Samstag, 19. März 2016 Focus 27 RANDNOTIZ Mental sind wir doch PapierDinosaurier Bild: Andrea Stalder Als wär’s eine wertvolle Schmuckkollektion: Fabia und Laura Löw (r.) mit Schokoladekreationen im Verkaufsraum in der St. Galler Vinothek Weinstein. Die Schoggi-Juwelierinnen Erst trennten sich die Berufswege der Thurgauer Schwestern Laura und Fabia Löw. Doch die Beziehung war stärker. So gründeten die beiden 2014 in St. Gallen eine Schokolade-Manufaktur, in der sie vegane Schokolade produzieren. BEDA HANIMANN Am langen Holztisch in der Vinothek Weinstein glitzert und strahlt es. Packungen in leuchtendem Gold, Mint und Flamingorosa liegen da, und die zwei Frauen am Tisch strahlen, als würden sie eine Schmuckkollektion präsentieren. Doch diesen Schmuck hängt man sich nicht um den Hals, man lässt ihn genüsslich auf der Zunge zergehen. Auf den Packungen ist der formelle Produktionsvermerk zum Versprechen erweitert. «Made in Switzerland with love» steht da. Die zwei Frauen, die ihre Liebe in Schokolade, Pralinés und Prügeli giessen, sind Laura und Fabia Löw, Schwestern aus dem Thurgau mit Jahrgang 1985 und 1987. Im August 2014 haben sie in St. Gallen ihr Schokolade-Atelier «Löw Delights» gegründet, zum Valentinstag des letzten Jahres stellten sie ihre erste Kreation vor: die «lettres d’amour», ein Set aus drei Tafelschokoladen mit aphrodisierenden Zutaten. Das Erbe der Grosseltern Die Geschichte der Schokolade-Manufaktur ist auch die Geschichte einer engen Schwesternbeziehung. Mit dem Einstieg ins Berufsleben trennten sich ihre Wege vorerst. Laura Löw machte eine kaufmännische Ausbildung und später den Bachelor in mehrsprachiger Kommunikation, dann arbeitete sie in Genf. Fabia Löw lernte Köchin und hängte eine Zusatzlehre als Konditorin-Confiseurin an, danach war sie mehrere Jahre in «Vreni Gigers Jägerhof» für Vorspeisen und Desserts zuständig. «Wir haben unterschiedliche berufliche Hintergründe», sagt Laura Löw, «aber von der Art her sind wir uns ähnlich.» So festigte sich irgendwann die Idee, gemeinsam etwas aufzubauen. Und weil die beiden auch die Leidenschaft für die schönen und guten Dinge des Lebens teilen, war der Entschluss bald gefasst: «Let’s go for chocolate», wie Fabia Löw es formuliert. Sie ist für die Produktion zuständig, ihre Schwester kümmert «Zu unserer Geschichte gehört auch die Geschichte unserer ‹nonni›.» Fabia Löw Löw Delights sich um Administratives, Verpackung, Vertrieb und dergleichen des süssen Unternehmens – mit dem sich die Löw-Schwestern in der Tradition ihrer Grosseltern sehen. Die stellten bis in die 70er-Jahre hinein in Amriswil ex- klusive Schuhe her. «Das hat uns immer fasziniert», sagt Laura Löw. «Zu unserer Geschichte gehört auch die Geschichte unserer ‹nonni›», ergänzt Fabia Löw. Die Klaviatur des Genusses Die Vertrautheit der Schwestern ist auch im Gespräch spürbar. Sie ergänzen sich in ihren Ausführungen, ohne sich ins Wort zu fallen, manchmal sagt die eine: «Das kannst du dann erzählen.» Und man kann sich lebhaft vorstellen, wie munter es zugehen muss, wenn die beiden in ihrem Schokolade-Atelier neue Kreationen austüfteln. Kreationen wie die «lettres d’amour», für die sie Rosenblätter und Rosenöl, Tonkabohnensplitter und kandierten Ingwer verwenden. Wie die Meteoriten, bei denen Kardamom, Zimt, Caramel und Schokolade eine spanische Marcona-Mandel umhüllen. Wie die Löwenküsse mit ihrer cremigen Füllung. Oder wie der Aufstrich mit karamellisiertem Kakao oder Haselnüssen. Das sind die Liebesgaben, mit denen die Löw-Schwestern frischen Wind in die Schokoladenwelt bringen. Flüssig, cremig, knackig, ein Reigen unterschiedlicher Aromen: Das ist die Klaviatur des Genusses, auf der Laura und Fabia Löw spielen. «Jeder Kakao hat andere Eigenschaften. Das macht es spannend.» Laura Löw Löw Delights Ihr unternehmerisches Credo formuliert Laura Löw als Leidenschaft, die keine Leiden schafft. «Wir wollen keinen Nutzen ziehen aus etwas, das jemandem weh tut.» Das bedeutet, dass sie Kakao aus fairem Handel bezie- Schokolade Zwei interessante Nischenproduzenten In der Welt der Schokolade gibt es auf der einen Seite die industrielle Grossproduktion, die die schnelle und tägliche Lust nach Süssem befriedigt. Und auf der andern in wachsender Zahl auch Nischenproduzenten, welche Schokolade als exklusives Gourmetprodukt verstehen. Zu ihnen gehört der bekannte Musiker, Fleisch- und Weinproduzent Dieter Meier mit seinem Projekt einer nach einem neuen Verfahren produzierten Extravergine-Schokolade. Entwickelt wurde sie