GLOBAL MACRO SHIFTS DRITTE AUSGABE VOM NOVEMBER 2015 JAPAN: IM STREBEN NACH WACHSTUM UND INFLATION mit Dr. Michael Hasenstab Inhalt Überblick 2 Globales Umfeld 3 Japan: verlorene Dekaden und aktuelle Herausforderungen 6 Ein neues Zeitalter: Abenomics 10 Bewertung des bisher Erreichten 15 Fazit 20 Global Macro Shifts Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation Global Macro Shifts ist eine Research-Information zur weltwirtschaftlichen Entwicklung mit Analysen und Einschätzungen von Dr. Michael Hasenstab und leitenden Mitgliedern von Templeton Global Macro. Dr. Hasenstab und sein Team verwalten Templetons globale Anleihenstrategien einschließlich uneingeschränkter festverzinslicher Anlagen, Währungen und Global Macro. Das an führenden Universitäten weltweit ausgebildete Team von Wirtschaftsexperten integriert globale makroökonomische Analysen in eingehendes Länder-Research, um Dr. Michael Hasenstab Executive Vice President, Portfolio Manager, Chief Investment Officer Templeton Global Macro Dr. Sonal Desai Senior Vice President, Portfolio Manager, Director of Research Templeton Global Macro Dr. Calvin Ho Vice President, Senior Global Macro & Research Analyst Templeton Global Macro langfristige Ungleichgewichte ausfindig zu machen, die sich in Anlagechancen übersetzen. Dr. Hyung C. Shin Vice President, Senior Global Macro & Research Analyst Templeton Global Macro Dr. Kang Tan Senior Global Macro & Research Analyst Templeton Global Macro Dr. Diego Valderrama Senior Global Macro & Research Analyst Templeton Global Macro Dr. Attila Korpos Research-Analyst Templeton Global Macro Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 1 Überblick Zentrales Thema dieser Ausgabe von Global Macro Shifts ist Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Japan hat einen beispiellosen wirtschaftspolitischen Wandel eingeleitet, um endlich fast zwei Jahrzehnte mit geringem Wachstum und Deflation zu überwinden. Ob die neue Strategie Erfolg hat oder nicht, wird sich wesentlich auf den globalen Konjunkturausblick auswirken. 2012 lancierte die Regierung von Premierminister Shinzo Abe ein umfassendes politisches Programm, die sogenannten „Abenomics“, in drei „Pfeilen“: Der erste Pfeil zielt auf eine deutlich breitere und aggressivere Lockerung der Geldpolitik ab als in früheren diesbezüglich expansiven Phasen. Mit diesem neuen quantitativen und qualitativen Lockerungsprogramm (QQE) hat die Bank of Japan (BOJ) die Geldbasis seit Anfang 2013 mehr als verdoppelt, die Restlaufzeit japanischer Staatsanleihen (JGBs) in ihrem Portfolio erheblich verlängert und in maßgeblichem Umfang riskantere Anlagen direkt aufgekauft. Diese Strategie führt zu erheblichen Portfolioumschichtungen japanischer Finanzinstitute und signalisiert klar, wie entschlossen die BOJ an effektiven geldpolitischen Anreizen festhalten will, bis die Inflation nachhaltig auf rund 2% steigt. Das Inflationsziel von 2% ist noch nicht erreicht. Das lag zum einen am kräftigen Gegenwind durch den globalen Einbruch der Rohstoffpreise, zum anderen daran, dass es sich als unerwartet schwierig erwies, die fest auf Werte nahe null gepolten Inflationserwartungen und das Lohnabschlussverhalten zu verändern. QQE hat es jedoch geschafft, die Kerninflation deutlich ins Plus zu drücken, nachdem sie über 15 Jahre lang hartnäckig unter null verharrte. QQE hatte auch wesentliche Effekte auf die Vermögenspreise, sorgte für einen Wertverlust des Yen gegenüber dem US-Dollar (USD) um knapp 40% und für einen Anstieg der Aktienbewertungen auf mehr als das Doppelte. Der zweite Pfeil besteht in einer umsichtigen Fiskalpolitik, die die Balance hält zwischen Wachstumsförderung, Inflationszielen und der Sicherstellung einer tragbaren Verschuldung. Nachdem eine mutige Anhebung der Mehrwertsteuer im April 2014 das Wachstum ins Stocken brachte, konzentriert sich die Fiskalpolitik auf die Bereitstellung eines glaubwürdigen mittelfristigen Konsolidierungsrahmens. Gleichzeitig wird durch eine Verringerung der Körperschaftsteuer 2015/16 kürzerfristiges Wachstum gefördert. Japans Bruttoverschuldung beläuft sich auf gewaltige 245% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und ist bei der gegenwärtigen Politik untragbar. Bislang konnten äußerst vorteilhafte Bedingungen nachteilige Folgen für die Finanzstabilität verhindern: Japans Schulden stehen hohe inländische Ersparnisse gegenüber. Der Anteil ausländischer Investoren liegt bei nur 10%. QQE gibt zusätzliche Impulse für die Nachfrage und hält die Zinsen nahe null. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass diese vorteilhaften Bedingungen unbegrenzt fortbestehen. 2 Höhere Inflation ist zwar eine wesentliche Voraussetzung, doch Japan muss auch das reale BIP-Wachstum ankurbeln. Daher beinhaltet der dritte Pfeil eine breite Palette von Strukturreformen. Das potenzielle BIP-Wachstum ist zwar im Zeitverlauf zurückgegangen und steht derzeit bei dürftigen 0,5%, doch Japans Produktivität hat sich weiter kräftig gesteigert – gleichauf mit anderen Industrieländern wie den USA und Deutschland. Strukturreformen können die Produktivitätssteigerung weiter anheizen, müssen aber auch Kapital- und Arbeitsmarkt beflügeln, um eine ausreichende Wirkung auf die Wachstumsrate des Gesamt-BIP zu erzielen. Insbesondere werden weitere Reformen vonnöten sein, um die demografische Entwicklung in Japan aufzufangen. Angesichts der raschen Alterung dürfte die Erwerbsbevölkerung bis 2030 um mehrere Millionen Arbeitnehmer schrumpfen. Die Regierung muss weitere Maßnahmen ergreifen, um noch mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt zu holen, älteren Arbeitnehmern Anreize zur Fortsetzung ihrer beruflichen Tätigkeit zu geben, gezielt mehr Zuwanderung zu ermöglichen und die Flexibilität des Arbeitsmarkts zu steigern. Abenomics stellen einen echten Systemwandel dar und zeigen bereits spürbar Wirkung. Bis Wachstum und Inflation nachhaltig stärker anziehen, ist der Weg aber noch weit. Premier Abe gewann im Dezember 2014 überzeugend die vorgezogenen Neuwahlen. Offenbar genießen die laufenden Reformen also weiter kräftigen Rückhalt. Die Regierung muss sich allerdings in wichtigen Bereichen der Strukturreform mehr anstrengen, allen voran auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig bleibt der BOJ nach unseren Erwartungen gar nichts anderes übrig, als ihre extrem lockere Geldpolitik weiterzuführen und QQE möglicherweise noch aufzustocken. Das bringt eine längere Phase der (zunehmenden) Yen-Schwäche und der niedrigen Zinsen. Der Artikel ist im Weiteren folgendermaßen aufgebaut: Der erste Teil enthält unseren globalen Konjunkturausblick mit Schwerpunkt auf den USA, der Eurozone und China. Im zweiten Teil beginnt die Betrachtung Japans mit einem Überblick über die verlorenen Dekaden und ihre Zusammenhänge mit den heutigen Herausforderungen. Der dritte Teil bezieht sich auf das neue Zeitalter und den Aufstieg von Abenomics und der vierte Teil bewertet den Fortschritt der neuen japanischen Politik. Der fünfte Teil beendet den Artikel mit einer Zusammenfassung zu Japans Rückweg zu Wachstum und Inflation. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 1. Globales Umfeld Bevor wir näher auf Japan eingehen, empfiehlt sich eine Bestandsaufnahme zum aktuellen globalen Konjunkturausblick. Das globale Wachstum hat sich 2015 gegenüber 2014 abgeschwächt, doch wir sollten nach Möglichkeit unterscheiden zwischen Störgeräuschen und Fakten. Bei Drucklegung hat der Internationale Währungsfonds (IWF) gerade seine Jahrestagung in Lima beendet – mit reißerischen Schlagzeilen, die vor der extremen Anfälligkeit der Weltwirtschaft warnen. Der IWF korrigierte seine Gesamtprognose für das globale Wachstum für 2015 auf 3,1% herunter.1 Wir weisen darauf hin, dass der Marktkonsens seit fünf Jahren eine globale Katastrophe befürchtet, die jedoch eigenartigerweise nie eingetreten ist. Gehen wir ein paar Schritte – beziehungsweise Jahre – zurück und erinnern wir uns an die Warnungen vor einer bevorstehenden „Double-Dip“-Rezession in den USA. Nur kam diese nicht, denn inzwischen liegen 24 Quartale der Erholung hinter uns, und diese läuft weiter. Als Nächstes kommt uns der Zusammenbruch der Eurozone in den Sinn, der die größte Währungsunion der Welt zum Einsturz gebracht hätte. Auch er blieb aus. Tatsächlich hat der Euroraum seither sogar neue Mitglieder aufgenommen. Zur globalen Deflation durch fallende Rohstoffpreise kam es ebenfalls nicht. Manche meinen, dazu sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch wir halten auch diese Entwicklung für äußerst unwahrscheinlich. Die