FÜRSTLICHES LANDGERICHT Aktenzeichen bitte immer anführen 10 JV.2015.42 ON 6 Regierung des Fürstentums Liechtenstein Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft Regierungsgebäude 9490 Vaduz Vaduz, 19.08.2015/SCSA Vernehmlassung betreffend die Abänderung des 25. Hauptstückes des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (Totalrevision des Miet- und Pachtvertrags) und die Totalrevision des Verfahrens in Bestandstreitigkeiten (Teilrevision der ZPO sowie Abänderung der EO) LNR 2015-435 BNR 2015/719 REG 0141 Sehr geehrte Damen und Herren Zu dem im Betreff angeführten Vernehmlassungsbericht übermittle ich Ihnen noch eine im Nachgang eingereichte Stellungnahme des LR Mag Konrad Lanser. Mit freundlich« m t. . työG&ß .A-. Grüssen Dr. Paul-Meier, LL.M. Landgerichtspräsident Beilage erwähnt SPANIAGASSE 1 • 9490 VADUZ • TELEFON +423 - 236 61 11 • TELEFAX +423 - 236 65 39 FÜRSTLICHES LANDGERICHT LANDGERICHTSPRÄSIDENT £ 19. Aug. 2015 Mag. Konrad Lanser POSTAUFGABE: ÜBERBRACHT: An den Präsidenten des Fürstlichen Landgerichtes Vaduz, 18. August 2015 Vernehmlassung - Totalrevision des AAiet- und Pachtvertrages Totalrevision des Verfahrens in Bestandstreitigkeiten Sehr geehrter Herr Präsident Zum oben angeführten Vernehmlassungsbericht der Regierung vom 19. Mai 2015, LNR 2015-435, nehme ich wie folgt Stellung: Einleitend ist festzuhalten, dass eine Revision der bestandvertraglichen Vorschriften (des ABGB) und die entsprechende Revision des Bestandverfahrens grundsätzlich zu begrüssen ist. Auch wenn es in der Vergangenheit verhältnismässig wenige gerichtliche Streitigkeiten aus Miet- und Pachtverhältnissen gegeben hat, betreffen die im Rahmen der unentgeltlichen Rechtsberatung an das Gericht herangetragenen Anfragen zu einem doch sehr erheblichen Anteil gerade mietrechtliche Angelegenheiten. Dabei stellt(e) sich immer wieder heraus, dass eine (etwas) detailliertere gesetzliche Regelung verschiedener Bereiche des Mietrechtes durchaus wünschenswert ist. Mit der gegenständlichen Regierungsvorlage erfolgt nun eine recht umfangreiche Überarbeitung des Bestandrechtes nach dem Vorbild der Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts (Art. 253 bis 273c und Art. 275 bis 300 chOR). Wenngleich es zweifellos Sinn macht, eine Rezeptionsvorlage, für die man sich bei einer Totalrevision des Miet- und Pachtvertragsrechtes einmal entschieden hat, möglichst vollständig und als „Gesamtkonzept" zu übernehmen, seien zu der gegenständlichen sehr umfangreichen Gesetzesrevision doch ein paar Ausführungen erlaubt: SPANIAGASSE 1 • 9490 VADUZ • TELEFON +423 - 236 61 11 • TELEFAX +423 - 236 65 39 2 In § 1090 Art. 66ff ABGB und § 560 ZPO wird nunmehr parallel zum Verfahren über die gerichtliche Aufkündigung ein Anfechtunasverfahren (offensichtlich nur für aussergerichtliche Kündigungen) geschaffen, und zwar nach dem Vorbild der Art. 271 ff chOR. Nach Schweizer Recht ist diese Anfechtung nun aber der wesentliche Rechtsbehelf des Mieters, um zu verhindern, dass eine ausgesprochene Kündigung (nach verstrichener Anfechtungsfrist) ihre vollen Wirkungen entfalten und Grundlage eines Ausweisungsgesuchs sein kann. Im chMietrecht kommt der Anfechtung einer Kündigung also eine ganz andere Bedeutung zu als im liechtensteinischen Bestandverfahren (mit gerichtlicher Aufkündigung und Einwendungen dagegen bzw. Räumungsklage). Die aussergerichtliche Aufkündigung ist - jedenfalls nach der geplanten Gesetzesänderung - nur mehr eine privatrechtliche Gestaltungs erklärung; ob ihre Voraussetzungen gegeben waren und sie daher die angestrebte Wirkung entfaltet hat, wird nach den Ausführungen im VB als Vorfrage im Räumungsprozess (allenfalls Feststellungsverfahren) zu prüfen sein. Welchen