Klett Lektüre easy - Nathan der Weise

Georg Patzer
Klett Verlag
Stuttgart Düsseldorf Leipzig
Autor: Georg Patzer
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2003. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung
für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
Gotthold Ephraim Lessing
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Lektüre easy
Nathan der Weise
von
Seite aus: Nathan der Weise
Klett-Nr: 3-12-928095-2
1
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
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Auflage 4. 3. 2. 1. | 2004 2003 2002 2001
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Druck: Wilhelm Röck, Weinsberg
ISBN: 3-12-928095-2
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Nach folgender Textausgabe wird zitiert:
Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise, Stuttgart (Reclam) 2000.
2
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Inhalt
■ Der Inhalt in Kürze – 4
■ Überblick über den Aufbau des Stücks – 5
■ Die Personen – 24
Nathan / Recha / Daja / Der Tempelherr / Saladin / Sittah /
Al-Hafi / Der Patriarch / Der Klosterbruder / Das Gefüge
der Personen
■ Themen – 35
„Nathan der Weise“ als Drama der Aufklärung / Die Erziehung
zur Einsicht / Der Dialog als erzieherisches Mittel / Praktische
Vernunft und Gefühl / Handeln als Ausdruck von Vernunft und
Unvernunft / „Menschen“ und „Freunde“ / Die Liebe / Religion
und Toleranz / Die Ringparabel
■ Stil und Aufbau – 56
Tragödie oder Komödie / Aufbau / Versform / Sprache und
Dialogform / Poetische Struktur
■ Lessings Leben und Werk – 63
■ Literaturverzeichnis – 64
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■ Der Gang der Handlung – 7
3
Es geht um den reichen jüdischen Kaufmann Nathan, der in Jerusalem
zur Zeit der Kreuzzüge lebt. Damals lebten Juden, Christen und
Moslems in dieser für alle drei heiligen Stadt, die Oberherrschaft hatte Sultan Saladin, das Stück spielt während einer Zeit des
Waffenstillstands.
Bei der Rückkehr von einer Geschäftsreise erfährt Nathan vom Brand
seines Hauses und der Rettung seiner Tochter Recha durch den
Tempelherrn. Der, vom Sultan wegen der Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Bruder Assad begnadigt, wirft sich vor, dass er eine Jüdin
gerettet hat, verliebt sich aber in sie und will sie heiraten.
Der Sultan möchte von Nathan Geld borgen und stellt ihm zur Probe
die Frage, welche Religion die wahre sei. Nathan erzählt als Antwort
die Parabel von den drei Ringen und bringt damit den Sultan zur
Einsicht in die Humanität.
Die christliche Gesellschafterin Daja erzählt dem Tempelherrn, dass
Recha eigentlich eine Christin ist, Recha verrät sie, dass Nathan nicht
ihr richtiger Vater ist. Sie will, dass der Tempelherr sie und Recha nach
Europa bringt. Der christliche Patriarch sagt, ein Jude, der eine
Christin als Jüdin aufzieht, gehört auf den Scheiterhaufen.
Nathan erfährt den Namen des Tempelherrn, bekommt ein Buch von
Rechas Vater in die Hand, erkennt die Verhältnisse, nach denen
Recha, der Tempelherr und der Sultan miteinander verwandt sind, und
führt die Personen zu einem glücklichen Ende zusammen.
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Gotthold Ephraim Lessing erzählt in seinem Stück „Nathan der Weise“
eine Geschichte aus einer fernen Zeit, aber gleichzeitig stellt er in
historischem Gewand auch Zustände seiner Zeit dar.
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Der Inhalt in Kürze
4
Im 2. Aufzug, der Steigerung oder Entwicklung, treten der Sultan
Saladin und seine Schwester Sittah auf, und Nathan beginnt mit der
Erziehung des Tempelherrn. Der Derwisch verabschiedet sich.
Die Wende oder Peripetie im 3. Aufzug zeigt eine mögliche Lösung.
Der christliche Tempelherr könnte das jüdische Mädchen Recha heiraten und Nathan dem Sultan mit Geld aushelfen, aber neue
Schwierigkeiten, die Zurückweisung der Werbung durch Nathan und
der Verrat Dajas führen zu neuen Verwicklungen. Die Erzählung der
Ringparabel führt zu einer anderen Wende.
Die Umkehr oder Krise im 4. Aufzug führt fast zu einem tragischen
Schluss, als der Tempelherr Nathan beim Patriarchen denunziert und
ihn beim Sultan anklagt. Nathan erzählt, dass Christen vor vielen
Jahren seine Familie brutal ermordet haben. In der Umkehr wird aber
auch der harmonische Schluss angekündigt: Der Klosterbruder erinnert Nathan daran, dass er ihm einmal ein Kind gebracht hat, und verhilft ihm so zur Erkenntnis der wahren Verhältnisse.
Die Lösung im 5. Aufzug, dass Sultan, Tempelherr und Recha verwandt sind, leitet über zum harmonischen Schluss.
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Im 1. Aufzug, der Einleitung oder Exposition, werden die wichtigsten
Personen vorgestellt, Nathan und der Tempelherr, Recha, Daja und
der Derwisch Al-Hafi treten auf. Die unmittelbare Vorgeschichte wird
erzählt, die Konflikte werden genannt: die Geldnot Saladins, die
Bedrohung Nathans, das Verhältnis zwischen Juden, Christen und
Moslems in Jerusalem und das Missverhältnis von Schwärmerei und
Vernunft.
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Überblick über den Aufbau des Stücks
5
Inhalt/Themen
1. Aufzug
Exposition/
Einleitung
Die Personen werden vorgestellt,
Nathan, Recha, Daja, der Tempelherr
und der Derwisch treten auf, die
unmittelbare Vorgeschichte wird
erzählt, die Konflikte werden gezeigt,
die Themen angerissen.
2. Aufzug
Steigerung/
Entwicklung
Der Sultan Saladin und seine Schwester
treten auf, Nathan beginnt mit der
Erziehung des Tempelherrn, der Derwisch verabschiedet sich.
3. Aufzug
Peripetie/
Wende
Als mögliche Lösung aus dem Konflikt
wird die Heirat zwischen dem Tempelherrn und Recha gezeigt. Neue
Schwierigkeiten treten auf. Nathan
weist die Werbung des Tempelherrn
zurück, Dajas Verrat führt zu einer
neuen Bedrohung; Nathan erzählt die
Ringparabel.
4. Aufzug
Umkehr/Krise Der Tempelherr denunziert Nathan
beim Patriarchen und klagt ihn beim
Sultan an, der Klosterbruder hilft, die
Vorgeschichte Nathans wird erzählt.
5. Aufzug
Lösung
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Der harmonische Schluss: Recha,
der Tempelherr und der Sultan sind
miteinander verwandt.
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Abschnitt
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Aufzug
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Die Personen
Nathan, ein jüdischer Kaufmann
Recha, seine angenommene Tochter, eine Christin
Daja, die Gesellschafterin Rechas, eine Christin
Curd von Stauffen, ein junger Tempelherr und Christ
Saladin, Sultan von Ägypten und Syrien
Sittah, Saladins Schwester
Al-Hafi, ein Derwisch, Schatzmeister des Sultans
Der Patriarch von Jerusalem
Ein Klosterbruder
Mehrere Boten
Vorgeschichte
Die Vorgeschichte der Handlung, die erst während des Stücks erzählt
wird, ist wichtig für das Verständnis und den Ablauf. Vor allem die drei
guten Taten sind die Voraussetzung für das glückliche Ende. Die
Vorgeschichte beginnt damit, dass Assad, der Bruder des Sultans,
sich in eine Christin verliebt und ihr nach Europa folgt. Bei der Geburt
der Tochter stirbt die Frau; vor einer Schlacht, in der er sterben wird,
gibt Assad die kleine Recha zu Nathan.
Drei gute Taten der Vorgeschichte sind für das Stück wichtig. Die
erste gute Tat: Nathan nimmt Recha als seine Tochter an, obwohl
Christen gerade seine ganze Familie lebendig verbrannt haben.
Die zweite gute Tat, achtzehn Jahre später: Der Sultan begnadigt
den Tempelherrn, weil er ihn an seinen Bruder erinnert. Die dritte
gute Tat der Vorgeschichte: Der Tempelherr rettet Recha aus
einem brennenden Haus.
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Der Gang der Handlung
7
1. Auftritt
(Flur in Nathans Haus)
Nathan kommt zurück und erfährt von der Rettung seiner Tochter.
Der reiche jüdische Händler Nathan kommt von einer Geschäftsreise
aus Babylon zurück nach Jerusalem. Daja, die christliche
Gesellschafterin seiner Pflegetochter Recha, erzählt ihm vom Brand
seines Hauses. Er hat bereits davon erfahren, es kümmert ihn wenig –
wäre es abgebrannt, „hätten wir ein neues uns / Gebaut und ein
bequemeres.“ (16/17) Daja erzählt ihm aber, dass Recha nur knapp
dem Tod entgangen ist und noch unter Schock steht. Gerettet wurde
sie von einem jungen Tempelherrn: „Ohn’ alle / Des Hauses
Kundschaft, nur von seinem Ohr / Geleitet, drang, mit vorgespreiztem
Mantel, / Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach, / die uns
um Hülfe rief.“ (98ff.) Danach verschwand er wieder. Daja kennt inzwischen seine Geschichte: Er ist gefangen genommen und vom Sultan
Saladin begnadigt worden, sie trifft ihn auch mehrfach am Heiligen
Grab, wo er sie immer verspottet. Recha aber hält ihn für ihren
Schutzengel: „Es sei ihr Tempelherr, / Kein irdischer und keines irdischen; / Der Engel einer, deren Schutz sich / Ihr kleines Herz, von
Kindheit auf, so gern / Vertrauet glaubte, sei aus einer Wolke (...) Um
sie geschwebt, mit eins als Tempelherr / Hervorgetreten.“ (144ff.)
Autor: Georg Patzer
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1191, zur Zeit der Kreuzzüge. Der reiche Jude Nathan kommt von
einer Geschäftsreise zurück nach Jerusalem und erfährt, dass seine Tochter Recha beim Brand seines Hauses fast verbrannt wäre.
Ihr Retter, ein von Saladin begnadigter christlicher Tempelherr,
weist den Dank Nathans, eines Juden, zurück. Recha denkt
zunächst, er wäre ein Engel und ihre Rettung ein Wunder, Nathan
überzeugt sie, dass er ein Mensch war. Der Derwisch Al-Hafi ist
Schatzmeister bei Sultan Saladin geworden. Der Tempelherr
weist die Bitte des Patriarchen, den Sultan zu ermorden, als
Zumutung zurück.
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1. Aufzug
8
3. Auftritt
Nathan redet mit dem Derwisch Al-Hafi.
Der Derwisch (muslimischer Bettelmönch) Al-Hafi begrüßt seinen
alten Freund Nathan, etwas unsicher, wie der ihn empfängt, da er
inzwischen Schatzmeister des Sultans (Desterdar) geworden ist. Nathan beruhigt ihn: „Wenn dein Herz / Noch Derwisch ist, so wag ich’s
drauf. Der Kerl / Im Staat, ist nur dein Kleid.“ (392ff.) Sie loben Saladin
wegen seiner Sorge für die Armen. Al-Hafi bittet Nathan um seine
Unterstützung, das Amt des Schatzmeisters zu führen. Nathan ist
unentschlossen und sagt: „Al-Hafi Derwisch ist zu allem, / Was ich ver-
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Nathan diskutiert mit Recha und Daja über Wunder.
Recha klagt über die lange Abwesenheit von Nathan, den sie mit „mein
Vater“ (169) anredet. Sie schwärmt, ein Engel habe sie gerettet.
Nathan erklärt, auch das alltägliche Wirken Gottes im normalen Leben
sei schon ein Wunder, es sei doch auch ein Wunder, wenn ein richtiger
Tempelherr sie gerettet hätte. „Der Wunder höchstes ist, / Dass uns
die wahren, echten Wunder so / Alltäglich werden können, werden sollen.“ (215ff.) Für Recha bedeutet die Begnadigung des Tempelherrn
durch Saladin nur, dass er kein richtiger Tempelherr sein könne: „Er
schien es nur.“ (238) Daja erzählt, dass Saladin ihn begnadigt habe,
weil er seinem verstorbenen Bruder Assad sehr ähnlich sehe. Nathan
findet es töricht, unnötig und schädlich, an Wunder und Engel zu glauben: „Ihr könnt ihm danken; zu ihm seufzen, beten; / Könnt in
Entzückung über ihn zerschmelzen; / Könnt an dem Tage seiner Feier
fasten, / Almosen spenden. – Alles nichts.“ (308ff.) Seinen
Mitmenschen dagegen kann man Gutes tun. Gott sei man durch
schwärmerische Gebete oder die Errettung durch einen Engel nicht
näher, das sei Unsinn oder Gotteslästerung. Als Daja und Recha sagen,
ihr Retter sei auch wie ein Engel verschwunden, stellt Nathan ihnen
vor, er sei vielleicht krank geworden, vielleicht habe er das Klima nicht
ertragen, sei ohne Freunde und Geld „ein Raub der Schmerzen und des
Todes.“ (341) Jetzt erst versteht Recha und ist erschüttert.
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2. Auftritt
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mag, mir stets willkommen. – Aber / Al-Hafi Desterdar des Saladin, /
Der – dem –“ (439ff.) Der Derwisch hat sich geschmeichelt gefühlt, als
der Sultan ihm dieses wichtige Amt anvertraute. Jetzt verurteilt er seine Verblendung, die ihm vorgespiegelt hatte, den Armen helfen zu
können, indem er einigen wenigen ein Almosen gibt, während so viele weiter hungern müssen. Lieber wäre er wieder bei seinem Orden.
Daja hat den Tempelherrn wieder gesehen.
Daja, die den Tempelherrn wieder gesehen hat, bittet Nathan, ihn aufzusuchen. Als Nathan sagt, es wäre schicklicher, der Tempelherr komme zu ihm, antwortet Daja: „Er kömmt zu keinem Juden,“ (528) worauf Nathan unverzüglich sagt: „Geh, ich komme gleich dir nach.“
5. Auftritt
(auf einem Platz mit Palmen)
Der Tempelherr redet mit dem Klosterbruder.
Der Klosterbruder fragt den Tempelherrn, ob er bereit wäre, einen
Brief seines Herrn, des Patriarchen von Jerusalem, an den christlichen
König Philipp zu übergeben oder für ihn zu spionieren und eine
Truppe von christlichen Meuchelmördern anzuführen, die Saladin
beseitigen wollen. Der Tempelherr lehnt es ab, seinen Lebensretter zu
verraten, obwohl der Patriarch ihm Gotteslohn verspricht. Der Klosterbruder ist sehr zufrieden mit der Antwort, da er ihn nur auf ausdrücklichen Befehl gefragt hat, es aber selbst verabscheut.
6. Auftritt
Daja versucht, den Tempelherrn einzuladen.
Daja bittet den Tempelherrn, Nathan zu besuchen, den sie als Rechas
Vater vorstellt, als reichen, weisen und guten Menschen, der ihn für
die Rettung seiner Tochter belohnen möchte. Der Tempelherr lehnt ab:
„Auch lasst / Den Vater mir vom Halse. Jud’ ist Jude.“ (775f.)
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4. Auftritt
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Sultan Saladin redet mit seiner Schwester Sittah über die Christen, die sie für intolerant hält; sie beschließen, sich Geld von Nathan zu leihen. Nathan schließt Freundschaft mit dem
Tempelherrn, der ihm seinen Namen verrät. Al-Hafi verabschiedet
sich, weil er wieder zu seinem Bettelorden zurückkehren will.
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2. Aufzug
(im Palast Saladins)
Saladin redet mit Sittah über Politik.
Sultan Saladin spielt mit seiner Schwester Sittah Schach. Saladin ist
zerstreut, denn er macht sich Sorgen um den Waffenstillstand.
Eigentlich wollte er seine Schwester Sittah mit dem Bruder von
Richard Löwenherz vermählen und Richards Schwester mit seinem
Bruder Melek, um eine dauerhafte Verbindung zwischen den Völkern
zu schaffen. Sittah hält ihn für gutgläubig: „Du kennst die Christen
nicht, willst sie nicht kennen. / Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht
Menschen.“ (868) Sie verlangen nämlich, dass beide zum
Christentum übertreten müssten, und sie wollen die unter christlicher
Verwaltung stehende Stadt Acca, die Richards Schwester in die Ehe
einbringen müsste, nicht an den Sultan übergeben. Saladin berichtet
von den Geldsorgen seines Vaters, der im Libanon die Kriegs- und
Staatskasse verwaltet.
