Global Macro Shifts: Japan: The Quest for Growth and Inflation

GLOBAL
MACRO
SHIFTS
DRITTE AUSGABE
VOM NOVEMBER 2015
JAPAN: IM STREBEN NACH
WACHSTUM UND INFLATION
mit Dr. Michael Hasenstab
Inhalt
Überblick
2
Globales Umfeld
3
Japan: verlorene Dekaden und aktuelle Herausforderungen
6
Ein neues Zeitalter: Abenomics
10
Bewertung des bisher Erreichten
15
Fazit
20
Global Macro Shifts
Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
Global Macro Shifts ist eine Research-Information zur
weltwirtschaftlichen Entwicklung mit Analysen und Einschätzungen von Dr. Michael Hasenstab und leitenden
Mitgliedern von Templeton Global Macro. Dr. Hasenstab
und sein Team verwalten Templetons globale Anleihenstrategien einschließlich uneingeschränkter festverzinslicher Anlagen, Währungen und Global Macro. Das an
führenden Universitäten weltweit ausgebildete Team von
Wirtschaftsexperten integriert globale makroökonomische Analysen in eingehendes Länder-Research, um
Dr. Michael Hasenstab
Executive Vice President, Portfolio Manager, Chief Investment Officer
Templeton Global Macro
Dr. Sonal Desai
Senior Vice President,
Portfolio Manager,
Director of Research
Templeton Global Macro
Dr. Calvin Ho
Vice President, Senior Global
Macro & Research Analyst
Templeton Global Macro
langfristige Ungleichgewichte ausfindig zu machen, die
sich in Anlagechancen übersetzen.
Dr. Hyung C. Shin
Vice President, Senior Global
Macro & Research Analyst
Templeton Global Macro
Dr. Kang Tan
Senior Global Macro &
Research Analyst
Templeton Global Macro
Dr. Diego Valderrama
Senior Global Macro &
Research Analyst
Templeton Global Macro
Dr. Attila Korpos
Research-Analyst
Templeton Global Macro
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
1
Überblick
Zentrales Thema dieser Ausgabe von Global Macro Shifts ist Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft
der Welt. Japan hat einen beispiellosen wirtschaftspolitischen Wandel eingeleitet, um endlich fast
zwei Jahrzehnte mit geringem Wachstum und Deflation zu überwinden. Ob die neue Strategie Erfolg
hat oder nicht, wird sich wesentlich auf den globalen Konjunkturausblick auswirken.
2012 lancierte die Regierung von Premierminister Shinzo Abe
ein umfassendes politisches Programm, die sogenannten
„Abenomics“, in drei „Pfeilen“: Der erste Pfeil zielt auf eine
deutlich breitere und aggressivere Lockerung der Geldpolitik ab
als in früheren diesbezüglich expansiven Phasen. Mit diesem
neuen quantitativen und qualitativen Lockerungsprogramm
(QQE) hat die Bank of Japan (BOJ) die Geldbasis seit Anfang
2013 mehr als verdoppelt, die Restlaufzeit japanischer
Staatsanleihen (JGBs) in ihrem Portfolio erheblich verlängert und
in maßgeblichem Umfang riskantere Anlagen direkt aufgekauft.
Diese Strategie führt zu erheblichen Portfolioumschichtungen
japanischer Finanzinstitute und signalisiert klar, wie
entschlossen die BOJ an effektiven geldpolitischen Anreizen
festhalten will, bis die Inflation nachhaltig auf rund 2% steigt.
Das Inflationsziel von 2% ist noch nicht erreicht. Das lag zum
einen am kräftigen Gegenwind durch den globalen Einbruch der
Rohstoffpreise, zum anderen daran, dass es sich als unerwartet
schwierig erwies, die fest auf Werte nahe null gepolten
Inflationserwartungen und das Lohnabschlussverhalten zu
verändern. QQE hat es jedoch geschafft, die Kerninflation
deutlich ins Plus zu drücken, nachdem sie über 15 Jahre lang
hartnäckig unter null verharrte. QQE hatte auch wesentliche
Effekte auf die Vermögenspreise, sorgte für einen Wertverlust
des Yen gegenüber dem US-Dollar (USD) um knapp 40% und
für einen Anstieg der Aktienbewertungen auf mehr als das
Doppelte.
Der zweite Pfeil besteht in einer umsichtigen Fiskalpolitik, die die
Balance hält zwischen Wachstumsförderung, Inflationszielen und
der Sicherstellung einer tragbaren Verschuldung. Nachdem eine
mutige Anhebung der Mehrwertsteuer im April 2014 das
Wachstum ins Stocken brachte, konzentriert sich die Fiskalpolitik
auf die Bereitstellung eines glaubwürdigen mittelfristigen
Konsolidierungsrahmens. Gleichzeitig wird durch eine
Verringerung der Körperschaftsteuer 2015/16 kürzerfristiges
Wachstum gefördert.
Japans Bruttoverschuldung beläuft sich auf gewaltige 245% des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ist bei der gegenwärtigen Politik
untragbar. Bislang konnten äußerst vorteilhafte Bedingungen
nachteilige Folgen für die Finanzstabilität verhindern: Japans
Schulden stehen hohe inländische Ersparnisse gegenüber. Der
Anteil ausländischer Investoren liegt bei nur 10%. QQE gibt
zusätzliche Impulse für die Nachfrage und hält die Zinsen nahe
null. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass diese
vorteilhaften Bedingungen unbegrenzt fortbestehen.
2
Höhere Inflation ist zwar eine wesentliche Voraussetzung, doch
Japan muss auch das reale BIP-Wachstum ankurbeln. Daher
beinhaltet der dritte Pfeil eine breite Palette von
Strukturreformen. Das potenzielle BIP-Wachstum ist zwar im
Zeitverlauf zurückgegangen und steht derzeit bei dürftigen 0,5%,
doch Japans Produktivität hat sich weiter kräftig gesteigert –
gleichauf mit anderen Industrieländern wie den USA und
Deutschland. Strukturreformen können die
Produktivitätssteigerung weiter anheizen, müssen aber auch
Kapital- und Arbeitsmarkt beflügeln, um eine ausreichende
Wirkung auf die Wachstumsrate des Gesamt-BIP zu erzielen.
Insbesondere werden weitere Reformen vonnöten sein, um die
demografische Entwicklung in Japan aufzufangen. Angesichts
der raschen Alterung dürfte die Erwerbsbevölkerung bis 2030
um mehrere Millionen Arbeitnehmer schrumpfen. Die Regierung
muss weitere Maßnahmen ergreifen, um noch mehr Frauen auf
den Arbeitsmarkt zu holen, älteren Arbeitnehmern Anreize zur
Fortsetzung ihrer beruflichen Tätigkeit zu geben, gezielt mehr
Zuwanderung zu ermöglichen und die Flexibilität des
Arbeitsmarkts zu steigern.
Abenomics stellen einen echten Systemwandel dar und zeigen
bereits spürbar Wirkung. Bis Wachstum und Inflation nachhaltig
stärker anziehen, ist der Weg aber noch weit. Premier Abe
gewann im Dezember 2014 überzeugend die vorgezogenen
Neuwahlen. Offenbar genießen die laufenden Reformen also
weiter kräftigen Rückhalt. Die Regierung muss sich allerdings in
wichtigen Bereichen der Strukturreform mehr anstrengen, allen
voran auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig bleibt der BOJ nach
unseren Erwartungen gar nichts anderes übrig, als ihre extrem
lockere Geldpolitik weiterzuführen und QQE möglicherweise
noch aufzustocken. Das bringt eine längere Phase der
(zunehmenden) Yen-Schwäche und der niedrigen Zinsen.
Der Artikel ist im Weiteren folgendermaßen aufgebaut: Der erste
Teil enthält unseren globalen Konjunkturausblick mit
Schwerpunkt auf den USA, der Eurozone und China. Im zweiten
Teil beginnt die Betrachtung Japans mit einem Überblick über
die verlorenen Dekaden und ihre Zusammenhänge mit den
heutigen Herausforderungen. Der dritte Teil bezieht sich auf das
neue Zeitalter und den Aufstieg von Abenomics und der vierte
Teil bewertet den Fortschritt der neuen japanischen Politik. Der
fünfte Teil beendet den Artikel mit einer Zusammenfassung zu
Japans Rückweg zu Wachstum und Inflation.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
1. Globales Umfeld
Bevor wir näher auf Japan eingehen, empfiehlt sich eine
Bestandsaufnahme zum aktuellen globalen Konjunkturausblick.
Das globale Wachstum hat sich 2015 gegenüber 2014
abgeschwächt, doch wir sollten nach Möglichkeit unterscheiden
zwischen Störgeräuschen und Fakten. Bei Drucklegung hat der
Internationale Währungsfonds (IWF) gerade seine Jahrestagung
in Lima beendet – mit reißerischen Schlagzeilen, die vor der
extremen Anfälligkeit der Weltwirtschaft warnen. Der IWF
korrigierte seine Gesamtprognose für das globale Wachstum für
2015 auf 3,1% herunter.1 Wir weisen darauf hin, dass der
Marktkonsens seit fünf Jahren eine globale Katastrophe
befürchtet, die jedoch eigenartigerweise nie eingetreten ist.
Gehen wir ein paar Schritte – beziehungsweise Jahre – zurück
und erinnern wir uns an die Warnungen vor einer
bevorstehenden „Double-Dip“-Rezession in den USA. Nur kam
diese nicht, denn inzwischen liegen 24 Quartale der Erholung
hinter uns, und diese läuft weiter. Als Nächstes kommt uns der
Zusammenbruch der Eurozone in den Sinn, der die größte
Währungsunion der Welt zum Einsturz gebracht hätte. Auch er
blieb aus. Tatsächlich hat der Euroraum seither sogar neue
Mitglieder aufgenommen. Zur globalen Deflation durch fallende
Rohstoffpreise kam es ebenfalls nicht. Manche meinen, dazu sei
das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch wir halten auch
diese Entwicklung für äußerst unwahrscheinlich. Die
Untergangspropheten geben aber noch nicht auf. Ihr jüngsten
Parolen sind langfristige Stagnation und wirtschaftlicher
Zusammenbruch in Schwellenländern (EMs).