weitergehenden praktischen Nutzen die Einführung eines Anfechtungsverfahrens für diese aussergerichtliche Kündigung dann noch haben soll, wird nicht näher begründet. Wenn ein Mieter der Meinung ist, dass eine aussergerichtlich ausgesprochene Kündigung nicht wirksam oder unzulässig ist, wird er dies dem Vermieter mitteilen und wird dieser-wenn er einen exekutierbaren Räumungstitel gegen den Mieter haben will - eine Räumungsklage (oder allenfalls eine nach der öLehre und Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen zulässige gerichtliche Aufkündigung als „milderes Mittel") einbringen. Von einem Anfechtungsverfahren hat - salopp formuliert - niemand etwas: Wenn die Anfechtungsklage abgewiesen wird, wird aus der aussergerichtlich ausgesprochenen Kündigung trotzdem kein Exekutionstitel, aufgrund dessen der Vermieter die vermietete Wohnung zwangsweise räumen lassen kann. Wird der Klage stattgegeben, dann haben die Parteien an und für sich ebenfalls „nur" die Feststellung in Urteilsform, dass die aussergerichtliche Kündigung nicht wirksam war und das Bestandverhältnis (möglicherweise) noch aufrecht ist. Auch aufgrund dieser Überlegungen wird es in der Praxis möglicherweise so sein, dass ein Mieter, der der Ansicht ist, dass eine aussergerichtliche Kündigung unzulässig ist, keine Anfechtungsklage einbringen wird, sondern die Kündigung einfach dem Vermieter gegenüber als unzulässig ablehnen und warten wird, bis der Vermieter ihn auf Räumung klagt oder gerichtlich aufkündigt, wo er dann seine Einwendungen - die ähnlich sein können und werden wie im Fall einer Anfechtungsklage - erheben kann. § 560 ZPOneu wird man wohl so 3 auszulegen haben, dass der Mieter nach Fristablauf nur das Anfechtungsrecht (im Aktivprozess) und nicht auch das Recht verloren hat, seine entsprechenden Einwendungen im Räumungsprozess (auf der Passivseite) zu erheben. Wie dem auch sei: Der praktische Nutzen dieses „Parallelverfahrens" (vgl. VB Seite 125 unten) ist nicht unbedingt nachvollziehbar. Wie ausgeführt hat das Anfechtungsverfahren im schweizerischen Mietrechtsverfahren eine Bedeutung, die es aufgrund des dort anders geregelten Bestandverfahrens in Liechtenstein nie haben kann, sodass allenfalls zu überlegen ist, ob dieses Verfahren in den liechtensteinischen Rechtsbestand überhaupt übernommen werden soll. In § 1090 Art. 53f ABGB werden - mit Anpassungen - die Vorschriften der Art. 268 und 268a chOR (Retentionsrecht des Vermieters) übernommen. Gleichzeitig werden § 1101 ABGB (samt Hofdekret vom 10. April 1837 JGS Nr. 151) aufgehoben und Art. 294 Abs. 1 EO angepasst. Hierzu wird im VB u.a. ausgeführt, dass sich die Regelung des geltenden § 1101 ABGB in der Praxis grundsätzlich bewährt habe (weshalb der Art. 53 zugrundeliegende Art. 268 chOR nur mit Anpassungen rezipiert werde) und in den Art. 294 bis 296 EO Bestimmungen zur Sicherung bzw. Durchsetzung des Retentionsrechtes enthalten wären (weshalb sich die Rezeption von Art. 268b chOR erübrigen würde). Gerade weil sich das Retentionsrecht in der Praxis bewährt hat und die Bestimmungen des § 1101 ABGB und der Art. 294 bis 296 iVm Art. 20 EO eine recht stimmige Einheit bilden, stellt sich die Frage, wieso das Retentionsrecht nunmehr teilweise neu geregelt wird, was das stimmige Bild möglichweise zu trüben geeignet ist. Vor allem die Bestimmung des Art. 54 wirft mehr Fragen auf, als solche gelöst werden. Der Sinn dieser Bestimmung ist - was die praktische Relevanz anlangt - nicht ohne weiteres nachvollziehbar, vor allem wenn man bedenkt, dass der - hier neu eingeführte - gute Glaube des Vermieters ohnedies zu vermuten ist und die Frage, ob vom Mieter eingebrachte, aber offensichtlich nicht ihm gehörige Sachen, vom Retentionsrecht erfasst sind oder nicht, erst und frühestens in einem Widerspruchsverfahren (gemäss Art. 295 Abs. 3 iVm Art. 20 EO) zu entscheiden ist und entschieden wird. Um diesen guten Glauben des Vermieters zu zerstören, müsste dem Vermieter das Dritteigentum im Zeitpunkt der Einbringung angezeigt werden. Eine solche - in der Schweiz offensichtlich vorkommende - Praxis der Information des Vermieters über unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Sachen scheint jedoch unnötig. 