ist ja auch eine wichtige Orientierung. Das Leben ist nicht nur ein Honigschlecken. Text M: Aber wenn das Lob zum Reflex wird, lernt das Kind: Was immer ich tue, das Leben ist ein Ponyhof. Text F: Puhh, bist Du streng! Mit Enttäuschungen umzugehen, lernt man doch früh genug. Text M (streng): Zugegeben: Da bin ich wertekonservativ! Text F (spitz): Und damit ziemlich einsam.... Texte M: Stimmt nicht. 41. O-Ton Kaschuba Es gibt natürlich die Frage: Müssen wir unsere Kinder sozusagen auf die Erdhöhe der Helikopter-Eltern loben? Also kann man mit Kindern heutzutage überhaupt noch anders umgehen als in völligem Enthusiasmus? Und das Schlimme ist ja, dass wir im Grunde genommen in Filmkomödien, in denen das ja regelmäßig Thema ist, immer mehr das Gefühl kriegen, man kann im Kino die Realität kaum übertreiben. Und gleichzeitig ahnen wir: Das ist die bequemste Form. Man sagt ‚Toll’, zack, das war’s, ja okay. Wir ahnen auch, dass wir sprachlich immer karger werden. Musik 42. O-Ton Reinboth Zwei wirklich ganz gestandene Menschen über 60. Er sagt: „Ich habe mir überlegt, ob ich im Garten gießen soll. Ich finde es eigentlich nicht notwendig zu gießen heute, aber ich weiß, meine Frau hat die Tendenz viel häufiger zu gießen als ich. Ich denke, die Pflanzen sollen auch nicht so verwöhnt werden. Aber sie würde sich wahrscheinlich freuen, wenn ich gießen würde. Außerdem habe ich dann einen schönen Abend mit ihr“. (lacht) Und dann hat er gegossen. Und dann habe ich gesagt: „Das finde ich ganz toll, dass Sie ihr zuliebe, und natürlich nicht ganz uneigennützig, gegossen haben. Und mit dieser Begründung: Ihr zuliebe. Und dann wurde er ganz rot und sagte: Also, man sollte ja nicht so abhängig davon sein, gelobt zu werden. Das ist ja vielleicht neurotisch. Und ich sage: Aber wenn Sie wirklich etwas getan haben, was für Sie schwierig ist, wo Sie auch über ihren Schatten gesprungen sind, dann finde ich das einfach klasse. Und dann sagt sie: ‚Ja, ich bin jetzt ganz nachdenklich. Ich nehme Vieles viel zu selbstverständlich und sage nichts.’ Text F (sentimental): Ooh, ist das eine rührende Geschichte! 13 Warum gibt es so was im wirklichen Leben nicht öfter? Text M (kühl): Tja... Text F (spitz): Dich lässt das kalt? Text M: Ich glaube nur nicht, dass Blumengießen reicht, um eine Beziehung wieder in’s Lot zu bringen. Text F (aufbrausend): Ach, Deine Sachlichkeit nervt manchmal wirklich! Text M (beruhigend): Hey! Lass Dir die Geschichte mal nicht von mir vermiesen. Ich finde es viel rührender, dass sie Dich so anrührt. 43. O-Ton Knape Dieses Spiel mit kleinen Bestätigungen, wir nennen das Komplimente, das haben wir sehr früh gelernt. Und es ist eigentlich der Kitt des alltäglichen Zusammenlebens. Weil es Aggressionen abbaut und eigentlich gute Stimmung verbreitet und dann auch Bereitschaft zu positiver Interaktion auf ganz kleine feine Weise in den Alltag bringt. Text M: Du, ich hab’ Dir aber kein Kompliment gemacht. Ich wollte Dich eigentlich loben. Text F: Loben? Das ist doch immer mit Leistung verbunden. Aber so nah am Wasser gebaut zu haben, ist keine Leistung. Text M: Das kann man nicht so messerscharf trennen. Text F: Wieso nicht? Text M: Weil Komplimente sowohl für Leistungen als auch für Eigenschaften ausgesprochen werden. Text F: Mmmmh. Ist Geschmack eine Eigenschaft? Text M: Über Geschmack lässt sich zwar immer streiten, aber ich finde, wie er sich bei jedem zusammensetzt ist keine Leistung. Text F: Auch nicht Dein Mut, Dir so ein knallrotes Hemd zu kaufen? Text M (grinsend): Vielleicht war das ja Deine Art mich anzutreiben, mehr auf meine Klamotten zu achten? 