Einfluss von Lithium auf die Zytokinproduktion in vitro Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig eingereicht von: Charlotte Petersein, geboren am 18.06.1989 in Leipzig angefertigt an der: Claussen-Simon-Stiftungsprofessur für Neurobiologie affektiver Störungen innerhalb der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig Betreuer: Prof. Dr. med. Hubertus Himmerich Prof. Dr. med. Ulrich Sack Beschluss über die Verleihung des Doktorgrades vom: 17.11.2015 Inhaltsverzeichnis 1. Bibliografische Zusammenfassung 3 2. Abkürzungsverzeichnis 5 3. Einführung 7 3.1. Einleitung 7 3.2. Materialien und Methoden 10 3.2.1. Versuchsdurchführung 10 3.2.2. Statistik 11 3.3. Ergebnisse 13 3.4. Diskussion 15 4. Publikation 22 5. Zusammenfassung 37 6. Literaturverzeichnis 39 7. Anhang 47 7.1. Erklärung über die eigenständige Abfassung der Arbeit 47 7.2. Lebenslauf 48 7.3. Publikationen 49 8. Danksagung ! 50 2! 1. Bibliographische Beschreibung Petersein, Charlotte Einfluss von Lithium auf die Zytokinproduktion in vitro Universität Leipzig, Dissertation 50 Seiten, 64 Literaturangaben Referat: Die vorliegende publikationsbasierte Dissertationsarbeit untersuchte im Rahmen einer in vitro--Studie den Einfluss von Lithium – allein und in Kombination mit Antidepressiva – auf die Zytokinproduktion. Dabei wurde das Blut von fünzehn gesunden weiblichen und fünfzehn gesunden männlichen Probanden in einem Vollblut-Assay mit Immunstimulatoren versetzt. Als Immunmodulatoren verwendeten wir gegen humane CD3- und CD40-Oberflächenmoleküle gerichtete monoklonale Antikörper (OKT3/5C3) sowie Phytohaemagglutinin (PHA). Aus den Überständen wurden die Zytokinkonzentrationen von Interleukin (IL)-1β, IL-2, IL-4, IL-6, IL-17, IL-22 und Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) nach Zugabe von Lithium allein, der Kombination aus Lithium und einem Antidepressivum oder einem ausschließlichen Medium (als Kontrollbedingung) gemessen. Lithium führte im Rahmen dieser Untersuchung unter verschiedenen Bedingungen zu einer konsistenten Erhöhung von IL-1ß, IL-6 und TNF-α. Die vermehrte Produktion von IL-1ß, IL-6 und TNF-α fand sich sowohl im unstimulierten als auch im stimulierten Blut unter Zugabe von Lithium allein, sowie in Kombination mit den untersuchten Antidepressiva. Zudem zeigte sich im OKT3/5C3- und PHA-stimulierten Blut eine durch Lithium signifikant erhöhte IL-17-Konzentration. Im PHAstimulierten Blut konnten zusätzlich erhöhte IL-2-Konzentrationen bei Lithiumgabe gemessen werden. Diese Daten deuten darauf hin, dass Lithium proinflammatorische ! 3! Eigenschaften aufweist. Diese immunmodulatorischen Eigenschaften von Lithium könnten sowohl mit einigen Nebenwirkungen von Lithium als auch mit seinen günstigen therapeutischen Effekten beispielsweise bei Patienten mit Infektion durch das Humane Immundefizienzvirus (HIV) oder erythematodes (SLE) in Verbindung gebracht werden. ! 4! einem Systemischen Lupus 2. Abkürzungsverzeichnis 5C3 gegen CD40 gerichteter monoklonaler Antikörper ACTH Adrenokortikotropes Hormon AGNP Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie AGNP-TDM Arbeitsgruppe „Therapeutisches Drug Monitoring“ der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie AIDS Erworbenes Immundefektsyndrom CD Cluster of Differentiation CO2 Kohlendioxid CRF Kortikoid Releasing Faktor ELISA Enzyme Linked Immunosorbent Assay EPO Erythropoetin GSK3ß Glykogen-Synthase-Kinase 3ß h Stunde HIV Humanes Immundefizienzvirus HPA-Achse Hypothalamisch-Hypophysäre-Nebennierenrinden-Achse IDO Indolamin-2,3-Dioxygenase IFN Interferon IG Immunglobulin IL Interleukin ! 5! l Liter LPS Lipopolysaccharid μl Mikroliter μg/ml Mikrogramm pro Milliliter mmol/l Millimol pro Liter MHC Haupthistokompatibilitätskomplex ng/ml Nanogramm pro Milliliter OKT3 gegen CD3 gerichteter monoklonaler Antikörper OKT3/5C3 gegen humanes CD3 und CD40 gerichtete monoklonale Antikörper p Signifikanzniveau PHA Phytohaemagglutinin Qu Quartil RPM Umdrehungen pro Minute (rounds per minute) RPMI Roswell Park Memorial Institute SLE Systemischer Lupus erythematodes TDM Therapeutisches Drug Monitoring TGF Transforming growth factor TNF-α Tumornekrosefaktor-α TNF-R Tumornekrosefaktor-Rezeptor TSST Toxic shock syndrome toxin ! 6! 3. Einführung 3.1. Einleitung Eine Vielzahl wissenschaftlicher Ergebnisse weist auf einen Zusammenhang zwischen der Pathophysiologie von affektiven Störungen und ihrer Therapie mit dem Immunsystem hin [41,32]. Von einer Reihe von Psychopharmaka zur Behandlung von affektiven Störungen wie Antidepressiva [45] und Stimmungsstabilisatoren [29] ist bekannt, dass sie immunologische Eigenschaften haben. Lithium ist beispielsweise ein wichtiges stimmungsstabilisierendes Medikament, um affektive Störungen zu behandeln, weil es sowohl für die akute, als auch die langfristige Behandlung von biopolaren Störungen empfohlen wird [17,16]. Es ist außerdem die Augmentationsoption mit der größten wissenschaftlichen Evidenz, um unipolare depressive Patienten, die nur unzureichend auf eine Monotherapie mit einem Antidepressivum reagieren, zu behandeln [10,2,3]. Lithium kann jedoch eine Vielzahl von Nebenwirkungen wie Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Magen-Darm- und Nierenprobleme, Durchfall, Tremor, Polyurie, Nykturie, Gewichtszunahme, Ödeme, Affektverflachung und