Freitag 1.1.2016, 17 Uhr Tafelhalle Neujahrskonzert Werke von Copland, Gershwin, Varèse und Reich Leitung Jonathan Stockhammer Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Tafelhalle. Das ensemble KONTRASTE wird gefördert durch die Stadt Nürnberg, den Bezirk Mittelfranken und den Freistaat Bayern. Aaron Copland (1900–1990) Appalachian Spring (1944) Very Slowly Allegro Moderato: The Bride and her Intended Fast: The Revivalist and his Flock Allegro: Solo Dance of the Bride Meno mosso Doppio movimento: Variations on a Shaker hymn Moderato: Coda George Gershwin / (1889–1937) Manfred Knaak (*1960) Three Preludes for Piano – eine Improvisation (2015) Recitativo, molto libero – Allegro ben ritmato e deciso Andante con moto e poco rubato – Saeta, senza tempo – Tempo primo Allegro ben ritmato e deciso Edgard Varèse (1883–1965) Octandre (1924) Assez lent Très vif et nerveux Grave. Animé et jubilatoire Steve Reich (* 1936) City Life (1995) mit einem Live-Video von Frieder Weiss Check it out Pile driver/alarms It's been a honeymoon – can't take no mo' Heartbeats/boats and buoys Heavy smoke Flügelhorn Eckhard Kierski Posaune Johannes Kronfeld ensemble KONTRASTE Leitung Jonathan Stockhammer Auf nach 2016 – mit amerikanischer Musik! Das Neujahrskonzert des ensemble KONTRASTE in der Tafelhalle hat mittlerweile Kultstatus! Heuer steht noch dazu das 25-jährige Jubiläum des eK an, ein „ganz besonderes“ Programm versteht sich da von selbst. Diesmal also eine exquisite Auswahl von „Klassik“ aus den USA, denn im Gegensatz etwa zum Jazz, zum Musical, zur Rockmusik, zur Kunst eines Frank Sinatra oder Michael Jackson ist diese Musik bei uns weniger bekannt; es gilt viel zu entdecken. Doch was ist das „Amerikanische“ an dieser Musik? Sicher die größere Unbefangenheit gegenüber Abgrenzungen zwischen Kunst und Unterhaltung, die Offenheit für Einflüsse aus allen Richtungen. Es wird gern der etwas abgedroschene Begriff vom „Schmelztiegel“ bemüht. George Gershwin nahm darauf Bezug, als er über seine Rhapsodie in Blue sagte: „Ich wollte ein musikalisches Kaleidoskop Amerikas – unseres ungeheuren Schmelztiegels, unserer typischen nationalen Eigenheiten, unseres Blues, unserer großstädtischen Unrast zeichnen.“ Ein Bild Amerikas zeichnete auch Aaron Copland in Appalachian Spring, allerdings ist es bei ihm das ländliche Amerika der Pionierzeit im frühen 19. Jahrhundert. Ganz im Gegensatz zu Steve Reich, der wie Gershwin die elektrisierende Unruhe der Metropole New York komponiert: City Life eben. Und Edgar Varèse? Ihn interessierte ohnedies nur die Moderne, der Aufbruch, die neue Zeit – da war er in Amerika am richtigen Platz. Starten wir also mit amerikanischem Drive ins neue Jahr – selbst verständlich mit einem amerikanischen Dirigenten! Aaron Copland – Musik für alle Aaron Copland zählt zu den Klassikern der amerikanischen Moderne. Als einer der ersten Komponisten brachte er amerikanisches Lebensgefühl zum Klingen – womit er eine für einen Komponisten des 20. Jahrhunderts seltene Popularität gewann. Das solide Fundament für seinen Erfolg legte der Sohn litauisch-jüdischer Einwanderer in Europa. Er studierte in Paris, bei der legendären Nadja Boulanger, der „Mutter“ der neuen Musik, und kam dort mit der europäischen Musiker-Avantgarde in Berührung. Fasziniert vom hochentwickelten Musikleben Europas wollte er nach