2. Auftritt
Saladin hört von Nathan.
Al-Hafi kommt, um Nachricht über das erwartete Geld aus Ägypten zu
erhalten, aber auch der Sultan weiß nichts darüber. Al-Hafi verrät ihm,
dass Sittah schon seit einiger Zeit mit eigenem Geld den Hof finanziert. Saladin bittet ihn, Geld zu borgen, am besten bei Nathan. Al-Hafi
verschweigt, dass er ihn schon gefragt hat und behauptet, er würde
nicht verleihen, damit er immer Geld zum Verschenken habe.
Autor: Georg Patzer
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1. Auftritt
11
Sittah erklärt, man könne es doch mit Nathan versuchen.
Sittah erzählt ihrem Bruder, wie reich Nathan ist. Sie hat auch erkannt,
dass Al-Hafi nur verlegen war, als er auf Nathan angesprochen wurde.
Deswegen möchte sie es selbst bei Nathan versuchen.
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3. Auftritt
(vor dem Haus Nathans)
Nathan und Recha warten auf Daja.
Nathan und Recha warten unruhig auf die Rückkehr Dajas, die ihnen
erzählt, der Tempelherr sei heute wie immer.
5. Auftritt
Nathan freundet sich mit dem Tempelherrn an.
Nathan spricht den Tempelherrn an, der sich den Dank für seine Tat
verbittet. Als Kreuzritter sei es seine Pflicht, den Bedürftigen beizustehen. Mit den Worten „wenn’s auch nur / Das Leben einer Jüdin
wäre“ (1219) beleidigt er gleichzeitig Nathan, der so tut, als würde er
nur das Großherzige und die Bescheidenheit verstehen, mit der der
Tempelherr den Dank scheinbar abwehrt. Als Nathan ihm Geld anbietet, reagiert der Tempelherr abweisend; als Nathan seine Rettungstat
höher einschätzt als seine ablehnenden Worte, wird er nachdenklicher. Sie reden über die Güte von Menschen, die es in allen Ländern
gibt, der Tempelherr berichtet seinen Abscheu vor dem Stolz des
„auserwählten Volkes“, den auch Christen und Moslems haben. Sie
schließen Freundschaft, als sie erkennen, dass sie geistesverwandt
sind: „Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, / Als Mensch? Ah,
wenn ich einen mehr in Euch / Gefunden hätte, dem es g’nügt, ein
Mensch / Zu heißen!“ (1310ff.)
Autor: Georg Patzer
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4. Auftritt
12
Daja kommt dazu.
Daja stürzt aus dem Haus und sagt, der Sultan wünsche Nathan zu
sprechen.
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6. Auftritt
Der Tempelherr nennt seinen Namen.
Nathan fragt nach dem Namen des Tempelherrn: „Curd von Stauffen.“
(1377) Nathan wundert sich, er bedenkt das seltsame Zusammentreffen, dass sein alter Freund Wolf von Filnek ihm sehr ähnlich war, was
ihm erst jetzt auffällt: „Wie solche tiefgeprägte Bilder doch / Zuzeiten
in uns schlafen können, bis / Ein Wort, ein Laut sie weckt.“ (1396ff.)
8. Auftritt
Nathan deutet etwas an.
Daja fragt, da sie nicht die ganze Unterhaltung mitbekommen hat,
wann sie den Tempelherrn wieder erwarten können. Nathan bittet Daja
um Diskretion.
9. Auftritt
Al-Hafi verabschiedet sich.
Al-Hafi kommt, um Nathan vor dem Sultan zu warnen, der ihn zum
Schatzmeister machen und von ihm Geld borgen will, ohne gleichzeitig seinen Rat anzunehmen. Er erzählt von dem Schachspiel, das
Saladin verloren gab, es aber noch hätte gewinnen können.
Schließlich lädt er ihn ein, mit ihm an den Ganges zu den Derwischen
zu gehen, er sei der Einzige, der würdig dazu sei. Als Nathan ablehnt,
verabschiedet sich Al-Hafi.
Autor: Georg Patzer
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7. Auftritt
13
Recha begegnet dem Tempelherrm, der sich sofort in sie verliebt.
Saladin stellt Nathan eine Falle, um ihn zu demütigen. Nathan
erzählt die Parabel von den drei Ringen, die den Sultan zur
Einsicht bringt. Sie schließen Freundschaft. Daja verrät dem
Tempelherrn, dass Recha nicht die Tochter Nathans ist, sondern
von Geburt her eine Christin.
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3. Aufzug
(in Nathans Haus)
Daja deutet ein Geheimnis an.
Recha wünscht sich, der Tempelherr wäre schon da. Daja wünscht
sich, sie könnte mit ihnen nach Europa fliehen, aber Recha sieht ihre
Heimat in Jerusalem. Daja deutet an, sie wisse etwas, aber sie könne
es nicht sagen. Recha tadelt sie, weil sie Nathans Lehren nicht
annimmt, die Vernunft und das Wissen, dass ein Gott nicht jemandem
gehöre, wie es die Christen meinen: „Du hast doch wahrlich deine
sonderbaren / Begriffe! ,Sein, sein Gott! für den er kämpft!‘ / Wem eignet Gott? was ist das für ein Gott, / Der einem Menschen eignet? der
für sich / Muss kämpfen lassen?“ (1554ff.)
2. Auftritt
Recha und der Tempelherr begegnen sich.
Der Tempelherr tritt ein, Recha sinkt ihm vor die Füße und dankt Gott
noch einmal, nicht aber dem Mann, der sie errettet hat, sie später
immer abwies und als Jüdin beschimpfte: „Tempelherren, / Die müssen einmal nun so handeln; müssen / Wie etwas besser zugelernte
Hunde, / Sowohl aus Feuer, als aus Wasser holen.“ (1619ff.) Er entschuldigt sich und ist wie erstarrt. Als er erzählt, dass er auf dem Berg
Sinai war, möchte Recha wissen, ob es wirklich mühsamer sei, von
ihm herabzusteigen als hinauf. Aber er ist nur noch verwirrt und eilt
davon, als er hört, dass Nathan noch nicht da ist.
Autor: Georg Patzer
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1. Auftritt
14
Der Tempelherr ist verliebt.
Daja deutet an, dass der Tempelherr verliebt ist, und auch Recha ist
unruhig.
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3. Auftritt
(in Saladins Audienzsaal)
Sittah redet mit Saladin.
Saladin beklagt, dass er mit Nathan listig umgehen soll, weil er ihm
Geld abluchsen will. Sittah freut sich auf das Vergnügen, zu beobachten, wie Nathan sich herausreden oder befreien wird.
5. Auftritt
Saladin fragt Nathan nach der wahren Religion.
Nathan belehrt den Sultan, dass nur das Volk ihn, nicht aber er selber
sich den Weisen nennt. Aber man kann sich ja auch täuschen: „Wenn
dem Volke weise / Nichts weiter wär als klug? und klug nur der, / Der
sich auf seinen Vorteil gut versteht?“ (1807ff.) Aber der Sultan will
weder Waren von ihm noch Nachrichten aus den bereisten Ländern,
sondern Antwort auf die Frage: „Was für ein Glaube, was für ein
Gesetz / Hat dir am meisten eingeleuchtet?“ (1840f.) Saladin geht
davon aus, dass von den drei Religionen nur eine die wahre sein kann,
und meint, Nathan wäre nicht einfach aus Bequemlichkeit bei dem
Glauben geblieben, den er von Geburt an habe. Er lässt Nathan einen
Augenblick allein und sucht seine Schwester.
6. Auftritt
Nathan überlegt.
Nathan überlegt: „Wunderlich (...) Was will der Sultan? was? ich bin /
Auf Geld gefasst; und er will – Wahrheit. Wahrheit!“ (1865ff.) Er mahnt
sich zur Vorsicht und hat dann den rettenden Einfall: „Nicht die Kinder
bloß, speist man / Mit Märchen ab. – Er kömmt. Er komme nur!“
(1889f.)
Autor: Georg Patzer
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4. Auftritt
15
Als Saladin fragt, ob das alles sei, entschuldigt sich Nathan; er
habe sich nicht getraut, die Ringe „zu unterscheiden, die / Der Vater
in der Absicht machen ließ, / Damit sie nicht zu unterscheiden
wären“. (1967ff.) Saladin dringt auf die offensichtlichen Unterschiede
der Religionen, Nathan antwortet, es sei doch auch eine Frage des
Glaubens, und natürlich würde jeder seinen Vorfahren am ehesten
glauben, er seinen jüdischen, Saladin seinen muslimischen.
Nathan erzählt weiter von den Ringen: Jeder Sohn schwor, den Ring
vom Vater bekommen zu haben, der ihm damit den Vorrang eingeräumt habe. Eher als den Vater würden sie die Brüder der Lüge verdächtigen. Der Richter verlangte daraufhin den toten Vater zu sprechen, weil er der Einzige sei, der die Sache aufklären könnte. Sein
nächster Schluss: Da der Ring die Macht habe, den Träger beliebt zu
machen, müssten zwei der Brüder den dritten lieben. Da das nicht der
Fall war, könne der wahre Ring nur verloren gegangen sein. Der
Richter rät allen drei Brüdern, dem Ring nachzueifern, mit Sanftmut,
Verträglichkeit, Güte und Ergebenheit in Gott. Ein späterer Richter
werde entscheiden, welcher Ring der richtige sei, wenn man die Taten
der Brüder vergleichen werde: „Und wenn sich dann der Steine Kräfte
/ Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern: / So lad ich über tausend
Autor: Georg Patzer
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Nathan erzählt die Ringparabel.
Nathan erzählt Saladin seine Geschichte, die Parabel vom Ring.
Dieser Ring hat „die geheime Kraft, vor Gott und Menschen angenehm
zu machen, wer / In dieser Zuversicht ihn trug.“ (1915ff.) Der Ring wurde vom Vater immer auf den liebsten Sohn vererbt, der der Herr des
Hauses wurde, bis ein Vater sich nicht entscheiden konnte, welchen
von den drei Söhnen er am meisten liebte. So versprach er jedem den
Ring. Als er alt wurde, ließ er heimlich zwei weitere, identische Ringe
machen, gab jedem der Söhne einen und starb. Die Söhne stritten
sich, wer den echten Ring hatte, aber es konnte nicht bewiesen werden: „Man untersucht, man zankt, / Man klagt. Umsonst; der rechte
Ring war nicht / Erweislich; – Fast so unerweislich, als / Uns itzt – der
rechte Glaube.“ (1961ff.)
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7. Auftritt
16
Saladin ist bestürzt und bittet Nathan um seine Freundschaft. Nathan
bittet aber noch darum, ihm mit Geld aushelfen zu können, da er fast
zu viel davon hat. Er werde den jungen Tempelherrn mit dem Geld
schicken. Nathan erzählt, er hätte seine Tochter gerettet, und Saladin
fällt wieder ein, dass er seinem Bruder Assad so ähnlich gesehen
habe.
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tausend Jahre, / Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird / Ein weisrer
Mann auf diesem Stuhle sitzen, / Als ich; und sprechen.“ (2048ff.)
(unter den Palmen)
Der Tempelherr redet von seiner Liebe.
Der Tempelherr wartet auf Nathan, ist in Recha verliebt. „Ist das nun
Liebe: / So – liebt der Tempelritter freilich, – liebt / Der Christ das
Judenmädchen freilich.“ (2129ff.)
9. Auftritt
Der Tempelherr hält um Rechas Hand an.
Nathan erzählt dem Tempelherrn, dass Saladin ihn sehen will und
fragt ihn, ob er Recha gesehen habe. Der Tempelherr sagt, sie gefalle
ihm sehr, aber er wolle sie nie wieder sehen, es sei denn, er bekäme
sie zur Frau. Nathan weist die Werbung zurück, er will erst mehr wissen von seinem Vater. Er selbst habe einen Conrad von Stauffen
gekannt. Der Tempelherr sagt, sein Vater habe Conrad geheißen, und
er sei, wie Nathans Conrad, Tempelherr gewesen.
10. Auftritt
Daja erzählt, dass Recha keine Jüdin ist.
Der Tempelherr verrät Daja, dass er Recha liebt, sie verrät ihm, dass
Recha nicht eine Jüdin, sondern eine getaufte Christin und Nathan
nicht ihr Vater ist. Der Tempelherr ist erstaunt, dass Nathan sie als
Jüdin erzogen und ihr nie gesagt hat, dass sie eine Christin ist. Daja
will vom Tempelherrn mit Recha nach Europa genommen werden.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
Klett-Nr: 3-12-928095-2
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für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
8. Auftritt
17
1. Auftritt
Der Tempelherr redet mit dem Klosterbruder.
Der Tempelherr sucht den Patriarchen auf, um sich von ihm einen Rat
geben zu lassen. Der Klosterbruder, den er trifft, rät ihm ab.
2. Auftritt
Der Patriarch ist ein Judenfeind.
Der Patriarch verlangt vom Tempelherrn Gehorsam. Der Tempelherr
erzählt ihm den Fall vom Juden Nathan und seiner christlichen Tochter
als hypothetisch. Der Patriarch sagt, so ein Jude gehöre auf den
Scheiterhaufen: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“ (2546) Als der
Tempelherr ihm den Namen nicht sagt und gehen will, droht der
Patriarch damit, zum Sultan zu gehen.
3. Auftritt
(ein Zimmer in Saladins Palast)
Saladin denkt an seinen verstorbenen Bruder Assad.
Sittah hat das Bild des verstorbenen Bruders von Saladin gefunden,
er bestaunt noch einmal die Ähnlichkeit mit dem Tempelherrn.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
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Der Tempelherr redet mit dem Patriarchen, der Judenhass predigt.
Der Sultan ermahnt den Tempelherrn. Der Klosterbruder erzählt
Nathan davon, dass er ihm vor achtzehn Jahren ein kleines
Mädchen gebracht hat und erinnert sich an handschriftliche
Aufzeichnungen. Nathan erzählt ihm von den Gräueltaten der
Christen an den Juden. Daja erzählt Recha, dass sie nicht Nathans
Tochter ist.
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4. Aufzug
18
5. Auftritt
Ein Gerücht wird ausgesprochen.
Sittah spricht ihren Verdacht aus, dass Saladins Bruder Assad auch
bei christlichen Frauen sehr beliebt war, und bedauert, dass Saladin
den Tempelherrn nicht gefragt hat, wer seine Mutter war. Es gab schon
Gerüchte, gesteht Saladin. Sittah ist neugierig auf Recha und will sie
in den Palast holen lassen.
6. Auftritt
(in Nathans Haus)
Nathan will die Fakten wissen.
Nathan und Daja mustern die neuen Waren, die Nathan mitgebracht
hat. Daja dringt darauf, dass er Recha dem Tempelherrn zur Frau gibt,
er mahnt zur Geduld. Er muss zuerst noch mehr Fakten kennen, aber
er muss vorsichtig sein, um den Tempelherrn nicht unnötig zu verdächtigen und damit zu verprellen.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
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Saladin ermahnt den Tempelherrn.
Der Tempelherr dankt Saladin für die Begnadigung und verspricht, in
seine Dienste zu treten. Er beschwert sich über Nathan, der ihm seine
Tochter nicht sofort zur Frau geben will, und erzählt, dass Recha nicht
Nathans Tochter ist, sondern eine Christin. Saladin ermahnt ihn, ruhig
zu sein, als er sich judenfeindlich ereifert: „Der tolerante Schwätzer
ist entdeckt. / Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf / Im philosoph’schen Schafpelz, Hunde schon / Zu bringen wissen, die ihn
zausen sollen!“ (2779ff.) Der Tempelherr gesteht, schon beim
Patriarchen gewesen zu sein. Saladin bittet ihn, Nathan zu suchen,
damit sie sich gemeinsam aussprechen können, da auch Nathan ein
Freund ist.
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4. Auftritt
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8. Auftritt
Daja spinnt ihre Intrigen weiter.
Daja berichtet Nathan, dass Recha in den Palast des Sultans bestellt
wurde, und fürchtet, dass sie eine der Frauen des Sultans werden soll.