Untergangspropheten geben aber noch nicht auf. Ihr jüngsten Parolen sind langfristige Stagnation und wirtschaftlicher Zusammenbruch in Schwellenländern (EMs). Solche Pauschalisierungen greifen unseres Erachtens zu kurz. Zweifellos ist der Anpassungsprozess an niedrigere Rohstoffpreise für manche EMs schmerzhaft. Zweifellos waren nicht alle EMs in den letzten sieben Jahren des schnellen Geldes gleich umsichtig. Doch daraus lässt sich nicht unbedingt auf eine breit angelegte EM-Krise schließen. Insgesamt decken sich die Ratlosigkeit und die Resignation, die wir herauslesen, nicht mit den harten Daten. Den meisten Krisenbeschwörern ist offenbar nicht klar, dass die fünf Jahre vor der globalen Finanzkrise eine untragbare, kreditgespeiste Wachstumsblase darstellten. Damals lag eine globale Wachstumsanomalie vor, nicht heute. Nachstehende Grafik spricht unseres Erachtens für sich. Globales Wachstum: vor der Finanzkrise untragbar, heute näher am Trend Abbildung 1: Globales BIP-Wachstum (% Kaufkraftparität) 1983–2020S Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 3 USA Eurozone Das Wirtschaftswachstum in den USA beurteilen wir nach wie vor optimistisch. Gesunde Privathaushalte, die weiter kräftig konsumieren, und die Investitionen von Unternehmen außerhalb des Energiesektors stützen die grundlegende Aktivität weiter. Der Eigenheimbau tendiert aufwärts und auch der Gewerbebau zeigt sich ausgesprochen robust. Es besteht weiterhin ausreichend aufgestaute Nachfrage nach Wohnbauinvestitionen und Gebrauchsgütern seitens der Haushalte, um in den nächsten Quartalen für Wachstum über dem Trend zu sorgen. Vor allem aber scheinen die negativen Effekte niedrigerer Ölpreise auf die Bohrtätigkeit offenbar weitgehend überwunden. Das BIP wuchs im zweiten Quartal (Q2) aufs Jahr gerechnet ganze 3,9% gegenüber dem Vorquartal. Dabei weisen die neuesten Daten für Q1 auf 0,6% BIP-Zuwachs hin anstelle der ursprünglich geschätzten geringen Kontraktion. Der erste BIPSchätzwert für Q3 verringerte sich zwar auf 1,5%, doch die Gesamtzahl verschleiert solide Fundamentaldaten. Insbesondere zeigt sich die zugrunde liegende Endnachfrage weiter ausgesprochen kräftig, beflügelt durch einen Anstieg der Konsumausgaben um 3,2%. Die Eurozone verzeichnet weiter eine breit angelegte Konjunkturerholung und wächst derzeit über ihrem Potenzial. Es gibt allerdings Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Die Expansion wird gestützt durch das laufende quantitative Lockerungsprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), das die Finanzierungsbedingungen im Währungsraum gelockert und die Kreditvergabe der Banken angeregt hat. Expansive Geldpolitik fördert auch das Wachstum, indem der Wechselkurs des Euro auf wettbewerbsfähigem Niveau gehalten wird. Der Arbeitsmarktbericht vom September wies zwar enttäuschende Beschäftigungszuwächse aus, doch der Trend zeigt weiter nach oben. Die Wirtschaft hat die Verschlechterung der Beschäftigungssituation durch die globale Finanzkrise nahezu aufgefangen. Im Grunde liegt nach Schätzungen des Haushaltsamts des Kongresses Vollbeschäftigung2 vor. Auch andere Signale für die Gesundheit des Arbeitsmarkts wie Austauschrelationen (Einstellungen, Entlassungen und Kündigungen) sprechen ebenfalls für deutlich bessere Bedingungen. Insgesamt entspricht der Druck hin zu Lohn- und Einkommenssteigerungen den besseren Fundamentaldaten und der Anspannung auf dem Arbeitsmarkt. Wir rechnen mit zunehmendem Lohndruck, wenn die Arbeitsmarktlage weiter anzieht. Die Gesamtinflation ging in diesem Jahr infolge rückläufiger Ölpreise und des stärkeren US-Dollars (USD) zurück. Die Aufwertung des USD dämpfte auch die Kerninflation. Die Basiseffekte des Ölpreisverfalls klingen aber schnell ab und begünstigen einen Anstieg der Inflation auf das Ziel der USNotenbank Federal Reserve (Fed) von 2% im ersten Halbjahr 2016. Insgesamt beurteilen wird den Konjunkturausblick für die USA weiter zuversichtlich und rechnen noch vor Jahresende mit einer ersten Normalisierung der Zinsen durch die Fed. 4 Auch die Inflation ist in der Eurozone nach wie vor niedrig. Das ist zum Teil auf die schwachen Rohstoffpreise zurückzuführen, vor allem im Energiesektor – ein Effekt, den wir auf 0,4 Prozentpunkte schätzen. Die EZB rechnet weiterhin damit, dass sich die Inflationsrate mittelfristig auf ihr 2%-Ziel zu bewegt, hat aber klar gesagt, dass sie bereit ist, die Geldpolitik bei Bedarf weiter zu lockern. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten eine weitere Runde quantitativer Lockerungen einsetzt. Die Griechenlandkrise, die beim Erscheinen der letzten Global Macro Shifts noch so viel Raum einnahm, konnte abgewendet werden. Nach längerem Taktieren gab der griechische Premierminister Alexis Tsipras den Forderungen von Europäischer Union (EU) und IWF nach und unterzeichnete ein neues Rettungsprogramm, das erhebliche Anpassungsmaßnahmen ohne Schuldenschnitt vorsah. Der letztgenannte Punkt war besonders kontrovers diskutiert worden und führte zu krassen Misstönen zwischen dem IWF – für den eine Umschuldung die Voraussetzung für die Gewährleistung der Schuldentragfähigkeit war – und der EU, und insbesondere Deutschland, die davon nichts wissen wollten. Premier Tsipras und seine Links-der-Mitte-Koalition blieben nach den vorgezogenen Neuwahlen im September im Amt. Es bestehen weiter Sorgen um die Umsetzung des Programms, und am Ende dürfte auch die Tragbarkeit der Schulden wieder zum Thema werden. Vorerst ist die Gefahr eines griechischen Austritts aus der Eurozone aber gebannt, und ebenso die begleitenden Ängste vor möglichen Dominoeffekten. Mit Blick auf die Zukunft rechnen wir weiter mit expansiver Geldpolitik der EZB, die 2016 das Wachstum ankurbeln und den Euro weiter schwächen dürfte. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation China Übrige Welt Als die Fed im September beschloss, die Zinsen nicht anzuheben, stand ihre Besorgnis um China im Vordergrund. Dort ließ die Konjunktur offenbar stärker nach, als die Finanzmärkte erwartet und die Politiker anvisiert hatten. Der chinesische Aktienmarkt korrigierte, nachdem sich die Bewertungen in den vorausgegangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt hatten – ein Risiko, auf das wir in der Vorausgabe der Global Macro Shifts hingewiesen hatten. Die Regierung ergriff etliche administrative Maßnahmen, um den Kursrutsch aufzuhalten. Diese Schritte zeigten nur begrenzt Erfolg. Chinaskeptiker argumentierten, die Regierung falle in Interventionismus zurück, statt ihre Reformen weiterzuführen. Die Abkühlung in China und die anhaltende Schwäche der Rohstoffpreise haben neuerliche Ängste vor erheblichen Abwärtsrisiken für die Weltwirtschaft ausgelöst – und vor einem spürbaren globalen Konjunkturrückgang. Die niedrigen Rohstoffpreise genießen besonders viel Aufmerksamkeit und werden von manchen mit der Gefahr einer Systemkrise in den EMs assoziiert. Es bestehen zwar Abwärtsrisiken, doch Sorgen um eine globale langfristige Stagnation oder eine EMSystemkrise infolge der Preisschwäche bei Rohstoffen halten wir für überzogen. Im Anschluss orchestrierte China Mitte August eine Abwertung des Renminbi gegenüber dem USD um rund 3% und kündigte an, dass der Wechselkurs künftig verstärkt von den Marktkräften bestimmt werde. In einem Währungssystem mit freigegebenen Wechselkursen wäre eine solche Veränderung kaum erwähnenswert, doch angesichts der Quasi-Koppelung Chinas an den US-Dollar galt sie als beträchtlich. Eine Reihe von Beobachtern sah in der Abwertung ein Signal für die großen Sorgen der Politiker um die Abschwächung des Wachstums und eine potenzielle erhebliche Abwertung zur Wachstumsförderung über den Export. Dies werde voraussichtlich einen Währungskrieg entfesseln, warnten sie – ein Störfeuer für das globale Wachstum und das globale Finanzsystem. Wir sehen das anders. Im Einklang mit unserer Analyse in den vorigen Global Macro Shifts gehen wir davon aus, dass China an seinem politischen Kurs festhalten dürfte. Zur Abwertung des Renminbi weisen wir darauf hin, dass sich Chinas Währung in den zwölf Vormonaten auf realer, effektiver Basis um mehr als 12% verteuert hatte.3 Außerdem hatte China im ersten Halbjahr diverse Abflüsse an „heißem Geld“ verzeichnet, was sich ebenfalls eindeutig auf die Politik auswirkte. Nach einer moderaten Abwertung um 3% blieb der Renminbi in den letzten beiden Monaten stabil. Wir halten diesen Schritt nicht für den Vorboten einer massiven unkontrollierten Schwächung, wie von den Märkten befürchtet. Insgesamt ist die chinesische Wirtschaft fundamental solider, als die Märkte zuletzt anzeigten. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass Chinas Politiker über die Instrumente und die finanzielle Feuerkraft verfügen, um die jüngste Abschwächung zu konterkarieren und das Wachstum wieder auf Kurs zu 6% bis 7% zu bringen. Wie vorstehend festgestellt, wachsen die USA und Europa über ihrem Potenzial, weiter befeuert durch lockere Geldpolitik. In den EMs ist das Wachstumstempo insgesamt tatsächlich zurückgegangen. Das ist jedoch zu relativieren. Nach der globalen Finanzkrise setzten EMs effektive, synchronisierte makroökonomische Expansionsmaßnahmen um. Diese lösten eine V-förmige Erholung aus, mit Wachstumsraten über dem Potenzial. Seit 2011 verringert sich das Wachstum in den meisten EMs auf nachhaltigere Raten. Das ist Teil einer gesunden zyklischen Anpassung. Unlängst hatten manche EMs auch mit spezifischen Problemen zu kämpfen. Die Rohstoffexporteure müssen mit niedrigeren Preise zurande kommen, aber auch mit Überkapazitäten, die in Boomzeiten aufgebaut wurden. In manchen Ländern wie der Türkei wirkte sich politische Volatilität negativ aus. Manche EMs zahlen für Fehler der Vergangenheit, die (ein Stück weit in Russland) in makroökonomischen oder (in Südafrika) in strukturbezogenen Maßnahmen bestanden. In manchen Fällen erfolgt aber bereits ein Kurswechsel. Viele EMs, die in diesem Jahr unter Druck standen, steuern offenbar auf eine Talsohle zu und sollten 2016 anziehende Konjunktur verzeichnen. Andere EMs verfolgen darüber hinaus eine bessere Politik und ernten deren Früchte. Indien tut sich als wachstumsstärkste große Volkswirtschaft hervor, und Mexiko wird von seiner starken Bindung an die US-Wirtschaft profitieren. Rohstoffe sind ein wesentlicher Parameter für das globale Wachstum, und in der Weltwirtschaft gibt es mehr Rohstoffimporteure als -exporteure. Niedrigere Rohstoffpreise sind daher per saldo positiv für das globale Wachstum. Hinzu kommt, dass die Rohstoffexporteure nach IWF-Analysen den jüngsten Preisboom besser handhaben konnten als vorausgegangene (beispielsweise mit geringeren Steigerungen der Staatsausgaben) und daher im Schnitt besser für den Abschwung gerüstet sind. Trotz der Abwärtskorrekturen des globalen Wachstums durch den IWF liegt derzeit noch lange keine weltweite Rezession oder globale Deflation vor. Das globale Wachstum entspricht im Großen und Ganzen weiter dem Trend, während die Projektionen für die großen Volkswirtschaften nach wie vor robust wirken. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 5 2. Japan: verlorene Dekaden und aktuelle Herausforderungen 2. Vor rund drei Jahren, Ende 2012, führte der neu gewählte japanische Premierminister Shinzo Abe eine ganze neue Wirtschaftspolitik ein, die sogenannten „Abenomics“. Zum Verständnis der Gründe für diesen Kurswechsel und zur besseren Bewertung des bislang Erreichten und der Erfolgschancen ist eine kurze Retrospektive zu Japans Entwicklung in den letzten Jahrzehnten angezeigt. Sie verdeutlicht den Ursprung, die Art und den Umfang der Herausforderungen, vor denen Japan heute steht. Es ist heute kaum vorstellbar, doch 1980 hatte Japan den niedrigsten Altersabhängigkeitsquotienten (Verhältnis zwischen Rentnern und Bürgern im erwerbsfähigen Alter) der G7. Danach alterte die Bevölkerung drastisch. 2005 war Japans Altersabhängigkeitsquotient schon so hoch wie in keinem anderen G7-Staat und stieg rasant weiter. Abhängigkeitsquotient: inzwischen der höchste der großen Volkswirtschaften Abbildung 3: Altersabhängigkeitsquotient Japans verlorene Dekade(n) 1965–2014 Nach einer längeren extrem wachstumsstarken Phase verlor Japans Wirtschaft in den 1970er-Jahren an Schlagkraft. Ein Grund: Japan hatte damals die problemlosen Zuwächse der Aufholphase des Wachstums ausgeschöpft, die durch die rasche und erfolgreiche Umstellung auf importierte Technologien getragen wurde. Außerdem stieß Japan auf zwei maßgebliche Widerstände: 1. Als das globale Währungssystem mit festen Wechselkursen zusammenbrach, verzeichnete der Yen zwei große Aufwertungswellen, die seinen Wert gegenüber dem USD verdoppelten. In den 1980er-Jahren gab die japanische Währung nach, doch im Anschluss an das PlazaAbkommen von 1985 trat sie wieder eine längere Aufwertungsphase ein. Von 1970 bis 1995 legte der reale Wechselkurs des Yen 150% zu. Längere Aufwertungsphasen der japanischen Währung in früheren Jahrzehnten Quelle: Weltbank: Weltentwicklungsindikatoren. Stand: 09.10.15. Abbildung 2: Wechselkurs JPY/USD Ende der 1980er-Jahre verzeichnete Japan zum Teil dank lockerer Währungspolitik einen kräftigen Wachstumsschub. Das reale BIP wuchs von 1987 bis 1990 im Schnitt um 5,5%. Das nährte unrealistische Erwartungen auf nachhaltig starkes Wirtschaftswachstum. Neben der expansiven Geldpolitik bereitete es den Boden für eine gewaltige Vermögenspreisblase bei Aktien und Immobilien. Die Blase platzte, und Aktien und Grundstückspreise brachen ein. Für Japan begann eine Phase, die heute gemeinhin als verlorene Dekade(n) bezeichnet wird: Das reale BIP erhöhte sich von 1991 bis 2000 im Schnitt um kümmerliche 1,1% pro Jahr und von 2001 bis 2007 mit 1,4% nur geringfügig stärker. Dann kam die globale Finanzkrise. 4. Januar 1971–9. Oktober 2015 Wechselkurs 400 350 300 250 200 150 Geringes Wachstum wurde durch hartnäckige Deflation verschärft. Der Verbraucherpreisindex (VPI) wies von 1994 bis 2007 im Schnitt 0 Prozent Inflation pro Jahr aus und hielt sich von 1999 bis 2005 unter null.4 100 50 0 01/71 03/76 05/81 08/86 10/91 01/97 03/02 06/07 08/12 10/15 Quelle: Bloomberg. 6 Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation Inflation: über längere Zeiträume bei oder unter null Nominales Wachstum in Japan eher rückläufig als anziehend Abbildung 4: Japanische Inflation Abbildung 5: Nominales BIP-Wachstum (Landeswährung) 1994-2007 1997-2014 % Veränderung der durchschnittlichen Verbraucherpreise 3% 2% 1% 0% -1% -2% 1994 1997 2000 2003 2007 Kanada UK US Frankreich Deutschland Italien Japan Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015. (Hinweis: Der Inflationsausschlag 1997 steht in Zusammenhang mit der Mehrwertsteuererhöhung.) Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015. Die aktuellen Herausforderungen um fast 50% gestiegen. Besonders besorgniserregend ist der Rückgang des nominalen BIP angesichts der extrem hohen Staatsverschuldung Japans. Ein stagnierender oder fallender Nenner in der Verschuldungsquote stellt die Schuldentragfähigkeit verstärkt infrage, worauf wir in diesem Artikel noch näher eingehen. Die verlorene Dekade der 1990er war zum Teil dem langwierigen, schmerzhaften und oft verzögerten Entschuldungsprozess nach dem Platzen der Vermögenspreisblase zuzuschreiben: Unternehmen mussten Fremdkapital abbauen, Finanzinstitute ihre Bilanzen sanieren, und Haushalte und Wirtschaft mussten wieder Vermögen aufbauen. Die Entscheidung, eine Verschleppung dieses Prozesses zuzulassen – ganz anders als in den USA nach der globalen Finanzkrise – war nicht hilfreich. Zu allem Übel drosselte die asiatische Finanzkrise 1997/1998 vorübergehend die externe Nachfrage in der Region. Seither wurden die Bilanzprobleme weitgehend gelöst. Heute sind die Industriekonzerne hochliquide, das Finanzsystem ist gesund.5 Der Unternehmenssektor reduzierte seinen Verschuldungsgrad von 2002 bis 2007 von rund 200% auf unter 100%. Im selben Zeitraum verringerten sich die faulen Kredite von 8,4% auf 2,5% und halten sich seither auf niedrigem Niveau, was die Position des Bankensektors stärkt. 6 Wachstumsschwäche und Deflation Japan kämpft aber weiter gegen schwaches Wachstum und Deflation/Nullinflation. 2014 lag Japans nominales BIP (in Landeswährung) 7% unter dem Stand von 1997. In den USA und Großbritannien hat sich das nominale BIP im gleichen Zeitraum dagegen verdoppelt, in Deutschland und Italien ist es Gleichzeitig sorgte die tief verwurzelte Deflation für Einschnitte bei Investitionen und Verbrauch. Unternehmen stellten nur noch befristet ein, was eine Dualität schuf, die den Arbeitsmarkt bis heute belastet. Die Umschichtung von Portfolios auf sicherere Anlagen setzte ein. Demografie Ein wesentlicher Faktor, der Japans Wachstumsleistung bremst, war und ist die demografische Entwicklung. Japans Bevölkerung altert weiter rasant. 