Solche Pauschalisierungen greifen unseres Erachtens zu kurz.
Zweifellos ist der Anpassungsprozess an niedrigere
Rohstoffpreise für manche EMs schmerzhaft. Zweifellos waren
nicht alle EMs in den letzten sieben Jahren des schnellen
Geldes gleich umsichtig. Doch daraus lässt sich nicht unbedingt
auf eine breit angelegte EM-Krise schließen. Insgesamt decken
sich die Ratlosigkeit und die Resignation, die wir herauslesen,
nicht mit den harten Daten. Den meisten Krisenbeschwörern ist
offenbar nicht klar, dass die fünf Jahre vor der globalen
Finanzkrise eine untragbare, kreditgespeiste Wachstumsblase
darstellten. Damals lag eine globale Wachstumsanomalie vor,
nicht heute. Nachstehende Grafik spricht unseres Erachtens für
sich.
Globales Wachstum: vor der Finanzkrise untragbar, heute näher am Trend
Abbildung 1: Globales BIP-Wachstum (% Kaufkraftparität)
1983–2020S
Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
3
USA
Eurozone
Das Wirtschaftswachstum in den USA beurteilen wir nach wie
vor optimistisch. Gesunde Privathaushalte, die weiter kräftig
konsumieren, und die Investitionen von Unternehmen außerhalb
des Energiesektors stützen die grundlegende Aktivität weiter.
Der Eigenheimbau tendiert aufwärts und auch der Gewerbebau
zeigt sich ausgesprochen robust. Es besteht weiterhin
ausreichend aufgestaute Nachfrage nach Wohnbauinvestitionen
und Gebrauchsgütern seitens der Haushalte, um in den
nächsten Quartalen für Wachstum über dem Trend zu sorgen.
Vor allem aber scheinen die negativen Effekte niedrigerer
Ölpreise auf die Bohrtätigkeit offenbar weitgehend überwunden.
Das BIP wuchs im zweiten Quartal (Q2) aufs Jahr gerechnet
ganze 3,9% gegenüber dem Vorquartal. Dabei weisen die
neuesten Daten für Q1 auf 0,6% BIP-Zuwachs hin anstelle der
ursprünglich geschätzten geringen Kontraktion. Der erste BIPSchätzwert für Q3 verringerte sich zwar auf 1,5%, doch die
Gesamtzahl verschleiert solide Fundamentaldaten.
Insbesondere zeigt sich die zugrunde liegende Endnachfrage
weiter ausgesprochen kräftig, beflügelt durch einen Anstieg der
Konsumausgaben um 3,2%.
Die Eurozone verzeichnet weiter eine breit angelegte
Konjunkturerholung und wächst derzeit über ihrem Potenzial. Es
gibt allerdings Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.
Die Expansion wird gestützt durch das laufende quantitative
Lockerungsprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das
die Finanzierungsbedingungen im Währungsraum gelockert und
die Kreditvergabe der Banken angeregt hat. Expansive
Geldpolitik fördert auch das Wachstum, indem der Wechselkurs
des Euro auf wettbewerbsfähigem Niveau gehalten wird.
Der Arbeitsmarktbericht vom September wies zwar
enttäuschende Beschäftigungszuwächse aus, doch der Trend
zeigt weiter nach oben. Die Wirtschaft hat die Verschlechterung
der Beschäftigungssituation durch die globale Finanzkrise
nahezu aufgefangen. Im Grunde liegt nach Schätzungen des
Haushaltsamts des Kongresses Vollbeschäftigung2 vor. Auch
andere Signale für die Gesundheit des Arbeitsmarkts wie
Austauschrelationen (Einstellungen, Entlassungen und
Kündigungen) sprechen ebenfalls für deutlich bessere
Bedingungen. Insgesamt entspricht der Druck hin zu Lohn- und
Einkommenssteigerungen den besseren Fundamentaldaten und
der Anspannung auf dem Arbeitsmarkt. Wir rechnen mit
zunehmendem Lohndruck, wenn die Arbeitsmarktlage weiter
anzieht.
Die Gesamtinflation ging in diesem Jahr infolge rückläufiger
Ölpreise und des stärkeren US-Dollars (USD) zurück. Die
Aufwertung des USD dämpfte auch die Kerninflation. Die
Basiseffekte des Ölpreisverfalls klingen aber schnell ab und
begünstigen einen Anstieg der Inflation auf das Ziel der USNotenbank Federal Reserve (Fed) von 2% im ersten Halbjahr
2016. Insgesamt beurteilen wird den Konjunkturausblick für die
USA weiter zuversichtlich und rechnen noch vor Jahresende mit
einer ersten Normalisierung der Zinsen durch die Fed.
4
Auch die Inflation ist in der Eurozone nach wie vor niedrig. Das
ist zum Teil auf die schwachen Rohstoffpreise zurückzuführen,
vor allem im Energiesektor – ein Effekt, den wir auf 0,4
Prozentpunkte schätzen. Die EZB rechnet weiterhin damit, dass
sich die Inflationsrate mittelfristig auf ihr 2%-Ziel zu bewegt, hat
aber klar gesagt, dass sie bereit ist, die Geldpolitik bei Bedarf
weiter zu lockern. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten
Monaten eine weitere Runde quantitativer Lockerungen einsetzt.
Die Griechenlandkrise, die beim Erscheinen der letzten Global
Macro Shifts noch so viel Raum einnahm, konnte abgewendet
werden. Nach längerem Taktieren gab der griechische
Premierminister Alexis Tsipras den Forderungen von
Europäischer Union (EU) und IWF nach und unterzeichnete ein
neues Rettungsprogramm, das erhebliche
Anpassungsmaßnahmen ohne Schuldenschnitt vorsah. Der
letztgenannte Punkt war besonders kontrovers diskutiert worden
und führte zu krassen Misstönen zwischen dem IWF – für den
eine Umschuldung die Voraussetzung für die Gewährleistung
der Schuldentragfähigkeit war – und der EU, und insbesondere
Deutschland, die davon nichts wissen wollten. Premier Tsipras
und seine Links-der-Mitte-Koalition blieben nach den
vorgezogenen Neuwahlen im September im Amt. Es bestehen
weiter Sorgen um die Umsetzung des Programms, und am Ende
dürfte auch die Tragbarkeit der Schulden wieder zum Thema
werden.
Vorerst ist die Gefahr eines griechischen Austritts aus der
Eurozone aber gebannt, und ebenso die begleitenden Ängste
vor möglichen Dominoeffekten. Mit Blick auf die Zukunft rechnen
wir weiter mit expansiver Geldpolitik der EZB, die 2016 das
Wachstum ankurbeln und den Euro weiter schwächen dürfte.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
China
Übrige Welt
Als die Fed im September beschloss, die Zinsen nicht
anzuheben, stand ihre Besorgnis um China im Vordergrund. Dort
ließ die Konjunktur offenbar stärker nach, als die Finanzmärkte
erwartet und die Politiker anvisiert hatten. Der chinesische
Aktienmarkt korrigierte, nachdem sich die Bewertungen in den
vorausgegangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt hatten –
ein Risiko, auf das wir in der Vorausgabe der Global Macro
Shifts hingewiesen hatten. Die Regierung ergriff etliche
administrative Maßnahmen, um den Kursrutsch aufzuhalten.
Diese Schritte zeigten nur begrenzt Erfolg. Chinaskeptiker
argumentierten, die Regierung falle in Interventionismus zurück,
statt ihre Reformen weiterzuführen.
Die Abkühlung in China und die anhaltende Schwäche der
Rohstoffpreise haben neuerliche Ängste vor erheblichen
Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft ausgelöst – und vor einem
spürbaren globalen Konjunkturrückgang. Die niedrigen
Rohstoffpreise genießen besonders viel Aufmerksamkeit und
werden von manchen mit der Gefahr einer Systemkrise in den
EMs assoziiert. Es bestehen zwar Abwärtsrisiken, doch Sorgen
um eine globale langfristige Stagnation oder eine EMSystemkrise infolge der Preisschwäche bei Rohstoffen halten wir
für überzogen.
Im Anschluss orchestrierte China Mitte August eine Abwertung
des Renminbi gegenüber dem USD um rund 3% und kündigte
an, dass der Wechselkurs künftig verstärkt von den Marktkräften
bestimmt werde. In einem Währungssystem mit freigegebenen
Wechselkursen wäre eine solche Veränderung kaum
erwähnenswert, doch angesichts der Quasi-Koppelung Chinas
an den US-Dollar galt sie als beträchtlich. Eine Reihe von
Beobachtern sah in der Abwertung ein Signal für die großen
Sorgen der Politiker um die Abschwächung des Wachstums und
eine potenzielle erhebliche Abwertung zur Wachstumsförderung
über den Export. Dies werde voraussichtlich einen
Währungskrieg entfesseln, warnten sie – ein Störfeuer für das
globale Wachstum und das globale Finanzsystem. Wir sehen
das anders. Im Einklang mit unserer Analyse in den vorigen
Global Macro Shifts gehen wir davon aus, dass China an seinem
politischen Kurs festhalten dürfte. Zur Abwertung des Renminbi
weisen wir darauf hin, dass sich Chinas Währung in den zwölf
Vormonaten auf realer, effektiver Basis um mehr als 12%
verteuert hatte.3 Außerdem hatte China im ersten Halbjahr
diverse Abflüsse an „heißem Geld“ verzeichnet, was sich
ebenfalls eindeutig auf die Politik auswirkte. Nach einer
moderaten Abwertung um 3% blieb der Renminbi in den letzten
beiden Monaten stabil. Wir halten diesen Schritt nicht für den
Vorboten einer massiven unkontrollierten Schwächung, wie von
den Märkten befürchtet.