14 Text F (empört): Ach komm, so listig bin ich nicht! Text M (süffisant): Dann wolltest Du Dich bei mir einfach nur ein bisschen einschmeicheln? 44. O-Ton „Buddenbrooks“ CD 2, Take 4, ca. Minute 4: 00: „Ich bitte Sie, Frau Konsulin, beachten Sie? Ich beschwöre Sie, mein Fräulein“, unterbrach er sich laut, als ob Tony nur dies verstehen sollte, „bleiben Sie noch einen Moment in dieser Stellung! Beachten Sie“, fuhr er wieder flüsternd fort, „wie die Sonne in dem Haare Ihres Fräulein Tochter spielt? Ich habe niemals schöneres Haar gesehen!“ Text F: Konsulin Buddenbrook ging beim Schwiegersohn in spe das Herz auf. Ihre Tochter Tony war klüger. Text M: Sie roch den Braten sofort. Musik 45. O-Ton Knape Die berühmte Antoniusrede in Shakespeare's Caesar-Drama ist ein Paradebeispiel, wie man mit vergifteten Komplimenten umgehen kann. Er will ja ne Trauerrede halten, sagt Antonius. Und er will seinen Gegner Brutus ehren, denn das ist ein ehrenwerter Mann. Und so fängt die Rede an: Sprecher: (Aus William Shakespeare „Julius Caesar“, Haffmans Verlag 1993, Übersetzung von Christoph Martin Wieland) „Mitbürger! Freunde! Römer! hört mich an: Begraben will ich Cäsarn, nicht ihn preisen. Was Menschen Übles tun, das überlebt sie, Das Gute wird mit ihnen oft begraben. So sei es auch mit Cäsarn! Der edle Brutus Hat euch gesagt, dass er voll Herrschsucht war; Und war er das, so war's ein schwer Vergehen, Und schwer hat Cäsar auch dafür gebüßt. Hier, mit des Brutus Willen und der andern“. 15 46. O-Ton Knape (Fortsetzung): Und im Weiteren kippt plötzlich diese Grabrede, die eine Lobrede auf den Caesar sein soll, wo auch dann sein Mörder mit gelobt werden soll, plötzlich in eine Anklagerede. Das heißt die Gattung kippt aus einer Lobrede in eine Anklagerede und die Pointe ist, dass immer wieder dieses lobende Kompliment an bestimmten Stellen eingebaut wird: Sprecher: „Denn Brutus ist ein ehrenwerter Mann, Das sind sie alle, alle ehrenwert, Komm ich, bei Cäsars Leichenzug zu reden. Er war mein Freund, war mir gerecht und treu; Doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war, Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.“ 47. O-Ton Knape (Fortsetzung): Und wenn er das beim fünften, sechsten Mal wiederholt, in so einer inzwischen zur Anklage gewordenen Rede eingebaut wird, dann wird das total ironisch und aus dem Kompliment wird eigentlich ein vergiftetes Kompliment und es schlägt ins Gegenteil um und alle wissen, okay, das ist kein ehrenwerter Mann. Das ist natürlich genial gemacht, wie man durch einen Gattungswechsel dann mit Komplimenten ins Gegenteil verkehren kann. Sprecher: „Wenn Arme zu ihm schrien, so weinte Cäsar; Die Herrschsucht sollt aus härterm Stoff bestehn. Doch Brutus sagt, dass er voll Herrschsucht war, Und Brutus ist ein ehrenwerter Mann.