kutane Reaktionen wie beispielsweise Psoriasis haben [43,19, 8,51]. Diese sind von besonderem Interesse für die individuelle und personalisierte psychiatrische Therapie. Der Einsatz von Lithium sollte beispielsweise besonders bei Patienten mit vorbekannter Psoriasis oder Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse überwacht werden, da es die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von autoimmunen Prozessen bei dafür empfindlichen Personen erhöht [33]. Nicht nur die Neben-, sondern auch ein Teil der therapeutischen Wirkungen wird durch Zytokine vermittelt. Zytokine stellen den wichtigsten Signalweg vom Immunsystem zum Gehirn dar [12]. Auf molekularer Ebene können proinflammatorische Zytokine, wie die Interleukin (IL)-1ß, IL-2, IL-6 und Tumornekrose-Faktor (TNF)-α und Interferon (IFN)-γ, den Neurotransmittermetabolismus beeinflussen [56]. Zu den bezüglich ihres Metabolismus durch diese Zytokine beeinflussbaren Neurotransmittern zählen zum Beispiel die Monoamine Dopamin, Noradrenalin und Serotonin [12,25,5] Eine Aktivierung des Immunsystems mit daraus folgender erhöhter Produktion von proinflammatorischen Zytokinen wie IFN-γ führt zur Produktion und Aktivierung der ! 7! Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO) [9]. Eine erhöhte IDO-Aktivität wiederum resultiert in einem Tryptophanmangel durch Metabolisierung von Tryptophan zu Kynurensäure. Die daraus folgende Reduktion der Serotonin-Synthese im ZNS könnte zu einer depressiven Symptomatik führen [47,13,48]. Darüber hinaus können erhöhte Spiegel von proinflammatorischen Zytokinen die Hypothalamus-Hypophysen-NebennierenAchse (HPA-Achse) aktivieren und dadurch die Freisetzung von Kortikoid-ReleasingFaktor (CRF), adrenokortikotropem Hormon (ACTH) und Glukokortikoiden erhöhen. In mehreren Studien wurde bereits über den Zusammenhang zwischen einer Überaktivität der HPA-Achse und der Entstehung schwerer Depressionen berichtet [6,48,31]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass einige Antidepressiva wie IL-1ß [27] und IFN-γ [26] zu einer Reduktion der Zytokinproduktion führen. Daher wurde angenommen, dass Antidepressiva zusätzlich zu ihrer hemmenden Wirkung auf die Monoamin-Wiederaufnahme, wie sie durch Schildkraut beschrieben wurde [54], über eine Modulation der Produktion von Zytokinen antidepressiv wirken. Im Hinblick auf die Therapie von manischen Episoden könnte die stimmungsdämpfende Wirkung von Lithium neben anderen Mechanismen auf dessen Einfluss auf die ZytokinSignalkaskade, insbesondere auf die Aktivierung der proinflammatorischen Zytokinsekretion, zurückgeführt werden. Aufgrund der Eigenschaft von Lithium, immunologische Prozesse zu aktivieren, wurde untersucht, ob es günstige Effekte bei Patienten hat, die immunologische Defizite aufweisen. Beispiele für immunologische Krankheiten, bei deren Therapie mit Lithium von seiner immunmodulatorischen Wirkung profitiert werden könnte, sind Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) [14,40,21] sowie der systemische Lupus erythematodes (SLE) [38]. Patienten, die sowohl an einer dieser Krankheiten als auch einer affektiven Störung leiden, können besonders von der Lithiumtherapie profitieren. Im klinischen Alltag findet man bei depressiven Patienten häufig eine Kombinationstherapie aus Lithium und einem Antidepressivum. Der Einfluss der Kombination von Antidepressiva und Lithium auf die Zytokinproduktion ist jedoch noch nicht untersucht worden. Daher sollten in der vorliegenden Arbeit sowohl die Wirkung von Antidepressiva und Lithium als Monotherapie als auch die Kombination von Antidepressiva und Lithium in vitro systematisch untersucht werden. Dafür wurde die Konzentration der Zytokine IL-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-22, IL-17 und TNF-α in ! 8! stimuliertem Blut von jeweils fünfzehn gesunden weiblichen und männlichen Probanden gemessen. Diesem Blut wurden verschiedene ausgewählte Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram und Mirtazapin) als Monotherapie, Lithium als Monotherapie sowie eine Kombination aus den genannten Antidepressiva mit Lithium in einem Vollblut- Assay hinzugefügt. Als Stimulanz verwendeten wir gegen humane CD3- und CD40-Oberflächenmoleküle gerichtete monoklonale Antikörper (OKT3/5C3) und Phytohämagglutinin (PHA). OKT3/5C3 besteht aus zwei Antikörpern: zum einen aus dem monoklonalen Antikörper OKT3 gegen humanes CD3 (Muromonab-CD3), der sich an den TZellrezeptor-CD3-Komplex bindet, was ihn zu einem T-Zell-Aktivator macht, zum anderen aus dem monoklonalen Antikörper 5C3 gegen CD40, der für die Aktivierung von B-Zellen in in vitro-Funktionstests verwendet wird [53]. PHA reagiert mit bestimmten Oligosacchariden auf der Zelloberfläche und führt zu einer Erythrozyten-Agglutination. Es ist ein häufig verwendetes Stimulanz, um die Zytokinproduktion unter dem Einfluss von Antidepressiva [37] zu untersuchen. IL-17 spielt bei zahlreichen Immun- und Entzündungsprozessen [22,52,46] eine große Rolle, sowohl in der Körperperipherie, als auch bei Autoimmunerkrankungen des Gehirns, wie z. B. Multipler Sklerose [52]. Trotzdem wurde bisher noch nicht viel Aufmerksamkeit auf die Modulation der Produktion von IL-17 durch Lithium gelenkt. In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass auch andere stimmungsstabilisierende Substanzen wie Antipsychotika [28] und Valproinsäure [30] Einfluss auf die IL-17Produktion haben. Deshalb erfolgte eine IL-17-Messung im vorliegenden Experiment, um den Einfluss von Lithium auf die IL-17-Produktion unter verschiedenen Bedingungen und in Kombination mit häufig verschriebenen Antidepressiva zu testen. ! 