Insgesamt ist die chinesische Wirtschaft fundamental solider, als
die Märkte zuletzt anzeigten. Wir sind nach wie vor der
Überzeugung, dass Chinas Politiker über die Instrumente und
die finanzielle Feuerkraft verfügen, um die jüngste
Abschwächung zu konterkarieren und das Wachstum wieder auf
Kurs zu 6% bis 7% zu bringen.
Wie vorstehend festgestellt, wachsen die USA und Europa über
ihrem Potenzial, weiter befeuert durch lockere Geldpolitik. In den
EMs ist das Wachstumstempo insgesamt tatsächlich
zurückgegangen. Das ist jedoch zu relativieren. Nach der
globalen Finanzkrise setzten EMs effektive, synchronisierte
makroökonomische Expansionsmaßnahmen um. Diese lösten
eine V-förmige Erholung aus, mit Wachstumsraten über dem
Potenzial. Seit 2011 verringert sich das Wachstum in den
meisten EMs auf nachhaltigere Raten. Das ist Teil einer
gesunden zyklischen Anpassung. Unlängst hatten manche EMs
auch mit spezifischen Problemen zu kämpfen. Die
Rohstoffexporteure müssen mit niedrigeren Preise zurande
kommen, aber auch mit Überkapazitäten, die in Boomzeiten
aufgebaut wurden. In manchen Ländern wie der Türkei wirkte
sich politische Volatilität negativ aus. Manche EMs zahlen für
Fehler der Vergangenheit, die (ein Stück weit in Russland) in
makroökonomischen oder (in Südafrika) in strukturbezogenen
Maßnahmen bestanden. In manchen Fällen erfolgt aber bereits
ein Kurswechsel.
Viele EMs, die in diesem Jahr unter Druck standen, steuern
offenbar auf eine Talsohle zu und sollten 2016 anziehende
Konjunktur verzeichnen. Andere EMs verfolgen darüber hinaus
eine bessere Politik und ernten deren Früchte. Indien tut sich als
wachstumsstärkste große Volkswirtschaft hervor, und Mexiko
wird von seiner starken Bindung an die US-Wirtschaft profitieren.
Rohstoffe sind ein wesentlicher Parameter für das globale
Wachstum, und in der Weltwirtschaft gibt es mehr
Rohstoffimporteure als -exporteure. Niedrigere Rohstoffpreise
sind daher per saldo positiv für das globale Wachstum. Hinzu
kommt, dass die Rohstoffexporteure nach IWF-Analysen den
jüngsten Preisboom besser handhaben konnten als
vorausgegangene (beispielsweise mit geringeren Steigerungen
der Staatsausgaben) und daher im Schnitt besser für den
Abschwung gerüstet sind.
Trotz der Abwärtskorrekturen des globalen Wachstums durch
den IWF liegt derzeit noch lange keine weltweite Rezession oder
globale Deflation vor. Das globale Wachstum entspricht im
Großen und Ganzen weiter dem Trend, während die
Projektionen für die großen Volkswirtschaften nach wie vor
robust wirken.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
5
2. Japan: verlorene Dekaden und
aktuelle Herausforderungen
2.
Vor rund drei Jahren, Ende 2012, führte der neu gewählte
japanische Premierminister Shinzo Abe eine ganze neue
Wirtschaftspolitik ein, die sogenannten „Abenomics“. Zum
Verständnis der Gründe für diesen Kurswechsel und zur
besseren Bewertung des bislang Erreichten und der
Erfolgschancen ist eine kurze Retrospektive zu Japans
Entwicklung in den letzten Jahrzehnten angezeigt. Sie
verdeutlicht den Ursprung, die Art und den Umfang der
Herausforderungen, vor denen Japan heute steht.
Es ist heute kaum vorstellbar, doch 1980 hatte Japan den
niedrigsten Altersabhängigkeitsquotienten (Verhältnis
zwischen Rentnern und Bürgern im erwerbsfähigen Alter)
der G7. Danach alterte die Bevölkerung drastisch. 2005 war
Japans Altersabhängigkeitsquotient schon so hoch wie in
keinem anderen G7-Staat und stieg rasant weiter.
Abhängigkeitsquotient: inzwischen der höchste
der großen Volkswirtschaften
Abbildung 3: Altersabhängigkeitsquotient
Japans verlorene Dekade(n)
1965–2014
Nach einer längeren extrem wachstumsstarken Phase verlor
Japans Wirtschaft in den 1970er-Jahren an Schlagkraft. Ein
Grund: Japan hatte damals die problemlosen Zuwächse der
Aufholphase des Wachstums ausgeschöpft, die durch die rasche
und erfolgreiche Umstellung auf importierte Technologien
getragen wurde. Außerdem stieß Japan auf zwei maßgebliche
Widerstände:
1.
Als das globale Währungssystem mit festen Wechselkursen
zusammenbrach, verzeichnete der Yen zwei große
Aufwertungswellen, die seinen Wert gegenüber dem USD
verdoppelten. In den 1980er-Jahren gab die japanische
Währung nach, doch im Anschluss an das PlazaAbkommen von 1985 trat sie wieder eine längere
Aufwertungsphase ein. Von 1970 bis 1995 legte der reale
Wechselkurs des Yen 150% zu.
Längere Aufwertungsphasen der japanischen
Währung in früheren Jahrzehnten
Quelle: Weltbank: Weltentwicklungsindikatoren. Stand: 09.10.15.
Abbildung 2: Wechselkurs JPY/USD
Ende der 1980er-Jahre verzeichnete Japan zum Teil dank
lockerer Währungspolitik einen kräftigen Wachstumsschub. Das
reale BIP wuchs von 1987 bis 1990 im Schnitt um 5,5%. Das
nährte unrealistische Erwartungen auf nachhaltig starkes
Wirtschaftswachstum. Neben der expansiven Geldpolitik
bereitete es den Boden für eine gewaltige
Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien. Die Blase
platzte, und Aktien und Grundstückspreise brachen ein. Für
Japan begann eine Phase, die heute gemeinhin als verlorene
Dekade(n) bezeichnet wird: Das reale BIP erhöhte sich von 1991
bis 2000 im Schnitt um kümmerliche 1,1% pro Jahr und von
2001 bis 2007 mit 1,4% nur geringfügig stärker. Dann kam die
globale Finanzkrise.
4. Januar 1971–9. Oktober 2015
Wechselkurs
400
350
300
250
200
150
Geringes Wachstum wurde durch hartnäckige Deflation
verschärft. Der Verbraucherpreisindex (VPI) wies von 1994 bis
2007 im Schnitt 0 Prozent Inflation pro Jahr aus und hielt sich
von 1999 bis 2005 unter null.4
100
50
0
01/71
03/76
05/81
08/86 10/91
01/97
03/02
06/07
08/12
10/15
Quelle: Bloomberg.
6
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
Inflation: über längere Zeiträume bei oder unter
null
Nominales Wachstum in Japan eher rückläufig
als anziehend
Abbildung 4: Japanische Inflation
Abbildung 5: Nominales BIP-Wachstum (Landeswährung)
1994-2007
1997-2014
% Veränderung der durchschnittlichen Verbraucherpreise
3%
2%
1%
0%
-1%
-2%
1994
1997
2000
2003
2007
Kanada UK US Frankreich Deutschland Italien Japan
Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober
2015. (Hinweis: Der Inflationsausschlag 1997 steht in Zusammenhang mit der
Mehrwertsteuererhöhung.)
Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober
2015.
Die aktuellen Herausforderungen
um fast 50% gestiegen. Besonders besorgniserregend ist der
Rückgang des nominalen BIP angesichts der extrem hohen
Staatsverschuldung Japans. Ein stagnierender oder fallender
Nenner in der Verschuldungsquote stellt die
Schuldentragfähigkeit verstärkt infrage, worauf wir in diesem
Artikel noch näher eingehen.
Die verlorene Dekade der 1990er war zum Teil dem
langwierigen, schmerzhaften und oft verzögerten
Entschuldungsprozess nach dem Platzen der
Vermögenspreisblase zuzuschreiben: Unternehmen mussten
Fremdkapital abbauen, Finanzinstitute ihre Bilanzen sanieren,
und Haushalte und Wirtschaft mussten wieder Vermögen
aufbauen. Die Entscheidung, eine Verschleppung dieses
Prozesses zuzulassen – ganz anders als in den USA nach der
globalen Finanzkrise – war nicht hilfreich. Zu allem Übel
drosselte die asiatische Finanzkrise 1997/1998 vorübergehend
die externe Nachfrage in der Region.
Seither wurden die Bilanzprobleme weitgehend gelöst. Heute
sind die Industriekonzerne hochliquide, das Finanzsystem ist
gesund.5 Der Unternehmenssektor reduzierte seinen
Verschuldungsgrad von 2002 bis 2007 von rund 200% auf unter
100%. Im selben Zeitraum verringerten sich die faulen Kredite
von 8,4% auf 2,5% und halten sich seither auf niedrigem Niveau,
was die Position des Bankensektors stärkt. 6
Wachstumsschwäche und Deflation
Japan kämpft aber weiter gegen schwaches Wachstum und
Deflation/Nullinflation. 2014 lag Japans nominales BIP (in
Landeswährung) 7% unter dem Stand von 1997. In den USA
und Großbritannien hat sich das nominale BIP im gleichen
Zeitraum dagegen verdoppelt, in Deutschland und Italien ist es
Gleichzeitig sorgte die tief verwurzelte Deflation für Einschnitte
bei Investitionen und Verbrauch. Unternehmen stellten nur noch
befristet ein, was eine Dualität schuf, die den Arbeitsmarkt bis
heute belastet. Die Umschichtung von Portfolios auf sicherere
Anlagen setzte ein.
