Leseprobe - Verlag Dr. Otto Schmidt

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Leseprobe zu Lützenkirchen (Hrsg.) Anwalts-Handbuch Mietrecht
5., neu bearbeitete Auflage, 2015, ca. 2300 Seiten, gebunden, Handbuch, 16 x 24cm ISBN 978‐3‐504‐18066‐9 Verfügbarkeit: Juli 2015 149,00 € LMR5 – 1/520
Schçnheitsreparaturen
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– Vertrag mit unwirksamer Abwälzungsklausel bei freiwilliger Anfangsrenovierung 468
des Mieters
Wurde im Mietvertrag über nicht renovierte Räume eine – in diesem Fall grundsätzlich1 – unwirksame Abwälzungsklausel zu den Schönheitsreparaturen mit aufgenommen, ist damit zumindest zum Ausdruck gebracht, dass die Mietflächen im weiteren
Verlauf der Mietzeit gerade nicht in einem derart abgenutzten Zustand verbleiben
sollen2. Im Gegenteil, ein „Dauerverzicht auf die Renovierung“ war hiernach nicht gewollt. Dass den Mietparteien die Unwirksamkeit der Formularabrede bei Vertragsunterzeichnung nicht bewusst war, ändert an diesem Ergebnis nichts. Sowohl Vermieter wie Mieter erachten eine Renovierung bei entsprechendem Bedarf für
erforderlich; hinausgeschoben ist gerade einmal die Fälligkeit der Maßnahme3. Demzufolge gilt der renovierte Zustand der Mieträume als derjenige, den Vermieter und
Mieter „zum vertragsgemäßen Gebrauch“ festlegen, solange sich nichts Gegenteiliges
aus den mietvertraglichen Vereinbarungen bzw. aus den Umständen des Vertragsabschlusses ergibt. Bei späterem Verbrauch der mieterseitig fakultativ erbrachten
Anfangsrenovierung schuldet der Vermieter die Herbeiführung des so festgelegten
„vertragsgemäßen Zustands“, also die Folgerenovierungen4.
Eine vergleichbare Situation ist anzunehmen, wenn der Mietvertrag den Mieter mit- 469
tels unwirksamer Klausel zur Anfangsrenovierung verpflichtet. Aus dem Wegfall dieser Vertragsregelung resultiert ein Anspruch des Mieters auf Durchführung von Renovierungsleistungen des Vermieters bei Mietbeginn. Dieser Anspruch soll allerdings
im Einzelfall einer Verwirkung von 6 Monaten unterliegen5.
– Vertrag ohne Abwälzungsklausel/Mieter unterlässt bei Mietbeginn die Anfangsre- 470
novierung und nutzt die Räume weiter ab
Der schlechte Anfangszustand einer vertragsgemäß unrenoviert übergebenen Wohnung begründet grundsätzlich keine Pflicht des Mieters, auf jeden Fall eine Anfangsrenovierung durchzuführen6. Belässt es der Mieter bei der verbrauchten Dekoration,
ist allerdings zu erwarten, dass sich die Mieträume im späteren Verlauf der Mietzeit
weiter abnutzen, sie im Einzelfall sogar „verkommen“, was sich bis zur Abgrenzung
zum echten Schaden fortsetzen kann. Als „vertragsgemäß“ wurde von den Parteien
des Mietvertrages jedoch allein der „schlechte Anfangszustand“ definiert. Nur dessen
Erhaltung schuldet der Vermieter im weiteren Mietverlauf, solange der Mietvertrag
nichts Gegenteiliges regelt. Lediglich aus dem ursprünglich bei Mietbeginn vorhandenen Renovierungsbedarf soll der Mieter keine Ansprüche herleiten können. Tritt
jedoch in der Folgezeit eine wesentliche, nicht mehr vertragsgemäße Verschlechterung der Mieträume gegenüber diesem Anfangszustand ein, greift wiederum die Instandhaltungspflicht des Vermieters7, soweit sie nicht vertraglich vom Mieter übernommen wurde (v.a. bei Gewerberaum).
– Vertrag mit unwirksamer Abwälzungsklausel/Mieter unterlässt bei Mietbeginn 471
die Anfangsrenovierung und nutzt die Räume weiter ab
Bestimmt der Formular-Mietvertrag in unzulässiger Weise8 eine Durchführung der
laufenden Schönheitsreparaturen durch den Mieter, gilt dennoch der später renovier-
1 Generelle Unwirksamkeit der formularmäßigen Übertragung der Schönheitsreparaturen bei
unrenoviert übergebener Wohnung – vgl. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, zit. nach juris
Rz. 24 und BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, zit. nach juris.