9! 3.2. Materialien und Methoden Die Stichprobe umfasste fünfzehn gesunde weibliche und fünfzehn gesunde männliche Probanden zwischen 22 und 52Jahren ohne psychiatrische Vorgeschichte. Keiner dieser Probanden erhielt zum Zeitpunkt der Blutentnahme eine Behandlung mit Psychopharmaka. Ausschlusskriterien waren die Einnahme von illegalen Drogen sowie regelmäßiger Alkoholkonsum. Nach einer detaillierten Beschreibung der Vorgehensweise erteilten alle Patienten ihre schriftliche Einwilligung. Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Medizinischen Fakultät an der Universität Leipzig genehmigt. 3.2.1. Versuchsdurchführung In der Studie wurde ein etabliertes Vollblut-Assay verwendet [34,57,26,28]. Das Blut wurde bei allen Probanden mit einer Citratmonovette (Sarstedt, Nürtingen, Deutschland) abgenommen und innerhalb von 1-2 h nach Blutentnahme im Vollbluttest kultiviert. Die Zellkonzentration wurde auf 3,5 x 109 Zellen/l unter Verwendung von RPMI 1640-Medium (Biochrom, Berlin, Deutschland) eingestellt. Anschließend wurden 100 μl dieses Blutes in der RPMI-Verdünnung in ein Well pipettiert und mit 100 μl der antidepressiven Substanz plus RPMI gemischt. Die daraus resultierende Zellendkonzentration betrug 1.5-2 x 109 Zellen/l. Die beabsichtigte Endkonzentration des Antidepressivums wurde gemäß der Konsensus-Leitlinien der Arbeitsgruppe Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) in der Psychiatrie der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Pharmakopsychiatrie (AGNP-TDM) gewählt. Wir verwendeten die maximale therapeutische Konzentration (1-fache Konzentration) von Citalopram (130 ng/ml), Escitalopram (130 ng/ml), Mirtazapin (80 ng/ml), Lithiumcarbonat (1,2 mmol/l), sowie Kombinationen von Lithium und Citalopram (1,2 mmol/l Lithium- und 130 ng/ml Citalopram), Lithium und Escitalopram (1,2 mmol/l Lithium- und 130 ng/ml Escitalopram) und Lithium und Mirtazapin (1,2 mmol/l Lithium- und 80 ng/ml Mirtazapin). Zusätzlich verwendeten wir die gleichen Medikamente und Kombinationen bei 2-facher maximaler therapeutischer Konzentration. Im Folgenden werden diese als 1-fache und 2-fache ! 10! Konzentration bezeichnet. Als Kontrolle wurde eine Bedingung verwendet, in der das Blut nur mit OKT3/5C3- oder mit PHA stimuliert wurde, aber kein Psychopharmakon dazugegeben wurde. Zusammengefasst untersuchten wir die Wirkung der einzelnen Arzneimittel oder deren Kombinationen auf die Zytokinkonzentrationen unter verschiedenen Bedingungen der Immunstimulation: PHA-stimuliert, OKT3/5C3-stimuliert und unstimuliert. Dabei wurden die Zytokinkonzentrationen in insgesamt 1350 Ansätzen bestimmt. Diese ergaben sich aus den vier verschiedenen Psychopharmaka, den drei Medikamentenkombinationen, den jeweils 1- und 2-fachen Konzentrationen der Psychopharmaka und ihrer Kombinationen, den drei verschiedenen Immunstimulationsbedinungen und den drei Kontrollbedinungen für jeden der dreißig Patienten. Die Reinsubstanzen von Citalopram, Lithium und Mirtazapin wurden von SigmaAldrich Laborchemikalien GmbH (Seelze, Germany) bezogen. Escitalopram wurde durch H. Lundbeck A/S, Kopenhagen, Dänemark zur Verfügung gestellt. Für die Induktion der Zytokine wurde OKT3/5C3 in einer Endkonzentration von 100 ng/ml und PHA mit einer Endkonzentration von 10 ng/ml verwendet. Die Wells wurden abgedeckt in einem Brutschrank mit 5% CO2 und 36 °C für 48 h inkubiert. Im Anschluss wurden die Proben bei 1000 Umdrehungen pro Minute (RPM) und 4 °C für 5 Minuten zentrifugiert. Die zellfreien Überstände wurden in eine neue Mikrotiterplatte abpipettiert und bei -80 °C eingefroren und gelagert. Zur Quantifizierung der Zytokine IL-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-17 und TNF-α wurde ein zytometrischer Bead-Array (FACSArray Bioanalyzer, BD Biosciences, Franklin Lakes, NJ, USA) verwendet. IL-22 wurde mit einem humanen IL-22 DuoSet Elisa (R & D Systems Europe, Abingdon, UK) bestimmt. 3.2.2. Statistik Aufgrund der geringen Gruppengröße von dreißig Probanden war es nicht möglich, die Verteilungsart der Zytokinkonzentrationen mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen. Daher entschieden wir uns für einen konservativen statistischen Ansatz, um ! 11! Unterschiede zwischen den Zytokinkonzentrationen zu berechnen, wobei nichtparametrisch gepaarte Wilcoxon-Tests verwendet wurden. Verglichen wurden die Zytokinkonzentrationen im stimulierten oder unstimulierten Blut ohne Zusatz von Psychopharmaka mit den Zytokinkonzentrationen im stimulierten oder unstimulierten Blut mit Zusatz von Psychopharmaka. Einfach ausgedrückt, wurden die Zytokinkonzentrationen im Blut mit Medikamenten und ohne Medikamente verglichen. Die Zytokinkonzentrationen der Kontrollbedingung ohne Ergänzung von Arzneimitteln wird in der Spalte "Control" der Tabellen 1-3 im dieser Dissertation zugrundeliegenden Origianlartikel dargestellt. Wie schon zuvor erwähnt, wurde in diesem Experiment sowohl unstimuliertes Blut, als auch zwei verschiedene Arten von immunologischen Stimulationen verwendet. Damit erhielten wir drei verschiedene immunologische Bedingungen, die erwartungsgemäß zu verschiedenen Zytokinkonzentrationen in den unterschiedlichen Proben führten. Um ausschließlich den Einfluss der Psychopharmaka zu berechnen, wurde die Zytokinmenge unter dem Einfluss einer immunologischen Stimulation und einem Wirkstoff oder einer Wirkstoffkombination mit den jeweiligen Zytokinwerten unter der gleichen immunologischen Stimulation, jedoch ohne Medikamentenzusatz, verglichen. Aufgrund des explorativen Charakters dieser Studie wurde ein unkorrigiertes Signifikanzniveau von p < 0,05 verwendet. ! 