Schweizer Familie

Datum: 22.10.2015
Schweizer Familie
8021 Zürich
044/ 248 61 06
www.schweizerfamilie.ch
Medienart: Print
Medientyp: Publikumszeitschriften
Auflage: 194'427
Erscheinungsweise: wöchentlich
Themen-Nr.: 035.002
Abo-Nr.: 1078646
Seite: 18
Fläche: 110'949 mm²
DIE
GOLD-MELANIE
Sie ist eine der Jüngsten ihrer Branche und doch ein alter Hase.
handelt mit über hundertjährigen Geldstücken und
hat sich als Münzexpertin international einen Namen gemacht.
MELANIE SCHNEIDER
Text AngeLa Lembo
Fotos Daniel Ammann
Sie schlägt den Katalog auf. Seite um Portemonnaies: anders als der Rest.
Seite suchen ihre Augen die abgebilNumismatiker sind für gewöhnlich
deten Münzen ab, bis ihr Blick an
einem Taler aus dem Jahr 1861 hängen
bleibt. Nur 6000-mal geprägt anlässlich
des eidgenössischen Schützenfestes in
Nidwalden. Diesen Taler muss sie haben.
Der lässt sich weiterverkaufen. Und das
mit Gewinn.
Melanie Schneider, 26, kennt sich aus
im Münzgeschäft. Die Tochter eines Nu-
Herren reiferen Alters. Mit ihren 26 Jah-
ren gehört Melanie Schneider zu den
Jüngsten der Branche. Zudem ist sie eine
von wenigen Frauen. Oft wurde sie an
Auktionen mit Befremden gemustert, in
den Blicken die unausgesprochene Frage:
Hat da jemand seine Sekretärin geschickt?
Das sei manchmal unangenehm, sagt
Melanie Schneider. Solche Erlebnisse hät-
mismatikers - so heissen Münzexperten ten aber ihre Selbstsicherheit gestärkt. Nie
- handelt seit drei Jahren mit Geld-
stücken. Im Büro, das sie sich mit ihrem
Vater Urs teilt, stehen vier grosse Tresore. Auf den Tischen stapeln sich Bücher, und überall liegt geschichtsträchtiges Edelmetall in Talerform. Über hundertjährige Goldvreneli, Frankenstücke
sowie Schützenmedaillen. An Auktionen
und aus Liquidationen und Nachlässen
liess sie sich beirren, und fast immer sicherte sie sich die Münzen, die sie haben
wollte. Dadurch verschaffte sich Melanie
Schneider Respekt.
Die meisten Geschäfte wickelt die
«Tochter vom Urs», wie sie in der Branche
oft genannt wird, nicht an Auktionen ab,
sondern am Computer oder Telefon.
gekauft mit dem Ziel, die Münzen Auch den Kauf des Schützentalers von
1861. Zwei Wochen nachdem sie ihr Geweiterzuverkaufen.
bot am Telefon abgegeben hat, hält sie das
Die Gewinne, die Melanie Schneider
Stück in Händen. Eine Rarität, geprägt vor
dabei erzielt, sind rekordverdächtig. Bis zu
über 150 Jahren als Erinnerungsgeschenk
10 Millionen Franken Umsatz macht ihre
Firma Pea-Nut AG jährlich mit einem für die Schützen, die am eidgenössischen
internationalen Kundenstamm von rund Schützenfest teilnahmen. «Damals haben
10 000 Personen. Bei der Internet-Ver-
die Veranstalter richtiges Silber ver-
kaufsplattform Ricardo erreicht die Händ- schenkt», sinniert Melanie Schneider, die
lerin aus Rüthi SG mit dem Verkäufer- täglich gegen 60 Münzen zum Verkauf
ins Netz stellt. Sie prüft die Qualität des
namen «erdnuessli 1» regelmässig einen
Schützentalers: «Sehr schön, polierte
der grössten Umsätze. Beim Kauf und
Verkauf von Münzen macht ihr so schnell
keiner etwas vor. Und das, obwohl sie in
mehrerlei Hinsicht nicht in den Kreis der
Numismatiker passt. Sie ist wie der Jeton
fürs Migros-Wägeli im Münzfach eines
Platte, fast Stempelglanz», sagt sie.
«Er könnte dem Kunden aus
Asien gefallen.» Der hat schon
manchen Schweizer Schützentaler ersteigert. «Keine Ahnung,
warum ein Asiate daran Gefallen
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findet.» Sie kennt ihn - wie die meisten ihrer Kunden aus dem Internet - nicht
persönlich. Mehr als Name und Adresse
braucht sie nicht, um den Verkauf
abzuwickeln.
In den Fussstapfen des Vaters
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Anders als ihre Schwestern blieb
Melanie Schneider dem Geldhandel treu.
Sie machte eine KV-Lehre auf der Bank
und studierte Wirtschaft an der Fachhochschule St. Gallen. Vor drei Jahren ist
sie in das Geschäft des Vaters eingestie-
Das Handwerk hat Melanie Schneider gen, der sich mehr und mehr zurückvon ihrem Vater gelernt. «Seine Lebens- ziehen will.
geschichte fasziniert mich, und seine LeiDer Nidwaldner Schützentaler steht
denschaft für den Handel mit Münzen jetzt im Internet. Mindestgebot I Franken.
hat auf mich abgefärbt.» Urs Schneider Bis zu 350 Franken wird ein Liebhaber dawar 19, als er nach dem plötzlichen Tod für zahlen, schätzt die Händlerin. Kaufen
seines Vaters nicht nur dessen Korb- und teurer verkaufen. Mehr will Melanie
waren-, sondern auch dessen Münzge- Schneider nicht. Sie ist keine Sammlerin.
schäft übernommen hatte. Wie er wuch- Gibt es dennoch ein liebstes Stück? «Noch
sen auch seine drei Töchter zwischen nicht», sagt sie und lacht. «Meine Lieb-
Korbwaren und Münzen auf. Statt mit lingsmünze wird eines Tages jene sein, mit
Plastikgemüse Verkäuferli zu spielen, ver- der ich am meisten Geld verdiene.»
kauften die Mädchen einander Münzen.
Schützentater von 1861 (o.).
Melanie Schneider wickelt
Kauf und Verkauf online
oder am Telefon ab.
Sammlerstücke: Vreneli
und Drachmen (0.1,
20-Franken-Munze von
1873 (r.)
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«Die Leidenschaft des
aVaters rhbatt> uf mich
Melanie
Schneider, 26.
et-
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