1980 waren nur 9% der Japaner 65 oder älter; heute sind es mehr als 26%; in 20 Jahren gehört schon fast jeder dritte Japaner dieser Altersklasse an. Dagegen erreichte der Anteil japanischer Bürger im Alter von 15 bis 64 seinen Höhepunkt von knapp 70% vor 20 Jahren und ist inzwischen auf reichlich 60% zurückgegangen. Er wird weiter schrumpfen; in 40 Jahren ist nur noch jeder zweite Japaner im erwerbsfähigen Alter.7 Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 7 Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft schnell Japan: Produktivitätssteigerungen wie in den USA und Deutschland Abbildung 6: Japans Bevölkerung im Alter von 15–64 und 65+ in % der Summe Abbildung 7: Steigerung der Gesamtproduktivität 1995-2013 1950–2050S Quelle: Vereinte Nationen, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, Bevölkerungsabteilung (2015). World Population Prospects: The 2015 Revision, DVDAusgabe vom Juli 2015. Die rasche Bevölkerungsalterung hat wesentliche Auswirkungen auf die Renten- und Gesundheitsausgaben. Der wichtigste Umstand für diesen Teil unserer Erörterung ist aber, dass sie die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte reduziert. Nach Projektionen der japanischen Regierung dürfte die Erwerbsbevölkerung unter günstigen Bedingungen (bei stärkerem Wachstum und steigender Erwerbsquote) von 66,3 Millionen 2010 bis 2030 auf 62,9 Millionen zurückgehen, also um 3,4 Millionen Arbeitnehmer in 20 Jahren. Unter ungünstigen Bedingungen, wenn Wachstum oder Erwerbsquote nicht zunehmen, könnten es sogar 9,5 Millionen Arbeitnehmer werden. Damit würde die Erwerbsbevölkerung im gleichen Zeitraum auf nur 56,8 abschmelzen. Unter den genannten ungünstigen Bedingungen schätzt die Regierung, dass die Zahl der Beschäftigten von 2010 bis 2030 von 63,0 Millionen auf nur 54,5 Millionen fällt.8 Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Growth in GDP per Capita Productivity und ULC Database. Der ungünstige demografische Trend wurde zum Teil durch robuste Produktivitätssteigerungen abgefedert. Die Gesamtproduktivität nahm so schnell zu wie in anderen Industrieländern, etwa in den USA oder in Deutschland. Tatsächlich war die durchschnittliche Zuwachsrate der Gesamtproduktivität in Japan nach der globalen Finanzkrise (abgesehen vom Erholungsextrem 2010) die vierthöchste in der OECD und deutlich höher als in den USA und Großbritannien. Japans Gesamtproduktivität: im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften hoch Abbildung 8: Durchschnittliche Steigerung der Gesamtproduktivität 2011-2013 Neben der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung gibt es Ineffizienzen auf dem Arbeitsmarkt, was zu einer Dualität mit unbefristet und befristet Beschäftigten führt – und offensichtliche Qualifikationsdefizite. In einer aktuellen Studie stellen Ganelli und Miake (2015) fest, dass sich Japans Beveridge-Kurve nach rechts verlagert hat. Das heißt, bei gleicher Arbeitslosenquote gibt es inzwischen mehr freie Stellen. Dem Tankan-Bericht der BOJ zufolge leiden alle Unternehmen unter Arbeitskräftemangel, allen voran der Mittelstand. Eine neue Erhebung der ManpowerGroup ergab, dass 81% der japanischen Unternehmen 2014 Schwierigkeiten hatten, freie Stellen zu besetzen. Das ist der mit Abstand größte Anteil in allen einbezogenen Ländern und mehr als das Doppelte des globalen Durchschnitts.9 Auch die offenen Stellen in Prozent der Erwerbsbevölkerung sind deutlich höher als in vielen anderen Industrieländern.10 Quelle: OECD, Growth in GDP per Capita Productivity und ULC Database. 8 Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation Dank dieser ordentlichen Produktivitätsentwicklung konnte das Pro-Kopf-Wachstum in Japan beinahe mit anderen großen Industrieländern Schritt halten. Von 1990 bis 2014 (ohne 1998, als Japan von der asiatischen Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen wurde), erhöhte sich das Pro-Kopf-BIP in Landeswährung zu konstanten Preisen in Japan im Schnitt um 1,1%. In den USA waren es 1,3%, in Deutschland 1,4%. 11 Japans solide Produktivitätsentwicklung hat aber eine gute und eine schlechte Seite. Einerseits belegt sie, dass sich Japans Wirtschaft durch die Mischung aus technischem Fortschritt und qualifizierten Arbeitskräften hohe Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit wahren konnte. Andererseits ist damit klar, dass weitere Produktivitätssteigerungen für die Ankurbelung des gesamten BIP-Wachstums in Japan nur eine begrenzte Rolle spielen können. Unsere Analyse zur Schuldentragfähigkeit zeigt, dass diese extrem hohe Schuldenlast bei der gegenwärtigen Politik nicht verkraftbar ist. Sie hat zwar noch keine finanzielle Instabilität ausgelöst, doch Japans wichtigstes Endziel ist vermutlich, sie wieder auf nachhaltiges Niveau zu verringern. Auf dieses Thema gehen wir nachstehend noch genauer ein. Verschuldungsquote: auf unhaltbarem Niveau Abbildung 9: Verschuldungsquote 1980-2014 % des BIP 300% 250% 200% Tragbarkeit der Schulden Japans Verschuldungsquote pendelte in den 1980er-Jahren zwischen 50% und 70%. Als die verlorene Dekade begann, nahm die Verschuldung rasch zu, während die Regierung vergeblich versuchte, durch lockere Fiskalpolitik wieder Wachstum herbeizuführen. Das Haushaltsdefizit des Landes lag von 1995 bis 2005 im Schnitt bei 6% des BIP, die Verschuldungsquote stieg auf mehr als das Doppelte an – über 180%. Nach einer Delle 2006/2007 nahm die Verschuldungsquote ihren Aufwärtstrend wieder auf und hat heute ungeheure 245% erreicht. Damit ist sie so hoch wie in keinem anderen Industrieland. Selbst angesichts ultraniedriger Zinsen belief sich der Bruttofinanzierungsbedarf Japans 2014 auf 56% des BIP. 12 150% 100% 50% 0% 1980 1987 1994 2001 2008 2014 Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Internationalen Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2015. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 9 3. Ein neues Zeitalter: Abenomics Die Analysen der Vorabsätze machen deutlich, dass Japan noch vor großen Herausforderungen steht: Die fortgesetzte negative Bevölkerungsentwicklung verringert die Erwerbsbevölkerung und übt gleichzeitig zusätzlichen Druck auf die öffentlichen Ausgaben aus, insbesondere im Gesundheitswesen. Dann sind da noch fest verwurzelte Deflationserwartungen und die extrem hohe und steigende öffentliche Schuldenlast. Wiederholte Versuche, diese Herausforderungen zwischen 1990 und 2010 zu bewältigen, sind gescheitert. Ende 2012, Anfang 2013 startete die Regierung von Premierminister Abe ein neues, umfassendes politisches Programm aus drei „Pfeilen”: 1. Neuerliche aggressive Lockerung der Geldpolitik: Die BOJ nahm mit ihrer Geldpolitik nicht mehr die Zinsen ins Visier, sondern die Geldbasis, die sie bis 2014 verdoppeln wollte. Ferner beschloss sie, die Restlaufzeit aufgekaufter JGB auf 40 Jahre zu erhöhen und verstärkt direkt riskantere Anlagen zu erwerben – unter anderem doppelt so viele Anteile an börsengehandelten Indexfonds. 2. Umsichtige Fiskalpolitik: Die Regierung visiert einen Balanceakt zwischen Wachstumsimpulsen und Rückführung der Staatsverschuldung auf tragbares Niveau an. Schwerpunktmäßig ist die Strategie auf einen glaubwürdigen mittelfristigen Kurs ausgerichtet, der die Belastung durch kurzfristige Anpassungen reduzieren soll. 3. Weitreichende Strukturreformen: Die Regierung plant Reformen in Bereichen wie Arbeitsmarkt, Energiepolitik, Gesundheitswesen und Landwirtschaft. Abenomics berücksichtigten, dass eine erfolgreiche Strategie einen „Alle Mann an Deck“-Ansatz erfordert, um (1) gleichzeitig an allen Fronten zuzuschlagen, von makroökonomischen Maßnahmen bis hin zu einer Vielzahl strukturpolitischer Eingriffe; und (2) in der Geldpolitik beschleunigt eine klare, radikale Linie zu fahren, um die Deflation zu überwinden. Dass so fest mit Inflation nahe null und extrem schwachem Wachstum gerechnet wird, wurde als Teil des Problems erkannt. Durch Abenomics sollte sichtbar mit der Vergangenheit gebrochen werden – mit einem Systemwechsel, der die Erwartungen verändern könnte. Wie sieht drei Jahre später die Bilanz der Abenomics aus? Der erste Pfeil, die Geldpolitik: auf vollen Touren Die Geldpolitik, der erste Pfeil, hat bislang in Japans neuer Strategie die größte Rolle gespielt. BOJ-Chef Haruhiko Kuroda vollzog einen klaren Schnitt. An die Stelle der behutsamen geldpolitischen Strategie der vergangenen Jahre traten neue quantitative und qualitative Lockerungsmaßnahmen (QQE). QQE sollte die Inflation innerhalb von zwei Jahren stabil auf 2% treiben, unterstützt durch ein umfangreiches Kaufprogramm und Vorgaben, die vermitteln sollten, dass die BOJ „alles Nötige tun“ werde, um ihr Ziel zu erreichen. Die Glaubwürdigkeit der QQE wurde noch erhöht durch ihre Rolle als Baustein in einem umfassenden politischen Ansatz. Wie geplant verdoppelte sich die Bilanzsumme der BOJ von Ende 2012 bis Ende 2014. Mitte Oktober 2015 hatte sie sich gegenüber dem Stand von Ende 2012 um 130% erhöht und erreichte 73% des BIP.13 Verlängerung der BOJ-Bilanz und Zinssenkungen durch außergewöhnliche Geldpolitik Abbildung 10: BOJ QE Abbildung 11: Realzinsen Q1 1998–Q2 2015 2000-2014 % des BIP 70% 2.0% 60% 1.0% 50% 0.0% 1.5% 0.5% -0.5% 40% -1.0% 30% -1.5% 20% -2.0% -2.5% 10% 10 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 2004 2003 Q2 2015 2002 Q3 2009 2001 Q4 2003 Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan Cabinet Office, Bank of Japan. 