Demografie
Ein wesentlicher Faktor, der Japans Wachstumsleistung bremst,
war und ist die demografische Entwicklung. Japans Bevölkerung
altert weiter rasant. 1980 waren nur 9% der Japaner 65 oder
älter; heute sind es mehr als 26%; in 20 Jahren gehört schon
fast jeder dritte Japaner dieser Altersklasse an. Dagegen
erreichte der Anteil japanischer Bürger im Alter von 15 bis 64
seinen Höhepunkt von knapp 70% vor 20 Jahren und ist
inzwischen auf reichlich 60% zurückgegangen. Er wird weiter
schrumpfen; in 40 Jahren ist nur noch jeder zweite Japaner im
erwerbsfähigen Alter.7
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
7
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter
schrumpft schnell
Japan: Produktivitätssteigerungen wie in den
USA und Deutschland
Abbildung 6: Japans Bevölkerung im Alter von 15–64 und 65+ in %
der Summe
Abbildung 7: Steigerung der Gesamtproduktivität
1995-2013
1950–2050S
Quelle: Vereinte Nationen, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten,
Bevölkerungsabteilung (2015). World Population Prospects: The 2015 Revision, DVDAusgabe vom Juli 2015.
Die rasche Bevölkerungsalterung hat wesentliche
Auswirkungen auf die Renten- und Gesundheitsausgaben. Der
wichtigste Umstand für diesen Teil unserer Erörterung ist aber,
dass sie die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte reduziert. Nach
Projektionen der japanischen Regierung dürfte die
Erwerbsbevölkerung unter günstigen Bedingungen (bei
stärkerem Wachstum und steigender Erwerbsquote) von 66,3
Millionen 2010 bis 2030 auf 62,9 Millionen zurückgehen, also
um 3,4 Millionen Arbeitnehmer in 20 Jahren. Unter ungünstigen
Bedingungen, wenn Wachstum oder Erwerbsquote nicht
zunehmen, könnten es sogar 9,5 Millionen Arbeitnehmer
werden. Damit würde die Erwerbsbevölkerung im gleichen
Zeitraum auf nur 56,8 abschmelzen. Unter den genannten
ungünstigen Bedingungen schätzt die Regierung, dass die Zahl
der Beschäftigten von 2010 bis 2030 von 63,0 Millionen auf nur
54,5 Millionen fällt.8
Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Growth
in GDP per Capita Productivity und ULC Database.
Der ungünstige demografische Trend wurde zum Teil durch
robuste Produktivitätssteigerungen abgefedert. Die
Gesamtproduktivität nahm so schnell zu wie in anderen
Industrieländern, etwa in den USA oder in Deutschland.
Tatsächlich war die durchschnittliche Zuwachsrate der
Gesamtproduktivität in Japan nach der globalen Finanzkrise
(abgesehen vom Erholungsextrem 2010) die vierthöchste in der
OECD und deutlich höher als in den USA und Großbritannien.
Japans Gesamtproduktivität: im Vergleich zu
anderen großen Volkswirtschaften hoch
Abbildung 8: Durchschnittliche Steigerung der
Gesamtproduktivität
2011-2013
Neben der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung gibt es
Ineffizienzen auf dem Arbeitsmarkt, was zu einer Dualität
mit unbefristet und befristet Beschäftigten führt – und
offensichtliche Qualifikationsdefizite. In einer aktuellen
Studie stellen Ganelli und Miake (2015) fest, dass sich Japans
Beveridge-Kurve nach rechts verlagert hat. Das heißt, bei
gleicher Arbeitslosenquote gibt es inzwischen mehr freie Stellen.
Dem Tankan-Bericht der BOJ zufolge leiden alle Unternehmen
unter Arbeitskräftemangel, allen voran der Mittelstand. Eine
neue Erhebung der ManpowerGroup ergab, dass 81% der
japanischen Unternehmen 2014 Schwierigkeiten hatten, freie
Stellen zu besetzen. Das ist der mit Abstand größte Anteil in
allen einbezogenen Ländern und mehr als das Doppelte des
globalen Durchschnitts.9 Auch die offenen Stellen in Prozent der
Erwerbsbevölkerung sind deutlich höher als in vielen anderen
Industrieländern.10
Quelle: OECD, Growth in GDP per Capita Productivity und ULC Database.
8
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
Dank dieser ordentlichen Produktivitätsentwicklung konnte das
Pro-Kopf-Wachstum in Japan beinahe mit anderen großen
Industrieländern Schritt halten. Von 1990 bis 2014 (ohne 1998,
als Japan von der asiatischen Finanzkrise in Mitleidenschaft
gezogen wurde), erhöhte sich das Pro-Kopf-BIP in
Landeswährung zu konstanten Preisen in Japan im Schnitt um
1,1%. In den USA waren es 1,3%, in Deutschland 1,4%. 11
Japans solide Produktivitätsentwicklung hat aber eine gute und
eine schlechte Seite. Einerseits belegt sie, dass sich Japans
Wirtschaft durch die Mischung aus technischem Fortschritt und
qualifizierten Arbeitskräften hohe Effizienz und
Wettbewerbsfähigkeit wahren konnte. Andererseits ist damit klar,
dass weitere Produktivitätssteigerungen für die Ankurbelung des
gesamten BIP-Wachstums in Japan nur eine begrenzte Rolle
spielen können.
Unsere Analyse zur Schuldentragfähigkeit zeigt, dass diese
extrem hohe Schuldenlast bei der gegenwärtigen Politik nicht
verkraftbar ist. Sie hat zwar noch keine finanzielle Instabilität
ausgelöst, doch Japans wichtigstes Endziel ist vermutlich, sie
wieder auf nachhaltiges Niveau zu verringern. Auf dieses Thema
gehen wir nachstehend noch genauer ein.
Verschuldungsquote: auf unhaltbarem Niveau
Abbildung 9: Verschuldungsquote
1980-2014
% des BIP
300%
250%
200%
Tragbarkeit der Schulden
Japans Verschuldungsquote pendelte in den 1980er-Jahren
zwischen 50% und 70%. Als die verlorene Dekade begann,
nahm die Verschuldung rasch zu, während die Regierung
vergeblich versuchte, durch lockere Fiskalpolitik wieder
Wachstum herbeizuführen. Das Haushaltsdefizit des Landes lag
von 1995 bis 2005 im Schnitt bei 6% des BIP, die
Verschuldungsquote stieg auf mehr als das Doppelte an – über
180%.
Nach einer Delle 2006/2007 nahm die Verschuldungsquote
ihren Aufwärtstrend wieder auf und hat heute ungeheure
245% erreicht. Damit ist sie so hoch wie in keinem anderen
Industrieland. Selbst angesichts ultraniedriger Zinsen belief sich
der Bruttofinanzierungsbedarf Japans 2014 auf 56% des BIP. 12
150%
100%
50%
0%
1980
1987
1994
2001
2008
2014
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des
Internationalen Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
9
3. Ein neues Zeitalter: Abenomics
Die Analysen der Vorabsätze machen deutlich, dass Japan noch
vor großen Herausforderungen steht: Die fortgesetzte negative
Bevölkerungsentwicklung verringert die Erwerbsbevölkerung und
übt gleichzeitig zusätzlichen Druck auf die öffentlichen Ausgaben
aus, insbesondere im Gesundheitswesen. Dann sind da noch
fest verwurzelte Deflationserwartungen und die extrem hohe und
steigende öffentliche Schuldenlast. Wiederholte Versuche, diese
Herausforderungen zwischen 1990 und 2010 zu bewältigen, sind
gescheitert.
Ende 2012, Anfang 2013 startete die Regierung von
Premierminister Abe ein neues, umfassendes politisches
Programm aus drei „Pfeilen”:
1.
Neuerliche aggressive Lockerung der Geldpolitik:
Die BOJ nahm mit ihrer Geldpolitik nicht mehr die Zinsen
ins Visier, sondern die Geldbasis, die sie bis 2014
verdoppeln wollte. Ferner beschloss sie, die Restlaufzeit
aufgekaufter JGB auf 40 Jahre zu erhöhen und verstärkt
direkt riskantere Anlagen zu erwerben – unter anderem
doppelt so viele Anteile an börsengehandelten Indexfonds.
2.
Umsichtige Fiskalpolitik: Die Regierung visiert einen
Balanceakt zwischen Wachstumsimpulsen und Rückführung
der Staatsverschuldung auf tragbares Niveau an.
Schwerpunktmäßig ist die Strategie auf einen
glaubwürdigen mittelfristigen Kurs ausgerichtet, der die
Belastung durch kurzfristige Anpassungen reduzieren soll.
3.
Weitreichende Strukturreformen: Die Regierung plant
Reformen in Bereichen wie Arbeitsmarkt, Energiepolitik,
Gesundheitswesen und Landwirtschaft.
Abenomics berücksichtigten, dass eine erfolgreiche Strategie
einen „Alle Mann an Deck“-Ansatz erfordert, um (1) gleichzeitig
an allen Fronten zuzuschlagen, von makroökonomischen
Maßnahmen bis hin zu einer Vielzahl strukturpolitischer Eingriffe;
und (2) in der Geldpolitik beschleunigt eine klare, radikale Linie
zu fahren, um die Deflation zu überwinden.
Dass so fest mit Inflation nahe null und extrem schwachem
Wachstum gerechnet wird, wurde als Teil des Problems erkannt.
Durch Abenomics sollte sichtbar mit der Vergangenheit
gebrochen werden – mit einem Systemwechsel, der die
Erwartungen verändern könnte.
Wie sieht drei Jahre später die Bilanz der Abenomics aus?
Der erste Pfeil, die Geldpolitik:
auf vollen Touren
Die Geldpolitik, der erste Pfeil, hat bislang in Japans neuer
Strategie die größte Rolle gespielt. BOJ-Chef Haruhiko Kuroda
vollzog einen klaren Schnitt. An die Stelle der behutsamen
geldpolitischen Strategie der vergangenen Jahre traten neue
quantitative und qualitative Lockerungsmaßnahmen (QQE).
