Nicht ein Knacks

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Statt über eine durchgehende Glasfront verfügt der Bullaugen-Niveaustandanzeiger über metallverschmolzene
Schaugläser. Für die Bullaugen des Füllstandanzeigers werden statt üblicher Borosilikatgläser Sichtscheiben
aus AR-Glas, einer alkaliresistenten Faser, verwendet.
Sie sind mit einem Ring aus hochbeständigem Hastelloy verschmolzen. Alle Bullaugen-Schaugläser haben einen Durchmesser von 22 mm und eine Dicke von 39 mm. Sie sind in einen Anzeigekörper aus Super-DuplexEdelstahl (Vollmaterial) eingeschraubt, gegenüberliegende Paare dabei um 90° versetzt angeordnet.
Füllstandmessung bei Erdgas: Bullaugen-Anzeiger widerstehen dem Extremdruck
Nicht ein Knacks
Erdgas gilt als ein Energieträger der Zukunft,
weltweit werden Erschließung und Abbau
von Lagerstätten vorangetrieben. Selbst bei
der Erdölförderung spielt das Erdgas eine
Rolle. Die lokalen Förderbedingungen verlangen nach einer robusten Technik, auch
bei den Messgeräten. Eine besondere Herausforderung ist die Füllstandskontrolle in
den Gastanks, in denen ein extremer Druck
und eine niedrige Mediumsdichte gleichzeitig auftreten. Das Messgerät muss eine immense Festigkeit aufweisen.Dafür wurde
jetzt eine Spezialkonstruktion entwickelt:
ein Niveaustandanzeiger
Der Autor:
mit Bullaugen aus metallverschmolzenem Glas.
500 km vor der Nordwestküste Australiens, in
Dieter Hägele,
der Timorsee, erstrecken
Produktmanagement, sich die beiden Erdölfelder
KSR Kuebler Niveau- Laminaria und Corallina.
Messtechnik
Beide waren Mitte der
1990er Jahre entdeckt worden. Ihr RohstoffVorkommen wird über eine FPSO (Floating
Production, Storage and Off-loading Unit)
abgebaut, Betreiber ist ein australisches Firmenkonsortium. Solch schwimmende
Bohrplattformen werden vor allem zur Ausbeutung kleinerer Fundstätten eingesetzt
und anschließend zum nächsten Einsatzort
geschleppt.
Herausforderung
Füllstandüberwachung
Im Fördergebiet von Laminaria und Corallina liegt die „Northern Endeavour“ vor Anker. Die 273 m lange Plattform in Doppelrumpf-Konstruktion nimmt über Sammelleitungen Öl und Gas aus mehreren Bohrlöchern auf. Sie hat eine Tageskapazität von
180.000 Barrel und ein Lagervolumen von
1,4 Mio. Barrel. Das gebunkerte Öl wird
später auf Tanker gepumpt und zur Weiterverarbeitung verschifft.
Die Füllstandüberwachung der Tanks auf
einer FPSO birgt angesichts der rauen Bedingungen einige Herausforderungen. KSR
Kuebler, ein Unternehmen der Wika Gruppe, erhielt den Auftrag, die Northern
Endeavour mit dem entsprechenden Instrumentarium auszurüsten. Dabei handelt es
sich um Bypass-Niveaustandanzeiger aus
Edelstahl DIN 1.4529 (6 Mo), der zur Familie der Super-Duplex-Stähle zählt. Dieser
rostfreie Werkstoff zeichnet sich durch eine
besondere Seewasserbeständigkeit aus und
gewährleistet eine Einsatzdauer von bis zu
20 Jahren. Diese Spanne entspricht dem Betriebszyklus einer FPSO.
Messtechnik für eine Bohrplattform ist
keine Katalogware. Allerdings können die
meisten Aufgaben mit Variationen bestimmter Typen und Messmethoden erfüllt
werden. Das gilt auch für den Einsatz in der
Offshore-Erdölförderung. Im vorliegenden
Fall musste allerdings eine außergewöhnlich
Bilder: Wika
Metallverschmolzene Gläser
als Einbauelement
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CHEMIE TECHNIK · November 2015
Glasanzeige in
Bullaugenausführung
harte Nuss geknackt werden: die Füllstandanzeige für die Gas Reinjection Unit.
Gas für Förderprozess genutzt
Bei der Erdölförderung werden Rohöl und
Erdgas gemeinsam aus der Tiefe geholt. Das
Gas wird dabei in vielen Fällen schlicht abgefackelt. Auf einer FPSO jedoch nutzt man
es für den Förderprozess. Das Gas wird separiert und in die Reinjection Unit geleitet,
dort zwischengespeichert und wieder in die
Lagerstätte zurückgepresst. Es unterstützt
die Förderung, indem es das Öl herausdrückt. Auf diese Weise kann die Pumpleistung reduziert werden.