“ Musik (zwischen Zitator und O-Ton setzen / hart abblenden) 16 48. O-Ton Kaschuba Da wir nicht mehr in Shakespeare-Zeiten sind, ist es heute im übertragenen Sinne ein Meucheln in sehr differenzierten Formen. Und genau das meint natürlich das vergiftete Lob. Man achtet bestimmte äußere Regeln, in dem Nicht-Wahrheiten gesagt werden, in dem Nicht-Abgründe eröffnet werden, in dem nicht unlautere Methoden in den Vordergrund geschoben werden, sondern man macht das Lob unter Umständen an den Stellen stark und überbetont es, an denen dann jeder merkt, dass die andere Stelle die Leerstelle bleibt.. Text M (grimmig): Hah! Mein knallrotes Hemd. Stark überbetontes Lob. Deine Leerstelle: Meine karierten Hemden! Du hättest es auch am liebsten, ich würd’ sie alle wegschmeißen. Text F (streng): Das ist doch Quatsch! Text M (resigniert): Nein, nein. Da hängt alles mit allem zusammen.... Ich ..... Was zum Teufel... Text F (fröhlich-ironisch): Loben oder nicht loben: Ist das hier die Frage? Text M (weiter resigniert): Alles Tand .... Blendwerk... Ich denke .... Ich denke, dass... Text F: Ja? Text M: Puhh... Mir schwirrt der Kopf .... Ich .... (M denkt. Text technisch verfremden: Hall, auf zwei Spuren zeitversetzt o.ä.) Text M (denkt): ... ich lobe dich – zack – fertig – aus. Saug es auf oder wehre dich. Weiche aus oder pariere es. Der Mond scheint, die Blätter bewegen sich im Wind, Laune kommt von Luna, und Lob von Laub. Die Löblinge? Entbehren es, suchen es, verdienen es, ernten es, tragen es davon. Sie plustern sich auf oder sie versuchen zu verschwinden. Text F (erstaunt): Was ist mit Dir? Du guckst so glasig... Text M: ....... Mmh.... 17 Text F (besorgt): Magst Du einen Traubenzucker? Du bist ja kreidebleich... (Fortsetzung Gedankenspiel s.o.) Text M (denkt): Die Lobenden: Verteilen es, spenden es, zollen es. Wann nehmen sie es jemals zurück? Sie tun es mit Worten, verteilen Lorbeeren oder Geld. Die Heiratsschwindler tun es aus List. Die ganz Spontanen tun es aus einer Laune heraus, Die Bedürftigen tun es aus Neid oder Kalkül. Die Mächtigen tun es gönnerhaft. Die Herrschenden tun es aus Instinkt. Oder aus Willkür. Text F (besorgt): Hallo! Mensch, was ist los? Text M (schlapp): ... Äh.... Was? Text F (erleichtert): Jetzt hast Du mir aber einen Schrecken eingejagt! Du warst plötzlich wie weggetreten. Text M (verwundert): Was? Ich war nur in Gedanken... Text F : Welchen denn? Text M: Friedrich Nietzsche: „Im Lobe ist mehr Zudringlichkeit als im Tadel“. Text F (sauer): Jetzt mach mal halblang. Ich denke, Du kippst mir gleich aus den Latschen, dabei entwickelst Du Verfolgungswahn! Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose – ja?! Genauso ist ein rotes Hemd ein rotes Hemd..... oder ein Aprikosenbaum ein Aprikosenbaum.... und ... und: Brombeeren einfach Brombeeren! Text M (erregt sich wieder): Ja, ich verstehe schon: Rosen, Aprikosenbäume, Brombeeren, stehen für sich selbst. (aufschäumend:) Aber mit diesem Hemd ist es anders. Du meinst damit etwas 18 anderes... Sagst damit etwas über mich. Aber vor allem: über Dich! 49. O-Ton Dirk Baecker Worauf ich stoße ist, dass zwei Dinge das Lob problematisch machen. Das eine ist, dass derjenige, der lobt, damit gleichzeitig einen Anspruch erhebt, einschätzen zu können, was der oder die andere tut, das heißt man maßt sich selber eine gewisse Überlegenheit, vielleicht sogar einen breiteren Horizont, in dem der andere als Element des Lobes vorkommt, an. Und