QQE sollte die Inflation innerhalb von zwei Jahren stabil auf 2%
treiben, unterstützt durch ein umfangreiches Kaufprogramm und
Vorgaben, die vermitteln sollten, dass die BOJ „alles Nötige tun“
werde, um ihr Ziel zu erreichen. Die Glaubwürdigkeit der QQE
wurde noch erhöht durch ihre Rolle als Baustein in einem
umfassenden politischen Ansatz.
Wie geplant verdoppelte sich die Bilanzsumme der BOJ von
Ende 2012 bis Ende 2014. Mitte Oktober 2015 hatte sie sich
gegenüber dem Stand von Ende 2012 um 130% erhöht und
erreichte 73% des BIP.13
Verlängerung der BOJ-Bilanz und Zinssenkungen durch außergewöhnliche Geldpolitik
Abbildung 10: BOJ QE
Abbildung 11: Realzinsen
Q1 1998–Q2 2015
2000-2014
% des BIP
70%
2.0%
60%
1.0%
50%
0.0%
1.5%
0.5%
-0.5%
40%
-1.0%
30%
-1.5%
20%
-2.0%
-2.5%
10%
10
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
Q2 2015
2002
Q3 2009
2001
Q4 2003
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan
Cabinet Office, Bank of Japan.
2000
-3.0%
0%
Q1 1998
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten von Bloomberg,
Bank of Japan.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
QQE konnte die Vermögenspreise erfolgreich beeinflussen. Der
Yen büßte gegenüber dem USD seit Ende 2012 fast 40%
ein14. Das trug maßgeblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Export bei und gab den Inflationsraten Auftrieb.
Wertverlust des Yen stützt Exporte und
fördert Inflation
Abbildung 12: Wechselkurs JPY/USD
31. Dezember 2012-10. Oktober 2015
Wechselkurs
130
125
120
115
110
105
100
95
90
85
80
12/12
07/13
02/14
08/14
03/15
10/15
Quelle: Bloomberg.
Die Aktienkurse haben sich seit Einführung von QQE mehr
als verdoppelt. In der Wertentwicklung des Aktienmarkts
spiegeln sich neben den direkten QQE-Folgen mehrere
Faktoren wider, auch die Erwartung, dass die Unternehmensrentabilität dank des wettbewerbsfähigeren Yen und
Maßnahmen zur Corporate-Governance-Reform steigt, sowie
eine Portfolioumschichtung des staatlichen Pensionsfonds.
Letztlich haben Grundstücks- und Immobilienpreise in den
meisten Regionen offenbar die Talsohle durchschritten.
QQE hat Pensionskassen und Haushalte zwar erfolgreich in
die Lage versetzt, ihre Portfolios umzuschichten und
riskantere Anlagen höher zu gewichten, doch ihr Einfluss
auf die Kreditvergabe ist eher begrenzt. Die Banken haben ihr
Engagement in JGBs zurückgefahren, was sich aber nur
teilweise in verstärkte Kreditvergabe an Dienstleistungsunternehmen übersetzt hat. Die verbleibenden Mittel sind in die
Bildung höherer Reserven geflossen. Die Kreditvergabe an das
produzierende Gewerbe blieb weitgehend unverändert, worin
sich aber wohl vor allem ein Nachfrageeffekt niederschlägt, da
die meisten Produktionsunternehmen hoch liquide sind.
QQE hat jedoch nicht die anvisierte Inflationsrate von 2%
herbeigeführt. Nach einer Spitze von Q2 bis Q3 2014, in der vor
allem die Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014 zum
Ausdruck kam, ist die Verbraucherpreisinflation stetig gesunken
und dümpelte im September und Oktober bei 0,2%. Eine
wesentliche Rolle spielte dabei jedoch das unglückliche
Zusammentreffen mit dem Preisverfall bei Öl und anderen
Rohstoffen, der in Japan wie in anderen Ländern eine starke
Dämpfung der Inflation auslöste. Im Oktober lag die
Kerninflationsrate bei zuversichtlicher stimmenden 0,8%, aber
immer noch klar unter dem 2%-Ziel.
Im Oktober 2014 überraschte die BOJ die Finanzmärkte
angesichts der rückläufigen Inflation mit einer weiteren
Ausweitung ihres QQE-Pakets: Die jährlichen Nettokäufe von
JGBs wurden auf 80 Bio. Yen aufgestockt, die durchschnittliche
Laufzeit der gekauften JGBs auf 7 bis 10 Jahre verlängert und
eine Verdreifachung der Käufe privater Anlagen beschlossen.
Inflation im Plus
Abbildung 14: Japan: Inflation
Oktober 2011–August 2015
QQE stützt Kurse japanischer Aktien
Abbildung 13: Nikkei 225 Index
31. Dezember 2010-10. Oktober 2015
Kurs (Yen)
25000
20000
15000
10000
5000
0
12/10
03/12
Quelle: Bloomberg, Nikkei 225 Index.
05/13
07/14
10/15
Kernrate VPI
(ohne frische Lebensmittel)
VPI
Quelle: Statistikamt, Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation (Diese
Daten wurden bereinigt, um den Effekt der Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014
auszuklammern.)
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
11
Es ist unbedingt zu berücksichtigen, dass das aktuelle Umfeld, in
dem fallende Rohstoffpreise die Inflation in weiten Teilen der
Weltwirtschaft stark gedrückt haben, für die BOJ besonders
schwierige Rahmenbedingungen schafft. Dennoch hat sich die
Kerninflation offenbar fest in positivem Territorium etabliert,
nachdem sie von 1998 bis 2012 fast ständig unter null
gelegen hatte.
Nach nahezu 20 Deflationsjahren ist es sichtlich schwierig, die
Inflationserwartungen und das Lohnabschlussverhalten zu
verändern, doch Japan kommt voran. In der diesjährigen
Verhandlungsrunde haben die Unternehmen ihre Grundgehälter
um 0,7% erhöht, deutlich mehr als die letztes Jahr
zugestandenen 0,4%15, aber nicht genug, um einen positiven
Kreislauf aus höheren Löhnen und mehr Konsum anzukurbeln.
Die Politiker, auch Premierminister Abe und BOJGouverneur Kuroda, fordern die Unternehmen immer wieder
auf, höhere Lohnsteigerungen zu gewähren und die Zahl der
unbefristet Beschäftigten zu erhöhen, statt Zeitverträge zu
schließen. Da die Unternehmensrentabilität steigt, wird die
Politik zunehmend Druck auf die Wirtschaft ausüben, Liquidität
zugunsten von Zuwächsen bei Beschäftigung, Löhnen und
Investitionen abzubauen.
Fundamentale Verbesserungen: Der Arbeitsmarkt spannt sich
weiter an. Die Arbeitslosenquote ist bei rückläufiger OutputLücke von 4,1% bei Einführung der Abenomics auf 3,4%
zurückgegangen. Infolgedessen nimmt der breitere Lohndruck
allmählich zu.
Der zweite Pfeil, die Fiskalpolitik:
ein Balanceakt
Oberste Priorität haben Wachstumsimpulse und
Deflationsbekämpfung. Ohne sie kann keine noch so starke
Haushaltskonsolidierung die Tragfähigkeit der Schulden
sicherstellen. Aus diesem Grund lancierte die Regierung ein
Steuerreformpaket, das den Körperschaftsteuersatz von 2015
bis 2016 um insgesamt 3,3 Prozentpunkte herabsetzt. Parallel
dazu mindert die Reform schrittweise die Abzugsbeschränkung
für Verlustvorträge, um negative Einnahmeeffekte der Senkung
zu begrenzen und gleichzeitig weiter Anreize für Innovation und
Rentabilität zu liefern.
Außerdem hat die Regierung einen mittelfristigen Plan zur
Haushaltskonsolidierung vorgestellt, der bis zum Haushaltsjahr
2020 auf Landes- und Kommunalebene einen Primärüberschuss
herbeiführen soll. Wie bereits angesprochen, ist auf mittlere
Sicht ein glaubwürdiger fiskalpolitischer Kurswechsel nötig, um
die Glaubwürdigkeit insgesamt zu untermauern. Die
Notwendigkeit kürzerfristiger Sparmaßnahmen soll dabei
minimiert werden.
Um ihre Verpflichtung zu finanzieller Tragfähigkeit zu
unterstreichen, wagte die Regierung mit einer geplanten
Mehrwertsteuererhöhung im April letzten Jahres einen Vorstoß
und hob den Basissatz von 5% auf 8% an. Die Steuererhöhung
hat den Aufschwung in Japan nicht aus der Bahn geworfen, aber
einen kurzfristigen Rücksetzer ausgelöst, der 2014 zu einer
geringfügigen Schrumpfung des BIP beitrug. Die Regierung hat
die nächste geplante Erhöhung auf April 2017 verschoben. Dann
soll der Satz auf 10% steigen. Diese zweite Erhöhung sollte
eigentlich im Oktober 2015 wirksam werden.
Unternehmensrentabilität und Arbeitsmarkt im Aufwind
Abbildung 15: Steigerung der Unternehmensgewinne
Abbildung 16: Arbeitslosenquote
Stand: 30. Juni 2015
Januar 2012–August 2015
im Jahresvergleich
25%
5.0%
20%
4.5%
15%
10%
4.0%
5%
0%
3.5%
-5%
-10%
2011
2012
Quelle: Bloomberg, Finanzministerium, Japan.
12
2013
2014
Q2 2015
3.0%
01/12
08/12
03/13
10/13
06/14
01/15
Quelle: Statistikamt, Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
08/15
Der dritte Pfeil, die Strukturreformen:
Schritt für Schritt nach vorne
Strukturreformen sollen bei der Steigerung der potenziellen
Wachstumsrate in Japan, die der IWF derzeit auf nur 0,4%
schätzt, eine entscheidende Rolle spielen.16
Wie dargelegt, ist die Gesamtproduktivität in Japan bereits
vergleichsweise hoch. Sie könnte zwar weiter gesteigert werden,
doch beschleunigtes Wachstum des Gesamt-BIP wird sich in
erster Linie auf Arbeit und Kapital stützen müssen.