Sie beschließt, Recha selbst zu sagen, dass sie nicht Nathans Tochter
ist.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
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Der Klosterbruder und Nathan erzählen ihre Geschichte.
Der Klosterbruder warnt Nathan vor dem Patriarchen, der einen Juden
sucht, der eine Christin als Tochter erzieht. Er erinnert sich, dass er
selbst Nathan vor achtzehn Jahren, als er noch Reitknecht war, ein
wenige Wochen altes Mädchen gebracht hat. Die Mutter war kurz
zuvor gestorben, der Vater, Wolf von Filnek, musste plötzlich nach
Gazza und starb in der Schlacht. Nathan erzählt ihm, wie die Christen
damals alle Juden seiner Heimatstadt ermordet haben, auch seine
Frau und seine sieben Söhne wurden lebendig verbrannt. Er trauerte
damals und schwor Rache, bis sich die Vernunft wieder meldete. In
dem Augenblick kam der Reitknecht und brachte das Mädchen, das er
als seine eigene Tochter annahm. Nathan ist jetzt bereit, sie gehen zu
lassen, aber nur zu jemandem, der ältere Rechte hat, also ein
Blutsverwandter ist. Der Klosterbruder kennt ihre Verwandschaft aber
nicht. Als Nathan fragt, ob die Mutter nicht eine Frau von Stauffen
gewesen sei, und ihr Bruder Conrad hieße und ein Tempelherr gewesen sei, bejaht er es. Dem Klosterbruder fällt jetzt ein, dass er noch ein
Buch von ihrem Vater hat, in das dieser auf Arabisch hinein geschrieben hat. Er geht es holen. Nathan möchte noch wissen, wer dem
Patriarchen das Geheimnis verraten hat. Er verdächtigt Daja.
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7. Auftritt
20
Saladin bekommt endlich Geld aus Ägypten. Der Tempelherr
erzählt Nathan, dass er mit dem Patriarchen über ihn geredet hat,
Nathan hält ihn hin. Recha sagt, dass Nathan stets ihr richtiger
Vater bleiben werde. Nathan klärt schließlich alles auf. Alle umarmen sich vor Freude.
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5. Aufzug
(in Saladins Palast)
Saladin bekommt Geld aus Ägypten.
Saladin erhält den lange erwarteten Tribut aus Ägypten.
2. Auftritt
Saladin schickt Geld zu seinem Vater.
Ein Beamter berichtet Saladin, dass der Geldtransport sich verspätet
hat, weil er erst die Niederschlagung von Unruhen abwarten musste.
Saladin bittet ihn, sofort Geld zu seinem Vater in den Libanon zu bringen, aber wegen der Kreuzritter vorsichtig zu sein.
3. Auftritt
(vor Nathans Haus)
Der Tempelherr hat gelernt, dass Nathan der wahre Vater ist.
Der Tempelherr ist immer noch verliebt und mit Nathan beleidigt, weiß
aber auch, dass Nathan Rechas wahrer Vater bleibt: „Ach! Rechas
wahrer Vater / Bleibt, trotz dem Christen, der sie zeugte – bleibt / In
Ewigkeit der Jude.“ (3249ff.) Als er sieht, dass Nathan mit dem Klosterbruder spricht, fürchtet er, dass der ihm von seinem Gespräch mit
dem Patriarchen erzählt.
Autor: Georg Patzer
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1. Auftritt
21
Der Klosterbruder erzählt Nathan vom Tempelherrn.
Der Klosterbruder erzählt, dass ein Tempelherr den Patriarchen aufgehetzt hat, das könne nur „ihr“ Tempelherr sein, weil kein anderer in
Jerusalem ist. Nathan will es nicht glauben, aber der Klosterbruder
sagt: „Doch was man ist, und was / Man sein muss in der Welt, das
passt ja wohl / Nicht immer.“ (3312ff.)
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4. Auftritt
Der Tempelherr erzählt von seinem Gespräch mit dem Patriarchen,
Nathan verwirrt ihn.
Der Tempelherr gesteht Nathan die ganze Geschichte: dass er von
Rechas christlicher Herkunft erfahren hat; dass er beschlossen hat,
Nathan anzuschwärzen, aber seinen Namen dann doch nicht genannt
hat. Jetzt bittet er Nathan, sie ihm zur Frau zu geben, da der Patriarch
nicht wagen würde, ihm seine Frau wegzunehmen. Nathan sagt, dass
er ja nie geleugnet hat, dass Recha nur seine Pflegetochter ist. Er habe
aber jetzt Verwandte gefunden, besonders einen Bruder, der jetzt
über sie bestimmen könnte. Er sei ein braver Mann, aber Nathan
kennt ihn noch nicht genau. Der Tempelherr ist verwirrt, Nathan lädt
ihn ein, mit ihm zum Sultan zu gehen, Recha sei bei ihm, und auch
Rechas Bruder würde man dort treffen.
6. Auftritt
(in Sittahs Harem)
Recha redet mit Sittah.
Recha gesteht, dass sie nur wenig lesen kann, das meiste, was sie
gelernt hat, habe sie von Nathan. Unter Tränen fürchtet sie, vielleicht
einen anderen Vater aufgedrängt zu bekommen, den sie nicht kennt.
Daja hat ihr bei einer verlassenen Marienkapelle kurz zuvor erzählt,
dass Nathan nicht ihr richtiger Vater ist.
Autor: Georg Patzer
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5. Auftritt
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8. Auftritt
Es löst sich alles auf.
Saladin begrüßt Nathan und sagt ihm, er könne das geliehene Geld
wieder haben. Nathan wendet sich erst Recha zu, um sie zu trösten.
Der Tempelherr ist trotzig, weil er sieht, dass alle zu Nathan halten,
aber Saladin führt die beiden zusammen. Nathan sagt, er möchte
zuerst mit Rechas Bruder sprechen. Keiner weiß, wovon er redet, der
Tempelherr ist verbittert. Nathan geht freundschaftlich auf den
Tempelherrn zu und sagt ihm, dass er nicht nur Curd von Stauffen
heißt, sondern auch Leu von Filnek. Er erzählt, wie es zu dem
Durcheinander kam: Seine Mutter war eine Frau von Stauffen, sein
wahrer Vater nannte sich Wolf von Filnek, aber er war kein Deutscher,
sondern nur mit der Mutter kurze Zeit vermählt. Ihr Bruder, ein
Tempelritter namens Conrad von Stauffen, hat den jungen Curd erzogen und adoptiert, als die Eltern ihn in Deutschland zurückließen,
aber die beiden hatten noch eine Tochter namens Blanda von Filnek,
die beim Tod des Vaters in Nathans Obhut kam, weil der Vater mit ihm
befreundet war. Diese Blanda ist Recha, und er ist also Rechas Bruder.
Saladin fragt Nathan, wo dieser Vater von Filnek herstammt, Nathan
zeigt ihm das Buch, das er vom Klosterbruder bekommen hat. Saladin
erkennt die Handschrift seines Bruders und sieht, dass die beiden die
Kinder seines Bruders sind und er also ihr Onkel ist.
Alle umarmen sich vor Freude.
Autor: Georg Patzer
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Recha bittet Saladin um Schutz.
Recha bittet Saladin, einzuschreiten: „Noch weiß ich nicht, wer sonst
mein Vater / Zu sein verlangt; – verlangen kann. Will’s auch / Nicht
wissen. Aber macht denn nur das Blut / Den Vater? nur das Blut?“
(3651ff.) Sie bittet ihn um Schutz. Saladin will wissen, woher sie diese Information hat. Recha erzählt, dass Daja es von ihrer sterbenden
Amme erfahren haben will. Saladin beruhigt sie und bietet sich als ihr
Vater an, wenn sie das will.
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7. Auftritt
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Die Personen
Verwandtschaftsverhältnisse
Conrad
von Stauffen
Conrads
Schwester
Curd von Stauffen
Leu von Filnek
Tempelherr
Familie des Sultans
Assad
Wolf v. Filnek
Sittah
Saladin
Blanda von Filnek
Recha
Nathan
Die Hauptperson des Stücks ist Nathan. Er wird als reicher
Kaufmann vorgestellt. Er ist so reich, dass es ihm egal ist, wenn
sein Haus abbrennt, er kann sich sofort ein neues und schöneres
bauen. Gleichzeitig wird er als emotionaler und großzügiger
Mensch gezeigt, der sich Sorgen um seine Tochter macht, die ihm
mehr wert als sein Reichtum ist.
Als er dem Retter seiner Tochter begegnet, macht er klar, dass er alles
tun würde, um ihn zu belohnen. (II, 5) Auch seinem Freund Al-Hafi verspricht er, als Bürge vor dem Sultan aufzutreten (II, 9). Dem Sultan
stellt er, nachdem er sich mit ihm angefreundet hat, sein Vermögen
zur Verfügung (III, 7).
Seine Emotionalität zeigt sich in der Sorge um seine angenommene
Tochter Recha, deren Erziehung er auf sich nimmt. Als Kleinkind hat er
sie zu sich genommen, sie an Kindes statt aufgezogen und ihr sogar
eine christliche Gesellschafterin gegeben, obwohl sie als Jüdin erzogen wurde. Er versucht, ihr ein vernunftbetontes Denken beizubrin-
Autor: Georg Patzer
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von Stauffen
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Nathan wird als gläubiger Mensch geschildert, auch wenn Lessing die
spezifisch jüdischen Grundlagen seines Glaubens nie erwähnt; er
glaubt an Gott und die Vorsehung, und dass er Wunder nicht gegen
die Naturgesetze bewirkt, sondern im Einklang mit ihnen. Er wendet
sich deswegen gegen Schwärmerei und übertriebenen Wunderglauben. Für ihn zeigt sich die Religion im Handeln, nicht im Beten.
Auch die Vernunft gehört für Nathan mit zum Glauben: In der
Geschichte, die er dem Klosterbruder erzählt, ist es die Stimme der
Vernunft, die ihn zum Glauben zurückführt.
Als Jude ist Nathan Angehöriger einer Gruppe, die sich durch
Wohlstand und kulturelle Leistungen zwar Anerkennung erkämpft
hat, aber auch im 18. Jahrhundert, als Lessing „Nathan der Weise“
schrieb, noch benachteiligt ist. Es gab keine Gleichberechtigung für
sie, wenige konnten sich den Status eines „Schutzjuden“ erkaufen,
aber dieses Privileg jederzeit verlieren. Juden durften kein Handwerk
ausüben, oft mussten sie in einem Ghetto leben, manchmal auch eine
besondere Kleidung oder einen „Judenstern“ tragen. Immer wieder
gab es Ausschreitungen und Massenmorde. Das gängige Vorurteil
war eine Mischung aus Hass, Neid und religiösem Fanatismus, die
Kirchen schürten böswillig Legenden von Ritualmorden, Hostienmissbrauch und Christusmord. Nathans Angst vor dem Sultan hatte also
Autor: Georg Patzer
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Nathan wird als realistisch denkender und vor allem handelnder
Mensch charakterisiert, der seine Mitmenschen im Gespräch zu
erziehen versucht. Er trifft sich mit ihnen auf gleicher Ebene und
predigt nicht, sondern argumentiert. Nathan provoziert sie und
spricht zugleich ihre Gefühlswelt an, versucht Rechas Mitleid zu
erwecken (I, 2), zeigt offen seine Rührung, als er den Brandfleck
im Mantel des Tempelherrn entdeckt (II, 5) und versetzt den überlegenen Saladin in die Rolle des Richters (III, 7). Durch diese
Identifikation wird Saladin dazu gebracht, den Unsinn seiner
Frage einzusehen.
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gen und erzieht sie zwar religiös, aber nicht dogmatisch und nicht aus
Büchern, sondern durch Gespräche, wie Recha erzählt (V, 4).
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Recha
Rechas Mutter war eine Schwester des Tempelherrn Conrad von
Stauffen. Mit Saladins Bruder Assad, der zum Christentum übertrat
und sich Wolf von Filnek nannte, hatte sie einen Sohn (Curd) und eine
Tochter (Recha), bei deren Geburt sie starb. Assad alias Wolf von
Filnek hat vor einer Schlacht, die er nicht überlebte, seinen Reitknecht
gebeten, das sehr junge Mädchen bei Nathan unterzubringen. Sie
kennt ihre Herkunft nicht und hält sich für Nathans Tochter. Als sie
erfährt, dass sie es nicht ist, ist sie zuerst erschüttert (V, 6), bittet aber
den Sultan als Herrscher von Jerusalem: „Nicht mehr, nicht weniger, /
Als meinen Vater mir zu lassen; und / Mich ihm! – Noch weiß ich nicht,
wer sonst mein Vater / Zu sein verlangt; – verlangen kann. Will’s
auch / Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut / Den Vater? nur
das Blut?“ (V, 7, 3649ff.)
Recha ist noch jung und schwärmerisch veranlagt, hat aber auch
einen ironischen Humor, der in der Unterhaltung mit dem Tempelherrn
erkennbar wird: Sie will nichts von der Heiligkeit des Berges Sinai wissen, wie er denkt, sondern, ob er schwierig zu besteigen sei. (III, 2)
Trotzdem macht sie ernsthaft klar, dass sie ihm ihr ganzes Leben lang
dankbar sein wird.
Autor: Georg Patzer
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Nathans größte menschliche Leistung ist die Abkehr von der
Rache und seine Rückkehr zur Humanität, nachdem die Christen
seine gesamte Familie (Frau und sieben Söhne) lebendig verbrannt haben. Die erste gute Tat der Vorgeschichte, die Aufnahme
des Kindes (IV, 7) direkt danach, ist die Voraussetzung für die
gesamte weitere Geschichte.
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einen sehr lebensbedrohlichen Hintergrund, der noch zu Lessings Zeit
zu spüren war.
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Daja
Daja ist die Witwe eines Kreuzfahrers, sie ist Gesellschafterin
Rechas. Sie leidet darunter, dass sie, als überzeugte Christin,
Nathan verehrt und ihm versprochen hat, das Geheimnis um
Rechas Herkunft zu wahren, aber eigentlich möchte sie, dass
auch Recha als Christin lebt. Am liebsten würde sie mit ihr nach
Europa zurückkehren.
Daja benutzt den Tempelherrn, um ihr Ziel zu erreichen und verrät ihm
das Geheimnis (III, 10), so dass er Recha (und Daja) aus dem jüdischen Haushalt herausholen könnte. Die Lebensgefahr für Nathan
scheint ihr unwichtig zu sein. Ebenso verrät sie an einem christlichen
Altar in einer Ruine Recha das Geheimnis und stürzt sie so in tiefe
Verwirrung. Auch das scheint ihr nicht so wichtig zu sein wie der
christliche Glaube.
Recha bringt die Beurteilung Dajas auf den Punkt: „Ja, du kennst /
Wohl diese gute böse Daja nicht? / Nun, Gott vergeb’ es ihr! belohn’ es
ihr! / Sie hat mir so viel Gutes, – so viel Böses / Erwiesen! (...) Ach! die
arme Frau, – ich sag dir’s ja – / Ist eine Christin; – muss aus Liebe
quälen; – / Ist eine von den Schwärmerinnen, die / Den allgemeinen,
einzig wahren Weg / Nach Gott, zu wissen wähnen!“ (V, 6, 3573ff. –
3585ff.)
Autor: Georg Patzer
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In den Unterhaltungen mit Daja und Sittah wird klar, dass Recha
zwar wenig Wissen besitzt, aber doch, trotz gelegentlicher
Schwärmerei, einen humanistisch geprägten Glauben, der den
Führungsanspruch der Christen ablehnt. Sie ist dankbar für die
Grundlage der Vernunft, die sie Nathan verdankt.
In Recha treffen sich alle Religionen, die es in Jerusalem gibt. Sie
ist die Tochter eines zum Christentum übergetretenen Moslems
und einer Christin, Nichte eines Moslems, von einem Juden im
Geist der Humanität erzogen.
