Gesundheit heute. | Mittwoch, 9. September 2015 | Seite 25 «Übertreibt es nicht mit dem Sonnenbaden» Alice Steiner leidet seit 20 Jahren an weissem Hautkrebs. Ein neues Medikament lässt sie Hoffnung schöpfen lig und ich fühle mich nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Ich meide des halb grössere Menschenansammlun gen», meint Steiner. Zum Glück wohne ihr zweitältester Sohn in ihrer Nähe und helfe ihr im All tag. «Heute bin ich am liebsten zu Hause und verbringe viel Zeit mit meinem Kater. Schnüfel spendet mir Trost, wenn ich stimmungsmässig in einem Tief bin», erzählt die Rentnerin. Wolle sie sich etwas Gutes tun, unternehme sie mit dem Zug einen Ausflug – allein oder zusammen mit ihren drei guten Kolle ginnen. Von Julia Konstantinidis Basel. «Ich lasse mich fotografieren, weil ich zur Aufklärung über den weis sen Hautkrebs beitragen möchte», sagt Alice Steiner auf dem Weg zum Foto termin im Garten des Universitäts spitals Basel. Dass sich die 76Jährige ablichten lässt, ist ihr hoch anzurech nen, denn sie sieht sich nicht gerne auf Fotos. Auch nicht auf solchen vergan gener Tage: «Wenn ich alte Bilder ansehe, werde ich traurig. Ich hatte lange und dichte blonde Haare», erzählt sie. Auch das Gesicht war damals noch unversehrt. Begonnen habe es vor 20 Jahren, sagt Alice Steiner: «An der Oberlippe hatte sich ein ‹Buckel› gebildet.» Obwohl die gebürtige Stadtzürcherin am ver meintlichen Pickel drückte, verschwand dieser nicht. Im Gegenteil, er wuchs. Doch weil er nicht schmerzte, sah Stei ner lange keinen Grund zum Handeln. «Erst nach ein paar Jahren konsultierte ich einen Arzt, der mir mitteilte, dass es sich um ein Basaliom handelte.» Mehr erfuhr Alice Steiner vom Fach mann nicht. Sie ging davon aus, dass mit der Operation, bei welcher der Buckel entfernt wurde, die Episode abgeschlossen sei. Weil sich das Haut geschwür trotz der Entfernung erneut wieder bildete, wurde eine zweite Ope ration nötig – damit schienen die Beschwerden endlich behoben. Unbekannte Krankheit «Nach ein paar Jahren aber traten an der Nase weisse Streifen auf», erin nert sich Alice Steiner. 2003 liess sie sich deshalb von einem Dermatologen untersuchen. Dieser habe die Hautver änderungen fortan mit Laser behandelt. «Fünf Jahre später wusste auch er nicht mehr weiter und schickte mich ins Spital Aarau, wo ich für eine weitere Operation ans MerianIselinSpital in Basel überwiesen wurde.» Damals erfuhr Alice Steiner endlich mehr über den weissen Hautkrebs oder Basaliom, die Krankheit, mit der sie schon so lange lebte: «Ich hatte zwar viel über den schwarzen Hautkrebs gehört, aber vom weissen noch nie», erklärt sie. Die ehemalige MigrosVerkäuferin dürfte damit nicht allein sein. Obwohl das Basaliom in Mitteleuropa der weitaus häufigste Hautkrebs ist, wird dem schwarzen Hautkrebs – dem Mela nom – mehr Beachtung geschenkt. Denn es kann im ganzen Körper Meta stasen bilden. Das Basaliom hingegen bildet nur sehr selten Ableger. Diese Tatsache half Alice Steiner, ihre Dia gnose zu akzeptieren: «Die Informa tion, dass der Krebs nicht streut, erleich terte mich etwas.» Dennoch erschrak die lebenslustige Frau über den Befund – auch weil ihr Gesicht davon betroffen ist: «Das macht mir schon zu schaffen. Manchmal hadere ich mit meinem Schicksal und denke, warum es gerade mich treffen musste.» «Wenn ich alte Bilder von mir ansehe, werde ich traurig.» alice Steiner musste schon mehrmals operiert und bestrahlt werden. Dabei wurden das linke auge und die Sehfähigkeit in Mitleidenschaft gezogen. Foto Florian Bärtschiger Halt findet die alleinstehende Frau vor allem bei ihren drei Söhnen und deren Familien, zu denen zwei Gross kinder und ein Urenkel gehören. «Mit ihnen kann ich alles besprechen und sie unterstützen mich sehr.» Dieser Rück halt gibt Alice Steiner die Kraft, die beschwerlichen Behandlungen durch zustehen. Linker Nasenflügel entfernt Denn die Operation mit anschlies sender Bestrahlung im Merian Iselin Spital musste wiederholt werden: Weil sich der Tumor unter der Hautoberflä che schon weit ausgebreitet hatte, musste der Arzt Alice Steiner beim zweiten Eingriff den linken Nasenflügel entfernen. Mit Hautgewebe von der Stirn wurde er wiederhergestellt. «Man hofft nach jeder Operation, es sei die letzte», beschreibt Steiner die Gefühle, die sie während der Behandlungs Episoden begleiteten. Sie musste zudem ihre Angewohn heiten radikal ändern. Denn Steiner liebte es, in ihrer Freizeit auf ihrem Bal kon zu «sünnelen». Mit dem Schutz vor den UVStrahlen nahm sie es nicht so genau. «Als Kind hatte ich des Öfteren einen Sonnenbrand, im Erwachsenen alter jedoch nicht mehr. Deshalb schmierte ich mich nicht konsequent mit Sonnencreme ein.» Heute trägt Steiner bei Sonnen schein einen Hut und trägt Sonnen schutzmittel auf. Sie möchte verhin dern, dass andere dieselben Erfahrun gen machen müssen wie sie: «Spreche ich mit Bekannten, sage ich ihnen, dass sie aufpassen und es mit dem Sonnen baden nicht übertreiben sollen.» Trost vom Kater Die Auswirkungen des eigenen, ungenügenden Sonnenschutzes kann Alice Steiner bis heute nicht hinter sich lassen. 