vom St. Galler Neuheitentüftler Roland Laux und dem Aromaforscher Tilo Hühn von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil. Statt gerösteter Kakaobohnen kommt dabei kalt extrahierter Kakao zum Einsatz. Roland Laux, Neuheitentüftler und Schokoladerevolutionär Das schont das Aroma, die Schokolade schmeckt fruchtiger, frischer, intensiver. Neue Wege gehen auch Christoph Inauen und Eric Garnier mit der Choba Choba AG in Bern. Die Firma bindet die Kakaoproduzenten ein. 35 Bauern aus Peru sind beteiligt, bis 2020 sollen sie mindestens 33 Prozent der Firma besitzen. Vier Prozent des Umsatzes gehen direkt an die Bauern. Die Firma lanciert alle zwei Monate eine neue Box mit drei Tafeln, die aus einer einzigen Kakaosorte einer Familienfarm produziert werden. (Hn.) hen, kein Palmöl verwenden und hauptsächlich vegan produzieren. Und dass ihre neue Osterkreation, die Haselnuss-Truffes mit dem Namen Goldenei, auch einen tierschützerischen Nebeneffekt hat. Ein Franken pro Ei kommt dem Huhn Antonia zugute, das auf einem Gnadenhof im Zürcher Oberland seinen Lebensabend geniessen kann und nicht wie viele Artgenossinnen nach der strapaziösen Zeit als Eierlieferantin entsorgt wurde. Man staunt: Die Zukunft des Buches heisst nicht E-Book. Neuste Zahlen belegen, dass die Euphorie des Lesens am Minibildschirm abgeflaut ist. Trotz einstellbarem Rascheln beim Umblättern, diversen Notizzettelchen und Suchfunktionen stagniert der Umsatz der elektronischen Bücher. In den USA gingen die Verkäufe im letzten Jahr um 7,5 Prozent zurück. In Deutschland wurden zwar auch 2015 mehr E-Books abgesetzt als im Vorjahr, aber der Zuwachs fiel mit 4,7 Prozent weit unter den Erwartungen aus. War’s das also schon mit dem als ach so praktisch angepriesenen Allzweck-Lesegerät, das Hunderte von Romanen klickbereit hält? Sind wir technologiefaule Papier-Dinosaurier? Die Buchbranche jedenfalls druckt munter Bücher auf Papier, bietet die E-Books als kostengünstige Alternative an. Der Blick über den grossen Teich in die USA lohnt sich: Dort stagniert der Umsatzanteil der E-Books am gesamten Buchverkauf bei 15 Prozent – obwohl 30 Prozent der Titel als E-Books abgesetzt werden. Das heisst: E-Books sind vor allem bei Massenverkäufern mit Niedrigpreisstrategie verbreitet. Technologie-Gurus sind schon wieder am Prophezeien: Das E-Book werde einen neuen Aufschwung erleben, wenn es nicht mehr nur Notizzettelfunktionen anbietet, sondern mit Internetlinks zur multimedialen Gesamterfahrung wird. Mag ja sein. Für die geliebten Romane aber braucht man nichts zu befürchten. Da will man nämlich kaum auf einen Stadtplan oder ein Landschaftspanorama klicken. Man könnte ja sonst gleich ein Bilderbuch kaufen. Hansruedi Kugler Mit Geschmacksnoten spielen Von der Produktion bis zur Verpackung erledigen Laura und Fabia Löw alle Arbeitsschritte selber und in Handarbeit im Atelier, das im St. Galler Hotel Einstein eingemietet ist (erhältlich sind die Produkte in der benachbarten Vinothek). Die Rohschokolade beziehen sie jedoch von Max Felchlin, einem der wenigen Schweizer Schokoladeproduzenten. «Natürlich wäre es reizvoll, von der Bohne bis zur Tafel alles selber zu machen», sagt Laura Löw. Weil das aber sehr aufwendig ist, sind die beiden glücklich, sich auf einen Spezialisten verlassen zu können. Die Rohstoffe stammen aus Java, der Dominikanischen Republik und Madagaskar. «Jeder Kakao hat seine Eigenschaften, das macht es spannend», sagt Laura Löw. «Wenn ein Kakao auf sandigen, erdigen Böden eines Vulkangebiets wächst, dann spürt man diese Geschmacksnoten auch in der Schokolade», ergänzt die Schwester. «So ein Kakao harmoniert sensationell mit Whisky.» Und da ist es wieder, das Strahlen in den Augen der beiden Schokolade-Juwelierinnen. www.loewdelights.com UND DAS NOCH Abrakadabra für Köppel «Schweiz entköppeln»: Eine vom Zürcher Theater Neumarkt ermöglichte, ziemlich missglückte Aktion des Künstlers Philipp Ruch hat nicht nur 800 000 online hinterlegte Verfluchungen des SVP-Nationalrats erbracht, sondern auch jede Menge Ärger. Ihr Initiant ist aber keineswegs beunruhigt. Und er erklärt, man wolle Roger Köppel nicht schaden, sondern ihn nur vom Geist des Nazi-Propagandisten Julius Streicher befreien. Vielleicht hätte da jenes «Abrakadabra» genügt, von dem gerade eine Ausstellung in der Stiftsbibliothek zur Medizin im Mittelalter erzählt. Der Aberglaube, der damals seinen Weg aufs Pergament nahm, findet heute im Internet statt. (R. A.)
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