27
Der Tempelherr hat zwar Recha ohne zu überlegen aus dem brennenden Haus gerettet, lehnt aber den Dank eines Juden ab: „Er kömmt zu
keinem Juden,“ berichtet Daja (I, 4, 528) von seinen Vorurteilen. Diese
Vorurteile mildern sich erst im Gespräch mit Nathan, den er zuerst
schroff mit „Jude“ anredet, bis er ihn endlich, gerührt über Nathans
Gefühlstiefe, mit Namen anspricht (II, 5). Erst als er merkt, dass
Nathan eine Gesinnung hat, die seiner christlichen ähnlich ist, beginnt
er sich mit ihm anzufreunden. Er verurteilt die christliche Intoleranz,
die sich über alle anderen Religionen erhebt und merkt nicht, dass er
selbst sich auch zuweilen so verhält.
Als er Recha begegnet (III, 2), beginnt er sich in sie zu verlieben, ist
verwirrt und kann sich nur durch Flucht aus seiner Verwirrung retten.
In einem langen Monolog begründet er seine neue Rolle als Verliebter
für sich: „Sie sehn, / Die ich zu sehn so wenig lüstern war, – / Sie sehn,
und der Entschluss, sie wieder aus / Den Augen nie zu lassen – Was
Entschluss? (...) Ist das nun Liebe: / So – liebt der Tempelritter freilich
(...). – Hm! / Was tut’s? – Ich habe in dem gelobten Lande, – / Und drum
auch mir gelobt auf immerdar! – / Der Vorurteile mehr schon abgelegt.“ (III, 8, 2119ff. – 2129ff.)
Aber diese Verliebtheit führt ihn nicht zu weniger Vorurteilen, sondern
zu mehr Verwirrung, als er von Nathan nicht freudig als Schwiegersohn
Autor: Georg Patzer
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Der Tempelherr ist der Sohn von Saladins Bruder Assad. Der nannte
sich Wolf von Filnek, eigentlich heißt der Tempelherr also Leu von
Filnek. Aber er wurde vom Bruder seiner Mutter adoptiert, der ihn als
Curd von Stauffen aufzog. Er wurde mit zwanzig anderen Kreuzrittern
gefangen genommen, aber vom Sultan begnadigt. Da er bisher nur die
Feindschaft zwischen Moslems und Christen kannte, ist er erschüttert
und weigert sich, als der Patriarch ihn bittet, den Sultan zu hintergehen oder gar zu überfallen und zu ermorden. Dabei spielen ritterlicher
Dank gegenüber seinem Lebensretter und eine Ahnung von wirklichem Christentum eine Rolle: „Natur, so leugst du nicht! So widerspricht / Sich Gott in seinen Werken nicht!“ (I, 6, 709f.)
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Der Tempelherr
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Auch bei der Autorität Saladin sucht er Hilfe und Rat. Auch hier zeigt
er intolerante Züge, als er hasserfüllt sagt: „Woll’ oder wolle nicht! Er
ist entdeckt. / Der tolerante Schwätzer ist entdeckt! / Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf / Im philosoph’schen Schafpelz, Hunde
schon / Zu bringen wissen, die ihn zausen sollen!“ (IV, 4, 2778ff.)
Wegen dieser unverhüllten Hetze wird er von Saladin scharf zurecht
gewiesen: „Sei ruhig, Christ!“ (2783 und 2786)
Im zweiten Monolog (V, 3) ist der Tempelherr ruhiger, er sieht ein, dass
Nathan Recha nicht geraubt, sondern als Tochter erzogen hat, und er
erkennt, wie gefährlich der Patriarch ist. Trotzdem kommen ihm seine
stürmischen Gefühle für Recha in die Quere. Er verliert mehrmals seine Beherrschung, als Nathan einen weiteren Bruder Rechas ankündigt. Am Schluss muss er akzeptieren, dass Recha seine Schwester
ist.
Im Stück ist der Tempelherr der interessanteste und lebendigste
Charakter. Zwischen Gefühl und Vernunft, zwischen Vorurteil und
Einsicht schwankt er hin und her. Er ist von der Erziehung her
Christ, Sohn eines zum Christentum übergetretenen Moslems,
Neffe eines Moslems und Bruder einer jüdisch erzogenen Christin. An ihm werden auch die dramatischen und tragischen
Elemente des Stücks am deutlichsten.
Seine Impulsivität wird zum Anstoß des Guten wie des Gefährlichen
im Stück. Durch seine Leidenschaftlichkeit freundet er sich sowohl mit
Nathan als auch mit dem Sultan an, durch sie gefährdet er Nathans
Existenz und Leben noch bis in die Schlussszene hinein, durch seine
leidenschaftliche Liebe beschwört er die Gefahr des Inzest herauf.
Autor: Georg Patzer
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begrüßt, sondern hingehalten wird. Er wird sogar zu einer tödlichen
Gefahr für Nathan, als er Rat beim Patriarchen sucht und Nathan fast
denunziert. Er zeigt damit, dass seine Toleranz noch äußerlich ist und
er noch die Eingliederung in eine Gruppe und die Unterordnung unter
eine Autorität sucht. Der offene Hass des Patriarchen stößt ihn
zurück; er lernt daraus, dass er kein „richtiger“, d. h. intoleranter
Christ mehr sein kann.
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Zudem ist der Tempelherr ein Melancholiker. Die innere Leere und der
Lebensüberdruss, aus denen heraus er sich in das brennende Haus
wirft, kennzeichnen ihn bereits am Anfang des Stücks. Er steckt in
einer Krise, die seine religiöse Identität, seine Gefühlswelt und seine
Zukunft als Tempelritter und Mann betreffen, er findet sich zwischen
den Religionen, seinen Pflichten und seinen Gefühlen zerrissen: „Ich
bin ein junger Laffe, / Der immer nur an beiden Enden schwärmt; /
Bald viel zu viel, bald viel zu wenig tut – “ (V, 5, 3401ff.)
Saladin wird nur im privaten Bereich gezeigt, aber er ist als unumschränkter, auch willkürlicher Herrscher gekennzeichnet: Er wartet
auf die Tributzahlungen, die zeigen, wie mächtig er nach außen ist; er
kann den Tempelherrn begnadigen, ohne es begründen zu müssen,
und er ist untergründig auch eine Lebensgefahr für Nathan, der weiß,
dass er auf die Fangfrage sehr schlau antworten muss. Für sich selbst
ist Saladin anspruchslos: „Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und
Einen Gott! / Was brauch ich mehr?“ (II, 2, 990f.) Mit Geld allerdings
kann er nicht recht umgehen. Gegenüber Bettlern ist er sehr
großzügig, seine Schwester muss heimlich von ihrem Geld den
Haushalt bestreiten. Er träumt von einem toleranten Zusammenleben
mit den Christen, weiß aber auch, dass das nur ein Traum bleiben
wird.
Erst Nathans Erzählung von den Ringen macht Saladin zu einem
aufgeklärten Fürsten, der, emotional ergriffen und einsichtig
geworden, seinen Irrtum erkennt. Er schließt mit Nathan
Freundschaft (III, 7), unterstützt auch die christlichen Pilger (IV,
3), verspricht, mit dem Geld sorgsamer umzugehen und weist den
Tempelherrn zurecht, als der ihn gegen den Juden Nathan aufhetzen will.
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Saladin, Sultan von Ägypten und Syrien
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Mit ihm greift Lessing auch das Problem der Geldverschwendung auf,
das im 18. Jahrhundert sehr drängend war. Die meisten Fürsten waren
für ihre opulenten und teuren Feste bekannt, während für Wichtiges
und soziale Leistungen kein Geld da war.
Sittah ist so klug wie ihr Bruder. Mit ihr bespricht er seine Probleme,
sie diskutiert mit ihm auch theologische Probleme, sie sorgt für das
nötige Geld im Haushalt, sie stellt auch die Falle für Nathan, um ihn
besser um Geld angehen zu können. Sie ist außerdem skeptischer als
Saladin, was die Toleranz der Christen betrifft.
Sittah scheint die Vertreterin der Klugheit gegenüber der menschlichen Weisheit zu sein, gebildet, skeptisch, aufgeklärt, aber
sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Recha charakterisiert sie so: „Vor Sittah gilt kein Winseln, kein /
Verzweifeln. Kalte ruhige Vernunft / Will alles über sie allein vermögen. / Wes Sache diese bei ihr führt, der siegt.“ (V, 6, 3563)
Sittah fällt neben dem etwas schwärmerischen und ungebildeten
Mädchen Recha es und der intriganten Daja aus dem Rahmen. Es ist
etwas Besonderes, dass sie lesen und schreiben kann und trotzdem,
wie Recha es ausdrückt, unverkünstelt geblieben ist, während Recha
ihre Bildung aus den Worten ihres Vaters gewonnen hat. (V, 6) Damit
nimmt Sittah eine Sonderstellung in diesem Männerdrama (und auch
in anderen Dramen der Zeit) ein; interessanterweise gehört sie dem
Islam an, also einer fremden Religion. Sie verkörpert im Stück die
Frauen, die sich im 18. Jahrhundert langsam zu emanzipieren begannen. Lange haben sie nur im privaten Bereich eine wenn auch oft entscheidende Rolle gespielt.
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Sittah, Saladins Schwester
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Getrieben wird er von seiner Religion: „Warum man ihn recht bittet, /
Und er für gut erkennt: das muss ein Derwisch.“ (I, 3, 386f.) Dieser
sittlichen Verantwortung wollte er sich nicht entziehen. Er flieht erst,
als er merkt, dass er auch Nathan zu schaden droht. (II, 9).
Trotz aller positiver Zeichnung der Figur, die mit ihrer Impulsivität
auch komische Elemente in das Stück bringt, wollte Lessing nicht die
kontemplative Einsamkeit, sondern das aktive Leben als Idealbild vorstellen.
Der Patriarch von Jerusalem
Der Patriarch von Jerusalem ist das Oberhaupt der Christenheit in
Jerusalem. Er ist ein dogmatischer und intriganter Kirchenfürst, der
den Waffenstillstand zwischen den Christen und den Moslems verhindern will und auch vor Mord nicht zurückschreckt.
Der Patriarch vertritt einen aggressiven Judenhass und eine kirchliche
Machtpolitik, Moral spielt bei ihm keine Rolle. Der Schlüsselsatz, der
ihn charakterisiert, ist das dreifache „Tut nichts! der Jude wird verbrannt!“ (IV, 2, 2546)
Aber er spielt seine Macht nicht immer offen aus, sondern versucht,
sich mit dem Sultan gut zu stellen, als er merkt, dass der Tempelherr
gerade zu ihm gehen will. Der Patriarch ist im Stück ohne guten Kern.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
Klett-Nr: 3-12-928095-2
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Al-Hafi ist Angehöriger eines Bettelordens und als solcher vom
Sultan gebeten worden, als Schatzmeister zu fungieren. Er
erkennt den inneren Widerspruch, der Saladin dazu bringt, als
reicher Ausbeuter einzelnen Armen helfen zu wollen, gleichzeitig
aber Steuern und Abgaben zu erpressen und Gottes Milde nachzuäffen, ohne dessen unerschöpflichen Reichtum zu besitzen. AlHafi erkennt auch seine eigene Eitelkeit, die ihn zur Annahme des
Angebots getrieben hat, obwohl er weiß, dass die Arbeit sinnlos
ist und er mit unzureichenden Mitteln Gutes tun muss.
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für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
Al-Hafi, ein Derwisch, Schatzmeister des Sultans
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Es zeigt sich, dass der Klosterbruder den Schlüssel für die Auflösung
hat: Er war Knecht bei Wolf von Filnek und hat Recha zu Nathan
gebracht. Außerdem hat er ein Gebetbuch von ihm mit handschriftlichen Anmerkungen, in denen der Sultan die Schrift seines Bruders
erkennt.
Sowohl Nathan als auch der Tempelherr halten den Klosterbruder
für etwas einfältig, aber er besitzt eine natürliche, einfache und
menschliche Logik, die stets das Beste will und nicht nach
Herkunft oder Ansehen fragt. Nur das Gehorsamsgelübde bindet
ihn an die Institution der Kirche, er wartet darauf, dass er sich wieder zurückziehen kann.
Das Gefüge der Personen
Die Personen sind vor allem durch ihre Religionen charakterisiert: zwei
Juden (Nathan und Recha), drei Moslems (Saladin, Sittah, Al-Hafi), drei
Christen (Tempelherr, Patriarch, Daja). Auf der sozialen Ebene treffen
sich Bürger, Adel, Kirche und der niedere Stand. Ausgangspunkt der
Geschichte ist der Kampf der Religionen untereinander; aber im Stück
geht es eher um die Entwicklung einer toleranten Haltung im Umgang
miteinander. Vor allem Nathan ist der Lehrer, alle anderen lernen von
ihm, bis es am utopischen Schluss zu einer Gesellschaft kommt, an
deren Spitze der aufgeklärte Sultan steht.
Autor: Georg Patzer
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Der Klosterbruder ist als Kriegsknecht nach Palästina gekommen, hat
sich aber als frommer Eremit in die Wüste zurückgezogen. Von Räubern
vertrieben, wird er vom Patriarchen als Werkzeug benutzt, da er ihm
Gehorsam schuldig ist. Er unterläuft aber diesen Gehorsam, indem er
seinen Abscheu vor dessen Plänen deutlich macht und betont, dass
nicht er, sondern der Patriarch sie ihm aufgetragen hat (I, 5, 712ff.). Er
warnt den etwas naiven Tempelherrn vor den Ratschlägen des
Patriarchen, und statt für den Patriarchen den Juden ausfindig zu
machen, der ein Christenmädchen aufzieht, warnt er auch Nathan.
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Der Klosterbruder
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Die Nebenfiguren haben die Funktion, wichtige Motive anzustoßen
und die Handlung weiterzutreiben: Al-Hafi führt in die Geldsorgen des
Sultans ein, was zu dem Anschlag auf Nathan führt und damit zur zentralen Ringparabel; Sittah initiiert den Versuch der Übertölpelung
Nathans und damit die Erzählung der Ringparabel; Daja verrät das
Geheimnis um Rechas Herkunft; der Klosterbruder bringt den letzten
Beweis für die Herkunft Rechas und des Tempelherrn und gibt Nathan
Gelegenheit, die Vorgeschichte zu erzählen, den Mord an seiner
Familie und das Wiedererwachen der Vernunft; Daja zeigt, wohin
Rechtgläubigkeit ohne Menschlichkeit führen kann.
Insgesamt ist die Geschichte, die im Stück erzählt wird, durch viele
Zufälle unwahrscheinlich, wenn auch nicht unglaubwürdig. Es zeigt
sich für Nathan vor allem das Wirken der Vorsehung, die mitten im
Krieg und in der Verwirrung durch die Religionen und Kulturen eine
Familie zusammenführt und die Toleranz fördert. Selbst der Patriarch
spielt dabei eine Rolle: „Dank sei dem Patriarchen.“ (V, 5, 3449)
Autor: Georg Patzer
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Außer Nathan und dem unbelehrbaren Patriarchen sind alle
anderen Personen gemischte Charaktere: Daja, die gut und böse
ist; Recha, die schwärmerisch, aber gut ist; der Derwisch und der
Klosterbruder, die sich nur notgedrungen in die Welt fügen, aber
lieber als Einsiedler leben würden; Sittah und vor allem der
Sultan, die von Nathan lernen, ihre Macht nicht zu missbrauchen,
und der Tempelherr vor allem, der am meisten lernt.
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Als Gegenpol steht der Patriarch außerhalb des Personengefüges. Er
ist gefährlich, aber es gibt keine direkte Auseinandersetzung mit ihm.
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Themen
„Nathan der Weise“ als Drama der Aufklärung
Vor allem die Toleranz ist das Thema des Stücks. Kritik an der
Religion und an der Judenfeindlichkeit werden in „Nathan der
Weise“ immer wieder angesprochen und diskutiert und haben in
Nathan den wichtigsten Fürsprecher, der die anderen Personen in
seinem Sinn beeinflusst und erzieht. Insofern ist „Nathan der
Weise“ ein Drama der Aufklärung.
Die Aufklärung im 18. Jahrhundert wandte sich nicht nur gegen religiöse Intoleranz, sondern diskutierte auch Fragen der Erziehbarkeit
des Menschen, man stellte sich die Frage nach der Erkenntnis und
Selbsterkenntnis, man kritisierte die staatliche Willkür und forderte
politische Demokratie. Der Philosoph Immanuel Kant hat die Ideen in
einer knappen Formulierung zusammengefasst: „Aufklärung ist der
Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne
Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des
Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. (…) Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der
Aufklärung.“ (Kant, S. 53) Auch diese Probleme werden in „Nathan
der Weise“, wenn auch oft nur vermittelt, angesprochen.
