Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen Der Minister Justizministerium Nordrhein-Westfalen, 40190 Düsseldorf Vorsitzender des Rechtsausschusses Herr Dr. Ingo Wolf MdL Platz des Landtages 1 40221 Düsseldorf nachrichtlich: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. WAHLPERIODE VORLAGE 16/3141 -A14 - Seite 1 von 1 Aktenzeichen 4400 E - IV. 2/15 bei Antwort bitte angeben • I Bearbeiterin: Frau Dr. Schwarz i Telefon: 0211 8792-234 Rechtsausschuss des Landtags -Referat I 1 40221 Düsseldorf Sitzung des Rechtsausschusses am 26. August 2015 Stellungnahme der Landesregierung zum Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten 2013/2014 Anlage 1 Bericht (60fach) Sehr geehrte~ Herr Vorsitzender, als Anlage übersende ich Ihnen den in der Rechtsausschusssitzung . vom 10. Juni 2015 erbetenen schriftlichen Bericht zu dem in derselben Sitzung vorgestellten Tätigkeitsbericht des Justizvo"uzugsbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen 2013/2014. Dienstgebäude und Lieferanschrift: Mit freundlichen Grüßen ~ Thomas Kutschaty Martin-Luther-Platz 40 40212 Düsseldorf Telefon: 0211 8792-0 Telefax: 0211 8792-456 [email protected]. www.justiz.nrw.de Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen \ 45. Sitzung des Rechtsausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 10. Juni 2015 Schriftlicher Bericht zu TOP 1: "Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten 2013/2014" -2In der Sitzung des Rechtsausschusses am 10. Juni 2015 hat der Justizvollzugisbeauftiagte des Landes seinen Tätigkeitsbericht 20 13i20 14 vorgestellt. Auf Wunlsch des Rechtsausschusses nimmt die Landesregierung zu dem Tätigkeitsbericht !ergänzend (siehe auch APr 16/924) schriftlich Stellung: 1. Optimierung des Eingabemanagements (Transparenz / Empfangsbestätigungen für Eingaben der Gefangenen) Jeder Gefangene hat einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Prüfung und Bearbeitung seiner Eingaben. Dies beinhaltet, dass seine Eingaben Eingang in die Gefangenenakten finden und die Behandlung von Eingaben ordnungsgemäß dokumentiert werden. Dabei entspricht es auch dem Anspruch an einen modernen Behandlungsvollzug den Gefangenen eine Rückmeldung auf Eingaben, sei es auch in mündlicher Form, zukommen zu lassen. Zudem ist im Falle einer mündlichen Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses dieses ebenfalls ordnungsgemäß zu dokumentieren. Dieses Vorgehen hat sich in der Praxis bewährt. Soweit es in Einzelfällen zu Versäumnissen gekommen ist, steht dies den grundsätzlich positiven Erfahrungen nicht entgegen. Ob demgegenüber einer verpflichtenden schriftlichen Bescheidung und Behandlung von Eingaben von Gefangenen tatsächlich ein wesentlicher Mehrwert zukäme, erscheint fraglich. Die Thematik war bereits Gegenstand der letzten Tätig~ keitsberichte des JustizvoUzugsbeauftragten, dem ein konkretes Gesprächsangebot zu der Thematik unterbreitet wurde. Der Vollzugsbeauftragte hat im Rahmen seines Tätigkeitsberichts 2012 (dort S. 288) ausdrücklich betont, dieses Angebot aufgreifen zu wollen. Hierzu ist es aufgrund des Gesundheitszustandes von Herrn Prof. Dr. Walter sodann nicht mehr gekommen. Der Justizvollzugsbeauftragte empfiehlt darüber hinaus, bei Eingaben der Gefangenen das Prüfungsergebnis im Wege einer "ausdrücklicheren Kommuni- kation" transparenter zu gestalten. Diese Empfehlung des Vollzugsbeauftragten wird begrüßt, jedoch sollten die Auswirkungen der "Erläuterungspflichten" des am 27. Januar 2015 in Kraft getretenen Strafvollzugsgesetzes zunächst abgewartet werden. Zwische'nzeitlich sieht das Strafvollztlgsgesetz Regelungen für die Kommunikation mit den Gefangenen vor. So