Profitipp Warum in die Ferne schweifen …? – Naturfotografie vor der Haustür 14 Meist ist es der Jahresurlaub, in dem man feststellt: „Ich muss wieder mehr fotografieren!“. Die Motive überschlagen sich förmlich, der Löwe grinst ins Weitwinkelobjektiv, die Sonne geht mindestens tausendmal schöner unter als zu Hause und das gleich dreimal am Tag, das Wetter ist immer passend und sowieso … - Wirklich? Die meiste Zeit des Jahres sind wir nicht im Urlaub, sondern zu Hause. Doch ein Grund, die Fotografie zurückzufahren oder gar einzustellen, ist dies lange nicht, im Gegenteil. Wer mit offenen Augen beginnt, sein Revier vor der Haustür zu erkunden, der kann sein fotografisches Wunder erleben – und richtig Stress bekommen. So viel, dass es schon Leute gegeben haben soll, die beschlossen haben, mal einen Jahresurlaub daheim zu verbringen, um dort zu fotografieren. Hier ein paar Tipps für das „hausgemachte Fotoabenteuer“: 1. Das Revier – oder: hier gibt’s doch nirgends was! Wo soll man denn nun hingehen, um brauchbare Bilder zu machen, weit und breit keine Savanne oder tosende Wasserfälle, nur Fichtenwald statt Dschungel und Blaumeisen statt Blauaras!? Zugegeben, in unserer Kulturlandschaft entlegene Fotoflecken zu finden, ist nahezu unmöglich, aber es geht auch weniger aufwändig. Ein Blick in die Wander- oder Umgebungskarte verrät schnell die Lage von fließenden und stillen Gewässern, Waldflächen, Parklandschaften (nicht unterschätzen!) und vor allem Zonen, die wenig bewirtschaftet bzw. wenig befahren, weil schlechter zugänglich sind. Dazu zählen auch die Wassersammler an den Autobahnen und die bewachsenen Lärmschutzstreifen, die sich mancherorts zu Refugien für Tierarten entwickelt haben, die sich sonst nirgendwo so ungestört niederlassen können. Auch landwirtschaftlich stark frequentierte Zonen sind interessant – wenn man die Zeiten nutzt, in denen der Bauer noch nicht oder nicht mehr auf dem Feld unterwegs ist. Ebenfalls brauchbar sind Industriebrachen, aufgelassene Tagebaue oder ehemalige Truppenübungsplätze, soweit freigegeben und gefahrlos zugänglich. Hilfreich an dieser Stelle: schauen Sie sich z.B. rechtzeitig nach einem passenden Fotorucksack um, damit Sie beim Durchstreifen Ihres Reviers die Hände frei, die Ausrüstung aber gut geschützt und schnell griffsbereit haben! 2. Das Thema – oder: da bin ich doch an zwei Wochenenden damit durch! Im Jahre 2004 hatte ich beschlossen, mich einmal 2 Jahre intensiv dem heimatnahen Gebiet des oberbayerischen Flüsschens Amper zu widmen, um mir dann ein neues Schwerpunktthema zu suchen. Ich gebe zu, ich bin kläglich gescheitert – zumindest, was meine Zeitplanung anbetrifft. Noch immer verbringe ich jedes Jahr viele Wochenenden ausschließlich im Einzugsbereich der Amper, noch immer heimatnah – und die Themen nehmen kein Ende. Suchen Sie sich doch einfach mal ein kleines Thema und beginnen Sie, sich fotografisch damit auseinanderzusetzen. Egal, ob eine spezielle Pflanze, eine Tierart oder auch Lebensräume. Beispiel: Blässhühner. An jedem Tümpel vorkommend, sehr häufig, das ganze Jahr im Lande, schwarzes Gefieder, weißer Schnabel. Ja und sonst? Begleiten Sie einmal ein Blässhuhn durchs Jahr, und es wird aufregend – Partnersuche, Verhalten, Nestbau, Jungenaufzucht. Ich hätte nie gedacht, dass einem zu einem stinknormalen Blässhuhn so viele Bildideen durch den Kopf schießen können. Langweilig wird es nie, versprochen! 