Angesichts des projizierten Rückgangs der Erwerbsbevölkerung
hat es für die Regierung auf dem Arbeitsmarkt oberste
Priorität, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern.
Deshalb hat sie die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und die
Transferzahlungen an Familien mit Kindern erhöht. Die
Erwerbsquote der Frauen, die von 1994 bis zur Einführung der
Abenomics von etwa 59% auf rund 63% zugenommen hat, ist
seither weiter gestiegen – auf über 66%.
Abenomics: Frauenanteil an
Erwerbsbevölkerung steigt
Abbildung 17: Erwerbsquote von Frauen
Dezember 2009–August 2015
Das stellt einen enormen Fortschritt dar, doch es sind noch
weitere Schritte nötig. Die Regierung könnte eine fortgesetzte
Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern, indem
sie die Kinderbetreuung dereguliert und so für mehr
Verfügbarkeit sorgt, und indem sie Steuervorteile und
Sozialversicherungsleistungen für Haushalte mit VollzeitHausfrauen überprüft. Ferner könnte die Regierung Maßnahmen
ergreifen, um älteren Arbeitnehmern eine Fortsetzung ihres
Arbeitsverhältnisses attraktiver zu machen. Angesichts der
projizierten Bevölkerungsalterung hätte es positive Effekte auf
das Volumen der Gesamterwerbsbevölkerung, wenn der Anteil
Berufstätiger in den älteren Alterskohorten steigt. Das könnte
auch zur Entlastung des Gesundheitswesens beitragen. Ein
dritter Schritt zur Vergrößerung der Erwerbsbevölkerung wäre
eine Lockerung der bestehenden Zuwanderungsbeschränkungen – was allerdings einer der politisch
umstrittensten Bereich bleibt.
Schließlich könnte die Regierung weitere Arbeitsmarktreformen
in Erwägung ziehen, um die vorliegende Dualität mit
unbefristeten und befristeten Verträgen zurückzuführen. Derzeit
sind über 40% der Beschäftigten befristet angestellt – zu deutlich
niedrigeren Gehältern als bei Arbeitnehmern mit unbefristeten
Verträgen. Unbefristete Arbeitsverträge bieten außerdem weit
mehr Arbeitsplatzsicherheit. Eine langfristige Beschäftigung ist
quasi garantiert. Der Anteil an Zeitverträgen betrug 1985 rund
16% und ist seither kontinuierlich bis auf das aktuelle Niveau
gestiegen.17 Ein Abbau dieser Dualität würde den Arbeitsmarkt
flexibler und mobiler machen und könnte daher zu einer
besseren Allokation von Humankapital führen und die Steigerung
der Arbeitsproduktivität anheizen.
Um Investitionen und Kapitalstock zu erhöhen, hat die
Regierung ein erstes Reformpaket umgesetzt, dass die
Corporate Governance verbessern soll: (1) den Stewardship
Code, der die aktive Beteiligung von Aktionären fördern soll; (2)
den Corporate Governance Code, der börsennotierte
Unternehmen verpflichtet, externe Verwaltungsratsmitglieder zu
ernennen; und (3) die Einführung eines neuen JPX-Nikkei Index
400, der nur Unternehmen mit guter Corporate Governance und
Offenlegungspolitik aufnimmt.
12/12
Erwerbsquote von Frauen
Quote offene Stellen/
Arbeitslosenquote
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts,
Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation.
Auch die zuvor angesprochene Senkung der Körperschaftsteuer
soll für höhere Investitionen sorgen.
Es besteht aber auch hier noch viel Spielraum für weitere
Fortschritte: Insbesondere könnte die Regierung Negativanreize
in Betracht ziehen, damit Unternehmen nicht mehr so viel
Liquidität vorhalten. Sie könnte neue Vorschriften erlassen, um
Überkreuzbeteiligungen zu erschweren. Und sie könnte die
Konkursverfahren vereinfachen.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
13
Strukturreformen: manche erfolgreicher als andere
Abbildung 18: Bilanz der Strukturreform (Skala 1 bis 4)
Seit der Einführung von Abenomics im Dezember 2012 (Stand: Juli 2015)
Quelle: Qualitative Einschätzung der Reformen durch Templeton Global Macro; 1 steht für geringsten Fortschritt, 4 für den größten Fortschritt. Daten vom Internationalen
Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.”
Wie das Diagramm zur Bilanz der Strukturreform zeigt, hat die
Regierung neben Corporate Governance und der
Erwerbsbeteiligung von Frauen auch in der Agrarreform große
Fortschritte erzielt und die Verhandlungen zum
Handelsabkommen der Transpazifischen Partnerschaft (TPP)
vorangetrieben (Näheres dazu siehe unten). Bei der
Bekämpfung der Dualität auf dem Arbeitsmarkt ist der Fortschritt
dagegen eher begrenzt.
14
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
4. Bewertung des bisher Erreichten
Abenomics hat einen echten Systemwandel bewirkt. Es ist
eine umfassende, gut strukturierte politische Initiative, die Japan
wieder auf nachhaltigen Wachstumskurs bringen, dauerhaft
positive Inflation herbeiführen und Kurs auf eine tragbare
Verschuldung nehmen soll. Ob sich das System auf Dauer
verändert, die Ziele erreicht werden und die Wirtschaft des
Landes erfolgreich einen neuen Kurs einschlägt, bleibt
abzuwarten.
Das größte Stück Arbeit hat bislang die Geldpolitik geleistet.
BOJ-Chef Kuroda ist vom früheren behutsamen Ansatz
abgegangen: Sein im Oktober 2014 noch ausgeweitetes QQEProgramm zeigt, dass die Zentralbank entschlossen ist, alles zu
tun, um die Inflation nachhaltig auf 2% zu treiben. Das hatte
enorme Effekte auf den Wechselkurs des Yen und die
Bewertungen japanischer Aktien.
Die Fiskalpolitik bemüht sich gleichzeitig, eine schwierige
Balance zu halten: Nach der mutigen Mehrwertsteuererhöhung
vom April 2014 hat sich die Fiskalpolitik auf Investitionsanreize
fokussiert und zeichnet dabei einen glaubwürdigen mittelfristigen
Weg zur Haushaltskonsolidierung vor.
Die Strukturreformen, der dritte Pfeil, haben später
eingesetzt und gehen langsamer vonstatten. Wichtige
Schritte sind erfolgt, insbesondere bei der Förderung der
Erwerbstätigkeit von Frauen und der Reform der Corporate
Governance. Es bleibt aber noch einiges zu tun.
Bisher verbuchen die Abenomics Teilerfolge, teils aufgrund
der enormen Herausforderungen im eigenen Land, teils
aufgrund der ungünstigen externen Umstände. Zum Thema
Inflation hat der drastische Rückgang der Rohstoffpreise die
Gesamt-VPI-Steigerung wieder fast auf null zurückgebracht und
erste Erfolge der QQE zum Teil zunichtegemacht. Beim
Wachstum dämpften nachlassende Raten in der übrigen Welt,
allen voran in China, die positiven Effekte des schwächeren Yen
auf den Export. Entsprechend hat sich die Konjunktur in Japan
unlängst abgekühlt. In Q2 schrumpfte die Wirtschaft aufs Jahr
gerechnet um 1,2%. Die Konjunktur entwickelte sich in Q3 weiter
schwach. Vor allem aber zeigt der dritte Pfeil bislang begrenzte
konkrete Erfolge. Das potenzielle Wachstum hat nur geringfügig
zugelegt, und zwar ausschließlich durch den größeren
Kapitalstock, ohne Effekt auf die Gesamtbeschäftigung oder die
Gesamtproduktivität.
Potenzielle Wachstumsrate: noch kein nennenswerter Anstieg
Abbildung 19: Potenzielle Wachstumsrate
Haushaltsjahre 1980–2014
Quelle: Bank of Japan, „Japan’s Economy and Monetary Policy: Speech at a Meeting with Business Leaders in Kumamoto”, 25.7.15.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
15
Die Arbeitsmarktdaten belegen gewisse positive Veränderungen
in der Arbeitsmarktstruktur. Die Arbeitslosenquote bei jungen
Arbeitnehmern ist deutlich gesunken, auf den tiefsten Stand seit
Anfang des Jahrtausends. Wie erwähnt, beobachten wir
allmählich eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Dabei ist
zu beachten, dass der Anstieg der Erwerbsquote von Frauen auf
durchschnittliches G7-Niveau zusammen mit einer höheren
Erwerbsquote älterer Menschen das japanische BIP laut IWF um
0,25% pro Jahr steigern könnte.18
Rückläufige Arbeitslosenquote bei jungen
Leuten: positives Signal für Arbeitsmarktlage
Abbildung 20: Arbeitslosenquote junger Menschen
April 1990–August 2015
Die Regierung dürfte weitere Maßnahmen ergreifen, um die
Corporate Governance zu stärken und die Erwerbsquote zu
erhöhen und so die Erwerbsbevölkerung und den Kapitalstock
zu vergrößern. Bessere Corporate Governance könnte auch die
Produktivitätssteigerungen weiter in die Höhe treiben. Schritte
zum Abbau der bestehenden Dualität auf dem Arbeitsmarkt
wären diesbezüglich hilfreich.
9%
6%
3%
0%
4/90
6/94
9/98
12/02
3/07
6/11
8/15
im
AlterYears
von 20-29
20–29
Old
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts,
Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation.
Das Exportwachstum hat nicht so stark auf den Wertverlust des
Yen reagiert, wie eventuell zu erwarten – auch nicht vor der
jüngsten Schwäche der Auslandsnachfrage. Haupttreiber ist
offenbar die Verlagerung ins Ausland. In den vergangenen 20
Jahren haben etliche japanische Unternehmen die Fertigung im
Ausland ausgebaut, um entweder die Nähe zu
Wachstumsmärkten oder aber niedrigere Arbeitskosten zu
nutzen. Der IWF schätzt, dass die Exporte japanischer
Auslandstöchter den Export aus Japan 2014 um über 40%
überstiegen.19 Auch wachsende Ungewissheit um inländische
Stromkosten dürften hineingespielt haben nach Japans
Entscheidung zum Abschalten seiner Atomkraftwerke nach der
Katastrophe von Fukushima 2011.