ist gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 StVollzG NRW der Vollzugsplan mit dem Gefangenen zu erörtern. Kommt eine Unterbringung im offenen Vollzug noch nicht in Betracht, so sind die Gründe dem Gefangenen gemäß § 12 Abs. 3 StVollzG NRW in verständlicher Form zu vermitteln. Gleiches gi'lt bei Nichtgewährung vollzugsöffnender Maßnahmen gem. § 53 Abs. 4 StVollzG NRW. Beide Fragestellungen sind erneut aufgegriffen worden und werden Gegenstand des Erfahrungsaustausches "Das neue Strafvollzugsgesetz in der Pra- -3xis" im September im Rahmen der anstehenden Anstaltsleiterdienstbesprechung sein. Im Anschluss sollen die Gespräche mit dem neuen Justizvollzugsbeauftragten fortgesetzt werden. Bisher konnten hier strukturelle Mängel bei der Eingabebearbeitung in den Anstaiten nicht festgesteiit werden. 2. Medizinische Versorgung der Gefangenen (Einrichtung einer ärztliche SchlichtungssteIle) Die Frage der Einrichtung einer ärztlichen Schlichtungsstelle für den Justizvollzug ist aufgegriffen und die zuständige Fachabteilung meines Hauses ist um weitere Prüfung gebeten worden. In die Prüfung wird einzubeziehen sein, dass die medizinische Versorgung der Gefangenen durch den medizinischen Dienst des Justizvollzuges auf der Grundlage der einschlägigen Vollzugsgesetze erfolgt. Es gilt im Hinblick auf die Gesundheitsfürsorge das Äquivalenzprinzip, wonach sich Art und Umfang der medizinischen Versorgung nach den Regelungen in der Versorgung gesetzlich Krankenversicherter richten (§ 45 Abs. 1 StVollzG NRW). Über jede medizinische Behandlungsmaßnahme durch die Anstaltsärzte, Ärzte des Justizvollzugskrankenhauses oder externe Ärzte erfolgt eine Dokumentation in Form von Arztbriefen oder Eintragungen in die Gesundheitsakten der Gefangenen. Das ärztliche Handeln folgt der Berufsordnung der Bundesärztekammer für die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Zur Qualifikation und Frage der Unabhängigkeit der Ärztinnen und Ärzte verhältsich insbesondere § 2 der Berufsordnung. Die Einwendungen von Gefangenen gegen ihre Behandlung sind auch Gegenstand von Dienstaufsichtsbeschwerden und unterliegen einem umfassenden gerichtlichen Rechtsschutz. Das unterscheidet den Gefangenen von dem "normal" krankenversicherten Patienten. Die Auswertungen des Justizvollzugsbeauftragten haben zudem ergeben, dass die Beschwerden bis auf wenige Einzelfälle, die aufgegriffen worden sind, unbegründet waren. Vor diesem Hintergrund erscheint insbesondere klärungsbedürftig, ob und welchen Platz eine ärztliche Schlichtungsstelle im Vollzug haben kann. 3. Versorgung psychisch auffälliger Gefangener I Die im Justizvollzugskrankenhaus vorhandenen Plätze zur stationären Behandlung sind nach ergänzenden baulichen Maßnahmen in der dortigen Intensivabteilung auskämmlich. Ab 2016 wird auch für weibliche Gefangene eine stationäre ßehandlungseinheit zur Verfügung stehen. Eine weitere Verbesserung der Versorgung psychisch auffälliger Gefangener wäre durch die Schaffung von zusätzlichen Langzeitbehandlungsabteilungen erreichbar. Hier;. zu sind bereits konzeptionelle Überlegungen unter Beteiligung der Praxis angestellt worden. Zu der Thematik ist eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter der Federführung des Justizvollzugsbeauftragten eingerichtet worden. Am 12. Mai 2015 fand die konstituierende Sitzung statt. -4- Die Bereiche Fortbildung, verstärkte Kooperation mit externen Kliniken und Möglichkeiten einer Haftvermeidung stehen bereits seit längerem im hiesigen Fokus. So ist beispielsweise der Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen und psychiatrischen Krankheitsbildern inzwischen fester Bestandteil der neuen Ausbildungspläne der Justizvollzugsschule. Über Fortbildungsmaßnahmen konnte zudem eine Vielzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu entsprechenden Inhalten geschult werden. Strafaufschübe und Strafunterbrechungen nach § 455 StPO erfolgen in entsprechend begründeten Fällen. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der. Verurteillte in Geisteskrankheit verfällt. Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Vielmehr handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die von den Strafvollstreckungsbehörden zu treffen ist. Unter denselben Voraussetzungen kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn zu erwarten ist, dass die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird, und überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, nicht entgegenstehen. Die Justizvollzugsanstalten sind angehalten, an die Strafvollstreckungsbehörden frühzeitig relevante Sachverhalte heranzutragen. 4. Familienfreundliche Vollzugsgestaltung Die Förderung familiärer Kontakte hat im nordrhein-westfälischen Strafvollzug eine besondere Bedeutung. Dabei spielt der persönliche, unmittelbare Kontakt die wichtigste Rolle. Selbstverständlich gibt es in keiner Anstalt ein grundsätzliches Kontaktverbot, die Anstalten sind entsprechend sensibilisiert worden. Besuche finden in der Regel werktags, häufig. bis in die Abendstunden und auch am Wochenende statt. Geeignete Gefangene haben außerdem über die regelmäßigen Besuchskontingente hinaus die Möglichkeit, nicht überwachten' Langzeitbesuch mit ihren Angehörigen durchzuführen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe in Nordrhein-Westfalen am 27.01.2015 ist die Förderung kinderfreundlicher Besuchsbedingungen in § 19 Abs. 2 StVollzG NRW gesetzlich normiert und es sind so die Rahmenbedingungen deutlich verbessert worden. Die gesetzliche Neuregelung sieht neben zusätzlichen Besuchszeiten von zwei Stunden pro Monat für minderjährige Kinder von Gefangenen auch einen familiengerechten Umgang während des Besuchs, sowie die Schaffung einer kinderfreundlichen Atmosphäre im Besuchsbereich vor. Zur Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben und zur Herstellung einer einheitlichen Handhabung ist den Justizvollzugsanstalten ein "Handlungsleitfaden zur Förderung der Besuche minderjähriger Kinder" an die Hand gegeben worden. . -5 - 5. Demographischer Wandel (Umgang mit lebensälteren Gefangenen) Die Landesregierung befürwortet grundsätzlich eine altersgemischte Unterbiingung irn Justizvollzug. Nur bei Konsteilationen, in denen eine integration lebensälterer Gefangener in den normalen Haftalltag nicht sachgerecht erscheint, weil die Rückzugsmöglichkeit auf eine Abteilung für lebensältere Gefangene angezeigt ist, erscheint die Unterbringung in einer besonderen Abteilung für Lebensältere auch sinnvoll. Zur Optimierung des Konzeptes ist bereits in der Vergangenheit eine maßvolle, bedarfsgerechte Ausweitung der Behandlungsplätze für Lebensältere vorgenommen worden. Neben den Justizviollzugsanstalten Detmold mit 22 Haftplätzen im geschlossenen Vollzug und Bielefeld-Senne mit 49 Haftplätzen im offenen Vollzug, verfügen mittlerweile auch die Justizvollzugsanstalten Castrop-Rauxel und Attendorn über insgesamt 33 Haftplätze im offenen Vollzug für lebensältere Gefangene. Darüber hinaus soll in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach eine Abteilung mit 16 Haftplätzen im geschlossenen Vollzug für lebensältere Gefangene eröffnet werden, um in Nordrhein-Westfalen auch ein regional ausgeglichenes Behandlungsprogramm zu gewährleisten. Hierzu sind die konzeptionellen Planungen bereits abgeschlossen, so dass inden nächsten Monaten