4 Im Hinblick darauf, dass im Fall einer refentionsweisen Beschreibung Arf. 20 EO über das Widerspruchsverfahren sinngemäss zur Anwendung gelangt und dadurch Dritte ihre Rechte an den vom Vermieter eingebrachten Sachen geltend machen können und Art. 20 EO für solche Streitigkeiten ein entsprechendes Verfahren vorsieht, stellt sich nämlich die Frage, ob eine Regelung wie in Art. 54 überhaupt notwendig ist. Das Retentionsrecht wird - wenn überhaupt - frühestens mit der refentionsweisen Beschreibung „schlagend" und wird in einem anschliessenden Verfahren im Sinne des Art. 20 EO über ein allfällig strittiges Recht an einer eingebrachten Sache entschieden. In diesem Verfahren kann der Dritte sein Recht an der Sache - in der Regel relativ einfach durch urkundlichen Nachweis des Eigentumsvorbehalts nachweisen und scheint es daher gar nicht notwendig, auf Wissen oder Wissenmüssen des Vermieters abzustellen. Dass der Gerichtsvollzieher im Rahmen der refentionsweisen Beschreibung das Wissen bzw. Wissenmüssen des Vermieters über das Dritteigentum an der eingebrachten Sache zu überprüfen und dementsprechend die retentionsweise Beschreibung (um solche fremde Sachen) eingeschränkt vorzunehmen haben wird, wird wohl nicht beabsichtigt sein. Jedenfalls wird das Retentionsrecht durch das Abstellen auf den guten Glauben des Vermieters - ohne ersichtliche Notwendigkeit - verkompliziert. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem chSchKG ein Vermieter mit dem Antrag auf Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses (Art. 283 Abs. 1 SchKG) das Retentionsrecht zur betreibungsrechtlichen Vollstreckung bringt. Das Retentionsverzeichnis bildet die Grundlage für eine anschliessende Betreibung auf Pfandverwertung. Im Unterschied dazu ist nach der Exekutionsordnung für die Verwertung der retentionsweise beschriebenen Gegenstände noch die exekutive Pfändung nach Art. 172 EO (Beschreibung und Aufnahme der Gegenstände in ein Pfängungs- und Schätzungsprotokoll) notwendig. Schliesslich kommt noch dazu, dass Art. 268a Abs. 2 chOR - die Rezeptionsvorlage für Art. 54 Abs. 2 - in der chLehre relativ umstritten ist und als zu weitgehend kritisiert wird. Aufgrund des Gesetzestextes könnte der Schluss gezogen werden, dass dem Vermieter nahe gelegt wird, eine ordentliche Kündigung auszusprechen, wenn ihm der Verlust des Pfandrechts nicht genehm ist. So gesehen wäre eine auf diese Gesetzesbestimmung gestützte Kündigung mitunter nicht als treuwidrig anzusehen. 5 Summa summarum scheint es überlegenswert, die bestehenden, bewährten Vorschriften über das Retentionsrecht und das entsprechende Verfahren insgesamt unverändert zu lassen, zumal auch gelegentlich auftauchende Fragen im Zusammenhang mit dem Retentionsrecht Erlöschen/Aufhebung einer pfandweisen Beschreibung - durch die gegenständliche Novelle ohnedies nicht beantwortet werden. In den vorgeschlagenen Bestimmungen des § 1090 ABGB ist immer wieder davon die Rede, dass der Mieter etwas „bei Gericht anfechten kann" (Art. 60ff), „das Gericht anrufen kann" (Art. 48 Abs. 2) oder etwas „gerichtlich geltend machen" kann/muss (Art. 25f) oder der Mieter (vom Vermieter) „verlangen kann" (etwa Art. 20, 23) oder der Vermieter den Untermieter „(dazu) anhalten kann" (Art. 32 Abs. 2), es mangelt jedoch im Wesentlichen an Vorschriften darüber, ob diese Rechtsschutzanträge - deren konkrete Ausgestaltung zumindest teilweise im Dunkeln bleibt im streitigen oder ausserstreitiqen Verfahren einzubringen und zu entscheiden sind [was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass es in der Schweiz kein Ausserstreitverfahren wie in Liechtenstein gibt und dementsprechend die Rezeptionsvorlage nichts in diese Richtung enthält]. Nur vereinzelt erfolgen solche Zuweisungen in das streitige bzw. ausserstreitige Verfahren. Zu den Gesetzesbestimmungen betreffend die Hinterlegung des Mietzinses (Art. 25f) wird im VB, Seite 63 dritter Absatz, ausgeführt, dass das gerichtliche Hinterlegungsverfahren im Ausserstreitverfahren durchzuführen ist und gleiches für das Ausfolgungsverfahren gelte; entsprechend sei Art. 259i chOR („das Verfahren richtet sich nach der ZPO.") nicht zu rezipieren. Trotz dieser Ausführungen, die keinen Niederschlag im Gesetzestext finden, (oder gerade deswegen) bleiben Unklarheiten bestehen, insbesondere weil gleichzeitig von der Mieterklage/Vermieterklage gesprochen wird. Im Ausserstreitverfahren heissen die Rechtschutzanträge der Parteien nun aber nicht Klage, sondern Antrag. Hier wäre eine klarere Regelung über die anzuwendende Verfahrensart oder zumindest die nähere Regelung, was zum Hinterlegungs- und Ausfolgungsverfahren gehört, wünschenswert. Gegenstand der „Klage" des Vermieters soll nach den Ausführungen im VB die Herausgabe des Mietzinses unter dem eingeschränkten Blickwinkel des Bestandes der Berechtigung des Mieters zur Hinterlegung sein. So wie diese „Vermieterklage" formuliert ist, müsste man diese als Teil des Ausfolgungsverfahrens ansehen und damit wohl im 6 Ausserstreitverfahren behandeln. Gegenstand der Mieterklage kann nach den Ausführungen des VB die blosse Beseitigung des Mangels betreffen, aber auch die Herabsetzungs- und/oder Schadenersatz ansprüche aus mangelhafter Mietsache umfassen sowie auf Ersatz der Kosten der Ersatzvornahme gehen. Über eine solche „Klage" könnte im streitigen Verfahren verhandelt werden. Genau so gut könnte man aber im Zusammenhang mit Art. 26 Abs. 1 auch damit argumentieren, dass die Geltendmachung dieser Ansprüche - auch aus Gründen der Einheitlichkeit des Verfahrens - Teil des Hinterlegungsverfahrens ist. (Auch) Nach der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung können beispielsweise Schadenersatzansprüche im Sinne des Art. 259e chOR (= Art. 24) im Rahmen des Hinterlegungsverfahrens geltend gemacht werden. Eine zweite punktuelle - und einzige ausdrückliche - Regelung findet sich in Art. 74, wo ausgesprochen wird, dass sich das Verfahren über aussergerichtliche wie auch gerichtliche Kündigungen sowie über Erstreckungsbegehren nach den Bestimmungen der ZPO richtet. Nachdem es bei der aussergerichtlichen Kündigung kein gerichtliches Verfahren gibt (geben kann), wird mit dieser Bestimmung wohl das Verfahren über die Anfechtung aussergerichtlicher Kündigungen gemeint sein. Eine weitere (indirekte) Zuweisung könnte aus Art. 48 Abs. 2 erschlossen werden: Die Anrufung des Gerichts nach dieser Bestimmung wäre im Zusammenhang mit Art. 49b, 49h Abs. 1 EheG iVm Art. 1 Abs. 2 lit. c AussStrG allenfalls - als Teil des Eheschutzverfahrens - im Verfahren ausser Streitsachen zu behandeln. Aufgrund dieser Erwägungen wäre die eine oder andere ausdrückliche Klarstellung über die anzuwendende Verfahrensart wünschenswert. Allenfalls wäre auch eine Prüfung dahin vorzunehmen, ob nicht - neben einer sich schon aus den ZPO-Bestimmungen ergebenden Zuweisung zum streitigen Verfahren - manche Entscheidungen über einzelne, bestimmt zu bezeichnende Angelegenheiten bzw. Ansprüche der Parteien aus dem Bestandverhältnis explizit dem Ausserstreitverfahren zugewiesen werden sollten, weil für die Erledigung solcher „Streitigkeiten" das Ausserstreitverfahren (mit amtswegiger Sachverhaltsfeststellung [Untersuchungsprinzip], rechtlichem Gehör sowie einer unformalistischen Behandlung der Anträge und einer besonderen Unterstützung der Verfahrensbeteiligten) „besser geeignet" ist, als der streitige Zivilprozess. Als grobe Vorlage für eine solche Zuständigkeitszuweisung könnte § 37 ÖMRG dienen. 