12! 3.3. Ergebnisse Die Werte der Mediane und Quartile der Zytokinkonzentrationen in unstimuliertem, OKT3/5C3- oder PHA-stimuliertem Blut ohne Arzneimittel, mit alleiniger Zugabe von Lithium, unter Zugabe eines Antidepressivums oder einer Kombination eines Antidepressivums mit Lithium sind in den Tabellen 1-3 der Originalpublikation dargestellt. Im unstimulierten Blut (Tabelle 1) wurden die IL-1ß-Konzentrationen sowohl durch die alleinige Zugabe von Lithium, als auch durch die Kombination von Lithium mit jedem Antidepressivum erhöht. Allerdings wurde keine IL-1ß-Konzentrationerhöhung unter dem alleinigen Einfluss der verwendeten Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram oder Mirtazapin) gemessen. IL-2 und IL-4 wurden signifikant durch Citalopram und Mirtazapin in 1-facher Konzentration oder in Kombination mit Lithium verringert. Lithium allein hatte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die IL-2- oder IL-4-Konzentration. Erhöhte IL-6-Konzentrationen konnten unter allen verwendeten Medikamenten in allen Kombinationen und Konzentrationen getestet werden. Im Gegensatz dazu zeigten die IL-17-Konzentrationen keine Reaktion auf die Zugabe von Medikamenten. Die TNF-α-Konzentrationen erhöhten sich durch die Zugabe von Lithium und unter der Kombination von Lithium mit Citalopram, Escitalopram oder Mirtazapin bei 1-facher Konzentration. Im OKT3/5C3-stimulierten Blut (Tabelle 2) führten alle verwendeten Medikamente zu einem Anstieg der IL-1ß- und IL-6-Konzentration. IL-2- und IL-4-Konzentrationen wurden nicht durchgängig durch die einzelnen oder in Kombination eingesetzten Medikamente beeinflusst. Die IL-17-Werte erhöhten sich bei fast allen eingesetzten Substanzen und deren Kombinationen unter der Stimulation mit OKT3/5C3. Wie auch im nicht-stimulierten Blut führte Lithium, bei 1-facher Konzentration, allein oder in der Kombination mit Antidepressiva zu einem Anstieg der TNF-α-Konzentration. Im PHA-stimulierten Blut (Tabelle 3) kam es nur bei Lithium, allein und in Kombination, zu erhöhten IL-1ß- und TNF-α-Konzentrationen. Lithium erhöhte außerdem signifikant die IL-2-, IL-6- und IL-17-Konzentrationen. Tabelle 4 zeigt die Unterschiede in den Zytokinkonzentrationen mit und ohne Lithium, auch in der Kombination mit Citalopram, Escitalopram oder Mirtazapin im Rahmen ! 13! der drei Immunstimulationsbedingungen. Es zeigte sich, dass Lithium in der Kombination mit Antidepressiva zu einer Erhöhung von IL-1ß (siehe auch Abbildung 1 der Originalpublikation), IL-6 (siehe auch Abbildung 2) und TNF-α (siehe auch Abbildung 3) führte. In Kombination mit Citalopram erhöhte es zusätzlich die IL-17-Konzentrationen im OKT3/5C3-stimulierten Blut. Zusammenfassend kann man den Schluss ziehen, dass Lithium die größten zytokinmodulatorischen Eigenschaften der untersuchten Arzneimittel besaß. Es führte zu einer über alle Versuchsbedingungen konsistenten Erhöhung von IL-1ß, IL-6 und TNF-α, sowohl im unstimulierten als auch im stimulierten Blut, allein und in Kombination mit Antidepressiva. ! 14! 3.4. Diskussion Das wichtigste Ergebnis dieser in vitro-Studie ist, dass Lithium eine aktivierende Wirkung auf die proinflammatorische Zytokin-Produktion unter verschiedenen Bedingungen immunologischer Stimulation und in Kombination mit verschiedenen Antidepressiva aufweist. Letzteres ist bisher noch nicht berichtet worden und stellt damit den Erkenntnisgewinn der vorliegenden Studie dar. Es ist schwierig, diese Ergebnisse mit früheren Studien zu vergleichen, da die Literatur in Bezug auf die Modulation der Zytokinproduktion durch Lithium widersprüchliche Resultate aufweist. Einige Studien beschreiben eine Erhöhung der proinflammatorischen Zytokine [23,44,42,8]. Andere berichten, dass Lithium zu einer Abnahme der Zytokinproduktion führe [29,1] oder keinen Einfluss auf die Produktion von proinflammatorischen Zytokinen habe [30]. Bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Studien und Experimente muss man berücksichtigen, dass verschiedene in vivo oder in vitro-Ansätze mit unterschiedlichen Bedingungen gewählt wurden. Bei den in vitro-Untersuchungen beispielsweise wurde eine Vielzahl von Stimulanzien wie Lipolysaccharid (LPS), PHA, OKT3/5C3 oder das toxische Schocksyndrom-Toxin-1 (TSST-1) verwendet [42,29,30]. In vivo-Studien an Tieren [8] und Menschen [23] haben bisher gezeigt, dass Lithium zu einer erhöhten Produktion proinflammatorischer Zytokine führt. Dieser Vergleich mit Ergebnissen aus in vivo-Studien legt nahe, dass erreicht wurde, die peripheren Wirkungen von Lithium im hier verwendeten in vitroAnsatz zu simulieren. Beim Vergleich der Daten mit unseren beiden vorherigen in vitro-Studien zu den Lithium-Effekten auf die Zytokinproduktion ist zu berücksichtigen, dass das aktuelle Experiment speziell darauf fokussiert war, Lithium unter in vitro-Bedingungen zu untersuchen, die der in vivo-Situation möglichst vergleichbar sind. Ein erstes ähnliches Experiment [29] untersuchte in vitro die Auswirkungen von Stimmungsstabilisatoren und Antiepileptika auf die Zytokinproduktion. In dieser früheren Studie, in der wir TSST-1 zur immunologischen Stimulation verwendeten, verringerte Lithium die IL-1ß und TNF-α-Produktion, was unseren in der vorliegenden Untersuchung gewonnen Ergebnissen widerspricht. TSST-1 ist ein durch Staphylokokken sezerniertes Exotoxin, welches durch eine unspezifische Bindung des Haupthistokompatibilitätskomplexes ! 