das andere Element, was mir immer wieder auffällt, ist, dass derjenige, der gelobt wird, sich quasi automatisch, fragen muss, wann denn möglicherweise Bedingungen gegeben sind, getadelt zu werden. Text M (sauer): Und genau deshalb habe ich gerade das verdammte Gefühl, Du willst, dass ich Dich zurücklobe. Aber ich will nicht! Text F (schnippisch): Und deshalb versuchst Du abzulenken und erzählst mir was von Sonderangebot und Webfehler? Text M (aufgewühlt): Es ist mir einfach unangenehm! Und ich will mich jetzt auch nicht über Dein Lob freuen müssen. Nur, damit ich Dich nicht enttäusche. (wütend) Und dafür will ich auch nicht kritisierst werden! Text F (aufgebracht): Mein Lieber, nun aber mal langsam. Du wirfst mir vor, hinterhältig zu sein. Das rüttelt an den Grundfesten unserer Freundschaft! Text M (ebenso aufgebracht): Du bist ist mir zu dramatisch! Text F (dto): Und Du gerade kein ehrenwerter Mann! Text M (dto): Ich bin ja auch kein Politiker. 50. O-Ton Kaschuba Diese tödlichen Freundschaften kennen wir und gerade das politische Milieu hat dafür eine ganze Reihe von festen Formulierungen geschaffen. Da weiß man dann schon, entweder heute Abend oder morgen Abend ist er fällig. 51. O-Ton Angela Merkel (0:18 – 0:40): Ich habe eine Berufung bei Karl-Theodor zu Guttenberg vorgenommen, zum Verteidigungsminister. Ich hab keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern 19 mir geht es um die Arbeit als Bundesverteidigungsminister. Die erfüllt er hervorragend, und das ist das, was für mich zählt. 52. O-Ton Gerdes Ich kriege richtig Gänsehaut, wenn ich das hör’, also das ist mir so unangenehm. Ja, was man manchmal auch in den Medien hört und liest. Vielleicht sieht es nicht jeder, ich bemerke falsches Lob. Text F: Geht mir ganz genauso. Wobei: So ein hervorragender Selbstvermarkter fällt die Treppe eigentlich immer nur hoch. Text M (schmollend): Schade, dass ich kein hervorragender Selbstvermarkter bin. Text F (besänftigend): Nun sei wieder gut! Anwesende Männer sind von dieser Theorie natürlich ausgenommen. Aber Anzugträger, Karriere und Eigenlob, das zum Himmel stinkt, scheinen mir doch herzlich miteinander verbandelt. Text M (leicht grummelnd): Willst Du jetzt etwa das Fass aufmachen, dass Frauen die besseren Menschen sind? Text F: Nein, natürlich nicht. Aber ich finde das Eigenlob von Männern oft verdammt plump. Frauen – anwesende natürlich ausgenommen – können das sehr viel subtiler. Musik 53. O-Ton Gerdes Vor mir ging eine Frau, phantastisch gekleidet, zurechtgemacht. Aber ihr Rock hatte sich hier oben in der Taille eingehakt. Das heißt: Hier war frei und man sah bis zum Oberschenkel alles. Das hatte sie scheinbar nicht gemerkt, so. Hinter ihr liefen die Leute und kicherten. Und ich sah mich dann bemüßigt, also auch, kann ich mich das jetzt trauen, aber ich hab gedacht, wenn mir das jetzt so ginge, das wäre für mich eine so furchtbare Sit... Also, ich hab sie angesprochen und hab gesagt: Sie sehen phantastisch aus, aber Ihr Rock hat sich da verfangen und die war mir so dankbar. Ich hab sie gelobt. Und die war mir so dankbar. Text F (grinsend): Geschickt, was? Text M: Wieso? Das war doch einfach nur aufmerksam. Text F: Herzchen! Manchmal bist Du schon naiv. 20 In dieser Geschichte vom Loben steckt auch eine gute Portion Eigenlob. Text M: Hilf mir. Da komme ich jetzt gerade nicht mit. Text F (grinsend): Ja, wir Frauen sind ein Mysterium... Schau mal: Die Pointe liegt doch ganz augenscheinlich im letzten Satz: „Die war mir so dankbar.