seiner Rückkehr etwas Ähnliches für Amerika schaffen. Den Tonfall für seine Musik fand er im Lebensgefühl der Amerikaner, dem Optimismus, dem Schwung und der Direktheit seiner Generation. Copland lebte in New York, in den Zwanzigern die Hochburg von Jazz und Ragtime, und davon inspiriert experimentierte er begeistert mit neuen Formen, Harmonien und Rhythmen. Der große Durchbruch kam jedoch erst in den späten Dreißigern. Politisch links stehend, war er zu der Überzeugung gelangt, dass man die traditionelle amerikanische Volksmusik einbeziehen müsse, wenn man das Volk, den „Common Man“, musikalisch erreichen wolle. So entstanden ab den 1930er Jahren erfolgreiche Kompositionen wie Billy the Kid, El Salón México und Rodeo – Appalachian Spring machte Copland auf einen Schlag berühmt. Zu seiner Popularität trugen zudem zahlreiche Filmmusiken bei – für The Heiress erhielt er 1950 einen Oscar. Appalachian Spring – „Ballet for Martha“ Die Entstehung der Musik ist der äußerst fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Tänzerin Martha Graham und ihrer legendären Dance Company zu verdanken. Graham hatte die Idee für das Sujet und den Titel, taufte nach Fertigstellung der Komposition Coplands Arbeitstitel „Ballet for Martha“ in „Appalachian Spring“ („Frühling in den Appalachen“) um, inspiriert von einem Gedicht von Hart Crane. Nichtahnend, dass der Titel gar nicht von Copland stammte, sagte man ihm später gelegentlich: „Bei Ihrer Musik sehe ich die Appalachen vor mir und fühle den Frühling." Ein Jahr später erstellte Copland eine Orchestersuite aus dem Ballett, die ihm den Pulitzer-Preis und den New York Critics’ Circle Award einbrachte. Die Rhythmen, Harmonien und Melodien wirken auf uns „typisch amerikanisch", obwohl Copland nur eine echte Volksweise zitiert: Eine Reihe bukolischer Szenen kulminiert in Variationen über das Shaker-Lied Simple Gifts – die Shaker sind eine mittlerweile nahezu ausgestorbene christliche Sekte in den USA. Das Lied, welches Copland auch in seine Old American Songs aufnahm, wurde zu einer der populärsten amerikanischen Melodien überhaupt – sogar bei der Amtseinführung von Präsident Obama wurde Simple Gifts, in einer Bearbeitung von John Williams, ge spielt. Zum Inhalt Umgeben von erfahrenen älteren Nachbarn sowie einem Prediger und dessen Gemeinde bezieht ein junges Paar im frühen 19. Jahrhundert sein neues, selbst gebautes Farmhaus in den Hügeln von Pennsylvania. Die acht Sätze beschreibt Copland folgendermaßen: Sehr langsam. Einführung der Personen, nacheinander, in vollem Licht. Schnell. Ein plötzlicher Ausbruch der einstimmigen Streicher in A-Dur-Arpeggien eröffnet die Handlung. Freudig-erregte wie religiöse Zuversicht beherrscht die Szene. Mäßig. Duett der Braut und ihres Zukünftigen – eine Szene der Zärtlichkeit und Leidenschaft. Ziemlich schnell. Der Erweckungsprediger und seine Anhängerschar – volkstümliche Geselligkeit, Anklänge an Square-Dance und Country-Fiddler. Noch schneller. Solotanz der Braut – Vorgefühl der Mutterschaft, starke Gefühle von Freude, Furcht und Staunen. Sehr langsam (wie zu Beginn). Übergangsszene mit musikalischer Reminiszenz an die Einführung. Ruhig und Fließend. Alltagsszenen der Braut und ihres Ehemannes als Farmer – fünf Variationen der Melodie „Simple Gifts“, einem Lied der Shaker, vorgetragen von einer Soloklarinette. Mäßig. Coda. Die