Der starke Rückgang des Yen, die Entscheidung, die Reaktoren
wieder hochzufahren, und die für 2016 geplante Deregulierung
des Strommarktes haben die Gleichung jedoch verändert. Diese
Faktoren könnten eine Umkehr des Trends zur Auslagerung ins
Ausland fördern. Die starke Exportleistung der
Auslandsniederlassungen japanischer Unternehmen steigert ihre
Rentabilität und ihre Aktienmarkt-Performance, doch eine
Rückverlagerung nach Japan würde das Inlandswachstum
stärker beflügeln.
16
Ungeachtet der neuen Hindernisse, die sich in den Weg
stellen, und der bislang lediglich erzielten Teilerfolge
bleiben Japans Politiker am Ball. Premier Abe sicherte sich
bei den vorgezogenen Neuwahlen im Dezember 2014
überzeugend eine zweite Amtszeit. Damit hat er weitere drei
Jahre Zeit, das Land zu lenken, bei solidem Rückhalt für seine
laufenden Reforminitiativen. Nach drei Jahren Abenomics gibt es
keine Anzeichen für Reformmüdigkeit. Der Fortschritt stellt sich
zwar langsam ein, nicht mit einem „großen Knall“, doch offenbar
sind alle Teile der japanischen Gesellschaft überzeugt, dass
grundlegende Veränderungen im Sinne der Abenomics
notwendig sind.
Auch die jüngste Unterzeichnung des TPP-Handelsabkommens
dürfte die Produktivität und das reale BIP steigern. Im Rahmen
der TPP verpflichtet sich Japan zu Liberalisierungsmaßnahmen
in der Landwirtschaft und zur Öffnung von
Dienstleistungssektoren. Diese Schritte sollten mehr Effizienz
und Produktivität herbeiführen. Außerdem wird Japans Handel
durch die TPP in einen dynamischen Teilbereich der
Weltwirtschaft integriert. Ferner hat die japanische Regierung
bereits Liberalisierungsmaßnahmen im Stromsektor
verabschiedet, die ab 2016 greifen sollen. Sie führen zu
verstärktem Wettbewerb in diesem Sektor und sollten die
Stromkosten heimischer Unternehmen senken. Schließlich
könnte Japans Wirtschaft von Innovation und Reformen im
Gesundheitswesen profitieren, die vom Kostendruck durch die
Bevölkerungsalterung ausgelöst werden dürften.
Voraussetzungen für den Erfolg von
Abenomics
Damit Abenomics langfristig zum Erfolg werden, müssen zwei
Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss sich ein
„positiver Einkommenskreislauf“ fest etablieren, also ein Zyklus,
in dem Unternehmensgewinne Einkommen steigern und in den
Konsum und in Investitionen fließen. Zweitens brauchen wir eine
nachhaltige Fiskalpolitik.
Zum ersten Kriterium stützen aktuelle Makrodaten unsere
Einschätzung, dass ein positiver Einkommenszyklus in Gang
gekommen ist. Einer der Gründe für die geringen Investitionen
im Japan der 1990er-Jahre war schwaches Gewinnwachstum.
Nach dem Platzen der Blase stagnierten die Gewinne
japanischer Unternehmen über zehn Jahre lang. Erst nach 2005
trat allmählich eine Besserung ein. Mit Einsetzen der globalen
Finanzkrise gab es allerdings einen herben Rückschlag. Seit
2013 gibt es jedoch Anzeichen, dass die durch die Abwertung
des Yen infolge der Geldpolitik der BOJ gestiegenen
Unternehmensgewinne zu höheren Investitionen führen. Auch
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
Höhere Unternehmensgewinne: die Basis für höhere Investitionen und höhere
Haushaltseinkommen und -ausgaben
Abbildung 21: Zyklus der Unternehmensgewinne und Investitionen
Abbildung 22: Zyklus der Haushaltseinkommen und -ausgaben
Q4 1989–Q2 2015
Q4 1989–Q2 2015
Gewinn (Q4 1989 = 100)
260
Bruttoanlageinvestitionen (Q4 1989 = 100)
120
240
Index (Q4 1989 = 100)
140
110
Bruttoanlageinvestitionen
220
100
200
90
180
80
160
70
Gewinn
140
120
60
120
50
100
40
80
30
60
20
40
10
Q4 1989 Q1 1994 Q2 1998 Q3 2002 Q4 2006 Q1 2011 Q2 2015
Profit
Gewinn
130
110
100
90
Q4 1989 Q1 1994 Q2 1998 Q3 2002 Q4 2006 Q1 2011 Q2 2015
Gross Fixed Capital Formation (GFCF)
Bruttoanlageinvestitionen
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan
Cabinet Office, Finanzministerium, Japan.
bei den Haushaltseinkommen zeichnet sich ganz klar eine
Veränderung zum Positiven ab. Der private Konsum ist zwar nie
richtig eingebrochen, doch die Arbeitseinkommen sind seit den
1990er-Jahren gesunken. Wie die Grafiken auf der Folgeseite
zeigen, gibt es Hinweise auf eine Umkehr dieses Trends. Zu
beachten ist, dass der letzte Rückgang des Konsums durch die
Mehrwertsteuererhöhung ausgelöst wurde, einem wesentlichen
Element des zweiten Pfeils.
Die zweite Bedingung, nämlich nachhaltige Fiskalpolitik, ist
heikler. Wie die Grafik rechts zeigt: Japans Schuldenproblem ist
eindeutig auf mangelndes nominales Wachstum zurückzuführen.
Die Verschuldungsquote ist in die Höhe geschossen, das
nominale BIP zurückgegangen (wie vorstehend dargelegt).
Bislang konnte Japan seinen rekordhohen Schuldenberg
ohne größere Probleme stemmen – dank einer Kombination
aus extrem günstigen Faktoren: Sehr hohe inländische
Ersparnisse boten reichlich Rückhalt. Nicht einmal 10% der
JGBs sind in ausländischer Hand. Quantitative Lockerungen der
BOJ haben für zusätzliche Nachfrage gesorgt. Und niedrige
Inflation und extrem expansive Geldpolitik, einschließlich der seit
Anfang 1999 vorliegenden Nullzinspolitik, trugen ebenfalls zur
Beibehaltung des ultraniedrigen Zinsniveaus bei. JGBs mit
zehnjähriger Laufzeit bringen derzeit 0,30%. Bei USSchatzanleihen mit gleicher Laufzeit sind es zum Stand vom 30.
Oktober 2,14%, bei deutschen Bundesanleihen 0,52%.
Haushaltseinkommen
Labor Income
Consumption
Haushaltsausgaben
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts,
Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation, Japan: Gesundheits-,
Arbeits- und Sozialministerium, Japan.
Japans Schuldenproblem: Schlimmer durch
schwaches nominales Wachstum
Abbildung 23: Nominales GDP / Verschuldungsquote
Q1 2000–Q2 2015
Nominales BIP (2000 = 100)
Verschuldungsquote
120
250%
110
200%
100
150%
90
100%
80
Q1 2000
Q2 2003
50%
Q3 2006
Q4 2009
Q1 2013 Q2 2015
Verschuldungsquote
Nominales
BIP
Nominal GDP
Debt/GDP
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan
Cabinet Office, Bank of Japan.
Durch die extrem hohe Verschuldungsquote und den enorm
großen Bruttofinanzierungsbedarf ist der Ausblick für Japans
Schuldensituation besonders anfällig für ungünstige Schocks,
insbesondere bei Zinssätzen und BIP-Wachstumsraten.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
17
Ein Zinsschock ist in dem aktuellen Umfeld mit weiter niedriger
Inflation und extrem lockerer Geldpolitik nach wie vor eher
unwahrscheinlich. Die japanischen Behörden stellen jedoch fest,
dass die Liquidität auf dem JGB-Markt unlängst zurückgegangen
ist, zum Teil infolge der stärkeren BOJ-Intervention im Rahmen
ihres neuen QQE-Programms. 2014 kaufte die BOJ
beispielsweise rund 40% mehr als die gesamte JGBNettoemission für das Jahr und rund 30% der Bruttoemission. Im
ganzen Jahr 2015 will die BOJ noch mehr aufkaufen, für
insgesamt 80 Bio. Yen gegenüber 58 Bio. Yen im Vorjahr.20
Wahrscheinlicher und drängender ist die Gefahr zusätzlichen
Drucks auf die Ausgaben im Gesundheitswesen infolge der
fortgesetzten Bevölkerungsalterung.
Die Finanzstabilität ist zwar nicht unmittelbar bedroht, doch es ist
nicht davon auszugehen, dass diese günstigen Bedingungen für
immer anhalten – insbesondere, da sich die japanische
Verschuldungsquote noch verschlechtern dürfte. Im Rahmen der
Abenomics hat zwar eindeutig ein geldpolitischer Kurswechsel
stattgefunden, doch Japans Schulden sind bei Weiterführung der
aktuellen Politik nach wie vor untragbar. Der IWF rechnet damit,
dass sich die japanische Verschuldungsquote nach 2020 noch
rascher erhöht und bis 2030 290% erreicht.21
Unsere eigenen Analysen zeigen: Will die Regierung die
japanische Verschuldungsquote durch straffere Fiskalpolitik auch
nur stabilisieren, müsste sie das derzeitige Primärdefizit von
rund 5% des BIP eliminieren. Eine so drakonische Fiskalpolitik
wäre vermutlich für keine Regierung politisch durchsetzbar.
Außerdem könnte sie nach hinten losgehen und das reale BIPWachstum dämpfen. Dann wäre die Konsolidierung nicht
ausreichend, um die Schuldenentwicklung zu stabilisieren.