mit einer Inbetriebnahme gerechnet werden kann. 6. Sozialtherapie (Weiterer Ausbau) Der Ausbau der sozialtherapeutischen Haftplätze wird weiter forciert. Gegenwärtig ist die Erweiterung der sozialtherapeutischen Abteilung der JVA Siegburg um bis zu 30 Haftplätze vorgesehen. Der Kapazitätsgewinn zugunsten der Sozialtherapie soll im Wesentlichen durch Umwidmung bestehender Haftplätze erzielt werden. Weiterhin werden im Frauenvollzug neue Wege beschritten. So wird es in der JVA Willich 11 demnächst eine (erste) sozialtherapeutische Abteilung mit 15 Plätzen für erwachsene weibliche Strafgefangene geben. Soweit der Justizvollzugsbeauftragte die Qualitätssicherung der vorhandenen Angebote angemahnt hat, ist diese Anregung ber~its Gegenstand des in der Fachabteilung des Justizministeriums entwickelten "Rahmenkonzepts fürdie sozialtherapeutische Behandlung in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen". Das Konzept stellt Qualitätsstandards für die sozialtherapeutische Behandlung sicher. Es ist beabsichtigt, das Rahmenkonzept nach einer abschließenden Befassung in der Fachabteilung demnächst zu verabschieden. Die angeregte Bedarfs- und Realisierbarkeitsprüfung für den Aufbau einer sozialtherapeutischen Ambulanz ist bereits fest geplant. Sie wird im Zuge des für 2018 vorgesehenen StandortvI/echsels der Sozialtherapeutischen Anstalt Gelsenkirchen nach Bochum durchgeführt. -6- 7. ÜbersteIlungspraxis bei Jugendlichen (TrennungsgebotiDauer) Gemäß § 112 Abs.1 JStVollzG NRW wird Jugendstrafe in hierfür bestimmten seibständigen Anstalten der Landesjustizverwaltung volizogen. Zulässig ist jedoch der kurzfristige Aufenthalt von Jugendstrafgefangenen in einer Anstalt des Erwachsene.nvollzuges im Rahmen der ÜbersteIlung (z.B. zwecks Teilnahme an Gerichtsterminen). Für die Zeit des Aufenthalts innerhalb einer solchen Einrichtung ist ein absolutes Trennungsgebot einzuhalten. Der Aufenthalt ist auf das zur Erreichung des Zwecks erforderliche Maß zu beschränken. Die Justizvollzugsanstalten des Jugendvollzuges sind bereits anlässlich einer Dienstbesprechung im November 2013 auf diese Regelungen hingewiesen worden, alle Justizvollzugsanstalten wurden zudem per Erlass auf die Regelungen hingewiesen, zuletzt mit Datum vom 8. Juni 2015. Derzeit werden gemeinsam mit den betroffenen Anstalten Lösungsansätze zur Verbesserung der aktuellen Praxis erarbeitet. 8. Zufriedenheit der Bediensteten Mit dem Rahmenkonzept zur Personalentwicklung im Justizvollzug NRW und dem Maßnahmenkonzept für die Gesundheitsförderung im Justizvollzug NRW sind wichtige Meilensteine gelegt worden. So ist bereits eine Dienstvereinbarung zum Gesundheitsmanagement für die Bediensteten des Justizvollzuges NRW geschlossen worden und jede Anstalt ist gehalten, bis zum Jahresende 2017 ein behördenspezifisches Personalentwicklungskonzept zu erstellen. Zur Begleitung dieses Prozesses wird am 7. September 2015 eine anlassbezogene Dienstbesprechung mit den Verwaltungsleiterinnen und·Verwaltungsleitern durchgeführt. Soweit in dem Bericht des Justizvollzugsbeauftragen bemängelt wird, die aktuelle Beurteilungspraxis lasse keinen Raum für eine besondere Wertschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl in dem Beurteilungsgespräch als auch in der schriftlichen Eignungsaussage eine besondere Wertschätzung' zum Ausdruck 'gebracht 'werden kann. Die Einführungsphase des neuen Beurteilungswesens ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Alle Beteiligten haben sich auf die neue Systematik einund umzustellen. Dass dies nicht innerhalb kürzester Zeit und ohne Reibungsverluste erfolgen kann, liegt in der Natur der Sache. Weitere Schulungen und Übung