2000 -3.0% 0% Q1 1998 Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten von Bloomberg, Bank of Japan. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation QQE konnte die Vermögenspreise erfolgreich beeinflussen. Der Yen büßte gegenüber dem USD seit Ende 2012 fast 40% ein14. Das trug maßgeblich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Export bei und gab den Inflationsraten Auftrieb. Wertverlust des Yen stützt Exporte und fördert Inflation Abbildung 12: Wechselkurs JPY/USD 31. Dezember 2012-10. Oktober 2015 Wechselkurs 130 125 120 115 110 105 100 95 90 85 80 12/12 07/13 02/14 08/14 03/15 10/15 Quelle: Bloomberg. Die Aktienkurse haben sich seit Einführung von QQE mehr als verdoppelt. In der Wertentwicklung des Aktienmarkts spiegeln sich neben den direkten QQE-Folgen mehrere Faktoren wider, auch die Erwartung, dass die Unternehmensrentabilität dank des wettbewerbsfähigeren Yen und Maßnahmen zur Corporate-Governance-Reform steigt, sowie eine Portfolioumschichtung des staatlichen Pensionsfonds. Letztlich haben Grundstücks- und Immobilienpreise in den meisten Regionen offenbar die Talsohle durchschritten. QQE hat Pensionskassen und Haushalte zwar erfolgreich in die Lage versetzt, ihre Portfolios umzuschichten und riskantere Anlagen höher zu gewichten, doch ihr Einfluss auf die Kreditvergabe ist eher begrenzt. Die Banken haben ihr Engagement in JGBs zurückgefahren, was sich aber nur teilweise in verstärkte Kreditvergabe an Dienstleistungsunternehmen übersetzt hat. Die verbleibenden Mittel sind in die Bildung höherer Reserven geflossen. Die Kreditvergabe an das produzierende Gewerbe blieb weitgehend unverändert, worin sich aber wohl vor allem ein Nachfrageeffekt niederschlägt, da die meisten Produktionsunternehmen hoch liquide sind. QQE hat jedoch nicht die anvisierte Inflationsrate von 2% herbeigeführt. Nach einer Spitze von Q2 bis Q3 2014, in der vor allem die Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014 zum Ausdruck kam, ist die Verbraucherpreisinflation stetig gesunken und dümpelte im September und Oktober bei 0,2%. Eine wesentliche Rolle spielte dabei jedoch das unglückliche Zusammentreffen mit dem Preisverfall bei Öl und anderen Rohstoffen, der in Japan wie in anderen Ländern eine starke Dämpfung der Inflation auslöste. Im Oktober lag die Kerninflationsrate bei zuversichtlicher stimmenden 0,8%, aber immer noch klar unter dem 2%-Ziel. Im Oktober 2014 überraschte die BOJ die Finanzmärkte angesichts der rückläufigen Inflation mit einer weiteren Ausweitung ihres QQE-Pakets: Die jährlichen Nettokäufe von JGBs wurden auf 80 Bio. Yen aufgestockt, die durchschnittliche Laufzeit der gekauften JGBs auf 7 bis 10 Jahre verlängert und eine Verdreifachung der Käufe privater Anlagen beschlossen. Inflation im Plus Abbildung 14: Japan: Inflation Oktober 2011–August 2015 QQE stützt Kurse japanischer Aktien Abbildung 13: Nikkei 225 Index 31. Dezember 2010-10. Oktober 2015 Kurs (Yen) 25000 20000 15000 10000 5000 0 12/10 03/12 Quelle: Bloomberg, Nikkei 225 Index. 05/13 07/14 10/15 Kernrate VPI (ohne frische Lebensmittel) VPI Quelle: Statistikamt, Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation (Diese Daten wurden bereinigt, um den Effekt der Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014 auszuklammern.) Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 11 Es ist unbedingt zu berücksichtigen, dass das aktuelle Umfeld, in dem fallende Rohstoffpreise die Inflation in weiten Teilen der Weltwirtschaft stark gedrückt haben, für die BOJ besonders schwierige Rahmenbedingungen schafft. Dennoch hat sich die Kerninflation offenbar fest in positivem Territorium etabliert, nachdem sie von 1998 bis 2012 fast ständig unter null gelegen hatte. Nach nahezu 20 Deflationsjahren ist es sichtlich schwierig, die Inflationserwartungen und das Lohnabschlussverhalten zu verändern, doch Japan kommt voran. In der diesjährigen Verhandlungsrunde haben die Unternehmen ihre Grundgehälter um 0,7% erhöht, deutlich mehr als die letztes Jahr zugestandenen 0,4%15, aber nicht genug, um einen positiven Kreislauf aus höheren Löhnen und mehr Konsum anzukurbeln. Die Politiker, auch Premierminister Abe und BOJGouverneur Kuroda, fordern die Unternehmen immer wieder auf, höhere Lohnsteigerungen zu gewähren und die Zahl der unbefristet Beschäftigten zu erhöhen, statt Zeitverträge zu schließen. Da die Unternehmensrentabilität steigt, wird die Politik zunehmend Druck auf die Wirtschaft ausüben, Liquidität zugunsten von Zuwächsen bei Beschäftigung, Löhnen und Investitionen abzubauen. Fundamentale Verbesserungen: Der Arbeitsmarkt spannt sich weiter an. Die Arbeitslosenquote ist bei rückläufiger OutputLücke von 4,1% bei Einführung der Abenomics auf 3,4% zurückgegangen. Infolgedessen nimmt der breitere Lohndruck allmählich zu. Der zweite Pfeil, die Fiskalpolitik: ein Balanceakt Oberste Priorität haben Wachstumsimpulse und Deflationsbekämpfung. Ohne sie kann keine noch so starke Haushaltskonsolidierung die Tragfähigkeit der Schulden sicherstellen. Aus diesem Grund lancierte die Regierung ein Steuerreformpaket, das den Körperschaftsteuersatz von 2015 bis 2016 um insgesamt 3,3 Prozentpunkte herabsetzt. Parallel dazu mindert die Reform schrittweise die Abzugsbeschränkung für Verlustvorträge, um negative Einnahmeeffekte der Senkung zu begrenzen und gleichzeitig weiter Anreize für Innovation und Rentabilität zu liefern. Außerdem hat die Regierung einen mittelfristigen Plan zur Haushaltskonsolidierung vorgestellt, der bis zum Haushaltsjahr 2020 auf Landes- und Kommunalebene einen Primärüberschuss herbeiführen soll. Wie bereits angesprochen, ist auf mittlere Sicht ein glaubwürdiger fiskalpolitischer Kurswechsel nötig, um die Glaubwürdigkeit insgesamt zu untermauern. Die Notwendigkeit kürzerfristiger Sparmaßnahmen soll dabei minimiert werden. Um ihre Verpflichtung zu finanzieller Tragfähigkeit zu unterstreichen, wagte die Regierung mit einer geplanten Mehrwertsteuererhöhung im April letzten Jahres einen Vorstoß und hob den Basissatz von 5% auf 8% an. Die Steuererhöhung hat den Aufschwung in Japan nicht aus der Bahn geworfen, aber einen kurzfristigen Rücksetzer ausgelöst, der 2014 zu einer geringfügigen Schrumpfung des BIP beitrug. Die Regierung hat die nächste geplante Erhöhung auf April 2017 verschoben. Dann soll der Satz auf 10% steigen. Diese zweite Erhöhung sollte eigentlich im Oktober 2015 wirksam werden. Unternehmensrentabilität und Arbeitsmarkt im Aufwind Abbildung 15: Steigerung der Unternehmensgewinne Abbildung 16: Arbeitslosenquote Stand: 30. Juni 2015 Januar 2012–August 2015 im Jahresvergleich 25% 5.0% 20% 4.5% 15% 10% 4.0% 5% 0% 3.5% -5% -10% 2011 2012 Quelle: Bloomberg, Finanzministerium, Japan. 12 2013 2014 Q2 2015 3.0% 01/12 08/12 03/13 10/13 06/14 01/15 Quelle: Statistikamt, Ministerium für Innere Angelegenheiten und Kommunikation Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 08/15 Der dritte Pfeil, die Strukturreformen: Schritt für Schritt nach vorne Strukturreformen sollen bei der Steigerung der potenziellen Wachstumsrate in Japan, die der IWF derzeit auf nur 0,4% schätzt, eine entscheidende Rolle spielen.16 Wie dargelegt, ist die Gesamtproduktivität in Japan bereits vergleichsweise hoch. Sie könnte zwar weiter gesteigert werden, doch beschleunigtes Wachstum des Gesamt-BIP wird sich in erster Linie auf Arbeit und Kapital stützen müssen. Angesichts des projizierten Rückgangs der Erwerbsbevölkerung hat es für die Regierung auf dem Arbeitsmarkt oberste Priorität, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern. Deshalb hat sie die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und die Transferzahlungen an Familien mit Kindern erhöht. Die Erwerbsquote der Frauen, die von 1994 bis zur Einführung der Abenomics von etwa 59% auf rund 63% zugenommen hat, ist seither weiter gestiegen – auf über 66%. Abenomics: Frauenanteil an Erwerbsbevölkerung steigt Abbildung 17: Erwerbsquote von Frauen Dezember 2009–August 2015 Das stellt einen enormen Fortschritt dar, doch es sind noch weitere Schritte nötig. Die Regierung könnte eine fortgesetzte Steigerung