Braut gesellt sich zu den Nachbarn. Am Ende bleiben die Brautleute ruhig und gekräftigt in ihrem neuen Haus. Gedämpfte Streicher intonieren eine gebetsartige Choralpassage. Abschließend werden die Themen der Einführung wiederaufgenommen. George Gershwin – vom Erfolg zur Größe Der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer genoss nie eine musikalische Ausbildung am Konservatorium, das Klavierspiel erlernte er durch intensives Anhören und Nachspielen jeder Art von Musik, Klassik, Schlager, Ragtimes und Jazz. Seine professionelle Karriere begann der junge Gershwin als „Song-plugger“, so hießen die Klaviervorspieler in den Musikgeschäften New Yorks. Er schrieb Lieder für Musicals, Comedies und Revuen – schon im Alter von 20 Jahren entstanden einige seiner Hits wie Nobody But You oder Swanee. Im Jahre 1924 dann das Werk, mit dem er weltweit berühmt wurde, die Rhapsody in Blue. Trotz der Erfolge war Gershwin oft unzufrieden: Er mache zwar vieles richtig, aber eben nur intuitiv. Noch kurz vor seinem unerwarteten Tod – er starb mit 38 Jahren in Los Angeles an einem Gehirntumor – sagte er zu seiner Schwester: „Ich habe das Gefühl, bisher nur an der Oberfläche dessen gekratzt zu haben, was ich schaffen will.“ Three Preludes for Piano – eine Improvisation Eigentlich wollte Gershwin einen ganzen Zyklus von vierundzwanzig Preludes schreiben, „The Melting Pot“ sollte er heißen. Übrig blieben nur drei harmonisch raffinierte Klavierkompositionen, Three Preludes for Piano. Gershwin selbst dazu: „Es ist wirklich eine Mischung verschiedener Dinge: Ein Schuss Ragtime und ein wenig Blues, Klassik und Spirituals. Aber vor allem ist es eine Frage des Rhythmus. Das Nächstwichtige sind die Intervalle ... Sonst ist nichts neu an dieser Musik.“ Diese drei Preludes waren für den Komponisten Manfred Knaak Grundlage und Inspiration für seine Arbeit, die er für zwei Soloin strumente – Trompete und Posaune – und Kammerensemble konzipierte. Ein Prinzip seiner Instrumentation ist die „Dotierung“ – ähnlich wie bei der Behandlung von Kristallen werden „Fremdkörper“ in die Stücke eingepflanzt, die in Wechselwirkung mit der Originalmusik ein neues Eigenleben entfalten. Der 1. Satz beginnt mit einem Soloteil „Recitativo“ für die Trompete, eine Improvisation über das Motiv- und Tonmaterial des Satzes. Angelehnt an den Aufbau einer indischen Raga beginnt die Trompete (genauer das Flügelhorn) sehr tief und „erobert“ sich mit der Zeit den gesamten Tonraum. Im anschließenden Teil erklingt das Gershwin-Stück im Originaltext unter Fortschreibung der konzertanten Situation Trompete versus Ensemble. Der 2. Satz startet mit dem Gershwin-Original, wobei Knaaks Anliegen war, die klanglichen Suggestionen des Klavierparts aufzuspüren. Im Mittelteil hält die Musik quasi an, für eine Meditation der Posaune, die „Saeta“ überschrieben ist – in Anlehnung an die gleichnamige stilistische Form einer spanischen Prozession. Der folgende Schlussabschnitt kehrt zum Original zurück. Der 3. Satz orientiert sich am Original, wobei die beiden Soloinstrumente nunmehr gemeinsam auftreten: von reinen Duettphrasen, in denen der originale Klaviersatz auf diese zwei Stimmen kondensiert ist, über Passagen, in denen sie „duettig“ mit dem Ensemble kommunizieren, bis zur „demokratischen“ Mitwirkung im Ensemble. Edgar Varèse – ein radikaler Pionier neuer Musik Der Dirigent Peter Eötvös über Varèse: „Ich werde immer gesünder und gesünder, während ich ihn dirigiere. Am Ende eines Stücks hat man das Gefühl, jetzt bin ich sauber. Also, ich bin gewaschen. Es ist einfach physisch fantastisch.