Auch der Konflikt zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen Kopf und
Herz, zwischen Liebe und Pflicht ist ein Thema in Lessings Stück, das
den Tempelherrn, aber auch Recha und Nathan betrifft. Hier spielen
vor allem die verschiedenen Formen der Liebe – christliche, väterliche,
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Lessings Stück „Nathan der Weise“ ist kein Geschichtsdrama, in dem
eine ferne Zeit dargestellt werden soll. Die ferne Zeit ist nur die Folie,
auf der die Geschichte spielt.
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geschwisterliche und romantische – eine Rolle. Die „Schwärmerei“
war ein Begriff, der bei vielen Autoren der Zeit immer wieder vorkommt, Schwärmerei im Gegensatz zu einer erwachsenen Form der
Weltsicht wird immer wieder kritisiert oder lächerlich gemacht.
Vor allem die Figur des Nathan verkörpert das Ideal der Aufklärung: Nicht die feste Meinung, nicht die Predigt von
unumstößlichen Wahrheiten prägt ihn, sondern sein Bemühen, im
Dialog und durch Nachdenken die Welt zu erfassen und sich und
seine Umgebung zur Erkenntnis und zur Vernunft zu führen.
In diesem Sinn ist Nathan ein großer Erzieher zu allererst von sich
selbst. Im 4. Aufzug erzählt er dem Klosterbruder, wie er nach den
Morden an seiner Familie getrauert hat, hasserfüllt und rachsüchtig
war, bis er zur Einsicht kam: „Ihr wisst wohl aber nicht, dass wenig
Tage / Zuvor, in Gath die Christen alle Juden / Mit Weib und Kind
ermordet hatten; wisst / Wohl nicht, dass unter diesen meine Frau /
Mit sieben hoffnungsvollen Söhnen sich / Befunden, die in meines
Bruders Hause, / Zu dem ich sie geflüchtet, insgesamt / Verbrennen
müssen (...) Als / Ihr kamt, hatt ich drei Tag’ und Nächte in Asch’ / Und
Staub vor Gott gelegen, und geweint. – / Geweint? Beiher mit Gott
auch wohl gerechtet, / Gezürnt, getobt, mich und die Welt verwünscht;
/ Der Christenheit den unversöhnlichsten / Hass zugeschworen – (...)
/ Doch nun kam die Vernunft allmählig wieder. / Sie sprach mit sanfter
Stimm’: ‘Und doch ist Gott! / (...) Komm! übe, was du längst begriffen
hast (...)’.“ (IV, 7, 3038ff.)
Nathan erzieht auch fast alle anderen Personen des Stücks. Recha
bringt er dazu, einzusehen, dass nicht ein Engel, sondern ein Mensch
sie gerettet hat, und es nützlicher ist, diesem Menschen zu helfen als
zu den Engeln zu beten (I, 2). Er macht ihr begreiflich, dass es nicht ein
Wunder in ihrem religiös-schwärmerischen Sinn war, dass der Tempelherr gerade anwesend war, sondern ein alltägliches Wunder des
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Die Erziehung zur Einsicht
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Lebens: „Des Wunder höchstes ist, / Dass uns die wahren, echten
Wunder so / Alltäglich werden können, werden sollen.“ (I, 2, 217 ff.)
Er führt den Sultan zur Einsicht, dass es keinen Glauben gibt, der über
den anderen steht, indem er ihm die Ringparabel erzählt. „Bei dem
Lebendigen! Der Mann hat Recht. / Ich muss verstummen“, (III, 7,
1991f.) sagt der Sultan abschließend.
Die schwierigste Erziehungsaufgabe für Nathan ist der christliche und
etwas naive und vernagelte Tempelherr. Anfangs glaubte er noch, es
sei für ihn als Christ (trotz des Gebots der Nächstenliebe) falsch, eine
Jüdin zu retten, deswegen ist er so abweisend gegenüber Recha, Daja
und Nathan (I, 1). Schlimmer noch sei es, sich in eine Jüdin zu verlieben, deswegen ist er so verwirrt (III, 2 und 3). Geradezu sträflich sei
es, dass der Jude Nathan eine Christin erzieht, deswegen denunziert
er ihn beim Patriarchen, allerdings ohne seinen Namen zu nennen (IV,
2). Erst durch den Umgang mit Nathan lernt der Tempelherr, nicht das
Dogma des Patriarchen, sondern die aufgeklärte Toleranz als
Heilmittel gegen seine Verschlossenheit und Verwirrung zu akzeptieren. Dabei bekommt Nathan Hilfe durch Saladin, der den Tempelherrn
freundlich, aber bestimmt mahnt, sich von seinem Fanatismus zu
lösen: „Sei ruhig, Christ.“ (IV, 4, 2783). Als Nathan und Recha sich seiner stürmisch geforderten Heirat verweigern, ist er verbittert und
unterstellt Nathan betrügerische Absichten. Erst die letzte Aufklärung
der Verwandtschaftsverhältnisse durch Nathan führt den Tempelherrn
zur Einsicht in seine Beschränkungen.
Nur vier Personen bleiben von der Erziehung durch Nathan ausgeschlossen, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Daja, Sittah,
der Patriarch und der Klosterbruder. Während der Patriarch keinen
Umgang mit Nathan hat und auch vor der Tötung Nathans nicht
zurückschrecken würde, ist der Klosterbruder zwar wegen seines Gehorsamsgelübdes gezwungen, ihm zu dienen, aber froh, als der Tem-
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Den muslimischen Derwisch bringt Nathan dazu, seine Position als
Schatzmeister des Sultans noch einmal zu überdenken. Der Derwisch
löst das Dilemma dadurch, dass er den Posten aufgibt und wieder zu
seinen Brüdern am Ganges zurückkehrt (II, 9).
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Im Schlussbild des Stücks zeigt Lessing, dass die Erziehung im
Sinn der Aufklärung gelungen ist. Es ist nicht nur eine private,
sich zwischen Freunden abspielende, sondern auch eine politische, utopische Lösung. Durch die stille Umarmung über
Standes- und Geschlechtsgrenzen hinweg malt Lessing das symbolische Bild einer Gesellschaft, in der die Mitglieder zwar verschieden sind (Juden, Moslems, Christen – Männer, Frauen –
Händler, Ritter – Bürger, Adlige), aber als Menschen gleiche
Rechte haben und vor allem in Freundschaft miteinander leben.
Damit hat die auf Vernunft beruhende Erziehung Nathans, eines aufgeklärten Bürgers, beim Adel (Tempelherr), dem Fürsten (Saladin)
und beim niederen Klerus (Klosterbruder und Derwisch) gewirkt. Die
Forderung der französischen Revolution nach „Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit“ scheint hier vorweggenommen. Zwar ist immer noch
deutlich, dass Saladin die Macht hat, auch über Leben und Besitz seiner Untertanen zu befehlen, aber seine aufgeklärte Einsicht in die
Rechte des Menschen verhindern einen Missbrauch.
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pelherr den Mordauftrag ablehnt. Er ist schon, trotz seines festen
Glaubens, ein aufgeklärter, zwar nicht gebildeter, aber aus dem
Herzen heraus toleranter Mensch.
Sittah hat kaum Kontakt mit Nathan und bleibt von der Erziehung ausgeschlossen.
Dajas einziger Wunsch ist es, in den Westen zurückzukehren; sie leidet unter ihrem Gewissen, das zwar Nathans Güte anerkennt, aber sie
hängt doch dem Christentum als dem einzigen wahren Glauben an
und schreckt auch vor Intrigen und Vertrauensbrüchen nicht zurück.
Argumenten ist sie nicht zugänglich.
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Zwischen dem Sultan und Nathan, Nathan und Recha, dem Sultan
und dem Derwisch, dem Tempelherrn und dem Klosterbruder gibt
es in „Nathan der Weise“ keine offen ausgespielte Befehlsgewalt,
selbst der Derwisch kann ohne negative Konsequenzen seine
wichtige Stellung beim Sultan aufgeben. Die Menschen verkehren in offenem Dialog.
Auffällig ist, dass sich vor allem die Christen von den anderen absondern. Der Tempelherr ist anfangs abweisend gegenüber den
Bemühungen, ihm für die Lebensrettung zu danken und ihn einzuladen, der Patriarch fordert sofort die tödliche Bestrafung des Juden
(IV, 2) und plant einen Anschlag auf den Sultan, obwohl es einen
Waffenstillstand gibt. Der Patriarch hat im Stück nur mit dem
Tempelherrn Kontakt und mit dem Klosterbruder, der ihm untersteht.
Weder Nathan noch der Sultan reden mit ihm (oder er mit ihnen).
So wird der Kontakt zwischen Nathan und dem Tempelherrn zu etwas
Besonderem. Immer wieder versucht der Tempelherr, von seinen Gefühlen von Liebe (zu Recha) und Wut (über Nathan) übermannt, den
Kontakt abzubrechen, fällt in alte Vorurteile zurück, wird aber immer
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Nicht in Lehrpredigten von oben herab, auch nicht durch längere
Monologe (mit den wenigen Ausnahmen der Ringparabel in III, 7 und
dem Gedankengang des verwirrten Tempelherrn in III, 8), sondern vor
allem durch Dialoge wird das Erziehungsziel, die Einsicht in die
Toleranz, erreicht. Schon der griechische Philosoph Sokrates hat den
Dialog, in dem er vor allem Fragen stellt und auf die Antworten eingeht, als hervorragendes Mittel zur Einsicht benutzt. Lessing geht in seinem Stück „Nathan der Weise“ noch etwas weiter, indem er die
Dialogpartner gleichberechtigt miteinander reden lässt. Selbst der
Tempelherr hört sich die Hasspredigt des Patriarchen an, kann sie
aber nicht akzeptieren. Dabei spielt das soziale Gefälle keine große
Rolle, wenn es auch mitunter bedrohlich im Hintergrund lauert.
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Der Dialog als erzieherisches Mittel
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Der Dialog zwischen den Personen endet entweder durch Flucht (AlHafis zu seinem Orden), durch Verweigerung (des Tempelherrn, die
Mordpredigt des Patriarchen anzuhören) oder, am Ende des Stücks, in
der harmonischen Lösung: „Unter stummer Wiederholung allerseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.“ Damit hört die Sprache auf, die
ihr Ungenügen eingestehen muss, und es regiert nur noch das Gefühl.
Am deutlichsten bricht der Patriarch aus diesem Dialog aus, er predigt
den Tod des Juden und befiehlt den Bruch des Waffenstillstands und
die Ermordung des Sultans. Statt zu argumentieren und auf Gegengründe einzugehen, sagt er: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“ (IV,
2, 2553 und öfter) und bedroht sogar den Tempelherrn mit Sanktionen: „Den Bösewicht, / Den Juden mir nicht nennen? – mir ihn nicht /
Zur Stelle schaffen? – O da weiß ich Rat! Ich geh sogleich zum Sultan.“
(IV, 2, 2567ff.)
Aber auch Daja ist dialogisch kaum zu helfen. Sie verschwindet im
Stück einfach irgendwann und ist, wie der Patriarch, von der Harmonie
am Schluss ausgeschlossen.
Praktische Vernunft und Gefühl
Die Epoche der Aufklärung war nicht nur rein vernunftbestimmt.
Schon vor der Bewegung des „Sturm und Drang“ mit ihren heftigen
Gefühlsaufwallungen war die so genannte „Empfindsamkeit“ wichtig,
eine literarische Strömung aus England, die ein durch die Vernunft
gemäßigtes, aber tiefes und reiches Gefühlsleben zum Ausdruck bringen wollte. Freundschaft war ein wichtiger Topos, oft wichtiger als Ehe
oder Liebe, „die schöne Seele“ galt es, auf allen Gebieten zu entwickeln, und selbst frivole, sexuell getönte Klänge gab es zu hören.
Autor: Georg Patzer
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wieder einsichtig. Vor allem die Gespräche mit Nathan bringen ihn
dazu, von einem hierarchischen Verhältnis zu einem gleichberechtigten zu kommen, von seiner Überzeugung, dass er als Vertreter der
„wahren Religion“ über die anderen bestimmen und Recha notfalls
auch gewaltsam von ihrem Pflegevater trennen könnte, zu einem
Verhältnis von Mensch zu Mensch zu gelangen.
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Das gilt vor allem für den Tempelherrn, der verwirrt ist, weil sein
christlicher Glaube seinen Gefühlen für eine vermeintliche Jüdin
widerspricht. Seine Beziehung zum Sultan wird erschüttert durch ein
Gefühl, dass er dessen verstorbenem Bruder nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ähnlich ist: „Ach, wenn ich wüsste, / Wie Assad, –
Assad sich an meiner Stelle / Hierbei genommen hätte!“ (IV, 4,
2787ff.)
Auch Recha wird aus ihrer rein gefühlsmäßigen Schwärmerei erst herausgerissen, als Nathan ihr vorstellt, dass ihr Retter krank sein und
Hilfe brauchen könnte: „Begreifst du aber, / Wie viel andächtig
schwärmen leichter, als / Gut handeln ist? wie gern der schlaffste
Mensch / Andächtig schwärmt, um nur, – ist er zuzeiten / Sich schon
der Absicht deutlich nicht bewusst – / Um nur gut handeln nicht zu
dürfen?“ (I, 2, 395ff.)
Handeln als Ausdruck von Vernunft und Unvernunft
Diese Mischung zeigt sich in „Nathan“ nicht in Gefühlsausbrüchen
oder Gedankengängen, sondern vor allem im Handeln.
Zwar sind die meisten und wichtigsten Handlungen am Anfang
des Stücks schon geschehen und werden als Vorgeschichte
erzählt: die Ermordung von Nathans Familie, die Übergabe des
Kleinkinds an Nathan, die Begnadigung des Tempelherrn, der
Brand des Hauses und die Rettung Rechas. Aber es gibt genug zu
tun. Vor allem Nathan handelt gradlinig und hartnäckig vom
Anfang der Verwirrungen bis zu ihrer Auflösung.
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Auch in Lessings „Nathan der Weise“ spielen die Gefühle der
Figuren eine wichtige Rolle, manchmal treiben die Liebesaufwallungen des Tempelherrn, die Schwärmerei Rechas, aber auch die
väterlichen und töchterlichen Gefühle Nathans und Rechas die
Handlung mehr voran als die vernunftbedingten Unterhaltungen.
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Beim Tempelherrn zeigt sich, dass Taten, ohne Vernunft und wohltemperiertes Gefühl durchgeführt, durchaus zum Schlimmen führen können. Zwar hat er das Angebot des Patriarchen, Saladin zu ermorden,
abgelehnt, aber seine Denunziation gegenüber dem Patriarchen hätte zum Tod Nathans führen können. Sein ungestümes Drängen nach
einer ehelichen Verbindung mit Recha hätte zum Inzest geführt. Auch
Dajas Handlungen sind nicht von Vernunft getragen, sondern nur vom
Wunsch, Jerusalem verlassen und nach Europa, in ihre christliche
Heimat, zurückkehren zu können. Auch diese Handlungen, vor allem
der Bruch ihres Versprechens, über Rechas Herkunft zu schweigen,
hätten Böses für Recha und Nathan bewirken können.
Auch der Derwisch ist ein impulsiver Mensch, der aus dem Gefühl heraus handelt. Anfangs noch geschmeichelt von Saladins Vertrauen,
sieht er seinen Wahn ein und flieht zu seinem Orden. Aber er lehnt es
ab, sich mit Nathan darüber zu unterhalten oder ruhig zu überlegen.
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Der Beweis für den Besitz des richtigen Rings zeigt sich für Nathan in
der Parabel darin, dass man gütig handelt: „Es strebe von euch jeder
um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring’ an Tag / Zu legen!
komme dieser Kraft mit Sanftmut, / Mit herzlicher Verträglichkeit, mit
Wohltun, / Mit innigster Ergebenheit in Gott, / Zu Hülf!“ (III, 7, 2041ff.)
Als der Sultan ihn schon als Freund entlassen will, drängt Nathan ihm
Geld auf, das der Sultan dringend benötigt. In der Unterhaltung mit
dem Klosterbruder zeigt sich Nathans Wahlspruch am deutlichsten:
„Hier braucht’s Tat!“ (IV, 7, 3971) In dieser Situation sagt er sogar, er
wäre fähig, die geliebte Tochter zu ihrem eigenen Schutz wegzugeben, wenn es nötig ist.