7 Eine klare Verweisung auf das Aussersfreitverfahren oder auf den streifigen Zivilprozess ist nicht nur sinnvoll, sondern auch für eine entsprechend klare Rechtsdurchsetzung unbedingt erforderlich. Punktuelle Regelungen wie beispielsweise zu den Art. 25 und 26, welche sich zudem nur aus den Gesetzesmaterialien und nicht aus dem Gesetz selbst ergeben, führen nur zu unnötigen Zwischenstreitigkeiten über die Zulässigkeit des streitigen oder ausserstreitigen Rechtsweges. Im Folgenden noch ein paar Ausführungen zu einzelnen Bestimmungen: Zu § 1090 Art. 3 Abs. 2 ABGB: Aufgrund der unterschiedlichen quantitativen Kriterien (Nettowohnfläche) für Wohnungen und Einfamilienhäuser könnte - im Unterschied zur Rezeptionsvorlage - der Eindruck entstehen, dass das qualitiative Erfordernis „luxuriös" nur für Wohnungen gilt. Diesbezüglich ist allenfalls eine Klarstellung erforderlich. Der Begriff „luxuriös" ist zudem recht unbestimmt. Die im VB angeführten Literaturstellen füllen diesen Begriff auch nicht mit justiziablem Inhalt. Mit der von der Regierung über die Rezeptionsvorlage hinaus vorschlagenden objektiveren Bemessung nach der reinen Nettowohnfläche wollte man - so die Ausführungen im VB - Unschärfen vermeiden. Der Begriff „luxuriös" bleibt demgegenüber ein durch und durch „unscharfer", weil sich der Gesetzgeber darüber ausschweigt, welches die Merkmale für eine luxuriöse Wohnung und für ein luxuriöses Einfamilienhaus sind. Es wäre jedenfalls hilfreich, zumindest in den Gesetzesmaterialien Luxusmerkmale anzuführen oder zumindest ein paar Kriterien darzustellen, an Hand derer ein luxuriöser Charakter einer Wohneinheit geprüft werden kann. Zu § 1090 Art. 4 ABGB: Diese Bestimmung scheint etwas weit formuliert. Von einem nichtigen Koppelungsgeschäft wird man wohl nur sprechen können, wenn der Mieter eigentlich nur Mieter werden oder bleiben will und in dieser Situation zu einem weiteren Geschäft gedrängt wird. Wenn jedoch der Geschäftswille des Mieters dagegen zumindest mit gleicher Intensität auf den Abschluss der beiden gekoppelten Geschäfte gerichtet ist, wird ein Koppelungsgeschäft nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres angenommen werden können. So gesehen wird der Grossteil von in der Praxis 8 vorkommender „Koppelungsgeschäften" (Miete von Geschäftsräumen in Verbindung mit der Übernahme eines in diesen Räumlichkeiten bestehenden Geschäfts, sogenannte Bierlieferungsverträge, Wohnungsmiete mit einer aus finanzierungsmässigen Notwendigkeiten hinausgeschobener Eigentumsübertragung, Hauswart-/Hausbesorgerwohnung etc.) nicht unter diese Bestimmung fallen. Der Katalog der in Abs. 2 dieser Bestimmung aufgezählten möglicherweise missbräuchlichen Rechtsgeschäfte schafft diesbezüglich mehr Unklarheit, weil beispielsweise ein von Anfang an als Miete/Kauf ausgestaltetes zusammengesetztes Rechtsgeschäft wohl kein gesetzlich verpöntes Rechtsgeschäft darstellt. Gleiches gilt nach schweizerischer Lehre und Rechtsprechung für den Erwerb von Aktien, wodurch der Mieter Aktionär der Aktiengesellschaft wird, die Eigentümerin des Mietobjektes ist oder für die Miete von Geschäftsräumen in genossenschaftlich organisierten