der Erwerbsbeteiligung von Frauen fördern, indem sie die Kinderbetreuung dereguliert und so für mehr Verfügbarkeit sorgt, und indem sie Steuervorteile und Sozialversicherungsleistungen für Haushalte mit VollzeitHausfrauen überprüft. Ferner könnte die Regierung Maßnahmen ergreifen, um älteren Arbeitnehmern eine Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses attraktiver zu machen. Angesichts der projizierten Bevölkerungsalterung hätte es positive Effekte auf das Volumen der Gesamterwerbsbevölkerung, wenn der Anteil Berufstätiger in den älteren Alterskohorten steigt. Das könnte auch zur Entlastung des Gesundheitswesens beitragen. Ein dritter Schritt zur Vergrößerung der Erwerbsbevölkerung wäre eine Lockerung der bestehenden Zuwanderungsbeschränkungen – was allerdings einer der politisch umstrittensten Bereich bleibt. Schließlich könnte die Regierung weitere Arbeitsmarktreformen in Erwägung ziehen, um die vorliegende Dualität mit unbefristeten und befristeten Verträgen zurückzuführen. Derzeit sind über 40% der Beschäftigten befristet angestellt – zu deutlich niedrigeren Gehältern als bei Arbeitnehmern mit unbefristeten Verträgen. Unbefristete Arbeitsverträge bieten außerdem weit mehr Arbeitsplatzsicherheit. Eine langfristige Beschäftigung ist quasi garantiert. Der Anteil an Zeitverträgen betrug 1985 rund 16% und ist seither kontinuierlich bis auf das aktuelle Niveau gestiegen.17 Ein Abbau dieser Dualität würde den Arbeitsmarkt flexibler und mobiler machen und könnte daher zu einer besseren Allokation von Humankapital führen und die Steigerung der Arbeitsproduktivität anheizen. Um Investitionen und Kapitalstock zu erhöhen, hat die Regierung ein erstes Reformpaket umgesetzt, dass die Corporate Governance verbessern soll: (1) den Stewardship Code, der die aktive Beteiligung von Aktionären fördern soll; (2) den Corporate Governance Code, der börsennotierte Unternehmen verpflichtet, externe Verwaltungsratsmitglieder zu ernennen; und (3) die Einführung eines neuen JPX-Nikkei Index 400, der nur Unternehmen mit guter Corporate Governance und Offenlegungspolitik aufnimmt. 12/12 Erwerbsquote von Frauen Quote offene Stellen/ Arbeitslosenquote Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts, Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation. Auch die zuvor angesprochene Senkung der Körperschaftsteuer soll für höhere Investitionen sorgen. Es besteht aber auch hier noch viel Spielraum für weitere Fortschritte: Insbesondere könnte die Regierung Negativanreize in Betracht ziehen, damit Unternehmen nicht mehr so viel Liquidität vorhalten. Sie könnte neue Vorschriften erlassen, um Überkreuzbeteiligungen zu erschweren. Und sie könnte die Konkursverfahren vereinfachen. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 13 Strukturreformen: manche erfolgreicher als andere Abbildung 18: Bilanz der Strukturreform (Skala 1 bis 4) Seit der Einführung von Abenomics im Dezember 2012 (Stand: Juli 2015) Quelle: Qualitative Einschätzung der Reformen durch Templeton Global Macro; 1 steht für geringsten Fortschritt, 4 für den größten Fortschritt. Daten vom Internationalen Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.” Wie das Diagramm zur Bilanz der Strukturreform zeigt, hat die Regierung neben Corporate Governance und der Erwerbsbeteiligung von Frauen auch in der Agrarreform große Fortschritte erzielt und die Verhandlungen zum Handelsabkommen der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) vorangetrieben (Näheres dazu siehe unten). Bei der Bekämpfung der Dualität auf dem Arbeitsmarkt ist der Fortschritt dagegen eher begrenzt. 14 Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 4. Bewertung des bisher Erreichten Abenomics hat einen echten Systemwandel bewirkt. Es ist eine umfassende, gut strukturierte politische Initiative, die Japan wieder auf nachhaltigen Wachstumskurs bringen, dauerhaft positive Inflation herbeiführen und Kurs auf eine tragbare Verschuldung nehmen soll. Ob sich das System auf Dauer verändert, die Ziele erreicht werden und die Wirtschaft des Landes erfolgreich einen neuen Kurs einschlägt, bleibt abzuwarten. Das größte Stück Arbeit hat bislang die Geldpolitik geleistet. BOJ-Chef Kuroda ist vom früheren behutsamen Ansatz abgegangen: Sein im Oktober 2014 noch ausgeweitetes QQEProgramm zeigt, dass die Zentralbank entschlossen ist, alles zu tun, um die Inflation nachhaltig auf 2% zu treiben. Das hatte enorme Effekte auf den Wechselkurs des Yen und die Bewertungen japanischer Aktien. Die Fiskalpolitik bemüht sich gleichzeitig, eine schwierige Balance zu halten: Nach der mutigen Mehrwertsteuererhöhung vom April 2014 hat sich die Fiskalpolitik auf Investitionsanreize fokussiert und zeichnet dabei einen glaubwürdigen mittelfristigen Weg zur Haushaltskonsolidierung vor. Die Strukturreformen, der dritte Pfeil, haben später eingesetzt und gehen langsamer vonstatten. Wichtige Schritte sind erfolgt, insbesondere bei der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen und der Reform der Corporate Governance. Es bleibt aber noch einiges zu tun. Bisher verbuchen die Abenomics Teilerfolge, teils aufgrund der enormen Herausforderungen im eigenen Land, teils aufgrund der ungünstigen externen Umstände. Zum Thema Inflation hat der drastische Rückgang der Rohstoffpreise die Gesamt-VPI-Steigerung wieder fast auf null zurückgebracht und erste Erfolge der QQE zum Teil zunichtegemacht. Beim Wachstum dämpften nachlassende Raten in der übrigen Welt, allen voran in China, die positiven Effekte des schwächeren Yen auf den Export. Entsprechend hat sich die Konjunktur in Japan unlängst abgekühlt. In Q2 schrumpfte die Wirtschaft aufs Jahr gerechnet um 1,2%. Die Konjunktur entwickelte sich in Q3 weiter schwach. Vor allem aber zeigt der dritte Pfeil bislang begrenzte konkrete Erfolge. Das potenzielle Wachstum hat nur geringfügig zugelegt, und zwar ausschließlich durch den größeren Kapitalstock, ohne Effekt auf die Gesamtbeschäftigung oder die Gesamtproduktivität. Potenzielle Wachstumsrate: noch kein nennenswerter Anstieg Abbildung 19: Potenzielle Wachstumsrate Haushaltsjahre 1980–2014 Quelle: Bank of Japan, „Japan’s Economy and Monetary Policy: Speech at a Meeting with Business Leaders in Kumamoto”, 25.7.15. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 15 Die Arbeitsmarktdaten belegen gewisse positive Veränderungen in der Arbeitsmarktstruktur. Die Arbeitslosenquote bei jungen Arbeitnehmern ist deutlich gesunken, auf den tiefsten Stand seit Anfang des Jahrtausends. Wie erwähnt, beobachten wir allmählich eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Dabei ist zu beachten, dass der Anstieg der Erwerbsquote von Frauen auf durchschnittliches G7-Niveau zusammen mit einer höheren Erwerbsquote älterer Menschen das japanische BIP laut IWF um 0,25% pro Jahr steigern könnte.18 Rückläufige Arbeitslosenquote bei jungen Leuten: positives Signal für Arbeitsmarktlage Abbildung 20: Arbeitslosenquote junger Menschen April 1990–August 2015 Die Regierung dürfte weitere Maßnahmen ergreifen, um die Corporate Governance zu stärken und die Erwerbsquote zu erhöhen und so die Erwerbsbevölkerung und den Kapitalstock zu vergrößern. Bessere Corporate Governance könnte auch die Produktivitätssteigerungen weiter in die Höhe treiben. Schritte zum Abbau der bestehenden Dualität auf dem Arbeitsmarkt wären diesbezüglich hilfreich. 9% 6% 3% 0% 4/90 6/94 9/98 12/02 3/07 6/11 8/15 im AlterYears von 20-29 20–29 Old Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts, Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation. Das Exportwachstum hat nicht so stark auf den Wertverlust des Yen reagiert, wie eventuell zu erwarten – auch nicht vor der jüngsten Schwäche der Auslandsnachfrage. Haupttreiber ist offenbar die Verlagerung ins Ausland. In den vergangenen 20 Jahren haben etliche japanische Unternehmen die Fertigung im Ausland ausgebaut, um entweder die Nähe zu Wachstumsmärkten oder aber niedrigere Arbeitskosten zu nutzen. Der IWF schätzt, dass die Exporte japanischer Auslandstöchter den Export aus Japan 2014 um über 40% überstiegen.19 Auch wachsende Ungewissheit um inländische Stromkosten dürften hineingespielt haben nach Japans Entscheidung zum Abschalten seiner Atomkraftwerke nach der Katastrophe von Fukushima 2011. Der starke Rückgang des Yen, die Entscheidung, die Reaktoren wieder hochzufahren, und die für 2016 geplante Deregulierung des Strommarktes haben die Gleichung jedoch verändert. Diese Faktoren könnten eine Umkehr des Trends zur Auslagerung ins Ausland fördern. Die starke Exportleistung der Auslandsniederlassungen japanischer Unternehmen steigert ihre Rentabilität und ihre Aktienmarkt-Performance, doch eine Rückverlagerung nach Japan würde das Inlandswachstum stärker beflügeln. 