15! (MHC) Klasse II an T-Zell-Rezeptoren zu sowohl T- als auch B-Zell-Aktivierung, Stimulation der mononukleären Zellen und erhöhter Zytokinproduktion führt [39,15]. Somit ist TSST-1 ein sehr zuverlässiger, aber supraphysiologischer immunologischer Stimulator. Dieser wirkt wahrscheinlich zu stark, um in einer klinisch relevanten Weise die Wirkungen von Psychopharmaka auf die Blutzellen in vitro simulieren zu können. Aus diesem Grund können die Ergebnisse der früheren Studie [29] nicht mit der invivo-Situation während einer Lithium-Behandlung verglichen werden. Eine zweite Studie, in der Lithium auch eines der getesteten Medikamente darstellte, untersuchte die Auswirkungen von Stimmungsstabilisatoren und Antiepileptika auf die Zytokinproduktion im OKT3/5C3-stimulierten Blut – wie auch im aktuellen Experiment – an vierzehn gesunden Probandinnen. In dieser früheren Studie führte Lithium zu einem nominalen Anstieg von IL-1ß, IL-2 und TNF-α. Allerdings erreichte diese Erhöhung bei allen genannten Zytokinen unter Anwendung verschiedener Lithiumkonzentrationen keine statistische Signifikanz [30]. Um unser experimentelles Design zu verbessern und die statistische Aussagekraft zu erhöhen, wurde in der vorliegenden Studie die Anzahl der Probanden auf dreißig gesunde Teilnehmer erhöht. Allerdings muss man im Hinterkopf behalten, dass diese in -vitro-Effekte zwar repräsentativ für die peripheren Wirkungen im Blut sein könnten, sich jedoch unter Umständen von Lithium-Effekten im zentralen Nervensystem unterscheiden. In der vorliegenden Studie verwendeten wir Lithium in einer maximalen therapeutischen 1-fachen (1,2 mmol/l) und 2-fachen (2,4 mmol/l) Konzentration [4]. Die Erkenntnis, dass Lithium proinflammatorische Zytokine aktiviert, wenn es in Dosen eingesetzt wird, die in der Regel für eine antimanische Wirkung gewählt werden, stützt die Hypothese, dass ein verstärkter Zytokinsignalweg zu einer therapeutischen Dämpfung der Stimmung beitragen und die affektverflachende Wirkung von Lithium erklären kann. Es wurde vermutet, dass eine Aktivierung proinflammatorischer Zytokine als Biomarker für Depressionen gelten könnte [41], da gezeigt werden konnte, dass proinflammatorische Zytokine bei depressiven Patienten erhöht sind [24,55] und ein Rückgang der Zytokinkonzentrationen bei erfolgreicher Therapie mit Antidepressiva zu verzeichnen ist [27]. Außerdem zeigten Zytokinmodulatoren – wie zum Beispiel der ! 16! TNF-α-Blocker Etanercept – eine antidepressive Wirkung bei Tieren [36] wie auch beim Menschen [62]. Daher wirft die Tatsache, dass es unter einer Lithium-Behandlung von depressiven Patienten zu erhöhten proinflammatorischen Zytokin-Plasmaspiegeln [23] und einer Aktivierung der proinflammatorische Zytokinproduktion in vitro kommt, die Frage auf, ob Zytokine generell als Biomarker für Depressionen gelten können. Schließlich hat Lithium nachweislich eine zuverlässige antidepressive Wirkung auch bei therapieresistenten depressiven Patienten [10], trotz seiner aktivierenden Wirkung auf die Zytokinproduktion. Citalopram führt auch zur Erhöhung einiger proinflammatorischen Zytokine, obwohl es als ein wirksames Antidepressivum bekannt ist. Dieser Umstand mahnt zu Zurückhaltung bezüglich der Annahme, dass proinflammatorische Zytokine als Biomarker für Depressionen gelten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der Betrachtung der Rolle von Zytokinen als Biomarker auch zwischen Patienten mit unipolar-depressiver oder bipolarer Störung unterschieden werden muss. Die entzündungsmodulierende Wirkung von Lithium kann für seine spezifischen immunologisch induzierten Nebenwirkungen von Bedeutung sein. Wie erwähnt wird Lithium häufig mit kutanen Nebenwirkungen wie beispielsweise Psoriasis [51] in Verbindung gebracht. Es ist bekannt, dass bei der Psoriasis eine lokale Erhöhung der Zytokinproduktion von IL-1ß, IL-6 und TNF-α und aktivierte Entzündungszellen eine wichtige pathophysiologische Rolle spielen [20,18]. Die Aktivierung dieser Zytokine durch Lithium kann daher eine gute Erklärung für das Auftreten oder die Verschlimmerung der Psoriasis während einer Lithium-Therapie sein. Diese Ansicht wurde in Tierstudien belegt, in denen Lithium zu einer Förderung der PsoriasisSymptome führte und gleichzeitig hohe lokale Zytokinkonzentrationen gemessen wurden [8]. Abgesehen von der Haut führt Lithium auch häufig zu Nebenwirkungen im Bereich der Schilddrüse. Vor kurzem Schilddrüsennebenwirkungen wurden wieder die Gegenstand durch Lithium starken ausgelösten wissenschaftlichen Interesses. Ursache war die Publikation einer Metaanalyse bezüglich der Toxizität von Lithium [43], woraufhin eine intensive wissenschaftliche Diskussion hinsichtlich ! 