2 So auch Flatow, WuM 2009, 208; Sternel, ZMR 2008, 501 u. NZM 2007, 545; a.A. AG Frankfurt/M., Info M 2009, 317.
3 Flatow, WuM 2009, 208.
4 A.A. AG Frankfurt/M., Info M 2009, 317 – keine Renovierungspflicht des Vermieters.
5 Harsch, MietRB 2004, 363.
6 LG/OLG Köln v. 23.5.1989 – 9 U 149/88, WuM 1989, 502.
7 Vgl. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235,
Rz. 25.
8 Generelle Unwirksamkeit der formularmäßigen Übertragung der Schönheitsreparaturen bei
unrenoviert übergebener Wohnung – vgl. BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, zit. nach juris
Rz. 24 und BGH v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, zit. nach juris.
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te Zustand als derjenige, den die Parteien als „zum vertragsgemäßen Gebrauch“ festgelegt haben. Zumindest im Verlauf des Mietverhältnisses sollen die Mieträume neu
gemalert werden (vgl. Rz. 468). Übernimmt der Mieter verbrauchte Mietflächen,
schuldet der Vermieter nach der Vertragslage – selbst wenn die Unwirksamkeit der
Abwälzungsregelung zunächst unerkannt bleibt – die spätere Herbeiführung des
„vertragsgemäßen Zustands“, also eine Renovierung nach „üblicher Abnutzungsfrist“. Dass der Vermieter in diesem Fall auch eine Anfangsrenovierung erbringen
soll1, erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass der Mieter wissentlich unrenovierte
Mietflächen anmietet, nicht gerechtfertigt.
bb) Wann muss der Vermieter renovieren?
(1) Der renoviert übergebene Mietraum
472 Grundsätzlich sind Maler- und Tapezierarbeiten vom Vermieter erst dann auszuführen, wenn zur Wahrung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache ein objektiver
Renovierungsbedarf dafür gegeben ist2. Die permanente Beseitigung geringer Abnutzungen ist demgegenüber nicht geboten. Im Rahmen seiner Gebrauchsgewährungspflicht schuldet der Vermieter keine laufende Modernisierung und nicht jede Abnutzung begründet die Annahme eines Mangels3. Der Rechtsanwalt sollte daher den
Einzelfall im Blick haben und allein auf das tatsächliche Dekorationserfordernis abstellen. Eine Renovierungsbedürftigkeit der Mieträume ist dabei erst anzunehmen,
sobald ein durchschnittlicher Nutzer in der gegebenen Situation Malerarbeiten
durchführen würde, weil der ursprüngliche Dekorationszustand der Mieträume aufgrund nicht nur unwesentlicher Abnutzungsspuren unansehnlich und verbraucht ist,
sich die Räume also in einem mangelhaften Zustand befinden4; auf eine bereits eingetretene Substanzgefährdung kommt es dabei nicht an5. Zeigen sich an Decken und
Wänden aufgrund normaler Abnutzung bereits erhebliche Gebrauchsspuren, muss
der Vermieter zum Pinsel greifen6; einen im Laufe der Jahre abgenutzten Teppich hat
er einer Grundreinigung zu unterziehen7. Leichte Gebrauchsspuren sind vom Mieter
zunächst hinzunehmen. Die Abstände der einzelnen Renovierungsintervalle hängen
von den individuellen Lebensgewohnheiten bzw. vom Gebrauchsverhalten des Mieters ab und können erheblich differieren. Auf den Ablauf bestimmter Fristen kommt
es dabei nicht an. Bei nur mäßiger Nutzung der Wohnung, z.B. durch eine Einzelperson, wird die Renovierung in aller Regel später fällig als bei einer Wohnraumnutzung
durch eine mehrköpfige Familie. Die Beweislast für den sich (neu) ergebenden Renovierungsbedarf trägt der Mieter. Umgekehrt müsste der Vermieter einen eventuellen
Übermaßgebrauch der Mietsache nachweisen. Zur Durchsetzung des Renovierungsanspruchs vgl. Rz. 880 ff.
