Porträt | display Gay Nursing Unterwegs mit der schwulen Spitex Sie sind die guten Samariter pflegebedürftiger Gays: Christoph Bucher und François Fauchs. Das Duo von Gay Nursing sorgt bei seinen Klienten für ein Stück schwulen Alltag im Alter. Text | Nathan Schocher Ich treffe die Spitex-Mitarbeiter Christoph Bucher und François Fauchs morgens um 7.45 Uhr im Zürcher Kreis 3 in ihrem Büro, in einem einladenden und hellen Raum. Dieses sei nicht nur ihretwegen so freundlich eingerichtet worden, sondern diene auch dazu, einige ihrer psychiatrisch pflegebedürftigen Klienten mal aus dem Haus zu locken, erklärt François. Ein Übriges tut der fröhlich wedelnde Hund, der den Raum ebenfalls belebt. Um acht treffen wir Sigi, den wir aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen jedoch zu Hause besuchen. Er hat sich bereit erklärt, mich an seinem Morgenritual teilnehmen zu lassen. Denn wie ein Ritual ist jeder Besuch von Gay Nursing aufgebaut, das schätzen die Klienten. Auch Sigi schätzt es, nicht jedes Mal aufs Neue erklären zu müssen, welche Unterstützung er benötigt. Bei der städtischen Spitex mit naturgemäss viel mehr Angestellten sind Wechsel häufiger; dazu kommt, dass im Pflegebereich viele Frauen arbeiten. Für manchen älteren Schwulen ist es nicht einfach, sich im Intimbereich von einer Frau berühren zu lassen. Sigi und Pfleger Christoph haben dagegen einen sichtlich entspannten Umgang miteinander, scherzend ist Christoph dem halbseitig gelähmten Sigi beim Aufstehen und bei der Morgentoilette behilflich. Auch ich als unbeholfener Beobachter im Hintergrund werde gleich aufgefordert, näher zu treten, er habe nichts zu verbergen, findet Sigi. Damit meint er auch die FetischOutfits seines Freundes, die wie einige andere Utensilien in der gemeinsamen Wohnung beim weiblichen Spitex-Personal immer wieder Fragen und Erstaunen auslösten. Sigi geniesst dank der schwulen Spitex den Luxus, gewisse Dinge nicht thematisieren zu müssen, und mir wird langsam klar, Gay Nursing hat mit Sexualität wenig, aber dafür viel mit einer stillschweigenden «Komplizenschaft» zu tun. Auf die Idee, in der Spitex Goldbrunnen speziell Gay Nursing anzubieten, kam François, als er nach einem Unfall im Spital selbst auf Pflege angewiesen war. Denn schwule Patienten leiden an doppelter Stig- Foto | Spyros Petridis Sozialer Einsatz für schwule Patienten: Christoph (l.) und François von Gay Nursing. matisierung: durch die Pflegebedürftigkeit und durch die nicht der Norm entsprechende sexuelle Orientierung. Und jemand, der sich stigmatisiert fühlt, hat schlechtere Aussichten auf Gesundung als jemand, der sich gut betreut und verstanden fühlt. «Gerade bei psychisch kranken Patienten ist es extrem chem Erfahrungshintergrund wie er selbst. Diese Lücke kann Gay Nursing nicht füllen. Aber François und Christoph können ihre Klienten im schwulen Alltag ein Stück begleiten. Das kann von der Körperpflege über die Einkaufshilfe bis zum gemeinsamen Besuch in einem Gay-Café gehen, der etwa einem Für viele ältere Schwule ist es nicht einfach, sich im Intimbereich von einer Frau berühren zu lassen. wichtig, den gesamten Hintergrund des Patienten gut zu kennen, um ihn in die Pflege mit einbeziehen zu können», sagt François. Von vielen Patienten beklagt wird jedoch das Fehlen von Tagesstrukturen für ältere oder pflegebedürftige schwule Männer. So verbringt der auf den Rollstuhl angewiesene Sigi den Tag mit vielen weiblichen, zum Teil massiv älteren Patienten im Alterszentrum. Es fehlt ihm an Gesprächspartnern mit ähnli- psychisch kranken Patienten schwerfällt. Dabei ist jede Dienstleistung natürlich dem Ziel der Heilung des Patienten untergeordnet. So gefällt den beiden Pflegern an ihrem anstrengenden Job immer noch die spannende Vielfalt ihrer Arbeit. Und bestimmt auch die heiteren Gespräche mit Sigi, denke ich mir beim Abschied und überlege mir zum ersten Mal in meinem Leben, wie ich mir eigentlich mein eigenes Alter vorstelle … dezember | 19
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