“ 54. O-Ton Gerdes Vielleicht schwingt da schon n bisschen Eigenlob mit, wenn ich sage, das find ich toll, was du da gemacht hast, ooh, ganz prima, will ich natürlich auch n’Lächeln zurück oder irgend so was, ja ich glaub, es schwingt schon n bisschen mit. Also ich werd’ sozusagen wieder gelobt (lacht). Text M: Ahh.... so! Den Code kannte ich noch nicht. Wenn ich also rekapitulieren darf: Als Du mich für mein knallrotes Hemd gelobt hast, hast Du Dich selbst für Deinen eigenen guten Geschmack gelobt? Text F: Jetzt komme ich nicht mit. 55. O-Ton Baecker Der, der lobt, sagt von sich, dass er loben kann, sagt von sich, dass er einschätzen kann, was der Gelobte getan hat, sagt von sich, dass er in der Position des Lobenden ist, und damit ist jedes Schlagen auf die Schultern eines anderen immer auch ein Schlagen auf die eigene Schulter. Text M: Auf gut Deutsch: Das eigentliche Objekt Deiner Begierde warst Du selbst. Text F: Ist das jetzt Haarspalterei oder muss ich in mich gehen? Text M (lächelnd): Letzteres, schlage ich vor. Text F (nachdenklich): Puhh. Das geht ja noch eine psychologische Stufe tiefer als ich dachte. Ich lobe Dich, und meine aber mich? Text M (schulmeisterlich deklamierend): Wozu dient das Lob, wenn nicht als Instrument, sich der Vollkommenheit ein Stück näher zu bringen? 21 Musik 56. O-Ton Kaschuba Es ist immer reziprok, wenn wir daraus eine soziale Interaktion machen. Wer, das kann man, glaube ich, schon festhalten, wer geschickt lobt, ist auch lieb zu sich selbst.“ Text F: So. Ich habe mich also geschickt gelobt. (leicht genervt) Bitte, wenn’s der Wahrheitsfindung dient. (spitz) Darf ich jetzt auf Dich zu sprechen kommen? Text M (lachend): Wenn’s Deiner Wahrheitsfindung dient... Text F (mit Nachdruck): Was Du mir gerade beigebogen hast, war Dir nicht bewusst, als Du Dich so geziert hast, mein Lob für Dein rotes Hemd anzunehmen. Gib’s zu! Text M (amüsiert): Ich gestehe, Euer Ehren! (ernst) Ich war einfach nur überrascht, weil Du ein Mensch bist, der in homöopathischen Dosen lobt. Text F: Das war nicht alles! Text M: Doch! Text F: Nein. Du warst noch frustriert, weil Dich keiner für die geputzte Wohnung gelobt hat. Text M: Ja, und? Text F: Der wahre Grund, weshalb Du dieses knallrote Hemd trägst ist, dass Du fürchtest in Karos kleinkariert zu wirken. Text M (erschrocken): Hätte ich Dir das bloß nicht erzählt! Text F: Ich will ja nur auf Folgendes hinaus: 57. O-Ton Kaschuba Es ist ganz kontextabhängig: Wie dieselben Worte, derselbe warme Ton, dieselbe gemeinte Botschaft ankommen kann, bei demjenigen oder derjenigen, die gelobt werden. Text F: Weil jeder sein Päckchen mit sich herumträgt. Ein Lob rührt an die ganze Persönlichkeit. Wie ein Mensch darauf reagiert, ist wie Daumenkino rückwärts. 22 Musik 58. O-Ton Sophie Ich finde es schön, wenn man von Eltern gelobt wird und ich finde es ist auch manchmal wichtig, von Eltern gelobt zu werden. 