in der täglichen Praxis werden dafür sorgen, dass die vorhandenen Unstimmigkeiten sukzessive abgebaut werden. Die Akzeptanz des neuen Systems ist bereits spürbar angestiegen. - 79. Mediale Vollzugslockerung (Gefangenen den Zugang zur Informationsgesell- schaft ermöglichen) § 27 StVoilzG NRW gestattet "andere von der Aufsichtsbehörde zugelassene Formen der Telekommunikation", wenn hierdurch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird. Die Nutzung von Computern durch Gefangene ist grundsätzlich mit Sicherheitsrisiken, insbesondere im Bereich der Internetkriminalität, verbunden, erst recht, wenn ein Onlinezugang besteht. Ein Internetzugang ist nur dann denkbar, wenn sich die verbleibenden Restrisiken einer Internetnutzung in dem erforderlichen Umfang reduzieren lassen. Dies ist bislang noch nicht gelungen. Statt eines Internetzugangs wird allenfalls ein getunneltes, nicht von außen manipulierbares Intranet Modell in Frage kommen. In der JVA Detmold findet derzeit ein einjähriges Pilotprojekt zum Thema "Internettelefonie" statt. Das Ergebnis des O.g. Pilotprojektes bleibt'abzuwarten. Dieses beinhaltet das "Skypen" unter Beaufsichtigung eines Bediensteten, so dass eine Übertragung auf den umfassenden Bereich der Internetnutzung noch nicht möglich sein wird. 11. Opferbezogene Vollzugsgestaltung (Täter-Opfer-Ausgleich) Die opferbezogene Vollzugsgestaltung hat an verschiedenen Stellen Eingang in das neue G~setz zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe in Nordrhein-Westfalen gefunden. Das Gesetz trägt dem hohen Stellenwert des Opferschutzes und den nachvollziehbaren Schutzbedürfnissen der Opfer Rechnung. Durch Aufnahme einer Regelung zur opferbezogenen Gestaltung des Vollzuges in den ersten.Abschnitt (Grundsätze) wird die viktimologische Sicht unterstrichen. Bereits kurz nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes fand mit zwölf Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern für Opferbelange eine Dienstbesprechung mit dem Schwerpunkt "praktische Umsetzung der neuen Regelungen" statt. Die Vernetzung untereinander und nach außen wird stetig ausgebaut. Die Kontaktdaten der Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner 'sollen über die Internetpräsentationen der jeweiligen Justizvollzugsanstalt veröffentlicht werden. In den vergangenen Mon~ten sind außerdem "Handlungsempfehlungen für die Umsetzung einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung in Nordrhein-Westfalen" entwickelt und den Justizvollzugsanstalten zugänglich gemacht worden. Am 9. Januar 2015 sind darüber hinaus Richtlinien über die Gewährung von Zuwendungen an freie Träger für Projekte zum Täter-OpferAusgleich bei den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlicht worden. Ferner läuft bereits seit längerem in der Justizvollzugsanstalt Schwerte ein Model/projekt, um die ~J1öglichkeiten und Ansätze einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung zu erproben und stetig fortzuentwickeln. -8Soweit der Justizvollzugsbeauftragte eine "zu wenig systematisierte gesetzliche Kodifizierung" moniert, dürfte sich diese Bemerkung vor allem auf die alte, vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage beziehen. Dies legt die diesbezügliche Fußnote nahe, die sich auf eine Literaturstimme aus dem Jahr 2013 bezieht. Im Übrigen ist dem Vorschlag des Justizvollzugsbeauftragten, die praktische Umsetzung der Opferinformationsansprüche abzuwarten, beizupflichten .. 12. Vollzugsöffnende Maßnahmen (u.a. Spannungsfeld Tatleugner) Der Justizvollzugsbeauftragte stellt klar, dass nach gefestigter Meinu~g in Rechtsprechung und Literatur, die Leugnung einer Straftat bei einer Prognoseentscheidung nur dann als prognostisch negativ relevanter Umstand :anzuführen ist, wenn das Leugnen sich auch in eine davon unabhängige Haltung einfügt, die Zweifel an der künftigen Straffreiheit erweckt. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe in NordrheinWestfalen am 27. Januar 2015' wurden die untergesetzlichen Vorgaben für die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen und die Verlegung in den offenen Vollzug überarbeitet und der neuen Rechtslage angepasst. Die landesweit gültige "Konzeption zur Qualitätssicherung der Entscheidungen über die Verlegung in den offenen Vollzug und die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen" legt fest, dass in konkret benannten Fällen eine prognostische Einschätzung des Psychologischen Dienstes für die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen und die Verlegung in den offenen Vollzug heranzuziehen ist. Die zugehörige Checkliste enthält eine Vielzahl von Faktoren, die für die Prognoseeinschätzung herangezogen werden können. Die Punkte, die sich auf die konkrete Straftat beziehen, wie "Delikteinsicht", "Hinweise auf Verdeckungs- und Bagatellisierungstendenzen" und "Auseinandersetzung mit der Anlasstat" bilden dabei jeweils nur einen Anhaltspunkt unter vielen ~ür die prognostische Beurteilung. Die Checkliste für den Psychologischen Dienst vermittelt den Anwendern und Entscheidungsträgern in den Anstalten deutlich, dass die Leugnung einer Straftat lediglich ein Faktor bei der Prognoseeinschätzung ist, der für sich genommen keine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung darstellt. Soweit der Justizvollzugsbeauftragte in seinem Tätigkeitsbericht die rechtzeitige Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen im Hinblick auf den Vollstreckungsstand anspricht, sind diese Maßnahmen - sowie die Verlegung in den offenen Vollzug - Gegenstand der regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugspläne der Gefangenen und vJerden somit automatisch überwacht. Zu den Eingaben, die sich auf die Dauer des Prüfverfahrens beziehen, ist anzumerken, dass die fachgerechte Feststellung, ob ein Gefangener für vollzugsöffnende Maßnahmen geeignet ist, der Mitwirkung aller maßgeblich an der Be- - 9- handlung des Gefangenen beteiligten Bediensteten bedarf (vgl. § 10 Abs. 3 StVollzG NRVY). Bei bestimmten Deliktgruppen und Straflängen sind zudem besondere Verfahren für die Eignungsfeststellung vorgeschrieben, die die Beteiligung e)derner Sachverständiger erfordern, so dass die Dauer des Verfahrens nicht grundsätzlich verkürzt werden kann. 13. Vollzug in freien Formen (Analyse und verbesserter Ansatz) Das Modellprojekt Vollzug in freien Formen, ausgelegt für sieben jugendliche Gefangene, lief vom 1. August 2012 bis zum 7. Februar 2014. Es wurde ausgestaltet und begleitet durch Vertreter/innen des Raphaelshauses (Jugendhil- , feeinrichtung), der JVA Wuppertal-Ronsdorf, des örtlichen Jugendamts, des zuständigen Landesjugendamts Rheinland und des Justizministeriums. Im Zeitraum 28. September 2012 bis 2. November 2012 ruhte das Modellpro:jekt als Folge der Entweichung dreier Jugendlicher. Der Fortführung ging ein entsprechender Konsens der Obleute aller im Landtag vertretenen Fraktionen v.oraus. Nachdem sodann am 27. 'November 2012 ein junger Gefangener seine Teilnahme an dem Projekt auf eigenen Wunsch abgebrochen hatte, befanden sich in Ermangelung von geeigneten jungen Gefangenen lange Zeit nur zwei Teilnehmer in dem Modellprojekt. Nach der vorzeitigen Beendigung des Modellprojekts im Februar 2014 ist in der 42. Sitzung des Rechtsausschusses am 11. März 2015, in der über die Ergebnisse der Evaluierung des Modellprojektes berichtet worden war, entschieden worden" dass man sich fraktionsübergreifend in der Obleuterunde darüberaustauschen wolle, ob und wenn ja, unter welchen Umständen man das Projekt fortsetzen könne. Diese Entscheidung ist zunächst abzuwarten. 