17! dessen Toxizität und speziell seiner Toxizität für die Schilddrüse folgte [63,49,11]. Lithium kann die Schilddrüsenfunktion durch mehrere Mechanismen beeinflussen. Zu diesen Mechanismen gehören eine abnehmende Schilddrüsenhormonsynthese und freisetzung, eine periphere Dejodierung von Thyroxin und eine erhöhte Neigung zu Schilddrüsenautoimmunität bei dafür empfindlichen Personen. Letztere kann zu einer Hashimoto-Thyreoiditis und Hypothyreose führen [33]. Daher ist eine Hypothyreose eine klinisch relevante, häufige Schilddrüsenerkrankung bei Patienten unter Langzeitlithiumtherapie. Mögliche Autoimmunmechanismen dafür sind eine gesteigerte Aktivität von B-Lymphozyten durch Lithium, die sich unter anderem in einer erhöhten IgG- und IgM-Produktion zeigt, die Verringerung der zirkulierenden, zytotoxische T-Zellen [64,33] und die Induktion der proinflammatorischen Zytokinproduktion. Letztere Annahme wird durch Studien untermauert, welche die Rolle von IL-1ß [50,58] und TNF-α [61] bei einer Autoimmun-Thyreoiditis untersuchten. Außerdem scheint eine anti-TNF-α-Medikation mit einem verringerten Risiko für Autoimmunthyreoiditis [61] einherzugehen. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, könnten die proinflammatorischen Eigenschaften von Lithium auch Vorteile für jene Patienten darstellen, die unter einer Immunschwäche leiden. Beispielsweise wurde unter dem Einsatz von Lithium mit seinen immunmodulierenden Eigenschaften eine Verbesserung der neuropsychologischen Leistung von HIV-infizierten Patienten beschrieben [59,14]. Außerdem deuten Veröffentlichungen darauf hin, dass Lithium diese Wirkungen durch eine Hemmung der neuronalen Glykogen-Synthase-Kinase (GSK) 3ß ausüben könnte, indem Granulozyten regulatorisch bei Zytokinerhöhung eine gesteigerten Synthese von neuroprotektiven Proteinen im menschlichen Gehirn initiieren [40,21]. Darüber hinaus wird Lithium bei Patienten mit erworbenem Immunschwächesyndrom (AIDS) auf der Grundlage von Tierstudien, in denen ähnliche Immunschwächeviren verwendet wurden, eine unterstützende therapeutische Rolle bei der Behandlung der HIVInfektion und insbesondere bei der Therapie der mit AIDS assoziierten neurologischen Defizite zugesprochen [21]. SLE ist eine chronische Autoimmunerkrankung, die von der Aktivierung und Proliferation von T-Zellen und B-Zellen begleitet wird und mit einer erhöhten Aktivität des GSK3ß-Signalwegs einhergeht [60]. Auch bei Patienten mit SLE konnte eine ! 18! verminderte Produktion von IL-2 durch T-Zellen gefunden werden. Ebenso konnte gezeigt werden, dass die Inkubation von T-Zellen mit Lithium in vitro die IL-2Produktion steigert [38]. Im PHA-stimulierten Blut konnten wir das Ergebnis, dass Lithium zu einer erhöhten IL-2-Produktion führt, replizieren (siehe Tabelle 3 der Originalpublikation). Allerdings konnten diese Auswirkung nicht durchgehend in allen angewandten Stimulationsverfahren gezeigt. Zusammenfassend könnte also die Aktivierung von proinflammatorischen Zytokinen durch Lithium zum gewünschten therapeutischen Effekt der Stimmungsdämpfung bei manischen Patienten beitragen. Einigen Nebenwirkungen bei Patienten, die an bestimmten Autoimmunkrankheiten wie Autoimmun-Thyreoiditis und Psoriasis leiden, könnten jedoch ebenso durch eine Aktivierung der Zytokinproduktion bedingt sein. Auf der anderen Seite kann diese immunmodulatorische Eigenschaft auch vorteilhaft für Patienten mit bestimmten Immunsystemdefiziten sein. So könnten Patienten mit HIV-Infektion oder SLE von einer Lithiumtherapie profitieren. Ein neuer Befund unserer Studie war die Zunahme der IL-17-Konzentrationen unter fast allen eingesetzten Substanzen und deren Kombinationen bei einer Stimulation mit OKT3/5C3 (siehe Tabelle 2). Wenn das Blut nur mit PHA stimuliert wurde, zeigten sich ähnlich hohe IL-17-Werte bei alleiniger Zugabe von Lithium und Kombinationen von 1,2 mmol/l Lithium sowie 130 ng/ml Citalopram bzw. 2,4 mmol/l Lithium sowie 260 ng/ml Citalopram (siehe Tabelle 3). IL-17 führt ebenso wie andere proinflammatorische Zytokine wie IL-1ß, IL-2, IL-6 und TNF-α, deren Bildung durch Lithium induziert werden können, zu einer Steigerung der Immunantwort. Antipsychotika, die auch als antimanische Medikation verwendet werden, zeigten eine Erhöhung der IL-17-Konzentration. IL-17 könnte demnach ein interessantes neues Forschungsmolekül für bipolare und schizophrene Störungen sein. Nach unserer Kenntnis ist dies die erste Studie, welche die Unterschiede in der Zytokinproduktion zwischen einer alleinigen und einer mit Antidepressiva kombinierten Lithiumgabe untersucht. Wie in den Tabellen 1-4 und in den Abbildungen 1-3 dargestellt, scheint die Kombination mit einem bestimmten Antidepressivum für die Zytokinproduktion unter der Einwirkung von Lithium relevant zu sein. Beispielsweise betrug im nicht stimulierten Blut der Median der TNF-αKonzentration 0,21 ng/ml in der Kontrollgruppe ohne Medikamentenzugabe ! 19! 