(2) Der unrenoviert übergebene Mietraum
473 Erfolgt die einvernehmliche Anmietung abgenutzter, zumindest nicht frisch renovierter Räume, schuldet der Vermieter bei Mietbeginn grundsätzlich keine Dekorationsarbeiten, denn der Mieter verzichtet – zumindest schlüssig – auf eine Anfangsrenovierung (vgl. Rz. 465). Prinzipiell wird eine Wohnung so vermietet, wie sie der Mieter
vorfindet. Wird im Mietvertrag nichts Gegenteiliges bestimmt, trifft den Vermieter
keine Pflicht, die Mieträume „nachzurüsten“.
474 In der anwaltlichen Beratung ergibt sich damit die Fragestellung, zu welchem Zeitpunkt im Mietverhältnis der Vermieter eine Dekoration schuldet bzw. unter welchen
1 So Flatow, WuM 2009, 208.
2 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = NJW 2005, 1862; Dose, NZM 2009, 381; Beyer,
NJW 2008, 2065; Sternel, NZM 2007, 545.
3 BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235 Rz. 26.
4 KG, WuM 2008, 725; KG, DWW 2004, 56.
5 BGH v. 6.4.2005 – VIII ZR 192/04, MDR 2005, 921 = WuM 2005, 383; OLG Düsseldorf, WuM 2002,
545.
6 BGH, NZM 2008, 519 Rz. 13.
7 BGH, NZM 2009, 126 Rz. 27.
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Voraussetzungen eine solche vom Mieter eingefordert werden kann. Nicht sachgerecht wäre es, auch in diesem Fall auf den Zustand der Mieträume, also auf den objektiven Renovierungsbedarf, abzustellen, denn ein solcher mag im Einzelfall bereits
bei Mietbeginn oder zumindest nach kurzer Nutzungsdauer vorliegen. Wird gem. den
vertraglichen Abreden das Mietobjekt unrenoviert übergeben, wäre es treuwidrig,
könnte der Mieter bei entsprechender Ausgangslage – unter Verweis auf die tatsächlich bestehende Dekorationsnotwendigkeit – die Schönheitsreparaturen unmittelbar
nach Aufnahme des Mietverhältnisses bzw. nach geringer Mietzeit beim Vermieter
einfordern.
Ausschlaggebend für die Renovierungspflicht des Vermieters kann daher nur der Um- 475
fang einer fortschreitenden Abnutzung der Räume im laufenden Mietverhältnis sein,
ausgehend von der – durchaus auch unzureichenden, aber vertraglich so vereinbarten
– Qualität der Mieträume bei Übergabe („Soll-Zustand“). Erst die wesentliche Verschlechterung des ursprünglich akzeptierten, mangelhaften Anfangszustands durch
Verschleiß mündet in eine erneute Instandsetzungspflicht1, der sich der Vermieter
auch nicht unter Hinweis auf etwa über Gebühr vernachlässigte oder gar verwahrloste Mieträume entziehen kann2. Die Bandbreite an noch hinzukommenden Abnutzungsspuren, die erforderlich sind, um bei Anmietung einer frisch gestrichenen Wohnung einen erstmaligen/erneuten Renovierungsbedarf auszulösen, muss bei der
Überlassung unrenovierter Mietflächen dem Vermieter im gleichen Maße zu Gute
kommen. Je schlechter der Ausgangslevel der Dekoration bei Mietbeginn, desto abgenutzter kann sich der Renovierungszustand der Mieträume im weiteren Verlauf
des Mietverhältnisses darstellen, bevor der Vermieter dort Schönheitsreparaturen
auszuführen hat. Die Intensität der vom Mieter hierbei hinzunehmenden Abnutzung
liegt entsprechend höher als bei der Anmietung renovierter Flächen, und zwar in genau demselben Umfang, wie die (schlechte) Dekoration im konkreten Mietverhältnis
von derjenigen im neu renovierten Zustand abweicht.