Daraus ergibt sich, dass Japan höheres nominales Wachstum
und/oder eine weitere Senkung der Realzinsen braucht, wenn es
die Tragbarkeit der Schulden garantieren möchte. Höheres
nominales Wachstum ist zu erzielen durch eine Mischung aus
realem BIP-Wachstum und höherer Inflation. Reales BIPWachstum ist langfristig potenziell über den dritten Pfeil
herbeizuführen. Das nominale Wachstum lässt sich jedoch über
die Inflation und den ersten Pfeil viel leichter beeinflussen.
Höhere Inflation ist angesichts der Nominalverzinsung nahe null
die einzige Möglichkeit, den Realzins in diesem Stadium weiter
zu drücken.
Unsere in nachstehender Grafik illustrierten Analysen lassen
vermuten, dass Japan zur Stabilisierung seiner
Verschuldungsquote auf dem Stand von 2014 pro Jahr 3% bis
4% Inflation benötigt – unter der Voraussetzung, dass das reale
BIP mit der aktuellen potenziellen Rate von rund 0,5%
weiterwächst.
Die Tragbarkeit der Schulden richtet sich nach dem Verhältnis
zwischen vorhandenen Schulden, dem primären Haushaltssaldo
der Regierung (d. h. dem Haushaltssaldo abzüglich der
Zinszahlungen), der Realverzinsung staatlicher Verbindlichkeiten
und der realen BIP-Wachstumsrate. Die Schuldendynamik
entspricht nachweislich folgender Identitätsgleichung:
Japan braucht 3% bis 4% Inflation im Jahr, um
Verschuldung zu stabilisieren
d(t)-d(t-1) = (r-g) * d(t-1) – pb(t)
Abbildung 24: Nettoverschuldung/BIP-stabilisierende Inflation
wobei d die Verschuldungsquote zum Zeitpunkt t ist, r der
Realzins, g die reale BIP-Wachstumsrate und pb der
Primärsaldo. Aus der Gleichung folgt schlicht und einfach:
• Ist die reale Wachstumsrate (g) höher als der Realzins (r) und
2014–2030S
250%
200%
der Primärsaldo gleich null, nimmt die Verschuldungsquote mit
der Zeit ab.
• Ist die reale Wachstumsrate (g) niedriger als der Realzins (r),
muss die Regierung zur Stabilisierung der
Verschuldungsquote (d. h. zur Sicherstellung, dass d(t) = d(t1)) einen Primärüberschuss erzielen. Der erforderliche
Überschuss ist umso größer, je höher die bestehende
Verschuldungsquote und je größer die Differenz zwischen
dem Realzins und der realen Wachstumsrate.
Die Tragbarkeit der Schulden ist demnach über mehrere Kanäle
zu erreichen: (1) straffere Fiskalpolitik, also größerer
Primärüberschuss; (2) niedrigerer Realzins; (3) höhere reale
Wachstumsrate; und/oder (4) höhere Inflationsrate, die das
nominale BIP steigert und dadurch die Verschuldungsquote über
den Nenner verringert.
150%
100%
50%
0%
2014
2016
2018
2020
2022
2024
2026
2028
Inflation = 0%
Inflation = 2%
Inflation = 3%
Inflation = 4%
2030
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten von Bloomberg,
Internationalem Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2014.
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Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
Höheres nominales Wachstum: niedrigere Verschuldungsquote
Abbildung 25: Nominales GDP / Verschuldungsquote
Q1 2000–Q2 2015
250
Verschuldungsquote in %
200
150
100
50
0
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
Nominales BIP (2000 = 100)
Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan Cabinet Office, Bank of Japan.
Strukturreformen können zwar das potenzielle reale Wachstum
steigern, doch eins steht fest: Der größte Effekt muss von der
Inflation kommen. Vorstehende Grafik, die eindeutig eine
negative Beziehung zwischen Japans nominalem BIP und seiner
Verschuldungsquote ausweist, bestätigt, dass höheres
nominales Wachstum eine effektive Möglichkeit wäre, eine
tragbare Verschuldung zu erreichen.
Anders formuliert: Höhere Inflation ist in Japan nicht nur
wünschenswert, sondern notwendig, um die Tragbarkeit der
Schulden zu gewährleisten. Das gilt umso mehr angesichts der
naturgegebenen Ungewissheit um den Erfolg des
Strukturreformprogramms.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
19
5. Fazit
Zieht die globale Konjunktur 2016 an, sollten japanische
Unternehmen besser aufgestellt sein, vermehrt zu investieren
und einzustellen. Der ohnehin angespannte Arbeitsmarkt sollte
zu rascheren Lohnsteigerungen beitragen. Der Lohndruck hat
bereits leicht zugenommen. Anhaltende politische
Überzeugungsarbeit könnte ihn erhöhen. Bezüglich des
Wachstumsausblicks sollte auch das unlängst geschlossene
TPP-Handelsabkommen dem japanischen Unternehmenssektor
zugutekommen und das Wachstum fördern.
Gleichzeitig gibt es noch spürbaren Gegenwind. Der projizierte
alterungsbedingte Rückgang der Erwerbsbevölkerung erfordert
nachhaltige, entschlossene Anstrengungen zur Erhöhung von
Erwerbsquote, Produktivität und Investitionen. Veränderungen
der Inflationserwartungen und des Lohnabschlussverhaltens
nach zwei Jahrzehnten mit Inflationsraten nahe null fallen
schwer und könnten eine weitere Lockerung der Geldpolitik
erfordern. Dynamischeres reales Wachstum und höhere Inflation
sind absolut notwendig, um die Tragbarkeit der
Verschuldungsquote zu sichern.
Angesichts der Widerstände dürfte die Geldpolitik vorerst
extrem locker bleiben. Voraussichtlich könnten die QQEMaßnahmen noch aufgestockt werden – sowohl
mengenmäßig als auch bezüglich der Zusammensetzung der
von der BOJ aufgekauften Anlagen. Angesichts der
Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die geldpolitischen Zügel in
20
den kommenden Monaten allmählich anzieht, gilt voraussichtlich
ferner, dass Japan auf absehbare Zeit einen andere Geldpolitik
verfolgen wird als die USA. Das sollte zusätzlich Druck auf
den Yen ausüben und die Renditen von JGBs in Schach
halten, bis Japan bei Wachstum und Inflation klarere und
überzeugendere Ergebnisse vorweisen kann.
Japans Politiker verfolgen die richtige Strategie und sind
offenbar fest entschlossen, sie umzusetzen. Die Ergebnisse sind
zwar bislang durchwachsen – teils aufgrund der ungünstigen
äußeren Umstände –, doch Lohndynamik, Inflationserwartungen
und Wachstum gehen in die richtige Richtung. Politik und
Konjunkturindikatoren zeigen einen Bruch mit der
Vergangenheit an, der jedoch im Falle der Indikatoren deutlich
krasser ausfällt. Auch Japans Unternehmenssektor passt sich
allmählich an. Angesichts der robusten
Produktivitätssteigerungen und der globalen
Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen, noch
unterstützt durch einen schwächeren Yen, sind weitere
Fortschritte bei Inflation und Wachstum wahrscheinlich, wenn
sich die globalen Rahmenbedingungen 2016 verbessern.
Es ist aber schwer, Wachstum und Inflation herbeizuführen, und
dürfte noch längere Zeit geldpolitische Unterstützung erfordern,
was sich in einem schwächeren Yen und anhaltend niedrigen
Bondrenditen niederschlägt.
Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
WELCHE RISIKEN BESTEHEN?
Alle Anlagen sind mit Risiken behaftet, auch einem möglichen
Verlust der Anlagesumme. Bei Anleihen entwickeln sich Kurse
und Zinsen in aller Regel gegenläufig. Da sich die Kurse der
Anleihen in einem Anlageportfolio an steigende Zinsen
anpassen, kann der Wert des Portfolios fallen. Mit ausländischen
Anlagen sind besondere Risiken verbunden wie
Wechselkursschwankungen, wirtschaftliche Instabilität und
politische Entwicklungen.
1. Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook, Oktober 2015.
2. Basierend auf der inflationsstabilen Arbeitslosenquote (NAIRU).
3. Quelle: Bloomberg, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, China REER Broad, August 2014 bis August 2015 (im Jahresvergleich).
4. Abgesehen von einem kurzen Zeitraum 1997, als die Regierung die Mehrwertsteuer erhöhte.
5. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.”
6. Quelle: Botman, Danninger und Schiff, „Can Abenomics Succeed? Overcoming the Legacy of Japan’s Lost Decades”, IWF, 2015.
7. Quelle: UN-Bevölkerungsabteilung; World Population Prospects: The 2015 Revision.
8. Quelle: Giovanni Ganelli und Naoko Miake, „Foreign Help Wanted: Easing Japan’s Labor Shortages”, Arbeitspapier IWF, Juli 2015.
9. Quelle: ManpowerGroup, 2015 Talent Shortage Survey.
10. Quelle: Giovanni Ganelli und Naoko Miake, „Foreign Help Wanted: Easing Japan’s Labor Shortages”, Arbeitspapier IWF, Juli 2015.
11. Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Internationalen Währungsfonds, World Economic Outlook.
12. Der Bruttofinanzierungsbedarf ist definiert als Summe des staatlichen Haushaltsdefizits zuzüglich fälliger Verbindlichkeiten.
13. Quelle: Bank of Japan.
14. Quelle: Bloomberg, vom 31.12.12 bis einschließlich 10.10.15.
15. Wie in The Wall Street Journal berichtet.
16. Quelle: Internationaler Währungsfonds.
17. Quelle: Ministerium für Inneres und Kommunikation, Labour Force Survey.
18. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.”
19. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.”
20. Quelle: Japanisches Finanzministerium, Bank of Japan.
21. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.”
Für die Abbildungen 1, 6 und 24 gibt es keine Garantie, dass sich eine Schätzung oder Projektion bewahrheitet.
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Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation
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