16 Ungeachtet der neuen Hindernisse, die sich in den Weg stellen, und der bislang lediglich erzielten Teilerfolge bleiben Japans Politiker am Ball. Premier Abe sicherte sich bei den vorgezogenen Neuwahlen im Dezember 2014 überzeugend eine zweite Amtszeit. Damit hat er weitere drei Jahre Zeit, das Land zu lenken, bei solidem Rückhalt für seine laufenden Reforminitiativen. Nach drei Jahren Abenomics gibt es keine Anzeichen für Reformmüdigkeit. Der Fortschritt stellt sich zwar langsam ein, nicht mit einem „großen Knall“, doch offenbar sind alle Teile der japanischen Gesellschaft überzeugt, dass grundlegende Veränderungen im Sinne der Abenomics notwendig sind. Auch die jüngste Unterzeichnung des TPP-Handelsabkommens dürfte die Produktivität und das reale BIP steigern. Im Rahmen der TPP verpflichtet sich Japan zu Liberalisierungsmaßnahmen in der Landwirtschaft und zur Öffnung von Dienstleistungssektoren. Diese Schritte sollten mehr Effizienz und Produktivität herbeiführen. Außerdem wird Japans Handel durch die TPP in einen dynamischen Teilbereich der Weltwirtschaft integriert. Ferner hat die japanische Regierung bereits Liberalisierungsmaßnahmen im Stromsektor verabschiedet, die ab 2016 greifen sollen. Sie führen zu verstärktem Wettbewerb in diesem Sektor und sollten die Stromkosten heimischer Unternehmen senken. Schließlich könnte Japans Wirtschaft von Innovation und Reformen im Gesundheitswesen profitieren, die vom Kostendruck durch die Bevölkerungsalterung ausgelöst werden dürften. Voraussetzungen für den Erfolg von Abenomics Damit Abenomics langfristig zum Erfolg werden, müssen zwei Grundvoraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss sich ein „positiver Einkommenskreislauf“ fest etablieren, also ein Zyklus, in dem Unternehmensgewinne Einkommen steigern und in den Konsum und in Investitionen fließen. Zweitens brauchen wir eine nachhaltige Fiskalpolitik. Zum ersten Kriterium stützen aktuelle Makrodaten unsere Einschätzung, dass ein positiver Einkommenszyklus in Gang gekommen ist. Einer der Gründe für die geringen Investitionen im Japan der 1990er-Jahre war schwaches Gewinnwachstum. Nach dem Platzen der Blase stagnierten die Gewinne japanischer Unternehmen über zehn Jahre lang. Erst nach 2005 trat allmählich eine Besserung ein. Mit Einsetzen der globalen Finanzkrise gab es allerdings einen herben Rückschlag. Seit 2013 gibt es jedoch Anzeichen, dass die durch die Abwertung des Yen infolge der Geldpolitik der BOJ gestiegenen Unternehmensgewinne zu höheren Investitionen führen. Auch Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation Höhere Unternehmensgewinne: die Basis für höhere Investitionen und höhere Haushaltseinkommen und -ausgaben Abbildung 21: Zyklus der Unternehmensgewinne und Investitionen Abbildung 22: Zyklus der Haushaltseinkommen und -ausgaben Q4 1989–Q2 2015 Q4 1989–Q2 2015 Gewinn (Q4 1989 = 100) 260 Bruttoanlageinvestitionen (Q4 1989 = 100) 120 240 Index (Q4 1989 = 100) 140 110 Bruttoanlageinvestitionen 220 100 200 90 180 80 160 70 Gewinn 140 120 60 120 50 100 40 80 30 60 20 40 10 Q4 1989 Q1 1994 Q2 1998 Q3 2002 Q4 2006 Q1 2011 Q2 2015 Profit Gewinn 130 110 100 90 Q4 1989 Q1 1994 Q2 1998 Q3 2002 Q4 2006 Q1 2011 Q2 2015 Gross Fixed Capital Formation (GFCF) Bruttoanlageinvestitionen Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan Cabinet Office, Finanzministerium, Japan. bei den Haushaltseinkommen zeichnet sich ganz klar eine Veränderung zum Positiven ab. Der private Konsum ist zwar nie richtig eingebrochen, doch die Arbeitseinkommen sind seit den 1990er-Jahren gesunken. Wie die Grafiken auf der Folgeseite zeigen, gibt es Hinweise auf eine Umkehr dieses Trends. Zu beachten ist, dass der letzte Rückgang des Konsums durch die Mehrwertsteuererhöhung ausgelöst wurde, einem wesentlichen Element des zweiten Pfeils. Die zweite Bedingung, nämlich nachhaltige Fiskalpolitik, ist heikler. Wie die Grafik rechts zeigt: Japans Schuldenproblem ist eindeutig auf mangelndes nominales Wachstum zurückzuführen. Die Verschuldungsquote ist in die Höhe geschossen, das nominale BIP zurückgegangen (wie vorstehend dargelegt). Bislang konnte Japan seinen rekordhohen Schuldenberg ohne größere Probleme stemmen – dank einer Kombination aus extrem günstigen Faktoren: Sehr hohe inländische Ersparnisse boten reichlich Rückhalt. Nicht einmal 10% der JGBs sind in ausländischer Hand. Quantitative Lockerungen der BOJ haben für zusätzliche Nachfrage gesorgt. Und niedrige Inflation und extrem expansive Geldpolitik, einschließlich der seit Anfang 1999 vorliegenden Nullzinspolitik, trugen ebenfalls zur Beibehaltung des ultraniedrigen Zinsniveaus bei. JGBs mit zehnjähriger Laufzeit bringen derzeit 0,30%. Bei USSchatzanleihen mit gleicher Laufzeit sind es zum Stand vom 30. Oktober 2,14%, bei deutschen Bundesanleihen 0,52%. Haushaltseinkommen Labor Income Consumption Haushaltsausgaben Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Statistikamts, Ministerium für innere Angelegenheiten und Kommunikation, Japan: Gesundheits-, Arbeits- und Sozialministerium, Japan. Japans Schuldenproblem: Schlimmer durch schwaches nominales Wachstum Abbildung 23: Nominales GDP / Verschuldungsquote Q1 2000–Q2 2015 Nominales BIP (2000 = 100) Verschuldungsquote 120 250% 110 200% 100 150% 90 100% 80 Q1 2000 Q2 2003 50% Q3 2006 Q4 2009 Q1 2013 Q2 2015 Verschuldungsquote Nominales BIP Nominal GDP Debt/GDP Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan Cabinet Office, Bank of Japan. Durch die extrem hohe Verschuldungsquote und den enorm großen Bruttofinanzierungsbedarf ist der Ausblick für Japans Schuldensituation besonders anfällig für ungünstige Schocks, insbesondere bei Zinssätzen und BIP-Wachstumsraten. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 17 Ein Zinsschock ist in dem aktuellen Umfeld mit weiter niedriger Inflation und extrem lockerer Geldpolitik nach wie vor eher unwahrscheinlich. Die japanischen Behörden stellen jedoch fest, dass die Liquidität auf dem JGB-Markt unlängst zurückgegangen ist, zum Teil infolge der stärkeren BOJ-Intervention im Rahmen ihres neuen QQE-Programms. 2014 kaufte die BOJ beispielsweise rund 40% mehr als die gesamte JGBNettoemission für das Jahr und rund 30% der Bruttoemission. Im ganzen Jahr 2015 will die BOJ noch mehr aufkaufen, für insgesamt 80 Bio. Yen gegenüber 58 Bio. Yen im Vorjahr.20 Wahrscheinlicher und drängender ist die Gefahr zusätzlichen Drucks auf die Ausgaben im Gesundheitswesen infolge der fortgesetzten Bevölkerungsalterung. Die Finanzstabilität ist zwar nicht unmittelbar bedroht, doch es ist nicht davon auszugehen, dass diese günstigen Bedingungen für immer anhalten – insbesondere, da sich die japanische Verschuldungsquote noch verschlechtern dürfte. Im Rahmen der Abenomics hat zwar eindeutig ein geldpolitischer Kurswechsel stattgefunden, doch Japans Schulden sind bei Weiterführung der aktuellen Politik nach wie vor untragbar. Der IWF rechnet damit, dass sich die japanische Verschuldungsquote nach 2020 noch rascher erhöht und bis 2030 290% erreicht.21 Unsere eigenen Analysen zeigen: Will die Regierung die japanische Verschuldungsquote durch straffere Fiskalpolitik auch nur stabilisieren, müsste sie das derzeitige Primärdefizit von rund 5% des BIP eliminieren. Eine so drakonische Fiskalpolitik wäre vermutlich für keine Regierung politisch durchsetzbar. Außerdem könnte sie nach hinten losgehen und das reale BIPWachstum dämpfen. Dann wäre die Konsolidierung nicht ausreichend, um die Schuldenentwicklung zu stabilisieren. Daraus ergibt sich, dass Japan höheres nominales Wachstum und/oder eine weitere Senkung der Realzinsen braucht, wenn es die Tragbarkeit der Schulden garantieren möchte. Höheres nominales Wachstum ist zu erzielen durch eine Mischung aus realem BIP-Wachstum und höherer Inflation. Reales BIPWachstum ist langfristig potenziell über den dritten Pfeil herbeizuführen. Das nominale Wachstum lässt sich jedoch über die Inflation und den ersten Pfeil viel leichter beeinflussen. Höhere Inflation ist angesichts der Nominalverzinsung nahe null die einzige Möglichkeit, den Realzins in diesem Stadium weiter zu drücken. Unsere in nachstehender Grafik illustrierten Analysen lassen vermuten, dass Japan zur Stabilisierung seiner Verschuldungsquote auf dem Stand von 2014 pro Jahr 3% bis 4% Inflation benötigt – unter der Voraussetzung, dass das reale BIP mit der aktuellen potenziellen Rate von rund 0,5% weiterwächst. Die Tragbarkeit der Schulden richtet