Die bei Mietbeginn ursprünglich vorhandenen Dekorationsschäden sind daher vom 476
Rechtsanwalt anlässlich einer im Verlauf des Mietverhältnisses erforderlich werdenden Beurteilung des aktuellen Schönheitsreparaturbedarfs „herauszurechnen“
(Subtraktion der anfänglichen Abnutzungsspuren). Anschließend ist die im Einzelfall
schwierige Abwägung vorzunehmen, ob sich der „gebrauchte Zustand“ der Dekoration zwischenzeitlich durch vertragsgemäßen Gebrauch in einen „unbrauchbaren Zustand“ mit der Folge der Mangelhaftigkeit der Mieträume umgewandelt hat. Dies
wird unzweifelhaft Probleme in der Praxis aufwerfen, sollte eine Dokumentation über
den „schlechten Anfangszustand“ der Nutzflächen, sei es durch ein ausführliches
Übergabeprotokoll, sei es durch Fotos oder gar ein Gutachten, nicht möglich sein.
Den Umfang einer bereits bei Übergabe der Mieträume vorhandenen mangelhaften
Dekorationssituation hat dabei der Vermieter zu belegen.
Û
Hinweis:
Will sich der Vermieter später auf diesen unzureichenden Ausgangszustand berufen, empfiehlt sich eine deutliche und sinnvollerweise durch Urkunden/Fotos
belegbare Erfassung des „schlechten“ Renovierungsgrades schon bei Mietbeginn, gegebenenfalls im Mietvertrag, zumindest jedoch im Übergabeprotokoll,
möglichst mit Bestätigungsvermerk des Mieters. Die Beweislast für den weitergehenden, die Dekorationspflicht des Vermieters dann auslösenden Verschleiß
der Mieträume trägt anschließend der Mieter.
(3) Das endende Mietverhältnis
Noch völlig ungeklärt ist die Frage, welche Arbeiten der Vermieter schuldet, falls sich 477
ein Renovierungsbedarf erst in der Endphase des Mietverhältnisses manifestiert und
der Mieter einen Neuanstrich fordert, obwohl er bereits gekündigt hat und in Kürze
auszieht.
1 Vgl. BGH v. 10.2.2010 – VIII ZR 343/08, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 235
Rz. 26 – Gebrauchsuntauglichkeit; OLG Düsseldorf, NZM 2000, 464.
2 A.A. offenbar LG Limburg v. 10.9.2010 – 3 S 19/09, WuM 2010, 625.
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Erhaltung der Mietsachen
478 Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die Verletzung von Erhaltungspflichten
(§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) durch den Vermieter einen Mangelbeseitigungsanspruch in
Form eines echten Erfüllungsanspruchs auslöst, der dem Mieter neben den gesetzlichen Gewährleistungsrechten (§§ 536 ff. BGB) zusteht1. Bei Vorliegen der Voraussetzungen begründet er sich täglich aufs Neue2, und zwar in Form einer Dauerverpflichtung3. Verstöße gegen die Erhaltungslast rechtfertigen gegenüber dem
Mietzahlungsanspruch des Vermieters die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320
BGB)4; wegen des Mangels an der Mietsache tritt eine Minderung der Miete ein. Dies
gilt sogar bei vorzeitigem Auszug5, denn § 536 BGB findet selbst dann Anwendung,
wenn der Mieter das Mietobjekt tatsächlich nicht (mehr) oder nicht in der vorgesehenen Weise nutzt6. Folgerichtig hat der Mieter bis zur Beendigung des Mietverhältnisses die Möglichkeit, einen bereits titulierten Richterspruch zur Mängelbeseitigung
gegenüber dem Vermieter mittels Zwangsvollstreckung durchsetzen7. In gleicher
Weise muss daher auch ein Anspruch auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen
Dekorationszustandes – bei objektiv gegebenem Renovierungsbedarf – bis zum Vertragsende gegeben sein8; erst mit dem Ablauf des Mietverhältnisses entfällt das Interesse des Mieters an der Mängelbeseitigung9 und der Instandsetzungsanspruch geht
unter10.
Û
Hinweis:
Einer entsprechenden Aufforderung des Mieter zur Ausführung der Dekorationsarbeiten bei sich abzeichnendem Mietende könnte der Vermieteranwalt – je nach
Einzelfall – das Gebot der Rücksichtnahme (§ 242 BGB) bzw. das Schikaneverbot (§ 226 BGB) entgegenstellen.