“ Und der amerikanische Autor Henry Miller fühlte sich beim ersten Hören einer Varèse-Komposition „betäubt, so als hätte ich einen k.o.-Schlag bekommen.“ Wer also war dieser erstaunliche Edgar Varèse? Er ist immer noch eine Art Geheimtipp unter den musikalischen Größen des 20. Jahrhunderts, vielleicht weil die Menge seiner veröffentlichten Kompositionen vergleichsweise klein ist – die allerdings haben es in sich. Biographische Stichworte: 1883 in Paris geboren, Eltern ein italienischfranzösisches Paar, solide musikalische Ausbildung in Paris. In Berlin von Ferruccio Busoni beeinflusst, erste Erfolge, doch alle frühen Werke gehen bei einem Brand verloren bzw. werden von Varèse selbst vernichtet. 1915 wird ihm New York zur neuen Heimat. Hier entstehen seine wichtigsten Orchesterwerke wie Amérique und Arcana, aber auch Werke für kleinere Besetzungen wie Octandre. Er komponiert mit Ionisation nicht nur das erste Konzert für reines Schlagzeug-Ensemble, sondern für die Weltausstellung in Brüssel 1958 mit seinem Poème électronique auch die erste ausschließlich elektronische Komposition für drei Tonbandgeräte und 425 Lautsprecher. Varèse starb vor genau fünfzig Jahren. In Texten über Varèses Musik häufen sich Begriffe wie „permanente Energie“, „Dynamit“, „Aggression“, „Aufruhr“, „brutale Wucht“ und „grelle Farben“. Für ihn stand von Anfang an fest: Die neue Zeit der Technik, der Großstädte, der Massen brauche auch eine neue Art von Musik. Varèse: „Ich wurde eine Art teuflischer Parsifal, nicht auf der Suche nach dem heiligen Gral, sondern nach der Bombe, die das musikalische Universum sprengen könnte, um alle Klänge durch die Trümmer hereinzulassen, die man – bis heute – Geräusche genannt hat.“ Octandre Octandre ist ein kammermusikalisches Werk, allerdings mit höchst ungewöhnlicher Besetzung: vier Holzbläser, drei Blechbläser, ein Kontrabass. Das sind acht Instrumente – Octandre ist in der Botanik der Name für eine Blüte mit acht Staubgefäßen! Zwar haben die Besucher des Neujahrskonzerts k.o.-Schläge nicht zu gewärtigen, doch es ermangelt der Komposition keineswegs an musikalischer Wucht und schroffen klanglichen Gegensätzen. Jedes Instrument wird einmal solistisch den übrigen gegenübergestellt, gleich am Anfang stellen Oboe und Klarinette das Material vor, das an Strawinskys Sacre erinnert. Der wilde zweite Satz wird von der Piccoloflöte eröffnet, der dritte Satz, eine Art Fugato, endet mit ekstatischem „Jubel“ im vierfachen Forte. Für ensemble Kontraste ist das Stück so etwas wie eine „Grün dungsurkunde“ – denn der Wunsch, moderne und ungewöhnliche Stücke wie Octandre aufführen zu wollen, abseits des normalen Klassikrepertoires, führte zur Gründung des Ensembles. Das Stück stand auf dem Programm des ersten eK-Konzerts, Grund genug, es zum 25jährigen Jubiläum erneut zu präsentieren. Der Trompeter des Ensembles, selbst einer der Gründungsväter, sagt dazu: „Das Stück ist zwar fast 100 Jahre alt, es ist aber immer noch so modern, avantgardistisch, als wäre es letztes Jahr komponiert worden.