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Schon am Anfang des Stücks, als Recha von einem Engel schwärmt,
besteht Nathan darauf, den Retter zu suchen und, wenn er krank oder
in Not ist, zu pflegen und zu unterstützen.
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Für dieses Humanitätsideal Lessings ist Nathan die Leitfigur. In vielen
Beispielen zeigt er den gelungenen Ausgleich der Extreme. Selbst als
seine Familie ermordet wird, kehrt er vom Hass zur Menschlichkeit
zurück, und seinen Reichtum sieht er auch als Verpflichtung zur Hilfe
anderer an. Die Schlüsselworte für Nathan wie auch für viele andere
Autoren der Aufklärung sind „Freund“ und „Mensch.“ Für Nathan
steht der Mensch höher als die Religionszugehörigkeit oder das Amt,
er ist verbindender als alles Trennende. Schon als Recha sich in
Schwärmereien über ihren rettenden Engel verliert, weist Nathan sie
auf den vielleicht leidenden Menschen hin, dem geholfen werden
könne und müsse (I, 2). Der Derwisch kann sein Menschsein am
besten in seinem Orden verwirklichen, nicht unter den Menschen, mit
ihm trifft sich Nathan über die Grenzen der Religionen hinweg: „Ich
fürchte, / Grad unter Menschen möchtest du ein Mensch / Zu sein verlernen. / (Derwisch:) Recht, das fürcht ich auch. / Lebt wohl!“ (I, 3,
495ff.) Und bei seinem Abschied sagt der Derwisch: „Am Ganges, /
Am Ganges nur gibt’s Menschen.“ (II, 9, 1491f.)
Autor: Georg Patzer
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1777, zwei Jahre vor dem „Nathan“, veröffentlichte Lessing den
ersten Teil seiner Schrift „Die Erziehung des Menschengeschlechts.“ Sie ist ein theoretischer Abriss dessen, was er im
„Nathan“ als Stück erzählt, eine der ersten geschichtsphilosophischen Schriften Deutschlands. Lessing beschreibt Judentum
und Christentum als Religionen, die es durch die Aufklärung zu
überwinden gilt. In vielen Metaphern spricht er von der
Aufklärung wie von einer Erziehung von Kindern, die noch einer
offenbarten Religion anhängen. Als nächste Stufe gibt es die
Vernunfterkenntnis, die die Offenbarung als sinnliches Erleben
übersteigt, aber selbst auch sinnliche Elemente beinhaltet.
Wichtig ist vor allem, dass man das, was das Christentum ins
Jenseits verlegt, schon im Diesseits verwirklicht, eine Art Paradies
auf Erden, durch tätige Humanität mit den Mitteln der Aufklärung.
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„Menschen“ und „Freunde“
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Die engere Beziehung zwischen Nathan und dem Tempelherrn
beginnt mit dem Wort „Freund“. Anfangs hat der Tempelherr Nathan
noch als Jude beschimpft: „Der reichre Jude war / Mir nie der bessre
Jude.“ (II, 5, 1232f.) Und: „Auch lasst / Den Vater mir vom Halse. Jud’
ist Jude.“ (I, 6, 775f.) Dann aber ist er ergriffen, als er die dankbaren
Tränen Nathans bemerkt. Nach einer längeren Diskussion über
Judentum und Christentum merken sie, dass sie beide die „fromme
Raserei, / Den bessern Gott zu haben,“ (II, 5, 1297f.) verabscheuen.
Nathan ruft begeistert aus: „Sind Christ und Jude eher Christ und
Jude, / Als Mensch? Ah! wenn ich einen mehr in Euch / Gefunden hätte, dem es g’nügt, ein Mensch / Zu heißen!“ (II, 5, 1310ff.) Der
Tempelherr ruft: „Wir müssen, müssen Freunde werden“ (II, 5, 1318)
und Nathan antwortet: „Sind / Es schon.“ (II, 5, 1319f.)
Erst im Verlauf dieser Unterhaltung redet der Tempelherr den alten
Nathan nicht mehr mit der Bezeichnung „Jude“, sondern mit seinem
Namen an: „Aber, Jude – / Ihr heißet Nathan? – Aber, Nathan – Ihr /
Setzt Eure Worte sehr – sehr gut – sehr spitz – / Ich bin betreten.“
(II, 5, 1258ff.) Damit macht er aus dem schemenhaften Vertreter eines
Volkes eine Einzelperson. Später, als er wütend auf ihn ist, fällt er wieder in judenfeindlichen Jargon zurück: „Ich werde hinter diesen jüd’schen Wolf / Im philosoph’schen Schafpelz, Hunde schon / Zu bringen
wissen, die ihn zausen sollen!“ (2780ff.) Nathan dagegen sagt noch
zum Klosterbruder, als der ihm erzählt, ein Tempelherr habe beim
Patriarchen gegen einen Juden gehetzt: „Und diesen kenn ich. Dieser
ist mein Freund. / Ein junger, edler, offner Mann!“ (V, 4, 3309f.)
Die Freundschaft zwischen dem Sultan und Nathan beginnt mit der
Erzählung der Ringparabel, nach der Saladin, erschüttert von der
Wahrheit, bescheiden wird und Nathan bittet: „Aber sei mein Freund.“
(III, 7, 2060) Auch zwischen Saladin und dem Tempelherrn stiftet die
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Auch der Klosterbruder, der Nathan vor achtzehn Jahren die kleine
Recha gebracht hat, erweist sich vor allem als Mensch. Seine Abscheu
vor den Ideen des Patriarchen ist so groß wie seine Freude darüber,
dass auch der Tempelherr diese Ideen verabscheut. Er wird, nicht nur
aus Gründen der christlichen Hierarchie, oft „Bruder“ genannt.
44
Die Liebe
Von der Liebe gibt es verschiedene Formen und Auffassungen, die
mystische Gottesliebe, die Nächstenliebe, die geschwisterliche,
die Eltern-Kind-Liebe, die sexuelle Liebe. Sie alle werden im
Stück in unterschiedlichem Maße und verschiedenen Formen vorgestellt oder angesprochen. Es zeigt sich, dass die Liebe nicht so
eine große Rolle spielt wie die Freundschaft.
Die religiöse Liebe zu Gott zeigt sich nur vermittelt, beim Derwisch,
der wieder zu seinem Bettelorden fliehen will, oder beim Klosterbruder, der erzählt, dass er eigentlich ein Einsiedler ist. Ein Beispiel für
die Nächstenliebe ist Nathan, der nach den Morden ein fremdes,
christliches Kind aufnimmt, es als sein eigenes aufzieht und ihm
sogar eine christliche Gesellschafterin beigibt und freimütig Almosen
gibt. Auch der Tempelherr gibt ein Beispiel für Nächstenliebe, als er in
die Flammen springt, um eine Fremde vor dem Tod zu retten, und der
Sultan, der die Armen unterstützen will (was zwar eine Pflicht im Islam
ist, der man sich aber auch entziehen könnte).
Fast alle Hauptfiguren spüren eine gewisse Anziehung von den anderen, da sie miteinander verwandt sind, was sie aber erst spät erfahren.
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Der Begriff des Menschen als Gegensatz zu einer Religionszugehörigkeit wird u.a. von Sittah benutzt, die den Tempelherren Lüge und
Betrug vorwirft. Sie sagt zu ihrem Bruder: „Du kennst die Christen
nicht, willst sie nicht kennen. / Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht
Menschen.“ (II, 1, 868) Das Stück zeigt in der Person des Patriarchen,
der trotz des Waffenstillstands Überfälle plant, dass sie Recht hat,
den meisten Christen gilt das Christentum mehr als Menschlichkeit,
Freundschaft, Verträge und Versprechen.
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Freundschaft einen religionsübergreifenden Bund. Zwar ermahnt Saladin ihn mit „sei ruhig, Christ!“, als er ausfällig wird (IV, 4, 2783 und
2786), versucht aber sofort zu vermitteln: „Indes, er ist mein Freund,
und meiner Freunde / Muss keiner mit dem andern hadern.“ (2796)
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Auch Recha sagt zum Sultan, Nathan werde immer ihr wahrer Vater
bleiben, Saladin möge ihr versprechen, „Nicht mehr, nicht weniger, /
Als meinen Vater mir zu lassen; und / Mich ihm! – Noch weiß ich nicht,
wer sonst mein Vater / Zu sein verlangt; – verlangen kann. Will’s
auch / Nicht wissen. Aber macht denn nur das Blut / Den Vater? nur
das Blut?“ (V, 7, 3649ff.) Saladin stimmt ihr zu: „Jawohl: das Blut, das
Blut allein / Macht lange noch den Vater nicht! macht kaum / Den
Vater eines Tieres! gibt zum höchsten / Das erste Recht, sich diesen
Namen zu / Erwerben!“ (3662ff.) Und Nathan hat sich dieses Recht
durch die jahrzehntelange Fürsorge erworben.
Sexuell gefärbte Liebe schwingt zwischen den beiden jugendlichen
Helden mit. Vor allem der Tempelherr ist in Recha verliebt und wirbt
heftig um sie, und auch Recha ist etwas unruhig, spürt aber nicht
mehr als eine Sympathie; einmal sagt sie: „Er wird / Mir ewig wert;
mir werter, als / Mein Leben bleiben: wenn auch schon mein Puls /
Nicht mehr bei seinem bloßen Namen wechselt; / Nicht mehr mein
Herz, sooft ich an ihn denke, / Geschwinder, stärker schlagt.“ (III, 3,
1718ff.) Mit diesem Detail spricht Lessing ein Tabu an, das bis heute
noch wirksam ist, die inzestuöse Liebe zwischen Geschwistern, die
sich in seinem Stück in geschwisterlicher Liebe auflöst. Schon bei den
Griechen wurde Inzest von den Göttern hart bestraft, Ödipus, der
unwissentlich seine Mutter heiratete, stach sich die Augen aus.
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
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Am engsten aber sind Nathan und Recha miteinander verbunden,
obwohl sie nicht blutsverwandt sind. Sie redet ihn stets mit „Vater“
an, und, kurz bevor sich das Durcheinander auflöst, sagt Nathan in
einem Stoßseufzer: „Ich bliebe Rechas Vater / Doch gar zu gern! Zwar
kann ich’s denn nicht bleiben, / Auch wenn ich aufhör, es zu heißen?
– Ihr, / Ihr selbst werd ich’s doch immer auch noch heißen, / Wenn sie
erkennt, wie gern ich’s wäre.“ (IV, 7, 2912ff.) Dem Klosterbruder sagt
er, mit einer Anspielung auf seine sieben ermordeten Kinder: „Ob der
Gedanke mich schon tötet, dass / Ich meine sieben Söhn’ in ihr aufs
Neue / verlieren soll: – wenn sie von meinen Händen / Die Vorsicht
wieder fodert, – ich gehorche!“ (IV, 7, 3074ff.) Damit zeigt er, dass ihm
ihr Wohl mehr wert ist als sein Recht.
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In „Nathan der Weise“ löst sich alles friedlich auf, zwar mit Gefühlen
besetzt, aber ohne große Aufwallungen. Dem Schlussbild hat Lessing
die Regieanweisung gegeben: „Unter stummer Wiederholung allerseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.“ Damit zeigt sich nicht nur die
Gleichheit aller beteiligten Menschen – Nathan, Recha, der Tempelherr, Saladin und Sittah –, sondern auch die Aufhebung aller allzu heftigen Gefühle wie das erotische Begehren es mit sich bringt, in eine
gleichgestimmte, familiäre Heiterkeit. Da sie mit Ausnahme Nathans
alle miteinander verwandt sind, verbietet sich jede Erotik von selbst
und Nathan ist als Rechas Adoptivvater akzeptiert.
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Außerdem sind am Schluss alle Probleme gelöst: Der Sultan hat wieder Geld, Nathan muss nicht befürchten, der Tochter beraubt oder verbrannt zu werden, der Derwisch ist bei seinen Glaubensbrüdern,
Recha hat nicht nur ihren Vater noch, sondern sogar noch einen Bruder, Onkel und Tante, der Sultan und seine Schwester haben ebenso
Nichte und Neffe gefunden. Damit gleitet der Schluss in seiner stummen Familiarität ein wenig in ein allgemeines Menschlichkeitspathos
ab. Einzig Nathan bleibt trotz seiner harmonieschaffenden Leistungen
außerhalb der neu geschaffenen Familie. Der einzige wirkliche Jude
des Stücks bleibt am Schluss der Außenseiter.
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Religion und Toleranz
Toleranz war das Schlüsselwort für die Aufklärung. Die langsam
beginnende naturwissenschaftliche Forschung hatte gezeigt,
dass es keine geoffenbarten Wahrheiten gibt, dass vieles von
dem, was in der Bibel stand, z. B. die Gestalt der Erde, auf einem
früheren Wissensstand beruhte. Damit begann sich auch die Erkenntnis durchzusetzen, dass es nicht mehr nur eine wahre Religion gab und man die anderen Religionen ebenso tolerieren müsse. Im 17. und 18. Jahrhundert kam so die Vorstellung auf, Gott
habe die Welt erschaffen und sie nach vernünftigen Gesetzen
geordnet. Der Mensch sei danach in der Lage, sowohl gläubig zu
sein als auch über die Vernunft die Weltgesetze zu erkennen.
Autor: Georg Patzer
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Reimarus behauptete, die reine Lehre Christi enthalte „eine vernünftige, praktische Religion“ (Sedding, S. 53), erst die Apostel und spätere Christen hätten das Christentum verfälscht. Er schloss aus der
Widersprüchlichkeit der vier Evangelien, dass es keine Offenbarung
gegeben hat. Außerdem versuchte er zu beweisen, dass die Wunder
nicht geschehen sein könnten und die Auferstehung Jesu ein Betrug
der Apostel gewesen sei.
Vor allem der Hamburger Hauptpastor Melchior Goeze griff die
Schriften scharf an. Die Wunder versuchte er naturwissenschaftlich zu
erklären, den Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer z. B. durch
einen starken Ostwind. Lessing kritisierte in mehreren Schriften, die
als „Anti-Goeze“ bekannt wurden, Goezes Theologie und versuchte,
eine historische Bibelkritik gegen die Buchstabengläubigkeit zu etablieren. Er schrieb in seinem Vorwort: „Der Buchstabe ist nicht der
Geist; und die Bibel ist nicht die Religion. Folglich sind Einwürfe gegen
den Buchstaben, und gegen die Bibel, nicht eben auch Einwürfe
gegen den Geist und gegen die Religion.“ (Sedding, S. 55)
Der Streit wurde in ganz Deutschland verfolgt. Vor allem Lessing als
Herausgeber wurde angegriffen, da man den ursprünglichen Verfasser, den er verschwieg, nicht kannte. Der Herzog von Braunschweig
verbot Lessing schließlich die Weiterführung der Debatte, Lessing ließ
seine nächste Antwort im „Ausland“, in Hamburg und Berlin, drucken.
Nach einem schärferen Verbot wählte Lessing das Theater, um seine
Position darzulegen.
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Unmittelbarer Anlass für „Nathan der Weise“ war eine Auseinandersetzung Lessings, die als „Fragmentenstreit“ bekannt wurde. Der
Hamburger Orientalist Hermann Samuel Reimarus, ein Freund von
Lessing, hatte eine „Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen
Verehrer Gottes“ geschrieben, sie aber nicht veröffentlicht. Lessing
gab sie nach seinem Tod als „Fragmente eines Ungenannten“ 1774
und 1777/78 in Auszügen heraus, getarnt als Funde aus der Bibliothek
in Wolfenbüttel, die er leitete.
Für den Streit um die „wahre Religion“ stehen im Stück die drei
großen Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam mit
ihren Vertretern. Aber „Nathan der Weise“ geht über eine einfache
Autor: Georg Patzer
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Lehrdichtung oder Polemik hinaus, es zeigt zwar auch Vertreter der
Religionen, und es geht auch bei ihnen um die Frage, welche Religion
die „wahre“ sei. Aber darüber hinaus stehen glaubwürdige Charaktere auf der Bühne, und auch die wirkungsvolle Bildersprache wirkt für
sich.