59. O-Ton Reinboth Das Loben oder das Gelobt-werden-wollen, ist ein kindliches Bedürfnis. Und das Kind ist natürlich absolut abhängig vom Lob – ich würde ergänzen, von der Anerkennung und der Wertschätzung, das sind zwei mir wesentliche Begriffe dabei – der Erwachsenen, der Eltern, der umgebenden Familie. Text M: Ich war sechs oder sieben und malte ein Auto. Es muss ein Sonntag gewesen sein, mein Vater war zu Hause. Er hat sich neben mich gesetzt und gesagt: Hier fehlen noch die Scheinwerfer und da die Stoßstangen. Ich malte so lange, bis er meinte: „Nun ist das Auto fertig.“ Und ich sagte: „Du hast den Auspuff vergessen“. Da hat er mich ganz verdutzt angesehen, mir die Hand auf die Schulter gelegt und gemeint: „Da hast Du aber gut aufgepasst!“ Text F: Ich kann mich nur an Lob erinnern, wenn das Zeugnis gut war oder ich stundenlang still vor mich hin gespielt habe. Dass ich aber nie gelobt wurde, wenn ich beim Schokoladeneis nicht gekleckert habe. Andersherum hieß es aber: „Schon wieder ein Fleck. Das wirst Du wohl nie lernen.“ 60. O-Ton Reinboth Da haben Sie ja schon das Stichwort mit der Schwarzen Pädagogik gegeben. Wenn ich nie lobe oder meine Anerkennung, Wertschätzung kundtue, dann erziehe ich ja auch wirklich gierige kleine Kinder und manipuliere sie auf meine Weise, damit sie das tun, was ich möchte. Eltern manipulieren immer ihre Kinder. Mit Liebesentzug, mit Erzeugung von Schuldgefühlen – wenn das Kind nicht das tut, was mir gefällt. Ich kann das sowohl mit Lob als auch mit Kritik erzeugen. 61. O-Ton Henryk Für mich isses n Lob anzunehmen, sehr schwer. Ich mach's zwar alles und tu auch gerne Leute helfen, aber mich loben zu lassen, das ist für mich kompliziert, also damit kann ich nicht umgehen. Weil ich als Kind nie Lob erfahren habe. 23 62. O-Ton Kaschuba Wer nicht in kommunikativen Verhältnissen ist, kein Echo hat auf seine eigene Person, auf sein eigenes Tun, wird krank, wird sozial krank. Weil einen das in eine ungewollt autistische Situation bringt. 63. O-Ton Reinboth Dieser Mensch, würde ich sagen, ist nie erwachsen geworden. Jemand, der keine Mitte hat, kein Zentrum, in dem er sich selbst wertschätzt, und/oder beurteilt oder kritisiert und das nur von außen möchte, der ist eine abhängige Persönlichkeit, würden wir sagen. Text M (mürrisch): Na, gut: Süchtige gibt es für überall, klar. Aber jeder Mensch ist darauf angewiesen, von anderen anerkannt zu werden. Das kann ich doch nicht alles aus mir selber holen. Text F: Das sagt ja auch niemand. Aber die Frage stellt sich schon, ob das Bedürfnis nach Wertschätzung durch Lob erfüllt werden kann. 64. O-Ton Senti Eigentlich kann man ja nichts falsch machen, wenn man das sagt, aber jeder geht auch immer anders mit Lob um. Manche sagen ja dann auch so: Ja, nein, das stimmt gar nicht. Und dann fühlt man sich so ein bisschen auch gekränkt. So, ich hab dir doch jetzt ein Lob gegeben, ich hab mir Mühe gegeben, dir das Lob zu sagen, und dann macht die andere Person das herunter, so. 65. O-Ton Reinboth Das Kind muss natürlich später lernen: Ich bin auch liebenswert, wenn ich es nicht allen recht mache. Sprecher: „ die aprikosenbäume gibt es, die aprikosenbäume gibt es die farne gibt es; und die brombeeren, brombeeren“ Aus : „Alphabet“ von Inger Christensen Musik 66. O-Ton Baecker Zwei Hauptstrategien, die ich verfolge, bestehen darin, entweder es höflich hinzunehmen und mich zu bedanken oder aber genauer nachzufragen: Was meinst du denn oder was hat Ihnen denn besonders gefallen. Oder was glauben Sie denn, wie es dazu kam, dass ich jetzt so lobenswert mich verhalten habe, 24 um gleichsam die Situation ein klein wenig umzudrehen und auch den Lobenden in die Situation des Befragten zu bringen und von daher dann doch ein offeneres Gespräch zu ermöglichen als das des abgeschlossenen Lobes. Text F: Ist das alltagstauglich? Text M: Nur, wenn man sich gegen den Mainstream stemmt. Aber da hat jetzt jemand eine App erfunden: Damit jeder jeden bewerten, also mit Tadel und Lob richten kann. 67. O-Ton Karin Claus Es fällt mir total leicht nach draußen zu gehen und überall zu loben und zu sagen: Oahh, du hast ja tolle Haare, Mensch deine Brille sieht gut aus.... also ich kann das den ganzen Tag machen (...) 68. O-Ton Gerdes: Jeder Anlass zu loben ist mir sehr willkommen. Weil einfach das, was man zurück bekommt, sind strahlende Augen, entspannte Leute, ja und einfach n bisschen Lebensfreude. Und das macht mir viel Spaß. 69. O-Ton Sophie / Shima Ich finde, auch ein Kind kann einen Erwachsenen loben. Auch ein fünf- oder dreijähriges Kind kann einem Erwachsenen sagen, eh Papa, dieses Bild hast du aber gut gemalt. Das find ich voll okay. Ich finde, alle können loben, alle, egal welches Alter. – Egal, wie groß oder wie klein – egal, was. Musik 70. O-Ton Kaschuba Die Frage ist natürlich, ob wir zurückkönnen. Wenn man sich etwa anschaut, was etwa die Medien uns vorleben. Das ist ein nicht enden wollendes Lob. Wir bräuchten eine reflexive Form, wie diese Gesellschaft, die ja nur über Attraktion, über Bestätigung, über Repräsentation – du hast das Recht, hier zu sein – , über Akklamation funktioniert, wie die umgehen kann, mit Hinweisen darauf, dass sie eine ganze Reihe von Fehlern macht. Also da sind wir verwöhnt und süchtig nach dieser heilen Welt, in deren Mittelpunkt wir stehen.“ 71. O-Ton El Manhy Also ich finde es immer beeindruckend gerade bei Künstlern, die mir manchmal so frei erscheinen davon. Die Dinge tun, weil sie sie tun, wie sie sie machen und sich nicht so ein- oder beschränken lassen: Wie wirkt das jetzt auf andere, finden die das gut, finden die das schlecht? So ne Freiheit auch davon zu haben, finde ich, ist was Erstrebenswertes. 25 Text M: Stimmt. In der Kunst hat man es leichter. Text F: Wieso? Text M: Weil Künstler sich nicht in anderen Menschen spiegeln müssen. Text F: Spiegeln? Don Quixote liegt Dulcinea doch zu Füßen: Sprecher: (Quelleneingabe: Miguel de Cervantes: Don Quixote) „... ihr Haar ist golden, ihre Stirn ist das elysische Gefilde, ihre Augenbrauen sind Himmelsbogen, ihre Augen Sonnen, ihre Wangen Rosen, ihre Lippen Korallen, Perlen ihre Zähne, Alabaster der Hals, Marmor die Brust, Elfenbein die Hände, ihre Haut wie der Schnee“. Text F (träumerisch): Das sollte mir mal jemand so sagen... Text M: Du hörst Haut und Hände, Wangen und Augenbrauen. Ich höre nicht nur das Liebeslob. Ich höre auch: Schnee, Elfenbein, Rosen und Himmelsbogen. Weiß, Rot und Blau. Hier ist von Dingen die Rede. Text F: Welchen Dingen? Text M: Mensch, verstehst du nicht? Das Lob der Dinge, der Atmosphäre, Natur, Welt..... 72. O-Ton Luca Wir loben die Dinge, weil die Dinge zuvor zu uns etwas gesagt haben. Text F: Die Aprikosenbäume, die Brombeeren und die Rose... Text M: Ja, denn wenn wir von Angesicht zu Angesicht loben, wird es schnell kompliziert: Wir maßen uns ständig Urteile an, vergeben Noten, stellen den anderen heraus, heften ihm etwas an – womit der andere womöglich gar nichts anfangen kann. Und es gibt keinen guten Weg, aus einem missratenen Lob wieder rauszukommen - weder für den Lobenden noch für die Gelobten. 