“ Steve Reich: City Life – ein akustisches Portrait der Stadt New York Wer einmal in New York war, wird neben vielem Anderen auch die akustische Kakophonie dieser Stadt nicht mehr vergessen: Straßenlärm, Baumaschinen, Hupen aller Art, Bremsgeräusche, die unterschiedlichen Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, Nebelhörner der Schiffe, das Stimmengewirr in allen Sprachen der Welt ... ein Dauertumult rund um die Uhr, ein Element des nervös-vitalen Vibrierens dieser Metropole. Der Komponist Steve Reich ist als New Yorker mit diesem Background an Klängen und Geräuschen aufgewachsen und hat während seines Lebens auch das stete Anwachsen dieses Lärms erfahren. In City Life wollte der Komponist dies musikalisch abbilden: Einerseits das Tempo der Stadt, ihren beschleunigten Puls, das Lebensgefühl ihrer Bewohner, andererseits ihre akustische Umgebung; Geräusche und Sprachfetzen werden zum rhythmischen Hintergrund für die Musik des Orchesters. Reich hat zu diesem Zweck selbst alle möglichen Geräusche New Yorks aufgenommen und elektronisch verarbeitet, sie werden an zwei Synthesizern „gespielt“, die Teil des Ensembles sind, neben den herkömmlichen Instrumenten, die allerdings teilweise verstärkt werden. Das Stück besteht aus fünf Teilen, die einem A-B-C-B-A-Muster folgen: Erster Satz: Sprachfetzen sind der Geräuschanteil im musikalischen Gewebe, ein Marktschreier mit seinem Ruf „check it out!“ gibt dem Satz den Namen. Ein Choral eröffnet und beschließt ihn, und taucht etwas dissonanter im letzten Satz wieder auf. Im zweiten Satz bestimmt ein sich beschleunigender Rammhammer, eine Baumaschine also, das Geschehen, im vierten Satz sind es schneller werdende Schläge eines Herzens. Den zentralen dritten Satz beginnen die beiden Synthesizer mit SprachSamples, die einer politischen Demonstration abgewonnen wurden. Man versteht vom Text wenig, aber die aufgeheizte aggressive Atmosphäre teilt sich mit. Die Samples verzahnen sich mit den hinzukommenden Stimmen der Instrumente. Am düstersten dann der letzte Satz. Die Sprachfetzen, die Reich hier verarbeitet hat, stammen von der erregten Kommunikation zwischen Feuerwehrleuten und ihrer Zentrale, am Tag als das World Trade Center einstürzte! Steve Reich – repetitive Muster und Klangpattern Steve Reich, einer der bekanntesten lebenden Komponisten der USA, ist der prominenteste Vertreter der sogenannten „Minimal Music“, also des Komponierens mit repetitiven Mustern. Ihre häufige Wiederholung, musikalisch variiert, vermittelt den Höreindruck insistierenden Strömens. In die Minimal Music sind viele Einflüsse außereuropäischer Musik eingegangen, beispielsweise das „endlose Fließen“ der indonesischen Gamelan-Musik (die übrigens schon den jungen Debussy fasziniert hat). Nach prägenden Einflüssen befragt, nennt Reich Bela Bartok und Igor Strawinsky, die Jazzmusiker Miles Davis und John Coltrane, afrikanische Trommeln und hebräische Gesänge in einem Atemzug – auch das ist amerikanisch! Doch wie kommen eigentlich Steve Reichs elektronische Bearbeitungen der New Yorker Geräusche zum ensemble KONTRASTE? Nun, sie werden von dem Musikverlag in New York geliefert, der auch die konventionelle Partitur vertreibt – via Download. Auf den hiesigen Synthesizern installiert, erklingen dann mit dem Anschlag bestimmter Tasten nicht herkömmliche Töne, sondern eben vorgeprägte Klangpattern. Intermediale Performance mit Video-Kunst City Life