Das Christentum repräsentieren Daja, der Patriarch, der Tempelherr
und der Klosterbruder, den Islam der Derwisch, der Sultan und seine
Schwester, das Judentum Nathan selbst und Recha. Während der
Islam nur indirekt beschrieben wird, durch die Freigebigkeit des
Sultans, seine Bereitschaft, sich andere Positionen anzuhören und
mit den christlichen Angreifern einen Waffenstillstand und sogar
einen Frieden zu schließen, verkörpern die Vertreter des Christentums
unterschiedliche Positionen.
Der Patriarch ist ein Machtmensch mit einem Glauben, in dem auch
die Verbrennung der Juden seinen Platz hat, die er notfalls mit der
Hilfe des Sultans durchsetzen will, den er andererseits als Heiden
bekämpft. Vertragsbruch, Verrat und Mord rechtfertigt er mit den Worten: „Nur, – meint der Patriarch, – sei Bubenstück / Vor Menschen,
nicht auch Bubenstück vor Gott. (...) Doch bliebe, – meint / Der
Patriarch, – noch immer Saladin / Ein Feind der Christenheit (...).“ (I,
2, 686 ff.) Mit dem Patriarchen ist nicht zu diskutieren, denn er verbiegt die Logik, wie es ihm passt: „Denn ist / Nicht alles, was man
Kindern tut, Gewalt? – / Zu sagen: – ausgenommen, was die Kirch’ /
An Kindern tut.“ (IV, 2, 2540) Der Patriarch bedroht den Tempelherrn
und Nathan mit Sanktionen, um seine Machtposition durchzusetzen.
Von den Inhalten des Christentums ist bei ihm keine Rede.
Daja, die Gesellschafterin Rechas, spielt nur eine kleine Rolle im
Stück. Sie erweist sich bereits in der Anfangsszene als bestechlich
und bricht ihren Schwur, das Geheimnis um Rechas Herkunft zu verschweigen, als sie sich Vorteile erhofft. Ihre Religion ist eher oberflächlich, die tieferen Glaubensgrundsätze sind ihr nicht so wichtig
wie ihr persönlicher Vorteil.
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Christentum
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Der Klosterbruder ist durch die Mitgliedschaft in einem Orden zum
Gehorsam verpflichtet und muss Intrigen spinnen, er ist aber ein wahrer, wenn auch naiver Christ, der die Religionen der anderen akzeptiert.
Islam
Der Islam wird vom Derwisch, dem Sultan und seiner Schwester verkörpert. Er ist im Stück blasser als das Christentum, von den Glaubenssätzen wird nur der Glaube an den einen Gott und die Freigebigkeit durch Almosen erwähnt, die den Sultan zu ruinieren droht.
Judentum
Das Judentum wird überhaupt nicht dargestellt, obwohl Nathan als
Jude bezeichnet wird. Weder die Speisevorschriften der Kaschrut,
noch das Glaubensbekenntnis, die Thora oder der Talmud spielen
eine Rolle. Wichtig ist für Lessing ganz offensichtlich vor allem Nathans soziale Stellung und seine menschliche Qualität. Nathan ist zwar
ein reicher Kaufmann und entspricht damit dem gängigen Vorurteil,
aber er wird auch als „weise“ bezeichnet, was ihn zu einer guten Figur
im Mittelpunkt des Schauspiels macht; er vermittelt die Positionen
und nimmt durch seine Erziehung vor allem eine aufklärerische
Funktion ein.
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Der Tempelherr verkörpert das Dilemma des Christen; er schwankt
zwischen einer tiefempfundenen Gläubigkeit und den gepredigten
Glaubenssätzen und Gehorsamsanmutungen des Patriarchen. Zwar
anerkennt der Tempelherr den Patriarchen als Lehrer, weigert sich
aber schließlich, seinen Ratschlägen (und Befehlen) zu folgen. Eher
folgt er seinem Herzen, das ihm nach den Gesprächen mit Nathan und
dem Klosterbruder zur Toleranz rät.
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Nathan ist kein Atheist, es gibt Beispiele, die seine Religiosität belegen. Vor allem sein Bericht über den Mord an seiner Familie, macht
seine Wurzeln im Glauben deutlich: Als / Ihr kamt, hatt ich drei Tag’
und Nächte in Asch’ / Und Staub vor Gott gelegen, und geweint. – /
Geweint? Beiher mit Gott auch wohl gerechtet, / Gezürnt, getobt,
mich und die Welt verwünscht; / Der Christenheit den unversöhnlichsten / Hass zugeschwören – (...) / Doch nun kam die Vernunft allmählig wieder. / Sie sprach mit sanfter Stimm’: ,Und doch ist Gott! / (...)
Komm! übe, was du längst begriffen hast (...)‘ “. (IV, 7, 3038ff.)
Für Nathan ist Gott der Lenker des Schicksals, ein freies Leben ist für
ihn nur möglich im Einklang mit dem Willen Gottes: „Ich stand! und
rief zu Gott: ich will! / Willst du nur, dass ich will!“ (IV, 7, 3058f.) Dazu
braucht es aber keine Wunder, schon das wunderbar Scheinende wie
die Rettung der Jüdin Recha durch den christlichen Tempelherrn reicht
als Wunder völlig aus, um die Welt harmonisch zu gestalten, wie es im
Stück letztendlich geschieht. Schon das ist eine Offenbarung Gottes,
der in der Welt wirkt. Auch die Vernunft ist in Gottes Plan enthalten,
die als personifizierte Stimme erscheint und Nathan mit sanfter
Stimme auf Gott hinweist.
Diese Szene spielt auf die Theorie der „Theodizee“ des Philosophen
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) an, der meinte, dass nur Gott
dem Menschen den Willen geben könne, im Guten auszuharren und
sein Herz der Gnade nicht zu verschließen. Metaphysisch ist bei
Leibniz der gute Wille und das Geschick des Menschen vorbestimmt.
Wir sind aufgerufen, diesen mutmaßlichen Willen zu erfüllen, also das
Gute anzustreben, auch wenn wir manchmal zum Scheitern verdammt
scheinen, aber wir wissen eben nicht, ob wir zum Guten oder zum
Schlechten vorherbestimmt sind. Leibniz grenzt die Vorbestimmtheit
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Damit ist Nathan der Vertreter einer aufgeklärten Religionsauffassung, die einen Einklang zwischen religiösem Glauben und
Vernunftdenken anstrebte.
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Vernünftige Religion
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Die Familienzugehörigkeit der Personen im Stück bewirkt, dass das
Stück auf dieses Ziel hin läuft und es erreicht. Am Anfang steht das
vage Erkennen des Sultans, als er das Gesicht des Tempelherrn sieht.
Danach kann der Tempelherr Recha retten; als sie sich sehen, wird sie
etwas distanzierter, er etwas unruhiger. Oft vergleicht er sich mit dem
Sultan und dessen toten Bruder.
Die Ringparabel
Vor allem in der Ringparabel wird Nathans Religionsauffassung deutlich. Die Parabel von den drei Ringen ist deshalb das Kernstück des
Stücks „Nathan der Weise“.
Nathan muss sie erzählen, um sich zu verteidigen, denn Sittah hatte
die Frage, die der Sultan ihm stellt, als eine Falle gemeint, um Nathan
zu demütigen und einfacher an sein Geld kommen zu können. Auch
wenn der Sultan seine Macht im Stück nicht direkt ausübt, ist er doch
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Für Nathan ist der Sinn des Lebens, dass der Mensch dem Menschen
nicht ein Wolf (wie ein bekanntes Sprichwort sagt), sondern ein
Mensch ist. Die Entwicklung der Humanität ist wichtig, gerade in der
Verzweiflung, in der sich Nathan befindet, muss er sich zur Menschlichkeit und zum Guten entschließen: „Doch war auch Gottes Ratschluss das!“ sagt er (IV, 7, 3054). Die rechte Einsicht wird so in der
Verzweiflung zum Schwersten, das der Mensch leisten kann. Lessing
betont im Gegensatz zu Leibniz, dass der Mensch die Verwirklichung
des Guten beeinflussen kann. Die „beste aller möglichen Welten“, wie
Leibniz sie bezeichnet hat, ist für Lessing eine, die der Mensch erst
noch erschaffen muss. Das ist seine ethische Aufgabe. Das widerspricht fundamental dem lutherischen Glauben von der bösen Natur
des Menschen, der durch die Erbsünde verdammt ist und erst durch
die Erlösung durch Christus gerettet werden kann.
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vom so genannten „Fatum Mahometanum“, der sklavischen Schicksalsergebenheit, ab. Sowohl in der Konsequenz der Ringparabel als
auch im Ausruf Nathans „Willst du nur, dass ich will“ ist also die
Theodizee Leibniz’ und die ethische Konsequenz enthalten.
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Die Ringparabel handelt von einem Mann, der „einen Ring von
unschätzbarem Wert“ (III, 7, 1912) besitzt. Der Stein „hatte die
geheime Kraft, vor Gott / Und Menschen angenehm zu machen,
wer / In dieser Zuversicht ihn trug.“ (III, 7, 1915ff.) Dieser Ring
wurde in seiner Familie immer auf den geliebtesten Sohn vererbt,
der stets der Vorstand des Hauses wurde. Das ging so, bis ein
Vater seine drei Söhne gleich liebte und sich nicht entscheiden
konnte, wem er den Ring vermachen sollte; er wollte keinen kränken und fertigte zwei gleich aussehende Ringe an. Als er starb,
gab er jedem von ihnen einen Ring, den er jeweils als den wahren
ausgab. Jeder der drei Söhne wollte, als Ringträger, Herr des
Hauses sein: „Man untersucht, man zankt, / Man klagt. Umsonst;
der rechte Ring war nicht / Erweislich.“ (III, 7, 1961ff.) Genauso
wenig ist der rechte Glauben erweislich, fährt Nathan fort, denn
darum ging es ja in der Frage des Sultans.
Der Sultan ermahnt ihn, nicht mit ihm zu spielen, und fragt, ob sich die
Religionen nicht unterscheiden würden. Nathan antwortet, dass sich
alle drei Religionen auf Geschichte und Überlieferungen gründen, die
geglaubt werden müssten, und natürlich würde man den eigenen Lehrern und Vorfahren am ehesten glauben. Aber er macht zweimal un-
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Nathan spricht die Gefahr an, in der er sich befindet: „Zwar der
Verdacht, dass er die Wahrheit nur / Als Falle brauche, wäre auch gar
zu klein! – / Zu klein? – Was ist für einen Großen denn / Zu klein?“ (III,
6, 1887ff.) Und er wägt ab, was er dem Sultan auf seine Frage antworten kann: „Ich muss / Behutsam gehen! – Und wie? wie das? – So ganz
/ Stockjude sein zu wollen, geht schon nicht. – / Und ganz und gar
nicht Jude, geht noch minder. / Denn, wenn kein Jude, dürft er mich
nur fragen, / Warum kein Muselmann? – Das war’s! Das kann / Mich
retten! – Nicht die Kinder bloß, speist man / Mit Märchen ab.“ (III,
6,1883ff.) Die Geschichte, die er ihm erzählt, ist als Illustration des
wahren Glaubens gedacht, nach dem der Sultan ihn gefragt hat.
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der absolute Herrscher Jerusalems und kann auch über das Leben und
das Eigentum des Juden Nathan gebieten.
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Damit hat Nathan wieder zur Frage des Sultans zurückgeleitet und
fragt ihn, ob er dieser Richter sein wolle, der die einzige wahre
Religion bestimmen wolle. Der Sultan ist bestürzt, sieht seine fast
gotteslästerliche Anmaßung ein und bittet Nathan um seine
Freundschaft.
Es geht Lessing nicht um die äußerlichen Formen der Religionen,
die auch kulturell gewachsen sind und sich schon oft geändert
haben. Es geht ihm um den inneren Kern aller Religionen und um
die aktive Toleranz. Das bedeutet nicht, dass man seine Religion
aufgeben oder eine allumfassende Religion für alle schaffen
müsse. Es bedeutet, dass man in seiner Religion lebt, sich in ihr
um größtmögliche persönliche Vervollkommnung bemüht und
gleichzeitig alle anderen Religionen akzeptiert, mit ihnen im Dialog steht, ihre Andersartigkeit erkennt und anerkennt.
Autor: Georg Patzer
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Nathan kehrt nach dieser Abschweifung zur Geschichte zurück. Die
Söhne zerstritten sich, jeder schwor, dass der Vater ihm versichert
habe, den wahren Ring weiter zu geben, was ja auch stimmt. Der Richter, zu dem sie gingen, meint, der Ring habe doch die Zauberkraft, den
Träger beliebt zu machen. Man müsse also nur nachprüfen, wer von
den drei Brüdern am beliebtesten sei. Da sich erwies, dass jeder der
drei nur sich selbst am meisten liebte, schloss der Richter: „O so seid
ihr alle drei / Betrogene Betrieger! Eure Ringe / Sind alle drei nicht
echt. Der echte Ring / Vermutlich ging verloren. Den Verlust / Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater / Die drei für einen machen.“ (III, 7,
2023ff.) Sein Rat war, zu bedenken, dass der Vater wohl alle drei
gleich geliebt habe, und mit aller Kraft dem Ring und seiner Macht,
den Träger beliebt zu machen, nachzueifern: Jeder „komme dieser
Kraft mit Sanftmut / Mit herzlichster Verträglichkeit, mit Wohltun, /
Mit innigster Ergebenheit in Gott, / Zu Hülf!“ (III, 7, 2045ff.) Dann werde sich nach vielen Generationen schon zeigen, welcher Ring der echte gewesen ist, und ein weiserer Richter werde das Urteil sprechen.
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missverständlich klar, dass das natürlich für alle gilt, für Juden,
Moslems und Christen. (III, 7, 1886 und 1889f.)
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Nathan selbst hat schon einen wichtigen Beitrag zur aktiven Toleranz
geleistet, indem er den christlichen Mördern seiner Familie nicht
hasserfüllt gegenüber tritt, sondern Recha aufnimmt, ihr später eine
christliche Gesellschafterin gibt und im Stück die Verachtung des
Tempelherrn erträgt. Zudem ist er ein Freund des muslimischen
Derwischs Al-Hafi und gewinnt auch die Freundschaft des christlichen
Klosterbruders und des muslimischen Sultans.
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Nathan spricht auch an dieser zentralen Stelle des Stücks nicht von
einer innerlichen Gläubigkeit, sondern wiederum vom guten und richtigen Handeln. Sanftmut, Verträglichkeit, Wohltun sind die Forderungen, die er in der Parabel an die drei Brüder richtet. Damit ist die
Fragestellung selbst schon von einer theologischen Ebene zur
ethisch-praktischen abgewandelt.
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Tragödie oder Komödie
„Nathan der Weise“ wurde von Lessing ausdrücklich als „dramatisches Gedicht“ bezeichnet. Er wollte damit klarstellen, dass es
weder eine Komödie noch eine Tragödie ist. Eine Komödie sollte
die Menschen durch Lachen bessern, eine Tragödie durch
Erregung von Mitleid und Furcht. Der Leipziger Literaturprofessor
Johann Christoph Gottsched hatte diese Theorie zu Beginn des
18. Jahrhunderts (unter Rückgriff auf die Poetik des Aristoteles)
durchgesetzt. Tragödien mussten nach der so genannten „Ständeklausel“ unter Königen und Fürsten spielen, eine hohe Sprache
und ein hohes Thema haben, Komödien sollten unter Bürgern
spielen und in einfacher Sprache verfasst sein. Nach dem Gesetz
der drei Einheiten musste ein Stück einen Handlungsstrang
haben, an einem Schauplatz und in einem genauen Zeitablauf
spielen.
Auch Lessing war als Dramenautor und -theoretiker in Theorie und
Praxis beschlagen. Seine Abhandlungen über das Lustspiel (1754)
und die „Hamburgische Dramaturgie“ (1767/69) zeigen, wie er diese
allzu starre Form weiterentwickelte. Nach englischem Vorbild schrieb
er 1767 das erste bürgerliche Trauerspiel, „Minna von Barnhelm“, und
ließ in dem in Prosa geschriebenen Stück „Emilia Galotti“ Adel und
Bürgertum gleichberechtigt aufeinander treffen. In seinem letzten
Stück, „Nathan der Weise“, verschwimmen nicht nur die Gattungsgrenzen, sondern auch die Grenzen zwischen den Ständen.