26 Text F (ironisch): Um der Menschheit zu dienen, sollten wir auf’s Loben und Gelobt-werdenwollen also besser verzichten? Text M (ernst): Erinnere Dich: Das wäre kontraproduktiv. 73. O-Ton Kaschuba Weil einen das in eine ungewollt autistische Situation bringt. Ich weiß gar nicht, wo ich bin. Text F: Und produktiv das Lob selbst zum Thema zu machen, reicht Dir nicht? Text M: Wenn wir gemeinsam loben würden vielleicht. Zusammen schwärmen.... vom trillernden Stieglitz.... Text F (lächelnd): .... im Aprikosenbaum? Text M: Mach’ Dich nicht lustig! Ich meine das ernst! Auf diese Weise kommen wir doch in ein wirkliches Gespräch miteinander. Dass wir uns hier den Kopf zerbrechen über das Lob, Gedanken wälzen und Wortgirlanden drehen. An diesem sternenklaren, kalten Abend in einem warmen Studio.... Text F: ...an dem Menschen uns ihre Zeit schenken, uns zuhören. 74. O-Ton Luca 24:55: Unser Lob ist auch eine Verbindung zu den Dingen. Text M: ..... und damit zu den Menschen. Musik „Canon in Frame“ (stehenlassen und unterlegen) Sprecher: "Gut gemacht!? Von der Zwiespältigkeit des Lobes" Ein Feature von Günter Rohleder und Gabi Wuttke 27 Musik Sprecher: Es wirkten mit: Der Soziologe Dirk Baecker, die Pfarrerin Jasmin El Manhy, die Lehrerin Dolores Gerdes, der Kulturwissenschaftler Wolfgang Kaschuba, der Rhetoriker Joachim Knape, und die Psychotherapeutin Ruth Reinboth. Außerdem: Brigitte, Henryk, Karin, Luca, Senti, Shima und Sophie. Sie hörten Ausschnitte aus dem Hörspiel „Buddenbrooks“ nach Thomas Mann, erschienen bei „Der Hörverlag“. Musik hochziehen Sprecher: Es sprachen: Sigrid Burkholder, Matthias Haase und Gereon Nussbaum Ton und Technik: Ernst Hartmann und Kiwi Hornung Regie: Uta Reitz Redaktion: Klaus Pilger Produktion: Deutschlandfunk 2016 Musik hochziehen Text F: Ich bleibe dabei: Dieses rote Hemd steht Dir wunderbar. Text M: Danke. Warum war es Dir wichtig, mir das zu sagen? Text F (lacht): Weil ich es schön finde, wenn mich gut angezogene Männer umgeben. 28 Text M (träumerisch): „Ihre Wangen Rosen, ihre Lippen Korallen....“ Text F (lachend): Ja, Don Quixote....... Musik hochziehen Sprecher: (Quellenangabe: „Alphabet“ von Inger Christensen - Gedicht produzieren wie Gedankenspiel auf S. 15f ) „den fischreiher gibt es, mit seinem graublau gewölbten rücken gibt es ihn, mit seinem federschopf schwarz und seinen schwanzfedern hell gibt es ihn; in kolonien gibt es ihn; in der sogenannten Alten Welt; gibt es auch die fische; und den fischadler, das schneehuhn den falken; das mariengras und die farben der schafe; die spaltprodukte gibt es und den feigenbaum gibt es (....) die fehler gibt es, die groben, die systematischen, die zufälligen; die fernlenkung gibt es und die vögel; und die obstbäume gibt es und das obst im obstgarten wo es die aprikosenbäume gibt, die aprikosenbäume gibt (...)“ Musikschluss ENDE 29
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