3. Die Jahreszeit – oder: zwischen November und Mai ist doch tote Hose! Wenn die letzten bunten Blätter von den Bäumen gefallen sind, der Herbstregen fällt, Nebel aufzieht und draußen alles grau wird, dann hofft man auf viel Schnee, Raureif und sonnige Wintertage – oft vergebens. Doch gibt es wirklich nichts für Fotografen, die nicht ins Ausland flüchten können? Doch, auf den Weihern sammeln sich nun viele Wasservögel, teilweise Wintergäste aus dem Norden. Die Fluchtdistanzen sind insbesondere in Parkanlagen oder an frequentierten Spazierwegen gering. Dies macht es auch für diejenigen Fotografen interessant, die nicht mit dem 800er Teleobjektiv bei einer Mönchsgrasmücke noch die Zahnspange scharf bekommen. Reiher und Kormorane sind auf Fischfang, Grau- und Kanadagänse fressen in großen Gruppen auf den Auwaldwiesen. Höchste Zeit, auch in einer ruhigen Waldecke oder gar im eigenen Garten einen kleinen Ansitz mit Futterplatz für unsere Singvögel einzurichten und mit dem Anfüttern zu beginnen. Das Eichhörnchen von nebenan hat dies ebenfalls bald gemerkt! Ach, fast hätte ich es vergessen: Streifen Sie mal im feuchten, dichten Novembernebel durch einen entlaubten Buchenwald oder eine Fichtenschonung, am Flußufer entlang oder durchs Moor! Sobald dann im zeitigen Frühjahr die ersten Märzenbecher und Leberblümchen den Kopf aus dem Boden stecken, denken Sie über die Anschaffung eines Makroobjektives oder einer Vorsatzlinse nach! 4. Das Wetter und das Licht – oder: Blende 8, Sonne lacht! Haben Sie schon einmal an einem „blauhimmligen Hochsommertag“ um die Mittagszeit versucht, in einem Wald ein richtig gutes Landschaftsfoto zu machen? Es wird wahrscheinlich beim Versuch geblieben sein. Schlagschatten, ausgefressene Lichter, harte Kontraste, Null-Stimmung. Fotografie setzt sich aus zwei altgriechischen Wortstämmen zusammen und bedeutet „Malen mit Licht“. Aber nirgendwo steht geschrieben, dass dies „Malen mit Sonne“ bedeutet! Wer bei Bewölkung oder gar bei Regenwetter seine Kamera per se zu Hause lässt, dem entgehen beste Chancen auf fantastische Fotos. Tipp 1: Es gießt in Strömen und Sie kennen einen Laubwald?! Nix wie hin, es erwarten Sie satte Farben, diffuses Licht und nass glänzende Blätter. Im günstigsten Fall noch ein kleiner, bisher unbeachteter Bach, der nun nicht mehr klein ist, sondern bei Langzeitbelichtung wie ein Miniaturokawango durch ihr Bild rauscht. Noch ein Vorteil: Sie sind voraussichtlich vollkommen ungestört! Tipp 2: Es ist leicht bewölkt und Sie kennen ein Gewässer mit Schilfzone? Jetzt ist die beste Zeit, um die im und am Schilf wohnenden Vögel zu fotografieren, denn es gibt diffuses Licht ohne die extremen Kontraste bei direkter Sonneneinstrahlung. Tipp 3: Schon mal nachts bei Mondlicht fotografiert – ausprobieren! 