(4) Die „vorzeitige“ Vertragsbeendigung
479 Ist seit Mietbeginn bzw. seit der letzten Renovierungsmaßnahme des Vermieters die
Dekoration noch nicht so weit aufgebraucht, dass ein (erneuter) Renovierungsbedarf
festgestellt werden kann, stellt sich für den Mieter bei Vertragsende ggf. die Frage
nach Rückerstattung des „unverbrauchten Kostenanteils“. Dies gilt umso mehr, sollte der Mieter monatlich neben der Miete einen im Mietvertrag gesondert ausgewiesenen Kostenanteil in Form eines Zuschlags/einer Pauschale für die hiernach vom Vermieter geschuldete Durchführung von Schönheitsreparaturen entrichtet haben11.
Denn aus Sicht des Mieters waren die in der Vergangenheit erbrachten Geldbeträge
als Gegenleistung u.a. auch für die Erhaltung der Mietsache, also gleichfalls für die
vom Vermieter zu erbringende Dekoration gedacht. Die Schönheitsreparaturen werden jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt, im Einzelfall sogar erst im Verlauf eines
Folgemietverhältnisses, fällig. Die erst künftig notwendigen Malerarbeiten, so könnte
der Mieter argumentieren, wurden bereits mit seiner Mietzahlung – zumindest antei1 BGH, NZM 2011, 197 Rz. 11; BGH, NZM 2008, 607 Rz. 9; BGH, NZM 2007, 484 Rz. 28; BGH,
NZM 2004, 736; BGH v. 18.6.1997 – XII ZR 63/95, MDR 1997, 1112 = NJW 1997, 2674.
2 AG Berlin-Tiergarten v. 3.4.2009 – 9 C 1/07, WuM 2009, 453; a.A. AG Düren, GE 2009, 205 – dreijährige Verjährungsfrist.
3 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 104/09, MDR 2010, 562 = MietRB 2010, 129 = WuM 2010, 238 Rz. 17;
BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = WuM 2006, 435 Rz. 11; BGH, WuM 2003,
338 m.w.N.
4 BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = WuM 2006, 435 Rz. 9; BGH, NJW-RR 2003,
727.
5 Vgl. KG, GuT 2011, 153 – Mietminderung um 100 % während der Renovierung durch den Vermieter.
6 BGH, WuM 1987, 53; BGH, NJW 1958, 785; LG Köln v. 29.6.1993 – 12 S 426/92, WuM 1993, 670.
7 BGH v. 21.12.2004 – IXa ZB 281/03, MietRB 2005, 118 = WuM 2005, 139; BGH v. 12.2.2004 – V
ZB 57/03, MDR 2004, 715 = FamRZ 2004, 868; BayObLG, NJW-RR 2002, 273.
8 Vgl. AG Neustadt a. Rbge., WuM 2011, 671.
9 BGH v. 25.1.1982 – VIII ZR 310/80, MDR 1982, 573 = NJW 1982, 874; AG Neustadt a. Rbge.,
WuM 2011, 671.
10 Vgl. BGH v. 19.6.2006 – VIII ZR 284/05, MDR 2007, 141 = WuM 2006, 435 Rz. 12.
11 Vgl. hierzu BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, WuM 2015, 80; BGH, NZM 2008, 519; LG Trier,
NZM 2012, 861; AG Bad Kreuznach, WuM 2014, 343.
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lig – im Voraus honoriert, wobei er selbst nichts mehr davon hat. Spätere Maßnahmen kommen ihm nicht mehr zugute, während die „Anzahlung“ beim Vermieter verbleibt. Diese Beträge müsste der Vermieter nicht einmal für eine spätere Renovierung einsetzen; er kann die unrenoviert zurückgenommene Wohnung vielmehr als
solche weitervermieten und somit ein „Geschäft“ machen, je häufiger ein Mieterwechsel stattfindet.
Die Bestimmung des § 535 BGB als mögliche Anspruchsgrundlage für Erstattungs- 480
ansprüche hilft dem Mieter allerdings nicht weiter. Dort ist zwar die Mietzahlung als
Äquivalent u.a. für Gebrauchsüberlassung, Instandhaltung und Instandsetzung der
Mieträume ausgestaltet. Die Verpflichtung des Vermieters zur Instandhaltung gelangt jedoch, was die Durchführung von Schönheitsreparaturen betrifft, nur bei objektiv vorhandenem Renovierungsbedarf zur Anwendung. Endet das Mietverhältnis
vor Ablauf der „Abnutzungsperiode“, entsteht kein durchsetzbarer Instandhaltungsanspruch des Mieters. Einen Zahlungsausgleich sieht das Gesetz für diesen Fall nicht
vor. Folglich muss auch der Versuch scheitern, die mit der Mietzahlung kalkulatorisch erbrachten „Schönheitsreparatur-Kostenanteile“ im Nachhinein als nicht verbrauchte Vorausleistungen i.S.v. § 547 Abs. 1 BGB zu qualifizieren1.