wird angereichert mit künstlerischen Videoprojektionen, es entsteht so eine multimediale Performance aus Musik, Stadtgeräuschen und Bildern. Diese werden geschaffen vom international renommierten Videokünstler Frieder Weiss, der Bühnenshows, Opern und Ballette höchst erfolgreich optisch bereichert und dafür viele Preise gewonnen hat. Bei der Videoarbeit zu City Life gibt es zwar keine Tänzer, trotzdem wird das Video im Moment der Performance live im Computer generiert, im Gegensatz zu einer starren Videoaufnahme beeinflussen Tempi und Klänge direkt die Bilder. Dergleichen Kunst ist nicht realisierbar ohne die Mitwirkung technischer Computer-Intelligenz, sprich Programmierung. Dafür steht Matthias Härtig, der bei Projekten dieser Art schon oft mit Frieder Weiss zusammengearbeitet hat. M. und R. Felscher Jonathan Stockhammer stieg innerhalb weniger Jahre zu einem weltweit gefragten Dirigenten auf. In seiner Heimatstadt Los Angeles studierte er zunächst Chinesisch und Politologie, später Komposition und Dirigieren. Noch während des Studiums sprang er für eine Reihe von Konzerten beim Los Angeles Philharmonic ein. In der Folge wurde er eingeladen, dem Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen zu assistieren. Mit Abschluss seiner Studien zog er nach Deutschland um und entwickelte enge künstlerische Beziehungen zu bekannten europäischen Ensembles wie Ensemble Modern, MusikFabrik und Ensemble Resonanz. Inzwischen hat er sich sowohl in der Welt der Oper, als auch der klassischen Symphonik und der zeitgenössischen Musik einen Namen gemacht. Als ein hervorragender Kommunikator bringt er sowohl ein besonderes Talent für die Moderation von Konzerten mit als auch dafür, mit den verschiedensten Mitwirkenden auf Augenhöhe zu arbeiten – ob mit jugendlichen Musikern, jungen Rappern oder Stars wie Bully Herbig und den Pet Shop Boys. Die Oper spielt eine zentrale Rolle in Jonathan Stockhammers musikali schen Aktivitäten. Die Liste seiner Operndirigate, darunter Die Dreigro schenoper, Zemlinskys Eine florentinische Tragödie, Sciarrinos Luci mie tradi trici und Monkey. Journey to the West von Damon Albarn weist ihn als Diri genten aus, der komplexe Partituren und spartenübergreifende Produktio nen als willkommene Herausforderung begreift und meistert. Regelmäßig zu Gast war er seit 1998 an der Opéra de Lyon, wo er unter anderem die französische Erstaufführung von Dusapins Faustus, The Last Night leitete. 2009 führte er mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart zwei Werke Wolfgang Rihms auf, Proserpina (Uraufführung) und Deus Passus. Im Pari ser Théâtre du Châtelet begeisterte er 2010 in Sondheims A Little Night Music mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France. Im Februar 2013 gab er sein Debüt an der New York City Opera in Thomas Adès´ Powder her Face. Die von Publikum und Kritik gefeierte Produktion wurde sofort für weitere Aufführungen beim Festival d’opéra de Québec im August 2013 eingeladen. Im symphonischen Bereich hat Jonathan Stockhammer bereits zahlreiche renommierte Klangkörper geleitet. Dazu zählen das Oslo Philharmonic Orchestra, NDR Sinfonieorchester Hamburg, Sydney Symphony Orchestra und die Tschechische Philharmonie. Er war auf Festivals wie den Salzbur ger Festspielen, dem Lucerne Festival, den Donaueschinger Musiktagen, der Biennale in Venedig und