Blutzuckermessung als „einfachste“ Maßnahmen der

Blutzuckermessung als „einfachste“ Maßnahmen der Krankenpflege ist
Bestandteil der Eingliederungshilfe
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 22. April 20151 festgestellt, dass
Blutzuckermessung als einfachste Maßnahme der Krankenpflege durch die Einrichtung
der Eingliederungshilfe zu erbringen ist.
Sachverhalt: Streitig war die Erstattung der Kosten der häuslichen Krankenpflege für
den Pflegedienst in einer vollstationären Einrichtung der Eingliederungshilfe. Die
Leistungen der häuslichen Krankenpflege wurde vom Pflegedienst an den
pflegebedürftigen und unter insulinpflichtigtem Diabetes mellitus Typ II leidenden
Bewohner erbracht. Die AOK Bayern lehnte die Übernahme der Kosten für
Blutzuckermessungen und Insulininjektionen ab. Das Sozialgericht München (S 29 KR
222/11) und das Landessozialgericht München haben zunächst die Krankenkasse
verurteilt.
Entscheidung: Das Bundessozialgericht stellte fest, dass die Krankenkasse zur
Übernahme der Kosten der medizinischen Behandlungspflege in Einrichtungen
verpflichtet ist, wenn die Einrichtung „die Leistung nicht selbst schuldet“. Die
Einrichtung der Eingliederungshilfe kann zwar als „sonst geeigneter Orte“ im Sinne
des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V eingestuft werden, „wenn die Einrichtung die Leistung
nicht selbst schuldet. Einfachste Maßnahmen der Krankenpflege, die für Versicherte in
einem Haushalt von jedem erwachsenen Angehörigen erbracht werden können,
gehören in der Regel als untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe zur den
Maßnahmen, die stationäre Einrichtung selbst zu erbringen hat.“ Die
Blutdruckmessungen wurden vom Gericht als einfachste Maßnahmen medizinischen
Behandlungspflege eingeordnet und der Anspruch auf Zahlung durch die
Krankenkasse abgelehnt. Die Insulininjektionen wurden hingegen (wegen fehlender
Feststellungen zur Häufigkeit der Insulininjektionen) den Maßnahmen der häuslichen
Krankenpflege und entsprechend der Zahlungspflicht der Krankenkasse zugeordnet.
Bewertung: Für die Beurteilung der Leistungspflicht verwendet das Gericht weiterhin
die Differenzierung zwischen den „einfachsten Maßnahmen der Krankenpflege“ und
den Leistungen der Behandlungspflege. Der Begriff der „einfachsten Maßnahme der
Krankenpflege“ ist weder gesetzlich verankert noch definiert. Bei der Entscheidung
prüft das Gericht zunächst die vertragliche Verpflichtungen der Einrichtung und deren
Personalausstattung. Nicht die Art und der Umfang des individuellen Pflegebedarfes
des Menschen ist entscheidend, sondern die bestehende Unterstützungsstruktur in der
Einrichtung. Es findet eine institutionalisierte Zuordnung statt, durch die der
individuelle Anspruch des versicherten Leistungsberechtigten vom Leistungsangebot
der Einrichtung abhängt und das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten
dann ausgeschlossen wird.
1
Bundessozialgericht vom 22.04.2015 (AZ: B 3 KR 16/14 R)
https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachrJUNA150400916&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp
abgerufen am 08.05.2015 (Begründung liegt noch nicht vor)
Unter Berücksichtigung der Rechte der Menschen mit Behinderung aus Art. 25 und 26 der
UN-Behindertenrechtskonvention kann diese institutionelle Zuordnung nur ein
Hilfsinstrument sein. Der individuelle Anspruch auf Leistungen der häuslichen
Krankenpflege müßte unabhängig der Personalausstattung der Einrichtung gesichert sein.
Der CBP setzt sich im Beteiligungsverfahren zum Bundesteilhabegesetz dafür ein, dass
die klare Zuordnung der Leistungen der medizinischen Behandlungspflege zur
Krankenversicherung gesetzlich verankert wird.
Janina Bessenich, CBP, Freiburg, den 11.05.2015
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