1,67 ng/ml unter der Einwirkung von 1,2 mmol/l Lithium und 3,67 ng/ml unter der Kombination von 1,2 mmol/l Lithium mit 80 ng/ml Mirtazapin (siehe Tabelle 1). Die Mittelwerte der TNF-α-Konzentration (siehe Abbildung 3) unter der Kontrollbedingung, bei Lithiumzugabe oder bei Zugabe von Lithium in Kombination mit Mirtazapin zeichnen ein ähnliches Bild. Dieses Phänomen weist auf mögliche additive Effekte von Psychopharmakakombinationen auf die Zytokinproduktion hin. In-vivo-Studien haben gezeigt, dass es unter der Behandlung mit Mirtazapin [35] und Lithium [23] zu einer Erhöhung der TNF-α-Konzentration im Plasma des Patienten kommt. Unsere Ergebnisse könnten daher von klinischer Relevanz sein. Bisher wurde jedoch noch keine invivo-Studie über die Wirkungen der Kombination eines Antidepressivums mit Lithium auf die Zytokinplasmaspiegel der behandelten Patienten veröffentlicht. Auf der Grundlage der präsentierten Daten scheint eine solche Studie sehr vielversprechend und könnte helfen, sowohl therapeutische Wirkungen, als auch Nebenwirkungen zu erklären. Unsere in vitro-Studie hat nur gesunde Probandinnen und Probanden eingeschlossen und erlaubt damit keine generelle Verallgemeinerung für Patienten mit affektiven Störungen. Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Studie ist, dass die in diesem in vitro-Experiment aufgezeigten Wirkungen aufgrund der relativ hohen verwendeten Medikamentenkonzentrationen möglicherweise nicht therapeutisch relevant sein könnten. Daher wäre es ratsam, in weiterführenden Studien niedrigere Arzneimitteldosen zu verwenden. Dennoch ist die in der Studie verwendete 1-fache Dosis prinzipiell für Patienten mit manischen Episoden therapeutisch relevant. Neben IL-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-17 und TNF-α spielen auch noch verschiedene andere Zytokine wie IL-10, Interferon-γ (IFN-γ), der transformierende Wachstumsfaktor (TGF)-β, Erythropoetin (EPO), Zytokinrezeptoren, wie die TNF-αRezeptoren TNF-R p55 und TNF-R p75 und Zytokinrezeptorantagonisten, wie der IL1-Rezeptorantagonist (IL-1ra) in der Pathophysiologie affektiver Störungen eine Rolle [41]. In der vorliegenden Untersuchung werden jedoch Effekte auf diese wichtigen Zytokine außer Acht gelassen. In unserer Studie haben wir keine Marker des Zelltodes bestimmt. Deshalb können wir nicht ausschließen, dass Zytotoxizität zu den beobachteten Wirkungen durch die getesteten Medikamente auf die Zytokinproduktion beigetragen haben könnte. ! 20! In der statistischen Analyse wurden alle signifikanten Effekte ab einem p-Wert von weniger als 0,05 angegeben. Wir haben keine Korrektur für Mehrfachtests – wie die Bonferroni-Korrektur – verwendet, da die Studie exploratorischen Charakter besitzt. Zusammenfassend haben wir festgestellt, dass Lithium die Produktion von Zytokinen, die entzündliche Prozesse fördern, wie IL-1ß, IL-2, IL-6, IL-17 und TNF-α, aktiviert. Diese Lithium-induzierten Veränderungen des Zytokinsystems könnten sowohl die therapeutischen Wirkungen als auch die entzündlichen Nebenwirkungen von Lithium, wie in Autoimmunthyreoiditis oder Psoriasis, erklären. Die entzündungsfördernden Eigenschaften von Lithium könnten für Patienten mit bestimmten immunologischen Erkrankungen wie HIV-Infektion und SLE vorteilhaft sein. ! 21! 4. Publikation ! 22! ! 23! ! 24! ! 25! ! 26! ! 27! ! 28! ! 29! ! 30! ! 31! ! 32! ! 33! ! 34! ! 35! ! 36! 5. Zusammenfassung Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae Einfluss von Lithium auf die Zytokinproduktion in vitro eingereicht von: Charlotte Petersein, geboren am 18.06.1989 in Leipzig angefertigt an der: Claussen-Simon-Stiftungsprofessur für Neurobiologie affektiver Störungen innerhalb der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig Betreuer: Prof. Dr. med. Hubertus Himmerich, Prof. Dr. med. Ulrich Sack Lithium ist ein wichtiges Medikament zur Behandlung von unipolaren und bipolaren affektiven Störungen. Es hat ein breites Nebenwirkungsspektrum, wie die Exazerbation einer Psoriasis und das Auftreten einer Hypothyreose. Bei einigen Erkrankungen, die mit immunologischen Defiziten einhergehen, wie eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) oder einem Systemischen Lupus erythematodes (SLE), könnten Patienten vom proinflammatorischen Einfluss von Lithium profitieren. In dieser Hinsicht könnten die immunmodulatorischen Eigenschaften von Lithium eine wichtige Rolle bei der individuellen Therapieentscheidung spielen. Wir haben die Zytokinkonzentrationen von Interleukin (IL)-1ß, IL-2, IL-4, IL-6, IL-22, IL-17 und Tumornekrosefaktor (TNF)-α im stimulierten Blut von 30 gesunden Probanden, dem Lithium allein, die Antidepressiva Citalopram, Escitalopram oder ! 37! Mirtazapin allein, die Kombination von jedem Antidepressivum mit Lithum oder kein Medikament hinzugefügt wurde, gemessen. Die Medikamente wurden unter drei verschiedenen Stimulationsbedingungen getestet: mit dem gegen humanes CD3 gerichteten monoklonalen Antikörper OKT3 in Kombination mit dem monoklonalen Antikörper 5C3 gegen CD40 (OKT3/5C3), mit Phytohemagglutinin (PHA) und ohne Stimulation. Lithium führte allein und in Kombination mit jedem der getesteten Antidepressiva zu einer konsistenten Erhöhung von IL-1ß, IL-6 und TNF-α sowohl im unstimulierten als auch im stimulierten Blut. Im OKT3/5C3- und PHA-stimulierten Blut wurde die IL17-Konzentration signifikant durch Lithium erhöht. Zusätzlich zeigten sich erhöhte IL2-Konzentrationen im PHA-stimulierten Blut durch Lithiumgabe. Diese Ergebnisse unterstützen die wissenschaftliche Sichtweise, dass Lithium proinflammatorische Eigenschaften aufweist. Diese immunologischen Charakteristika könnten zum einen mit seinen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht werden. Zum anderen könnten dadurch möglicherweise die therapeutischen Effekte von Lithium bei Patienten, die an einer HIV- Infektion oder SLE leiden, bezüglich dieser immunologischen Erkrankungen erklärt werden. Schlagwörter: Zytokine, Antidepressiva, Citalopram, Escitalopram, Mirtazapin, Lithium ! 