Gewerbezentren, wenn der Mieter auch die Verpflichtung übernimmt, Genossenschafter zu werden und Anteilsscheine zu zeichnen. Die gekoppelte Verpflichtung des Mieters, Möbel zu kaufen, wird auch nicht immer, sondern nur dann nichtig sein, wenn sie mit dem Mietverhältnis in keinem Zusammenhang steht. Eine zusätzliche Verpflichtung des Mieters, sich gegen bestimmte Risiken, die in seinen Verantwortungsbereich fallen, zu versichern, wird wohl zweifellos zulässig sein. So gesehen wirft Abs. 2 leg. cit. mehr Fragen auf als dass solche gelöst werden. Sofern eine ausdrückliche gesetzliche Regelung von Koppelungsgeschäften überhaupt notwendig ist, wäre allenfalls zu überlegen, auf den Katalog in Art. 4 Abs. 2 zu verzichten und in Abs. 1 leg. cit. neben den beiden dort genannten Voraussetzungen als weitere Voraussetzung ausdrücklich festzuschreiben, dass die Koppelung missbräuchlich sein muss, der Abschluss des gekoppelten Rechtsgeschäftes also die (vom Mieter nicht gewollte) erzwungene Folge des Mietvertragsverhältnisses ist. Zu § 1090 Art. 13 Abs. 3 ABGB: Bei der Einräumung einer Zahlungsfrist von mindestens vier Wochen für die schriftliche Mahnung ist zu berücksichtigen, dass auch im Fall einer mehr oder weniger unmittelbar nach Ablauf der Zahlungsfrist eingebrachten fristlosen gerichtlichen Kündigung aufgrund der Vorschriften der §§ 562 Abs. 1 (Einwendungsfrist von vier Wochen) und 563 ZPO insgesamt zweieinhalb bis drei Monate vergehen, bis der 9 Vermieter frühestens über einen rechtskräftigen Räumungstitel verfügt und während welchen Zeitraumes der Mieter (möglicherweise) keine Miete bezahlt. Gerade dies soll nach den Ausführungen im VB (Seite 51 erster Absatz) gerade verhindert werden. Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Frist des § 1090 Art. 15 Abs. 3 ABGB. Zu § 1090 Art. 14 Abs. 3 ABGB: Diese Bestimmung hinterlässt ein paar offene Fragen: Die Bank darf eine Sicherheit nur mit Zustimmung beider Parteien oder gestützt auf einen rechtskräftigen Zahlbefehl / eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung herausgeben. Zum Zahlbefehl wird im VB einerseits eine schweizerische Lehrmeinung zitiert, wonach es sich bei dem Zahlbefehl nur um einen vom Vermieter gegen den Mieter angestrengten Zahlbefehl handeln kann. Nach den übrigen Ausführungen im VB scheint jedoch auch ein Zahlbefehl des Mieters gegen den Vermieter zulässig zu sein. Wie dieser Zahlbefehlsantrag nun zu formulieren ist, kann dem VB nicht entnommen werden. Entgegen den schweizerischen Betreibungsvorschriften kann ein Zahlbefehl jedenfalls nicht eine Anweisung an die Depotbank enthalten, einen bestimmten Betrag aus der Sicherheit dem Vermieter, den restlichen Saldo dem Mieter auszubezahlen (vgl. § 577 ZPO: „Zur Eintreibung von Forderungen an Geld oder andern vertretbaren Sachen ..."). Ebenso könnte mit einem Zahlbefehlantrag ein Begehren auf Zustimmung zur Ausfolgung der Sicherheit nicht gestellt werden. Darüber hinaus ist das Anführen von Zahlbefehl und Gerichtsurteil insofern unvollständig, als gegebenenfalls auch ein Rechtsöffnungs beschluss als „Herausgabetitel" in Frage kommt. Die Unterscheidung in der Rezeptionsvorlage zwischen Zahlungsbefehl und Gerichtsurteil wird ja wohl nur darauf zurückzuführen sein, dass in der Schweiz die Zahlungsbefehle nicht vom Gericht, sondern von den Betreibungsämtern erlassen werden. In Liechtenstein sind sowohl Zahlbefehle als auch Rechtsöffnungsbeschlüsse als auch Urteile jeweils gerichtliche Entscheidungen, sodass die erwähnte Unterscheidung in der Rezeptionsvorlage (Zahlungsbefehl/Gerichtsurteil) nicht übernommen werden muss, sondern diese Entscheidungen im Gesetzestext einfach in „rechtskräftige gerichtliche Entscheidung" zusammengeführt werden können. 