Im Ergebnis gilt dasselbe für vermeintlich im Raum stehende Bereicherungsansprü- 481
che des Mieters nach §§ 812 ff. BGB. So erhält zwar der Vermieter die ihm während
der Mietzeit zukommenden Mietzahlungen als Gegenleistung nicht nur für die Überlassung des Mietobjekts, sondern auch für die Durchführung künftig dort fällig werdender Instandhaltungsmaßnahmen2. Dieser Umstand mündet jedoch – bei fehlender Inanspruchnahme – nicht in eine Bereicherung des Vermieters, denn der Mieter
leistet seine Mietzahlung bis Mietende immer noch mit Rechtsgrund, nämlich auf der
Basis des Mietvertrages3. Es fehlt allein an der Fälligkeit eines Teiles der vom Vermieter zu erbringenden Gegenleistung4.
cc) Welche Qualitätsanforderungen sind geschuldet?
Die Erhaltungspflicht des Vermieters beinhaltet im Grundsatz nur durchschnittliche 482
Renovierungsleistungen folglich eine Ausführung der Schönheitsreparaturen in mittlerer Art und Güte5 (vgl. Rz. 425). Deshalb darf der Vermieter auch eine Eigenleistung
auf „Laienbasis“ – soweit fachgerecht – abliefern; ein Anspruch des Mieters auf Vergabe der Arbeiten an Fachhandwerker besteht nicht. Zum Zwecke einer ordnungsgemäßen Renovierung kann es jedoch angezeigt sein, dass der Vermieter die bisher
vorhandenen, größtenteils mehrlagig angebrachten Tapetenschichten entfernt; bei
untapezierten Wänden genügt die fachgerechte Durchführung der üblichen Streichund Malerarbeiten6. Zur Beseitigung solcher von vom Mieter verursachten Beschädigungen, die über die üblichen Gebrauchsspuren hinausgehen, ist der Vermieter unter
keinen Umständen verpflichtet7.
Hinsichtlich Farbgebung und Tapetenwahl besteht gleichfalls kein inhaltliches Be- 483
stimmungsrecht des Mieters8. Dennoch wird der Vermieter etwaige Gestaltungswünsche seines Vertragspartners – und zwar unter dem Blickwinkel von Treu und Glauben (Gebot der Rücksichtnahme – § 242 BGB/Schikaneverbot – § 226 BGB) – mit zu
berücksichtigen haben, sofern er hierdurch keine unzumutbaren Beeinträchtigungen
erleidet9. Sinnvollerweise wird der Vermieter die konkreten Vorstellungen des Mie-
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Vgl. BGH, NZM 2008, 519 Rz. 13 – gesondert vereinbarte Pauschale.
Zur Zuordnung der Schönheitsreparaturen zu den Instandhaltungsarbeiten vgl. Rz. 412.
AG Wiesbaden v. 2.4.2014 – 91 C 5302/13, zit. nach juris.
A.A. wohl LG Bad Kreuznach, Hinweisbeschluss v. 23.1.2014 – 1 S 77/13 – bei Auszug kann der
Mieter nicht verbrauchte „Rückstellungen“ wieder heraus verlangen (Vorinstanz AG Kreuznach, WuM 2014, 345).
BGH v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, MDR 2010, 916 = MietRB 2010, 259 = WuM 2010, 476 Rz. 21.
AG Limburg, WuM 2010, 625.
AG Limburg, WuM 2010, 625.
So auch Harsch, MDR 2012, 201.
Sternel, WuM 2002, 585; a.A. Harsch, MDR 2012, 201.
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Erhaltung der Mietsachen
ters im Vorfeld der Arbeiten abklären, um unnötigen Streit zu vermeiden. Als Leitfaden kann der ursprüngliche Dekorationszustand der Räume bei Mietbeginn dienen,
wobei zwischenzeitlich eingetretene Geschmacksänderungen mit einzubeziehen
sind1. Gegen neutrale, helle oder zumindest dezente Farben und Tapeten (z.B. Raufasertapeten, die weiß oder hell überstrichen werden) kann sich der Mieter nur im
Einzelfall wenden2. Umgekehrt dürfte das Angebot greller Farbtöne und ungewöhnlicher Dekoration zur „Mieterabschreckung“ schwerlich durchsetzbar sein3. Farbliche
Unverträglichkeiten mit seinen Möbeln, Gardinen, Teppichen oder Bildern muss der
Mieter keinesfalls dulden. Einem Verlangen des Mieters, die Auswahl von Farbe bzw.