Wien Modern zu Gast. Für Produktionen, die sich den gängigen Kategorisierungen entziehen, hat Jonathan Stockhammer eine besondere Vorliebe. Dazu gehören Greggery Peccary & Other Persuasions, eine CD mit Werken von Frank Zappa mit dem Ensemble Modern (RCA, 2003), die mit einem ECHO Klassik ausgezeich net wurde, sowie Konzerte und eine Einspielung des neuen Soundtracks zu Sergei Eisensteins Film Panzerkreuzer Potemkin von und mit den Pet Shop Boys. Die von ihm dirigierte Liveaufnahme The New Crystal Silence mit Chick Corea, Gary Burton und dem Sydney Symphony Orchestra er hielt 2009 einen Grammy. Sehr erfolgreich war auch seine Zusammenar beit mit dem Rapper Saul Williams für Said the Shotgun to the Head, eine Komposition von Thomas Kessler, die Jonathan Stockhammer mit dem WDR Sinfonieorchester Köln, dem RSO Stuttgart und Oslo Philharmonic zur Aufführung brachte. In der Saison 2015/2016 wird er erstmalig für eine Neuproduktion von Pe ter Eötvös´ Tri Sestri (Drei Schwestern) an der Wiener Staatsoper zu Gast sein und bei den Schwetzinger Festspielen Georg Friedrich Haas´ neue Oper Koma aus der Taufe heben. Seit der Jubiläumssaison des Collegium Novum Zürich 2013/14 ist Jonathan Stockhammer Conductor in Resi dence des renommierten Schweizer Ensembles. Manfred Knaak ist freiberuflicher Dirigent, Komponist, Arrangeur und Produzent. Geboren im fränkischen Schweinfurt, führte ihn sein erstes Engagement als Kapellmeister 1987 an das Stadttheater Pforzheim. Er hat seither u.a. für die Theater Coburg, Aachen, Hildesheim, Hof, Hannover, Mainz, Regensburg und Würzburg gearbeitet. Dabei profilierte er sich – neben der Komposition anspruchsvoller Schauspielmusiken – vor allem als Dirigent und Arrangeur für Musicals (u.a. Deutsche Erstaufführungen von Me and My Girl, My One and Only und Godspell). Seit 1995 widmet er sich verstärkt auch seinen Interessen als Jazz-Pianist und -Komponist sowie der Arbeit als Studio-Produzent. Seit 1998 arbeitet er regelmäßig als JazzDirigent und -Produzent u.a. mit David Liebman, New York, Florian Ross, Köln. Seit 1998 hält er einen Lehrauftrag für Musicalproduktion an der Hochschule für Musik Würzburg. Seit 2001 arbeitet er mit Stephen Schwartz zusammen (u.a. musikalische Neufassung des Rockmusical Godspell, Neufassung und Planungsleitung der Deutschen Erstauführung von Children of Eden). Knaak ist seit 2002 verstärkt und überwiegend als Komponist tätig: u.a. für ZDF-ARTE (Musik zu den Stummfilm-Epen „Der Müde Tod“ von Fritz Lang und „La Souriante Madame Beudet“ von Germaine Dulac), kontinuierliche Zusammenarbeit mit ensemble KONTRASTE, Nürnberg. Daneben komponierte er mehrere große Bühnenwerke, u.a. Quo Vadis (2005 Theater Trier) und Das Geheimnis des Colliers (2007 Theater Regensburg). Parallel dazu entwickelte sich eine rege Zusammenarbeit mit Konstantin Wecker (u.a. Arrangement und musikalische Produktionsleitung Hundertwasser-Musical und WeckErlebnisse). Frieder Weiss ist ein Ingenieur in den Künsten und Autor von Computerprogrammen, die auf die Verwendung in Tanz, Musik und Liveperformance zugeschnitten sind. Als Pionier der intermedialen Performance entwickelte er Technologien und Bühnenwerke, die weltweit gezeigt werden und zahlreiche Preise gewannen (u.a. Transmediale, Berlin und Helpman Award, Australien). In seiner Arbeit als Videokünstler entwickelte er eine