Bei der Rückführung des Gases herrscht
ein Arbeitsdruck von 315 bar. Das Medium
selbst weist zugleich eine niedrige Dichte
auf. Für die Füllstandmesstechnik ergab sich
daraus ein Problem: Die Aufgabe war mit
keiner Variation existierender Geräte zu lösen. Magnetanzeiger mit Schwimmer hätten
zwar ein stabiles Gehäuse, das einen Druck
von 315 bar aushielte – im Gegensatz zum
Schwimmer, der bei verflüssigtem Gas sehr
leicht sein müsste und daher nur begrenzt
durabel wäre. Bei einem Schauglasanzeiger
entfiele zwar das Schwimmerproblem, die
Glasfront allerdings würde dem herrschenden Druck niemals standhalten.
Da Messsysteme mit Schwimmern auf
jeden Fall ausschieden, konzentrierten sich
die Überlegungen auf eine Alternativanzeige
hinter Glas. Der Schiffbau lieferte das Vorbild: Bullaugen. Statt über eine durchgehende Glasfront verfügt der Niveaustandanzeiger über metallverschmolzene Schaugläser.
Dabei handelt es sich um Metaglas der Firma Herberts Industrieglas, die das System in
den 1980er Jahren auf den Markt gebracht
hatte: Eine Sichtscheibe wird in einen Metallring eingeschmolzen, somit entfällt eine
Dichtung als Risikofaktor bei Hochdruckan-
wendungen. Die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten von Glas und
Metall bewirken einen homogenen Druckspannungszustand im gesamten Glaskörper.
Dadurch verhält sich das Schauglas als Verbund wie ein zäher Werkstoff, der ein Totalversagen wie Bruch nahezu ausschließt.
Für die Bullaugen des Füllstandanzeigers
werden statt Borosilikatgläser Sichtscheiben
aus AR-Glas, einer alkaliresistenten Faser,
verwendet. Sie sind mit einem Ring aus
hochbeständigem Hastelloy verschmolzen.
Alle Bullaugen-Schaugläser haben einen
Durchmesser von 22 mm und eine Dicke
von 39 mm. Sie sind in einen Anzeigekörper
aus Super-Duplex-Edelstahl (Vollmaterial)
eingeschraubt, gegenüberliegende Paare dabei um 90° versetzt angeordnet. Dies gewährleistet eine durchgängige und aus allen
Richtungen gut sichtbare Anzeige.
Für den Einsatz auf der Northern Endeavour wurden drei solcher Bullaugen-Messgeräte geliefert. Jedes ist 1,20 m lang, 200 kg
schwer und wird an zwei Flanschen am Tank
befestigt. In den Behälter gelangt unter Extremdruck verflüssigtes Erdgas, der Kompressor zur Rückführung transportiert allerdings nur Gas. Mit dem Bullaugenanzeiger
muss also das Kondensieren des Gases kontrolliert werden: Die Flüssigkeit im Tank
darf ein bestimmtes Niveau nicht überschreiten, damit immer ausreichend Gas zur
Ölförderung zur Verfügung steht.
Die gleiche Aufgabe können die Anzeiger
auch bei der Erdgasförderung an Land erfüllen. Da hierbei der Aspekt Seewasserbeständigkeit entfällt, können der Korpus und der
Metallring der Sichtscheibe aus preiswerteren Werkstoffen gefertigt werden, zum Beispiel aus Edelstählen 1.4571 oder 1.4404.
Abgesehen von der Gasförderung eignen
sich die Schauglasanzeiger in BullaugenAusführung generell für den Einsatz in
Höchstdruckanlagen. Im Test hatten die
Schaugläser erst ab 1.500 bar innere Brüche
im Glaskörper gezeigt, diese führten jedoch
nicht zu Undichtigkeiten. Die Geräte können
bei Nenndrücken bis 400 bar und Testdrücken bis 600 bar eingesetzt werden. Diese
Auslegung hat der TÜV Südwest bestätigt.
In der Praxis hat sich der Gerätetyp
ebenfalls bewährt: Die Bullaugen-Anzeiger
auf der Northern Endeavour in der Timorsee sind seit 15 Jahren im Einsatz – ohne
Beanstandungen.
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SPS/IPC/Drives Halle 4A – 411
Hier geht’s zur Homepage des
Anbieters: www.chemietechnik.
de/1511CT605 oder QR-Code
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