sich nach dem Verhältnis zwischen vorhandenen Schulden, dem primären Haushaltssaldo der Regierung (d. h. dem Haushaltssaldo abzüglich der Zinszahlungen), der Realverzinsung staatlicher Verbindlichkeiten und der realen BIP-Wachstumsrate. Die Schuldendynamik entspricht nachweislich folgender Identitätsgleichung: Japan braucht 3% bis 4% Inflation im Jahr, um Verschuldung zu stabilisieren d(t)-d(t-1) = (r-g) * d(t-1) – pb(t) Abbildung 24: Nettoverschuldung/BIP-stabilisierende Inflation wobei d die Verschuldungsquote zum Zeitpunkt t ist, r der Realzins, g die reale BIP-Wachstumsrate und pb der Primärsaldo. Aus der Gleichung folgt schlicht und einfach: • Ist die reale Wachstumsrate (g) höher als der Realzins (r) und 2014–2030S 250% 200% der Primärsaldo gleich null, nimmt die Verschuldungsquote mit der Zeit ab. • Ist die reale Wachstumsrate (g) niedriger als der Realzins (r), muss die Regierung zur Stabilisierung der Verschuldungsquote (d. h. zur Sicherstellung, dass d(t) = d(t1)) einen Primärüberschuss erzielen. Der erforderliche Überschuss ist umso größer, je höher die bestehende Verschuldungsquote und je größer die Differenz zwischen dem Realzins und der realen Wachstumsrate. Die Tragbarkeit der Schulden ist demnach über mehrere Kanäle zu erreichen: (1) straffere Fiskalpolitik, also größerer Primärüberschuss; (2) niedrigerer Realzins; (3) höhere reale Wachstumsrate; und/oder (4) höhere Inflationsrate, die das nominale BIP steigert und dadurch die Verschuldungsquote über den Nenner verringert. 150% 100% 50% 0% 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 Inflation = 0% Inflation = 2% Inflation = 3% Inflation = 4% 2030 Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten von Bloomberg, Internationalem Währungsfonds, World Economic Outlook Database, Oktober 2014. 18 Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation Höheres nominales Wachstum: niedrigere Verschuldungsquote Abbildung 25: Nominales GDP / Verschuldungsquote Q1 2000–Q2 2015 250 Verschuldungsquote in % 200 150 100 50 0 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 Nominales BIP (2000 = 100) Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Japan Cabinet Office, Bank of Japan. Strukturreformen können zwar das potenzielle reale Wachstum steigern, doch eins steht fest: Der größte Effekt muss von der Inflation kommen. Vorstehende Grafik, die eindeutig eine negative Beziehung zwischen Japans nominalem BIP und seiner Verschuldungsquote ausweist, bestätigt, dass höheres nominales Wachstum eine effektive Möglichkeit wäre, eine tragbare Verschuldung zu erreichen. Anders formuliert: Höhere Inflation ist in Japan nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, um die Tragbarkeit der Schulden zu gewährleisten. Das gilt umso mehr angesichts der naturgegebenen Ungewissheit um den Erfolg des Strukturreformprogramms. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 19 5. Fazit Zieht die globale Konjunktur 2016 an, sollten japanische Unternehmen besser aufgestellt sein, vermehrt zu investieren und einzustellen. Der ohnehin angespannte Arbeitsmarkt sollte zu rascheren Lohnsteigerungen beitragen. Der Lohndruck hat bereits leicht zugenommen. Anhaltende politische Überzeugungsarbeit könnte ihn erhöhen. Bezüglich des Wachstumsausblicks sollte auch das unlängst geschlossene TPP-Handelsabkommen dem japanischen Unternehmenssektor zugutekommen und das Wachstum fördern. Gleichzeitig gibt es noch spürbaren Gegenwind. Der projizierte alterungsbedingte Rückgang der Erwerbsbevölkerung erfordert nachhaltige, entschlossene Anstrengungen zur Erhöhung von Erwerbsquote, Produktivität und Investitionen. Veränderungen der Inflationserwartungen und des Lohnabschlussverhaltens nach zwei Jahrzehnten mit Inflationsraten nahe null fallen schwer und könnten eine weitere Lockerung der Geldpolitik erfordern. Dynamischeres reales Wachstum und höhere Inflation sind absolut notwendig, um die Tragbarkeit der Verschuldungsquote zu sichern. Angesichts der Widerstände dürfte die Geldpolitik vorerst extrem locker bleiben. Voraussichtlich könnten die QQEMaßnahmen noch aufgestockt werden – sowohl mengenmäßig als auch bezüglich der Zusammensetzung der von der BOJ aufgekauften Anlagen. Angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass die Fed die geldpolitischen Zügel in 20 den kommenden Monaten allmählich anzieht, gilt voraussichtlich ferner, dass Japan auf absehbare Zeit einen andere Geldpolitik verfolgen wird als die USA. Das sollte zusätzlich Druck auf den Yen ausüben und die Renditen von JGBs in Schach halten, bis Japan bei Wachstum und Inflation klarere und überzeugendere Ergebnisse vorweisen kann. Japans Politiker verfolgen die richtige Strategie und sind offenbar fest entschlossen, sie umzusetzen. Die Ergebnisse sind zwar bislang durchwachsen – teils aufgrund der ungünstigen äußeren Umstände –, doch Lohndynamik, Inflationserwartungen und Wachstum gehen in die richtige Richtung. Politik und Konjunkturindikatoren zeigen einen Bruch mit der Vergangenheit an, der jedoch im Falle der Indikatoren deutlich krasser ausfällt. Auch Japans Unternehmenssektor passt sich allmählich an. Angesichts der robusten Produktivitätssteigerungen und der globalen Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen, noch unterstützt durch einen schwächeren Yen, sind weitere Fortschritte bei Inflation und Wachstum wahrscheinlich, wenn sich die globalen Rahmenbedingungen 2016 verbessern. Es ist aber schwer, Wachstum und Inflation herbeizuführen, und dürfte noch längere Zeit geldpolitische Unterstützung erfordern, was sich in einem schwächeren Yen und anhaltend niedrigen Bondrenditen niederschlägt. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation WELCHE RISIKEN BESTEHEN? Alle Anlagen sind mit Risiken behaftet, auch einem möglichen Verlust der Anlagesumme. Bei Anleihen entwickeln sich Kurse und Zinsen in aller Regel gegenläufig. Da sich die Kurse der Anleihen in einem Anlageportfolio an steigende Zinsen anpassen, kann der Wert des Portfolios fallen. Mit ausländischen Anlagen sind besondere Risiken verbunden wie Wechselkursschwankungen, wirtschaftliche Instabilität und politische Entwicklungen. 1. Quelle: Internationaler Währungsfonds, World Economic Outlook, Oktober 2015. 2. Basierend auf der inflationsstabilen Arbeitslosenquote (NAIRU). 3. Quelle: Bloomberg, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, China REER Broad, August 2014 bis August 2015 (im Jahresvergleich). 4. Abgesehen von einem kurzen Zeitraum 1997, als die Regierung die Mehrwertsteuer erhöhte. 5. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.” 6. Quelle: Botman, Danninger und Schiff, „Can Abenomics Succeed? Overcoming the Legacy of Japan’s Lost Decades”, IWF, 2015. 7. Quelle: UN-Bevölkerungsabteilung; World Population Prospects: The 2015 Revision. 8. Quelle: Giovanni Ganelli und Naoko Miake, „Foreign Help Wanted: Easing Japan’s Labor Shortages”, Arbeitspapier IWF, Juli 2015. 9. Quelle: ManpowerGroup, 2015 Talent Shortage Survey. 10. Quelle: Giovanni Ganelli und Naoko Miake, „Foreign Help Wanted: Easing Japan’s Labor Shortages”, Arbeitspapier IWF, Juli 2015. 11. Quelle: Berechnungen von Templeton Global Macro anhand von Daten des Internationalen Währungsfonds, World Economic Outlook. 12. Der Bruttofinanzierungsbedarf ist definiert als Summe des staatlichen Haushaltsdefizits zuzüglich fälliger Verbindlichkeiten. 13. Quelle: Bank of Japan. 14. Quelle: Bloomberg, vom 31.12.12 bis einschließlich 10.10.15. 15. Wie in The Wall Street Journal berichtet. 16. Quelle: Internationaler Währungsfonds. 17. Quelle: Ministerium für Inneres und Kommunikation, Labour Force Survey. 18. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.” 19. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.” 20. Quelle: Japanisches Finanzministerium, Bank of Japan. 21. Quelle: Internationaler Währungsfonds, „Japan 2015 Article IV Consultation – Staff Report.” Für die Abbildungen 1, 6 und 24 gibt es keine Garantie, dass sich eine Schätzung oder Projektion bewahrheitet. Weitere Informationen zu Datenanbietern auf www.franklintempletondatasources.com. Global Macro Shifts: Japan: im Streben nach Wachstum und Inflation 21 WICHTIGE HINWEISE Dieses Material ist lediglich als allgemeine Information gedacht und nicht als Rechts-, Steuer- oder Anlageberatung bzw. empfehlung anzusehen; es handelt sich hierbei auch um kein Angebot von Anteilen, keine Aufforderung zur Zeichnung von Anteilen oder zur Andwendung einer Anlagestrategie. Die wiedergegebenen Ansichten sind die des Investmentmanagers. 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