14. Ausblick Soweit im Tätigkeitsbericht ein Ausblick auf die künftige Vollzugsgestaltung in ' unserem Land erfolgt, ist zu den in den Fokus genommenen Punkten aus Sicht der Landesregierung noch einmal zusammenfassend folgendes anzumerken: Mit der Normierung einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung hat das Land Nordrhein-Westfalen bundesweit Neuland betreten. Daneben hat der Vollzug stets den demografischen Wandel im Blick und verfügt bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt landesweit über vier Abteilun,gen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten, in denen ausschließlich lebensältere Gefangene untergebracht werden können. Zuletzt sieht das neue Strafvollzugsgesetz auch neue Ideen im Bereich der Familienfreundlichkeit (z.B. erhöhtes Besuchskontingent bei Minderjährigen) und der Übergangsorientierung (z.8. Entlassungsbericht) vor. - 10 Eine Optimierung des Übergangsmanagements sehen auch die Leitlinien für den Strafvollzug vor (Leitlinie 7). Bereits seit dem 1. April 2006 ist eine psychiatrische Abteiiung im justizvoiizugskrankenhaus Nordrhein-Westfalen eingerichtet, die ein umfassendes Angebot für notwendige stationäre Diagnostik und Therapie psychiatrisch erkrankter männlicher Gefangener vorhält. Insofern stehen den Gefangenen die gleichen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, über die auch Menschen außerhalb des Vollzuges verfügen. Darüber hinaus werden gegenwärtig Möglichkeiten der Implementierung einer poststationären psychiatrischen Nachbehandlung im Justizvollzug geprüft. Es wurde bereits begonnen, das 5-Punkte-Programm des Projekts "Prävention vor Radikalisierung" umzusetzen. Dieses umfasst folgende Inhalte: 1. 2. 3. 4. 5. Bundesweite Zusammenarbeit stärken Schulungs- und Fortbildungsangebote ausbauen Mehr Migrantinnen und Migranten in den Justizdienst Ausbau religiöser Betreuung Wissenschaftliche Erforschung der Gefahren einer Radikalisierung im Justizvollzug Es sind bereits Stellen für mehrere Islamwissenschaftlerinnen und Islamwis- . senschaftier ausgeschrieben worden. Auswahlgespräche haben bereits stattgefunden; die ersten Besetzungsverfahren werden in Kürze abgeschlossen sein. Die Islamwissenschaftler sollen 9as Justizministerium bei der Analyse von Radikalisierungsgefahren und der Entwicklung von Handlungskonzepten im Zusammenhang mit Islamismus und extremistischem Salafismus in nordrhein-westfälischen Justizvollzugseinrichtungen unterstützen. Das neue Strafvollzugsgesetz sieht viele Erläuterungs-, Mitteilungs- und Anhörungspflichten und in Einzelfällen auch die Einbeziehung von Dritten vor (u.a. §§ 5,10 Abs. 4,11 Abs. 4, 23 Abs. 4,70 Abs. 4 StVollzG NRW etc.), durch die der Vollzug nachvollziehbarer für alle Beteiligten werden soll. Auch die Leitlinien für den Strafvollzug sehen vor, dass die Hintergründe vollzuglicher Maßnahmen erläutert werden sollen, um den Transparenzprozess fortzusetzen. Der Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen hat sich also bereits auf den Weg gemacht, sich den gegebenen Herausforderungen im Wandel der Zeit immer wieder neu zu stellen und angemessene Lösungswege zu beschreiten. Dies gehört auch nach Ansicht der Landesregierung zu den Aufgaben eines modernen und innovativen Behandlungsvollzuges, bei dessen Optimierung die Ergebnisse der Arbeit der Justizvollzugsbeauftragte:n stets wertvolle Beiträge geliefert haben.
© Copyright 2024 ExpyDoc