38! 6. Literaturverzeichnis 1. Arena A, Capozza AB, Orlando ME, Currò F, Losi E, Chillemi S, Mesiti M, Merendino RA (1997) In vitro effects of lithium chloride on TNF alpha and IL-6 production by monocytes from breast cancer patients. J Chemother 9:219-226. 2. Bauer M, Adli M, Bschor T, Pilhatsch M, Pfennig A, Sasse J, Schmid R, Lewitzka U (2010) Lithium's emerging role in the treatment of refractory major depressive episodes: augmentation of antidepressants. Neuropsychobiology 62:36-42. 3. 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Ich versichere, dass Dritte von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen, und dass die vorgelegte Arbeit weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde zum Zweck einer Promotion oder eines anderen Prüfungsverfahrens vorgelegt wurde. Alles aus anderen Quellen und von anderen Personen übernommene Material, das in der Arbeit verwendet wurde oder auf das direkt Bezug genommen wird, wurde als solches kenntlich gemacht. Insbesondere wurden alle Personen genannt, die direkt an der Entstehung der vorliegenden Arbeit beteiligt waren. ................................. ………………………. Datum ! Unterschrift 47! 7.2. Lebenslauf Persönliche Daten Name: Charlotte Petersein Geburtstag: 18.06.1989 Geburtsort: Leipzig Staatsangehörigkeit: deutsch Familienstand: ledig Schulische Ausbildung 08/1995- 04/1999 Grundschule Markkleeberg West 08/1999- 04/2007 Rudolf- Hildebrand- Gymnasium, Markkleeberg Studium 09/2007 Medizinstudium in Luxembourg Seit 10/2007 Medizinstudium an der Martin-Luther-Universität Halle 09/2011- 03/2012 Erasmussemester Frankreich Nancy 12/2014 Abschluss Medizinstudium an der Martin-Luther-Universität Halle Praktisches Jahr Innere Medizin Universitätsklinikum Halle Fachbereich Nephrologie (1Monat) Fachbereich Onkologie (3 Monate) Chirurgie Mater Dei, Universitätsklinikum Malta Fachbereich plastische Chirurgie (2 Monate) Fachbereich Herz-Thorax- Chirurgie (2 Monate) Psychiatrie ! Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (4 Monate) 48! 7.3. Publikationen Petersein C, Sack U, Mergl R, Schönherr J, Schmidt FM, Lichtblau N, Kirkby KC, Bauer K, Himmerich H. (2014) Impact of lithium alone and in combination with antidepressants on cytokine production in vitro. J Neural Transm, Epub. Himmerich H, Bartsch S, Hamer H, Mergl R, Schönherr J, Petersein C, Munzer A, Kirkby KC, Bauer K, Sack U. (2014) Modulation of cytokine production by drugs with antiepileptic or mood stabilizer properties in anti-CD3- and anti-CD40stimulated blood in vitro. Oxid Med Cell Longev 2014:806162. Himmerich H, Bartsch S, Hamer H, Mergl R, Schönherr J, Petersein C, Munzer A, Kirkby KC, Bauer K, Sack U. (2013) Impact of mood stabilizers and antiepileptic drugs on cytokine production in-vitro. J Psychiatr Res 47:1751–1759. Munzer A, Sack U, Mergl R, Schönherr J, Petersein C, Bartsch S, Kirkby KC, Bauer K, Himmerich H. (2013) Impact of Antidepressants on Cytokine Production of Depressed Patients in-vitro. Toxins 45:1358-1365. ! 49! 8. Danksagung Mein Dank für die unschätzbare Unterstützung bei der Erstellung meiner Doktorarbeit geht vor allem an meinen Doktorvater Prof. Dr. Hubertus Himmerich, Inhaber der Claussen-Simon-Stiftungsprofessur für Neurobiologie affektiver Störungen innerhalb der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig. Nur durch seine intensive persönliche Betreuung, uneingeschränkte Hilfsbereitschaft und Investition zahlreicher Arbeitsstunden konnte diese Arbeit verwirklicht werden. Des Weiteren möchte ich Herrn Prof. Dr. Sack, Forschungsdirektor des Translationszentrums für Regenerative Medizin der Universität Leipzig, für die Planung von Studiendesign und Methodik ganz herzlich danken. Ein ganz besonderer Dank geht an Frau Katrin Bauer, Medizinisch-Technische Assistentin im Labor des Institutes für Immunologie und Transfusionsmedizin. Ihrer Weitergabe von Laborkenntnissen ist es zu verdanken, dass jegliche Unklarheiten im Labor unmittelbar geklärt werden konnten. Das herausragend freundliche und hilfsbereite Arbeitsklima im labortechnischen Bereich erleichterte zudem die Arbeit ungemein. Bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Dr. rer. biol. hum. Roland Mergl, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, für seine Unterstützung bei der statistischen Darstellung und Auswertung der Messdaten. Auch den anderen Doktoranden und der gesamten Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Hubertus Himmerich möchte ich für die herzliche und immerzu motivierende Zusammenarbeit danken. Prof. Dr. Ulrich Hegerl danke ich dafür, dass ich an der Klinik und Poliniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie meine Doktorarbeit anfertigen durfte. Der Claussen-Simon-Stiftung danke ich für die Finanzierung der Studie und der Fa. Lundbeck für die Bereitstellung der Reinsubstanz von Escitalopram. ! 50!
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