Dabei hat das Stück Elemente aus Komödie und Tragödie. Die witzigen Auftritte von Al-Hafi, der zuerst erregt und stolz seine neue Position vorstellt, später ebenso erregt und impulsiv die Stelle verlässt;
die ironischen und verschmitzten Einfälle des Klosterbruders; die
manchmal ironischen Aufklärungen Nathans bei Daja, Recha, Al-Hafi
und dem Tempelherrn; die geschwätzige Zofe Daja; die ins Lächerli-
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Stil und Aufbau
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Der Untertitel des Stücks lautet deshalb „ein dramatisches Gedicht“,
da es weder das eine noch das andere ist und nicht in den tradierten
Formenkreis einzuordnen ist. Gerade die historische und utopische
Distanzierung des Stücks verlangt zwingend die komischen und die
tragischen Elemente. Die ständige Bedrohlichkeit, die ironischen
Einsprengsel und der märchenhafte Schluss bewirken so eine stärkere innere Beteiligung des Zuschauers und Lesers.
Aufbau
Die drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung werden von Lessing
gewahrt. Das Stück spielt in Jerusalem, wenn auch an mehreren
Orten, es spielt an einem Tag, beginnt mit der Ankunft Nathans
und endet mit den Umarmungen der neuen Familie, wodurch die
Handlung zu einem sinnvollen Abschluss gefunden hat.
Aber durch die Erzählungen im Stück wird die Einheit gleichzeitig
aufgebrochen. Man erfährt von der knapp zwanzigjährigen
Vorgeschichte, der Liebe zwischen Saladins Bruder Assad und
seiner Frau von Stauffen, dem Mord an Nathans Familie und der
Aufnahme Rechas bei Nathan. Ebenso wird die Rettung Rechas
durch den Tempelherrn erzählt.
Autor: Georg Patzer
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Dagegen steht der blutige Hintergrund des Stücks. Die Kreuzzüge und
die Judenfeindlichkeit, die tödliche Bedrohung Nathans durch den
Tempelherrn und den Patriarchen, aber auch die im Hintergrund
schwelende Bedrohung durch Saladin und Sittah, die ihm eine Falle
stellen, sind Elemente aus einer Tragödie. Noch bis zum Schluss
könnte der Ausgang durch die unüberlegten Ausbrüche des Tempelherrn tragisch sein.
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che gehende Engelsschwärmerei Rechas: Das alles trägt durchaus
lustspielhafte Züge. Zudem sind der Jude in der Hauptrolle und der
Patriarch noch aus dem Typenarsenal der so genannten Sächsischen
Typenkomödie gegriffen.
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Versform
Lessing schrieb „Nathan der Weise“ in Versen, aber er benutzte
nicht den aus Frankreich her gebräuchlichen, gereimten
Alexandriner, sondern den reimlosen fünffüßigen Jambus, den so
genannten „Blankvers“. Lessings Vorbild war William
Shakespeare, der viele seiner Stücke in diesem sehr natürlich
fließenden und trotzdem gebundenen Vers schrieb. Nach
Lessings Vorbild wurde der Blankvers vor allem bei Goethe und
Schiller und ihren Nachfolgern als klassische Form eingeführt.
Die in einem Vers vorkommende fünfmalige Ablösung von unbetonter
mit betonter Silbe bei festem Metrum gibt der Sprache eine bindende
Form, sie ist aber gleichzeitig dynamisch und abwechslungsreich: „Er
íst es! Náthan – Gótt sei éwig Dank, / Dass Íhr doch éndlich éinmal
wíederkómmt.“ (I,1, 1f.) klingt es in den ersten beiden Versen.
Autor: Georg Patzer
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Der Aufbau des Stücks mit seinen fünf Aufzügen ist klassisch gestaltet. In der Einleitung (Exposition) werden Nathan und der Tempelherr
vorgestellt, ihre unmittelbare Vorgeschichte erzählt und die Konflikte
gezeigt: die Geldnot Saladins, die Bedrohung Nathans durch ihn, das
Verhältnis zwischen Juden, Christen und Moslems in Jerusalem, die
Diskrepanz zwischen Schwärmerei und Vernunft. Die Steigerung
(Entwicklung) stellt Saladin und seine Schwester vor, und Nathan
beginnt mit der Erziehung des Tempelherrn, während Al-Hafi sich verabschiedet. Die Wende (Peripetie) zeigt eine mögliche Lösung, in der
der christliche Tempelherr das jüdische Mädchen Recha liebt und heiraten und Nathan dem Sultan mit Geld aushelfen könnte. Aber neue
Schwierigkeiten, die Zurückweisung der Werbung durch Nathan und
der Verrat Dajas, dass Recha keine Jüdin ist, bringen neue
Verwicklungen. Die Umkehr (Krise) führt fast zu einem tragischen
Schluss, als der Tempelherr Nathan erst beim Patriarchen, dann beim
Sultan denunziert. Die Lösung, dass Sultan, Tempelherr und Recha
verwandt sind, führt zum harmonischen Schluss.
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Eine erste Auflösung des starren Verses gelingt ihm durch das
Enjambement (Zeilensprung), den Fluss des Satzes über das Ende des
Verses hinaus: „So hätte / Ich keines Hauses mehr bedurft. –
Verbrannt / bei einem Haare! – Ha, sie ist es wohl!“ (I, 1, 22ff.) Der Satz
endet nicht am Ende des Verses, sondern häufig mitten in der Zeile.
Das lockert die Rede auf und verhindert ein sprachliches und gedankliches Deklamieren.
Häufig gibt es mitten im Vers einen Sprecherwechsel (Stichomythie),
der Dialog wird dadurch lebendig, die Menschen antworten schnell
und sprechen nicht in wohlgesetzter rhythmisierter Prosa, sondern in
Alltagssprache. „Ich fürchte, / Grad unter Menschen möchtest du ein
Mensch / Zu sein verlernen. / (Derwisch:) Recht, das fürcht ich auch. /
Lebt wohl! (Nathan:) So hastig? – Warte doch, Al-Hafi.“ (I, 4, 497ff.)
Das Tempo des Stücks wird durch Unterbrechungen noch gesteigert:
„(Nathan:) Verzeihet, edler Franke (...) (Tempelherr:) Was? (Nathan:)
Erlaubt (...) / (Tempelherr:) Was, Jude? was? (Nathan:) Dass ich mich
untersteh, / Euch anzureden.“ (II, 5, 1198ff.) Mit diesem Sprecherwechsel zeigt Lessing vor allem die noch beherrschten, aber aufgewühlten Gefühle. Auch das war Mitte des 18. Jahrhunderts in der deutschen Dramatik noch undenkbar.
Eine andere Besonderheit ist die Betonung einzelner Schlüsselwörter
nicht nur durch Wiederholungen, sondern auch durch die Versführung
und durch betonte Pausen. So beginnt Daja mitten in einem Vers ihren
Einwand „Mein Gewissen (...)“ (I, 1,39), Nathan unterbricht sie: „Daja,
lass / Vor allen Dingen dir erzählen (...)“ und Daja unterbricht wiederum ihn: „Mein / Gewissen, sag ich (...)“ Auch das unterbricht Nathan
Autor: Georg Patzer
Seite aus: Nathan der Weise
Klett-Nr: 3-12-928095-2
www.klett-verlag.de
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2003. Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung
für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
Aber Lessing variiert die Form und sprengt damit die Tradition,
dass der Vers auch gleichzeitig eine gedankliche und syntaktische Einheit sein müsse. Für ihn bedeutet diese Einteilung ein zu
strenger Rhythmus und eine Einengung im dramatischen Fluss.
Lessing führt die Dramensprache an die natürliche, wenn auch
gehobene Alltagssprache heran. Durch Einschübe, Wiederholungen und Brüche lockert er das enge Korsett der Tradition.
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Sprache und Dialogform
Die Sprache des Stücks ist lebendig und bildhaft, denn in ihr muss die
Handlung transportiert werden. Es passiert ja fast nichts im Stück,
wie es z. B. bei Shakespeare der Fall ist, sondern es wird fast alles
erzählt.
Durch Erzählen treten die Missverständnisse auf und werden durch
sie wieder ausgeräumt. Selbst die verworrenen Familienverhältnisse
lösen sich durch Erzählungen und detektivische Denkarbeit an wenigen Indizien. Auch Erkenntnisse der Personen werden meist in
Sprache und nicht in Handlung umgesetzt. Die Lebendigkeit und
Wirksamkeit des Stücks gelingt durch die starke Bildlichkeit der
Sprache und ihre Einfachheit und Direktheit.
Obwohl in „Nathan der Weise“ Personen aus sehr unterschiedlichen Schichten auftreten, ist ihre Sprache einander angeglichen.
Alle Personen haben die gleiche Sprachkompetenz, von der
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Eine Verlangsamung des Gedanken- und Spielflusses erreicht Lessing
durch häufige Sprechpausen, die im Text durch Gedankenstriche markiert sind. Hier wird das Innehalten der Personen gezeigt, die überlegen müssen, verblüfft oder ratlos sind. Zwar zeigen die Gedankenstriche manchmal auch an, dass sich in der Szene etwas tut und der
Dialog durch eine Handlung unterbrochen wird. Aber ihr eigentlicher
Sinn greift tiefer: Die Gedankenstriche weisen darauf hin, dass die
gedanklichen Zusammenhänge nicht mit den einzelnen Versen übereinstimmen, sondern dass sie länger sein können, aber auch kürzer
als der Vers, dadurch bekommt die Sinneinheit gegenüber dem Vers
eine größere Betonung. So wechseln sich schnelle, emotional aufgewühlte Dialoge mit häufigen Unterbrechungen und Sprecherwechseln
ab mit ruhigeren Passagen, in denen Monologe gesprochen werden
oder Dialoge mit längeren, überlegteren Sätzen.
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mit einem längeren Einschub, bis Daja später wieder insistiert und
erst durch Geschenke zum Schweigen zu überreden ist.
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Zwei Dialogformen können unterschieden werden. Der offene Dialog
zwischen Gleichgesinnten wie Nathan und dem Derwisch oder dem
Klosterbruder zeigt einen freien Austausch von Gedanken, eine
Offenheit der Gefühle und die Bereitschaft, kritisch miteinander
umzugehen.
Vor allem die Dialoge mit dem Derwisch sind komisch und brüderlich
zugleich, die übertriebene Reaktion des Derwisch, aber auch die ironischen Bemerkungen Rechas gegenüber dem Tempelherrn (III, 2)
erinnern an Lustspiele.
Als Lehrdialoge kann man die Gespräche bezeichnen, in denen Toleranz vermittelt werden soll. Sie stehen im Vordergrund des Stücks, die
Unterhaltung Nathans mit Recha über ihre Schwärmerei (I, 2), seine
Begegnungen mit dem Tempelherrn (II, 5 und III, 9) und Saladin (III, 5
und III, 7) und der Dialog Saladins mit dem Tempelherrn (IV, 4).
Verstand und Gefühl werden angesprochen, das Ziel ist stets, eine
größere Einsicht beim starrsinnigen Gegenüber zu erreichen.
Autor: Georg Patzer
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Lessing wollte damit die grundsätzliche Gleichheit der Menschen zeigen, die sich nur durch ihren Glauben und ihre Bereitschaft, Toleranz
zu üben, unterscheiden. So können sie auf gleicher Stufe miteinander
reden und ihre Unterschiede jenseits von Sprachgrenzen zeigen.
Lessings „Nathan“ grenzt sich so bewusst von naturalistischen oder
volkstümlichen Dramen ab.
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christlichen Daja, der einfachen Gesellschafterin, über Recha,
dem ungebildeten Mädchen, bis hin zum alten, erfahrenen Juden
Nathan, dem gebildeten Sultan Saladin und seiner Schwester.
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Selbst die Ring-Parabel, die im Zentrum von „Nathan“ steht, zielt auf
eine Offenheit, wenn sie darauf hinläuft, dass der „rechte Ring“ nicht
nachzuweisen ist. Zwar lassen sich Nathans religiöse Erfahrungen mit
der Ring-Parabel und der Erzählung von seiner persönlichen
Erschütterung nicht genau und bis in letzte Einzelheiten ausdeuten,
aber das Bild, das er damit aufwirft, ist deutlich genug: dass der
Sultan (bzw. der Klosterbruder oder der Leser) erschüttert ist, eine
Wendung in seinem Charakter erfährt und auch danach handelt, und
dass sich die Geschichte noch dem heutigen Leser genau einprägt.
Während die individuelle religiöse Erfahrung also nicht genau darzustellen ist, kommen die Bilder, die Nathan benutzt, nahe genug an
das, was im dialogischen Miteinander notwendig ist. Damit wird das
Versagen der Sprache vor der Religion von Lessing zwar benannt, aber
er bietet den poetischen Ausweg über Bilder, die zwar nicht genau
sind, aber einen emotionalen Dialog bewirken können. Auch hier tritt
wieder die Toleranz vor dem Ungenauen, Unbestimmten und nicht
Erfassbaren in den Vordergrund, die Akzeptanz des Anderen, Fremden
und Unverständlichen.
Autor: Georg Patzer
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Der Versuch Lessings, Gefühl und Verstand, Skepsis und Gläubigkeit gleichzeitig anzusprechen, ist auch in der Form gelungen.
Nicht die Eindeutigkeiten von Lehrerzählungen, wie sie im z. B.
Neuen Testament vorkommen, sondern Paradoxa und Mehrdeutigkeiten beherrschen das Stück.
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Poetische Struktur
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22.1.1729 Geburt in Kamenz, Sohn eines lutherischen Pfarrers
1746
Studium der Theologie, Philosophie und Medizin in
Leipzig
1748
Übersiedlung nach Berlin, Redakteur der „Vossischen
Zeitung“; Uraufführung „Der junge Gelehrte“
1749
Uraufführung „Die Juden“; „Der Freigeist“
1752
Magisterexamen in Wittenberg
1755 Freundschaft mit Moses Mendelssohn und Friedrich
Nicolai; Uraufführung „Miss Sara Sampson“
1760
Sekretär des Generals von Tauentziehn in Breslau
1767
Theaterkritiker und Dramaturg für das Nationaltheater
Hamburg; „Hamburgische Dramaturgie“; Uraufführung
„Minna von Barnhelm“
1769
„Wie die Alten den Tod gebildet“
1770
Leiter der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel
1772
Uraufführung „Emilia Galotti“
1776
Heirat mit Eva König; Ernennung zum Hofrat
1778
Tod seiner Frau; Streit mit Hauptpastor Goeze;
Publikationsverbot
1779
„Nathan der Weise“ (Uraufführung 1783)
1780
„Die Erziehung des Menschengeschlechts“
15.2.1781 Tod Lessings in Braunschweig
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Lessings Leben und Werk
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Albrecht, Wolfgang: Gotthold Ephraim Lessing, Stuttgart/Weimar
(Metzler) 1997.
Bark, Joachim: Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise. Texte
und Materialien, Stuttgart (Klett) 1981.
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Literaturverzeichnis
Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Deutung und
Dokumentation, Frankfurt a.M./Berlin (Ullstein ) 1966.
Düffel, Peter von: Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise.
Erläuterungen und Dokumente, Stuttgart (Reclam) 2000.
Fick, Monika: Lessing-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, Stuttgart/
Weimar (Metzler) 2000.
Kant, Immanuel: Werke in zwölf Bänden, hrsg. v. Wilhelm Weischedel,
Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1977, Bd 11.
Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge, München (dtv) 2001.
Sedding, Gerhard: Gotthold Ephraim Lessing, „Nathan der Weise“.
Lektürehilfen, Stuttgart (Klett) 1999.
Sepp, Angelika: Gotthold Ephraim Lessing, Nathan der Weise,
Hollfeld (Beyer) 1998.
Vovelle, Michel: Der Mensch der Aufklärung, Frankfurt (Fischer) 1998.
Internetseiten (die Suchmaschine „google.com“ findet über 5700
Seiten über Lessing):
http://www.gutenberg.aol.de/autoren/lessing.htm
http://www.xlibris.de/Autoren/Lessing/Lessing.htm
http://www.sharelook.de/Bildung/Literatur/Schriftsteller/L/
Gotthold_Ephraim_Lessing.html
Autor: Georg Patzer
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Barner, Wilfried u.a.: Lessing. Epoche – Werk – Wirkung, München
(Beck) 6. Aufl. 1998.
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