US-Ermittler nehmen Vorstände ins Visier

Editorial
I
dürfen die Anwälte des Justizministeriums künftig keine
Vergleiche mit verfolgten Unternehmen mehr schließen,
bevor sie nicht einen klaren Plan vorlegen, wie sie gegen
die für einen Regelverstoß verantwortlichen Personen
weiter vorgehen wollen.
Kritiker könnten den angekündigten neuen Kurs der USErmittler zwar ggf. als alten Wein in neuen Schläuchen
bezeichnen. Denn gänzlich neu ist diese Entwicklung tatsächlich nicht. Bereits in der Vergangenheit hat das DoJ
eine klare Tendenz dazu erkennen lassen, härter gegen
Bekanntlich verfolgen US-Behörden Unternehmen unverantwortliche Entscheidungsträger in Unternehmen
nachgiebig, wenn sie gegen amerikanische Gesetze vervorzugehen. Allerdings geht das Yates-Memo mit seiner
stoßen. Nicht selten erreichen die gegen einzelne Firmen
klaren Marschrichtung nun noch einen deutlichen Schritt
verhängten Bußgelder dreistellige Millionenbeträge.
weiter als die bisherige Verfolgungspraxis des US-JustizAmerikanische Ermittlungsbehörden gehen bei Gesetzesministeriums.
verletzungen nun deutlich härter gegen einzelne PersoDie neuen Vorgaben gelten ohne jede Einschränkung für
nen im Unternehmen vor. Das US-Justizministerium (DoJ)
sämtliche zukünftigen Ermittlungen in Bezug auf Gesethat kürzlich einen für Unternehmen und deren Führungszesverstöße durch Unternehmen. Das DoJ wird seinen
kräfte entscheidenden Kurswechsel bekannt gegeben.
neuen Kurs aber auch bei bereits laufenden UntersuAm 9.9.2015 stellte die stellvertretende Generalanwältin
chungsverfahren verfolgen, sodes DoJ, Ms. Sally Yates, eine
weit es dies „für zweckmäßig
entsprechende Stellungnahhält“. In der Vergangenheit hame vor. „Einer der effektivsten
Fortan müssen Firmen verantben die US-Ermittler ein hartes
Wege, Gesetzesverstöße durch
wortliche Personen bis hin zur
Vorgehen sehr häufig als zweckUnternehmen zu verhindern, ist
Vorstandsebene benennen.
mäßig beurteilt. Auch Unternehes, diejenigen Personen zur Remen, die bereits jetzt im Fokus
chenschaft zu ziehen, die gegen
laufender Untersuchungen stehen, müssen sich daher
Regeln verstoßen haben“, so Yates. In der Vergangenheit
auf die neue Gangart des DoJ einstellen.
wurde dem DoJ teilweise vorgeworfen, nicht entschieden
Mit der neuen, verschärften Verfolgungspraxis des USgenug gegen Vorstände oder andere VerantwortungsträJustizministeriums wird die Aufarbeitung von Verstößen
ger in Unternehmen vorzugehen. Dies soll sich mit dem
gegen amerikanische Gesetze für Unternehmen noch
sog. Yates-Memo nun ändern. In dem Memo stellt das
komplexer. Sie müssen nicht nur mögliche Strafzahlunamerikanische Justizministerium einen 6-Punkte-Plan
gen, sondern auch sonstige Sanktionen und Rufschäden
auf, nach dem US-Ermittler künftig vorgehen sollen.
in ihre Rechnung einbeziehen, wenn sie eine KooperatiDer aus Unternehmenssicht wohl wichtigste Aspekt des
on mit dem DoJ erwägen. Künftig müssen Unternehmen
Yates-Memos betrifft die Zusammenarbeit zwischen
vielmehr auch genau prüfen, welchen EntscheidungsUnternehmen und Verfolgungsbehörden. Bekanntlich
trägern das Risiko straf- und zivilrechtlicher Verfolgung
berücksichtigen US-Ermittler die Kooperation eines Undurch die US-Behörden droht. Dies wird noch mehr als
ternehmens strafmildernd, wenn sie Bußgelder wegen
vorher eine gründliche interne Sachverhaltsaufklärung
Gesetzesverstößen verhängen. Um künftig überhaupt für
erfordern, bevor man sich entscheidet, ob man bei der
einen solchen „cooperation credit“ in Frage zu kommen,
Reaktion auf Verstöße gegen amerikanische Gesetze
müssen Unternehmen die Verantwortlichen benennen.
mit den US-Behörden zusammenarbeitet. Unternehmen
Sie müssen dem Justizministerium sämtliche relevanten
sollten künftig auch damit rechnen, dass betroffene MitFakten über diejenigen Personen mitteilen, die für den
arbeiter bei den internen Ermittlungen deutlich weniger
Regelverstoß verantwortlich sind. Hierbei soll dem Unkooperativ sein dürften als in der Vergangenheit, wenn
ternehmen keinerlei Wahlrecht zustehen, welche Sachihnen nun selbst Strafverfolgung droht.
verhalte es offenlegt und welche nicht. Fortan müssen
Firmen verantwortliche Personen somit bis hin zur Vorstandsebene benennen. Zudem werden die DoJ-Anwälte
Autor
angewiesen, in jeder Phase einer Untersuchung stets
energisch und präzise zu ermitteln, welche Personen für
Tim Wybitul, RA/​FAArbR, ist Partner bei
welche Handlungen verantwortlich sind.
Hogan Lovells. Er leitet die Compliance &
Fortan darf das DoJ bei einer Einigung mit dem jeweiliInvestigations-Gruppe der Kanzlei in Frankgen Unternehmen auch weder Straf- noch Zivilverfahren
furt und berät Unternehmen bei internen
gegen einzelne Personen fallen lassen. Damit ist es ab
Untersuchungen, Compliance, Datenschutz
sofort nicht mehr möglich, im Rahmen einer Abmachung
und Arbeitsrecht. Von 2008 bis 2010 führte
zwischen beschuldigtem Unternehmen und DoJ zu verer ein großes Team, das die UBS AG bei den
einbaren, dass Vorstände oder andere Mitarbeiter nicht
damaligen Ermittlungen des DoJ, der SEC
mehr gesondert strafrechtlich verfolgt werden – oder
und des IRS unterstützte.
Schadensersatzansprüche fürchten müssen. Zudem
CB-EDITORIAL
US-Ermittler nehmen
Vorstände ins Visier
Compliance-Berater | 12/2015 | 1.12.2015