Ästhetik, die Projektion und den bewegten Körper aufs engste integriert. Per Kamera-Motion-Tracking werden die Bewegungen der Darsteller unmittelbar visualisiert. Eine Infrarotkamera, ähnlich einer Überwachungskamera, sieht die Performer selbst im Dunklen, ein Compu ter generiert aus dieser Information abstrakte Grafiken, die direkt aufs Bühnengeschehen projiziert werden. Frieder Weiss bringt diese interaktiven Videoarbeiten in unverwech selbarer Handschrift in verschiedensten Kunstformen ein, seien es Ballettoder Opernproduktionen (u.a. mit der Long Beach Oper, dem Danish Dance Theatre, bei der Deutschen Oper, Berlin) oder permanente Installationen in Museen (z.B. Phaeno Wolfsburg). Musikvideos (Kylie Minogue), Bühnenshows (Take That) und große Firmenveranstaltungen gehören aber ebenfalls zu den Einsatzfeldern dieses „dynamischen Mappings“ wie große Musiktheater-Shows (King Kong, Melbourne) oder modernes Varieté (Dummy, Berlin). Matthias Härtig geboren 1977, ist Programmierer von künstlerischen visuellen Anwendungen und Echtzeit-Umgebungen aus Dresden. Er ist Initiator der Arbeitscooperative DS-X.org und Gründungsmitglied der Trans-MediaAkademie (TMA) Hellerau. Er arbeitet regelmäßig mit Frieder Weiss in dessen Tanz-, Theater- Musik- und Computerkunst-Projekten zusammen. Eine ähnliche Zusammenarbeit besteht auch mit Ulf Langheinrich, Johanna Roggan, der Shot-AG, Phase-7 und der Waldorfschule Dresden. Musikkontraste in Nürnberg – ensemble KONTRASTE für Nürnberg Die Musikszene der Metropolregion ist so vielschichtig wie ihre Bevölkerung, sie lebt von der Vielfalt des Angebots. In dieser lebendigen Musikszene hat sich seit einem Vierteljahrhundert das ensemble KONTRASTE (eK) als „dritte Kraft“ neben der Staatsphilharmonie und den Nürnberger Symphonikern etabliert – als wichtiger Impulsgeber mit eigenem Profil: unkonventionell, spartenübergreifend, mit kontrastreichen Programmen. KONTRASTE – Klassik in der Tafelhalle Die Magie des Orts, der „genius loci“, die spezielle Atmosphäre ist wichtig für jeden Künstler – unser Ort ist die Tafelhalle: Zeugnis des Untergangs der einstmals großen Nürnberger Schwerindustrie, von der Stadt wieder belebt als Spielort der freien Kulturszene Nürnbergs, heute im Kulturle ben der Stadt fest verankert. Und doch: Die Aura industrieller Geschichte, der Charme des Improvisierten blieb. Kein klassischer Musentempel, aber auch kein alternativer Schuppen. Die Assoziation „jung und frisch“ stellt sich ein, die Nähe (wörtlich, in Metern) zwischen Künstlern und Publikum ist ein unschätzbares Plus. Nur Äußerlichkeiten? Keineswegs. Kultur ist nicht nur das „Was“, sondern auch das „Wo“, das Ambiente, die schwer greifbare Stimmung unter „Gleichgesonnenen“ zu weilen: Das Publikum ist bunt gemischt, keiner Schicht und Altersgruppe zuordenbar, nur durch eines geeint: Offenheit für Unerwartetes und Neues, für alles, was nicht nur „Entertainment“ ist, was den geheimnisvollen „Mehrwert“ hat, der Kultur unverzichtbar macht. Mit konzeptionellen Konzerten, Puppenspiel, Stummfilm, Dichtercafé, durch die Zusammenarbeit mit kreativen Kultur-Schaffenden nimmt die eK-Reihe KONTRASTE – Klassik in der Tafelhalle eine herausragende Po sition im Angebot dieses Spielorts ein. Künstlerisches Niveau ist zwin gend, aber etwas ist absolut verboten: gepflegte Kultur-Langeweile!
© Copyright 2024 ExpyDoc