Tapete ihm allein zu überlassen bzw. zwingend mit ihm abzustimmen, braucht der
Vermieter indes keine Beachtung schenken4. Gleiches gilt für die Forderung des Mieters, dass nur eine bestimmte Muster- oder Textiltapete Verwendung finden soll5. Allenfalls im Ausnahmefall mag der Vermieter gehalten sein, Farb- und Materialwünsche des Mieters, die mit einem Angebot auf Übernahme der Mehrkosten verbunden
werden, zu berücksichtigen. Denn im Rahmen der bestehenden Instandhaltungspflicht kann der Mieter gem. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB allenfalls die Durchführung solcher
Arbeiten verlangen, die sich auf die Erhaltung und Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands beziehen6.
Û
Hinweis:
Äußert der Mieter zur Gestaltung seiner Mietflächen spezielle, auf seine Wohnsituation zugeschnittene Sonderwünsche, die den Rahmen des Üblichen verlassen (Mehrkosten, Erschwerung der Weitervermietung), sollte der Vermieteranwalt diese nicht von vorneherein oder gar „aus Prinzip“ ablehnen. Denn hier
öffnen sich zumindest Verhandlungsspielräume zur finanziellen oder tatsächlichen Beteiligung des Mieters am Dekorationsaufwand.
484 War die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter nicht vorgesehen,
schuldet der Vermieter bei ursprünglich unrenoviert vermieteten Räumen nur die Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand, also wiederum unrenoviert. Anknüpfungspunkt ist dabei der Dekorationsumfang bei Anmietung (vgl. Rz. 463 ff.).
Diesen gilt es zunächst zu ermitteln. Soweit nichts anderes vereinbart ist, hat der
Vermieter auch nur diesen Ursprungszustand durch geeignete Instandhaltungsmaßnahmen wieder herzustellen. Eine „Verbesserung“ der Mietsache ist nicht geschuldet.
Zu beseitigen sind daher allein die Abnutzungsspuren des Mieters; ein vorvertraglicher Verschleiß der Wohnung bleibt außer Betracht. Führen die vom Vermieter dann
geschuldeten (Maler)Arbeiten zu dem Ergebnis, dass dem Mieter jetzt die Räume in
einem besseren Zustand als bei Anmietung zur Verfügung stehen, ist damit ein Bereicherungsanspruch nicht ausgelöst. Denn unter rechtlichen Gesichtspunkten erbringt
der Vermieter nichts anderes als eine mietvertraglich geschuldete Instandhaltungsleistung, die ordnungsgemäß und fachgerecht auszuführen ist. Sollten sich die weiteren Abnutzungsspuren des Mieters also nur mit dem Griff zum Malerpinsel und zur
Tapezierbürste beseitigen lassen, entspricht das damit verbundene Resultat dem
Willen des Gesetzgebers; ein Kostenausgleich nach dem Grundsatz „Neu für Alt“ findet nicht statt7.
dd) Wer bestimmt die Leistungszeit?
485 Dem Vermieter ist das Wahlrecht zuzugestehen, dass er entweder selbst Hand anlegt
oder die Dekorationsarbeiten in den Räumen des Mieters durch eigene Mitarbeiter
oder mittels einer beauftragten Fachfirma durchführen lässt. Handwerker stehen ge-
1 Lohmann, GE 2009, 1532.
2 Vgl. LG Hamburg, DWW 1999, 152.
3 So AG Berlin-Mitte, GE 2013, 1285 – hellblaue Wandfarbe; vgl. auch Siegmund, MietRB 2012,
116.