2013 wurde bei einer Kontrolle ein erneutes Tumorwachstum im Gesicht festgestellt. Seither ist sie im Universitätsspital Basel in Behandlung und musste sie sich auf der Abteilung für plastische Chirurgie noch zweimal einer Operation unterziehen. Aller dings war dabei nicht zu verhindern, dass das linke Auge und Steiners Seh fähigkeit in Mitleidenschaft gezogen wurden. «Dadurch ist mir oft schwind «Nur die Spitze des Eisbergs» Der Onkologe Andreas Wicki behandelt Alice Steiner. Er erklärt, wie weisser Hautkrebs entsteht und wie man sich davor schützt Von Julia Konstantinidis BaZ: Herr Wicki, was ist ein Basaliom? Andreas Wicki: Dieser Hauttumor entsteht unter der oberen Haut schicht. Er kann nach einer Behand lung wieder auftre ten, aber er bildet praktisch nie Able ger. Wird ein Geschwür nicht behan delt, kann es unter der Haut grossflä chig weiterwachsen. Was man ober flächlich sieht, ist nur die Spitze des Eisbergs. Wo tritt das Basaliom auf? Es hat einen klaren Zusammenhang mit dem Sonnenlicht und tritt dort auf, wo die Sonne hinkommt: Am häufigsten im Gesicht, aber auch an Händen, Armen oder Beinen. Wie wird ein Basaliom behandelt? Meistens werden Basaliome chirur gisch entfernt. Bei kleineren Geschwüren macht dies oft ein Der matologe. Mit der neuen Generation von Krebsmitteln, die gezielt die Tumorzellen zerstören, wird der weisse Hautkrebs in der Onkologie zu einem wichtigen Gebiet. Wie kann man vorsorgen? Man sollte die Sonne meiden und möglichst im Schatten bleiben. Wer sich der Sonne aussetzt, sollte konsequent Sonnencreme ver wenden und einen Hut, eine Son nenbrille und schützende Kleidung tragen. Je früher auffällige Haut veränderungen abgeklärt werden, desto besser. Präparate hemmen die Zellen Neue Hoffnung im Kampf gegen ihre Erkrankung schöpfte Alice Steiner vor anderthalb Jahren. Weil die opera tiven Möglichkeiten ausgeschöpft sind, wird ihre Behandlung von Krebsspe zialisten des Tumorzentrums fortge führt. «Dank neuen Medikamenten können wir gezielt die Zellen des Tumors angehen. Die Präparate hem men die Zellen und verhindern, dass das Geschwür weiterwächst», erklärt Andreas Wicki. Er ist Oberarzt in der Klinik für Onkologie und heute Alice Steiners behandelnder Arzt. Das Medikament, das sie einnimmt, ist seit zwei Jahren zugelassen – ent sprechend wenig ist über dessen Lang zeitwirkung bekannt. Für Alice Steiner war dennoch von Beginn weg klar, dass sie es damit versuchen würde: «Das Prä parat zu schlucken, ist mir weitaus lie ber als die Operationen.» Dafür nimmt sie auch die Nebenwirkungen in Kauf: Haarausfall, Appetitverlust und Müdig keit sind Begleiterscheinungen, mit denen Steiner konfrontiert ist. «Weil mein Geschmackssinn gestört ist, esse ich nicht mehr viel, wodurch ich bereits zwanzig Kilo abgenommen habe», meint sie. Gut betreut im Tumorzentrum Alice Steiner nimmt das Medika ment seit Februar 2014 mit zwei kur zen Unterbrechungen ein und fährt für die regelmässigen Kontrollen von ihrem Wohnort Trimbach nach Basel ans Unispital. Hier wird etwa anhand einer Magnetresonanztomografie (MRI) des Kopfs überprüft, ob sich erneut ein Geschwür bildet. Die Resul tate werden nicht nur vom Onkologen beurteilt, sondern im Tumorzentrum von Dermatologen, plastischen Chirur gen und weiteren Spezialisten bespro chen. «Diese interdisziplinäre Zusam menarbeit ermöglicht es uns, die Pati enten noch besser zu betreuen», sagt Andreas Wicki. Steiner ihrerseits fühlt sich gut auf gehoben, doch am liebsten wäre ihr, wenn sie den Weg nach Basel nie mehr machen müsste: «Ich wünsche mir, dass der Tumor nicht erneut wächst und ich mich darauf konzentrieren kann, meine Gesundheit wieder aufzu bauen.» anzeige Tumorzentrum: Gemeinsam mehr Chancen. Das Tumorzentrum Universitätsspital Basel bietet Krebs patientinnen und patienten ein umfassendes Angebot für die Behandlung und Nachsorge ihrer Erkrankung – auf höchstem Niveau und nach neuestem Stand der Forschung. unispital-basel.ch/tumorzentrum
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