5. Das Experiment – oder: Meine Bilder sind zwar scharf, aber irgendwie langweilig! Fotografie heißt auch Mut zum Experimentieren. Probieren Sie neue und anspruchsvolle Techniken aus, ohne sich entmutigen zu lassen. Ob „Mitziehen“, „Wischer“, Langzeit- oder Mehrfachbelichtung: alles braucht seine Zeit und viel Übung – aber es lohnt sich. Schalten Sie die Automatikeinstellung Ihrer Kamera ab, übernehmen Sie das Ruder bei der Bildgestaltung und spielen Sie einfach mal mit Blende und Belichtungszeit. Sie werden überrascht sein, was Ihre Kamera – nein, Sie! – so alles zu Stande bringen. Tipp 1: Fotografieren Sie im Abendlicht eine stark strömende Stelle im Bach oder Fluss mit unterschiedlichen Belichtungszeiten! Tipp 2: Geben Sie Ihrer Kamera eine Belichtungszeit von maximal 1/20s vor und ziehen Sie die Kamera mit dem Vogelschwarm mit! Kamera aufs Stativ und den badenden Schwan mit 1/10s und 1/2000s einfangen – zwei verschiedene Welten! Trauen Sie sich auch, einfach einmal grafische Strukturen als Hauptmotiv ins Bild zu setzen, seien dies Baumstämme oder Schilfhalme, Früchte oder Tierschwärme. 6. Makrofotografie – oder: der Kleinsch… ist uninteressant! Sehr oft liegt für den Fotografen das Interessante im scheinbar Verborgenen oder auch die Krux im Detail. Ein anspruchsvolles und ansprechendes Makrofoto lässt staunen und häufig kommt die Frage: „Schaut sehr schön aus, aber was ist denn das überhaupt?“ Nutzen Sie einen schier unerschöpflichen Motivvorrat zu allen Jahreszeiten und schauen Sie als Fotograf etwas genauer und näher hin als alle anderen Zeitgenossen – schon ist Aufmerksamkeit garantiert. Ein gutes Makrofoto bedarf aber nicht nur einer guten Bildidee, sondern auch einer handwerklich exakten Umsetzung. Einmal falsch scharfgestellt oder ein störender Grashalm im Hintergrund – und schon ist es vorbei. Bereits mit wenigen Hilfsmitteln kann man sich die Arbeit im Kleinen erleichtern und deutlich bessere Fotoergebnisse erzielen. Ob Vorsatzlinse, Umkehr- oder Zwischenring oder Makroobjektiv und Balgen, die Grenzen sind hier weit gesteckt, und wer einmal Blut geleckt hat, kommt so schnell nicht mehr davon los. Ein Ausrüstungsgegenstand jedoch steht außer Frage – ohne Stativ sollte man nicht mit dem Thema Makrofotografie beginnen. Tipp 1: Wer auf der Wiese unterwegs sein möchte, um Insekten zu fotografieren, der sollte lieber am Morgen als am Abend starten, denn die niedrigeren Temperaturen sorgen für geduldigere Models an Halm und Blüte. Außerdem ist Tau ein dankbares Motiv. Tipp 2: In den meisten Fällen ist bei der Makrofotografie draußen ein kleiner Faltreflektor dem Einsatz großer Blitzgeräte vorzuziehen. Zu schnell ist ein Motiv „totgeblitzt“ – der Hintergrund schwarz und unnatürlich. mit Dr. Ferry Böhme Sa., 20.06.2015 10 - 18.00 Uhr WORKSHOP Naturfotografie: Theorie und Grundkurs; Einführung, Theorie und Praxis Outdoor So., 21.06.2015 6 - 16.00 Uhr WORKSHOP Naturfotografie: Aufbaukurs Outdoor für Frühaufsteher; Theorie und Praxis Outdoor, Treffpunkt 6.00 Uhr Dr. Ferry Böhme Zusammenarbeit mit den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns sowie Bildprojekte für den Bayerischen Naturschutzfonds Profitipp Ferry Böhme, Naturfotograf und langjähriger Vortragsreferent beim Deutschen Alpenverein; mehrmals Referent auf Europas größtem Naturfotofestival; Publikationen über Naturfotografie, Photocoach der Brenner Fotoschule, Mitglied der GDT und Naturfoto-Preisträger 15
© Copyright 2024 ExpyDoc