4 Harsch, MDR 2012, 201.
5 AG Schöneberg v. 9.12.1988 – 16 C 632/88, WuM 1989, 560.
6 LG Berlin, GE 2010, 1340.
7 A.A. Pfeilschifter, WuM 2003, 543.
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Rz. 490
wöhnlich nur zu den üblichen Geschäftszeiten zur Verfügung; der Vermieter braucht
sich daher auf ein Verlangen seines (berufstätigen) Mieters, die Renovierung nur an
Feiertagen, am Wochenende oder nach Feierabend zu leisten, nicht einzulassen. Umgekehrt kann der Vermieter sein Vornahmeangebot auf diese Hauptgeschäftszeiten
unter der Woche beschränken; im Einzelfall wird der Mieter bei eigener Abwesenheit
eben eine Vertrauensperson stellen müssen, die sich um Zutrittsmöglichkeiten zur
Wohnung kümmert und die „nach dem Rechten sieht“1.
Ob der Vermieter aus Gründen der Kostenersparnis seinerseits die Leistungszeit auf 486
das Wochenende oder den Feierabend festlegen darf2, erscheint hingegen zweifelhaft.
Der Mieter wird sich auf allabendliche Arbeitsbesuche des Vermieters – noch dazu
über einen längeren Zeitraum – nicht einlassen müssen; er hat vielmehr einen Anspruch darauf, dass die Renovierung zügig voranschreitet. Vor allem Störungen der
Sonntagsruhe muss er nicht in Kauf nehmen. Demgegenüber sollte die Einbeziehung
des Samstag, der zumindest nach dem gesetzlichen und dem allgemeinen Sprachgebrauch weiterhin als Werktag gilt3, im Rahmen der Arbeitsplanung möglich sein.
An einvernehmliche Absprachen zur Leistungszeit sind natürlich beide Vertragsparteien gebunden.
ee) Kann sich der Vermieter „freizeichnen“?
Rechtlich offen ist die weitere Frage, inwieweit sich der Vermieter von der ihn (mögli- 487
cherweise) treffenden Pflicht, die laufenden Verschönerungsarbeiten im Verlauf des
Mietverhältnis auszuführen, von vorneherein entledigen kann. Die Zulässigkeit einer
mietvertraglichen Freizeichnungsregelung scheint außer Zweifel zu stehen. So hat
der BGH4 bereits vor geraumer Zeit die Unwirksamkeit einer isoliert vereinbarten
Endrenovierungsregelung zumindest indirekt festgestellt, und zwar unabhängig davon, ob
„… es ihm (dem Mieter) überlassen ist, ob er auch im Verlauf des Mietverhältnisses (freiwillig) renoviert und nur die von Gesetzes wegen (§ 535 I 2 Halbs. 2 BGB) dem Vermieter obliegende Schön## ((kursiv löschen?))K
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heitsreparaturverpflichtung stillschweigend ausgeschlossen werden soll …“K
Wenn hienach eine konkludente Freizeichnung von Instandhaltungspflichten im Dekorationsbereich zugunsten des Vermieters möglich ist, muss Gleiches erst recht für
ausdrückliche Vertragsvereinbarungen gelten, die wegen § 307 BGB allerdings nur individualvertraglich zu treffen sind5 und wie folgt formuliert werden können:
M 114
Formulierungsvorschlag Ausschluss der Schçnheitsreparaturpflicht des Vermieters
488
Eine Pflicht zur Durchfhrung der Schçnheitsreparaturen durch den Vermieter ist in jedem
Fall ausgeschlossen.
Der Vermieter schuldet danach die Überlassung der Mieträume, allerdings ohne
Übernahme der Renovierungslast. Hiervon soll er freigestellt sein.
489
ff) Unterliegt der Anspruch des Mieters der Verjährung?
Höchstrichterlich noch nicht entschieden ist die Frage, ob das an den Vermieter ge- 490
richtete Verlangen des Mieters nach einer Renovierung im fortlaufenden Mietverhältnis überhaupt der Verjährung unterliegt6. Ansätze für Überlegungen hierzu bietet
1 Horst, DWW 2007, 48.
2 So Horst, DWW 2007, 48.
3 BGH, NZM 2010, 661 Rz. 43; BGH, NZM 2005, 532 für die Berechnung der Karenzzeit bei Kündigung; a.A. LG Berlin, GE 2009, 198.
4 BGH, NZM 2007, 921 Rz. 15.
5 Horst, MietRB 2014, 338; a.A. Börstinghaus, PiG 85, 87.
6 Offen gelassen von LG Limburg v. 10.9.2010 – 3 S 19/09, WuM 2010, 625, das seine Entscheidung
auf § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stützt.
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