10 Auch wenn diese Gesetzesbestimmung wörtlich mit der Rezeptionsvorlage des Art. 257e chOR übereinstimmt, besteht an und für sich doch ein Widerspruch zwischen dem ersten und zweiten Satz dieses Abs 3. Nach dem ersten Satz darf die Bank die Sicherheit nur mit Zustimmung beider Parteien oder eben aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung herausgeben. Andererseits kann - gemeint ist offensichtlich zusätzlich - der Mieter von der Bank die Rückerstattung der Sicherheit verlangen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, welchem Verlangen die Bank aber an und für sich nach dem ersten Satz dieser Gesetzesbestimmung nicht entsprechen dürfte. Wenn die qualifizierte Untätigkeit des Vermieters die dritte Variante sein soll, nach der die Bank verpflichtet ist, die Sicherheit herauszugeben, wäre es empfehlenswert, dies im Gesetz auch klar zu formulieren. Der VB schweigt sich darüber aus, wann ein Mietverhältnis als beendigt anzusehen ist. In der Praxis zeigt sich nun verschiedentlich, dass der Zeitpunkt der Beendigung eines Mietverhältnisses nicht immer zweifelsfrei festgestellt werden kann, weil etwa ein Kündigungsschreiben von der Gegenpartei nicht akzeptiert wird, über den Kündigungstermin Streit besteht, eine (tatsächliche) Übergabe des Bestandobjektes verspätet oder gar nicht durchgeführt wird etc. Mitunter wird ein Mietverhältnis auch erst nach dem Termin der gerichtlichen Aufkündigung beendigt, indem über Ersuchen der Parteien eine (gerichtlich durchzuführende) Räumung des Bestandobjektes um einige Zeit aufgeschoben wird, sodass grundsätzlich erst mit tatsächlicher Räumung von einer „Beendigung des Mietverhältnisses" im Sinne des Art. 14 Abs. 3 gesprochen werden könnte. Wenn nun im VB davon die Rede ist, dass Normadressat dieser Gesetzesbestimmung (Abs. 3 leg. cit.) vor allem die aufbewahrende Bank ist, welche zu prüfen hat, ob die Voraussetzung zur Herausgabe erfüllt sind, ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass zumindest einige der oben aufgezählten Umstände von einer Bank mitunter schwer nachgeprüft werden können und ein Mieter sich gegebenenfalls schwer tut, der Bank gegenüber den Beendigungstermin (Rückgabe der Mietsache) und damit den Ablauf der Jahresfrist nachzuweisen. Unter einer „rechtlichen" Geltendmachung wird in der Schweiz offensichtlich eine gerichtliche Geltendmachung (bzw. nach dortigem Recht auch die Einreichung eines Betreibungsbegehrens beim Betreibungsamt) verstanden, sodass nichts dagegen und die Rechtsklarheit dafür spricht, dies auch so in das Gesetz zu schreiben und „rechtlich" durch „gerichtlich" zu ersetzen. 11 Zu § 1090 Art. 31 ABGB: Unter Grundstücke sind offensichtlich entsprechend der Rezeptionsvorlage (das ZGB bezeichnet die unbeweglichen Sachen als Grundstücke) - unbewegliche Sachen zu verstehen. So gesehen wären zumal der Begriff „unbewegliche Sache" an anderer Stelle (§ 1090 Art. 38 ABGB oder §§ 560f ZPO) in unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird - zur Vermeidung von Missverständnissen allenfalls ein paar Klarstellungen und insbesondere bei dieser Gesetzesstelle ein Hinweis auf Art. 34 SR, in welchem die „Grundstücke" aufgezählt sind, wünschenswert. [Das Anführen des Art. 556 SR auf Seite 68 des VB dürfte ein Versehen sein und müsste wohl Art. 537 SR heissen.] Abschliessend soll nicht unerwähnt bleiben, dass aufgrund der vorgesehenen doch recht erheblichen Erweiterung der Rechte der Parteien des Bestandvertrages mit einer Zunahme gerichtlicher Streitigkeiten zu rechnen ist, was zweifellos zu einer Mehrbelastung bei den Gerichten führen wird. Mit freundlichen Grüssen
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