UN T E R NEH M EN & M Ä R K T E Industriepresse in Japan: Höchst relevant, doch kaum bekannt Die japanische Industriepresse ist für ausländische Unternehmen von herausragender Bedeutung. Dabei ist sie nicht-japanischen Führungskräften weitgehend unbekannt. Der Grund: es gibt sie fast nur auf Japanisch. Die Plattform „Japan Industry News“ will dies ändern. Von Patrick Bessler P resse in Japan ist in vielen Bereichen „ein Thema der Superlative“, erklärt Ulf Dressler. Mit knapp zehn, acht, und vier Millionen Druckauflage pro Tag allein in der Morgenausgabe sind die drei größten überregionalen Tageszeitungen Japans, Yomiuri, Asahi und Mainichi Shimbun, auch die drei auflagenstärksten Zeitungen der Welt. Den fünften Platz belegt die Wirtschaftszeitung Nihon Keizai Shimbun (Nikkei). Sie lässt mit täglich etwa drei Millionen Zeitungen sogar den größten international gelesenen Konkurrenten Wall Street Journal hinter sich zurück. So weit, so bekannt. Oftmals unbekannt sei jedoch ein weiterer Superlativ, den Dressler, Gründer der web-basierten Plattform „Japan Industry News“, nennt: In Japan gibt es über 150 Industriezeitungen und -zeitschriften. „Sie veröffentlichen ein außergewöhnlich breites Informationsangebot über die produzierenden B2B-Industrien des Landes. Die sind damit die wahrscheinlich am besten dokumentierten und transparentesten der Welt“, so der Kommunikationsexperte. Der B2B-Bereich in Japan, „gut dokumentiert und transparent“? In der Tat zeigt eine von Japan Industry News durchgeführte Marktstudie, dass sich über 60 Prozent aller befragten B2B-Führungskräfte, die mit Japan oder japanischen Firmen in geschäftlicher Beziehung stehen, schlecht oder sehr schlecht informiert fühlen. Nur 5 Prozent geben an, sie seien sehr gut informiert. „Es gibt also ein deutliches Informationsdefizit, das in direktem Gegensatz zum verfügbaren Informationsangebot steht. Das ist umso bemerkenswerter, da Japan als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt gerade im Industriebereich über viele Global Player verfügt, die oftmals Innovations- und Qualitätsführer in ihren Bereichen sind“, berichtet Dressler, der vor der 24 J A PA N M A R K T November/Dezember 2015 Gründung seiner Firma Bonuterra, die hinter der Plattform steht, zehn Jahre lang in Leitungsfunktionen in der Unternehmenskommunikation bei Lanxess in Japan und Asien tätig war. Grundzüge der japanischen Presselandschaft Die meisten deutschen Leser seien vereinfacht mit einem dreistufigen System vertraut, fasst Dressler zusammen. Die erste Stufe bildet die Tagespresse, die zweite die Wirtschaftspresse und die dritte die Fachpresse. Die Tagespresse berichtet über ein breites Spektrum, von Politik über Tagesgeschehen zu Sport. Die Wirtschaftspresse, beispielsweise das Handelsblatt, ist das Forum für Wirtschafts- und Industrienachrichten. Die Fachpresse, wie der Chemanager für die Chemieindustrie, ist durch mehrwöchentliche Publikationszyklen und themengesteuerte Berichterstattung gekennzeichnet. In Japan gebe es, vereinfacht gesagt, ein fünfstufiges System: Auf erster und zweiter Stufe findet sich wiederum die Tagespresse, Beispiel Yomiuri Shimbun, und die Wirtschaftspresse, hier vor allem die Nikkei. Danach zeigen sich Unterschiede. Die Industrietagespresse bildet die dritte Stufe mit industrieübergreifenden Zeitungen wie der Nikkan Kogyo Shimbun oder auf einzelne Branchen fokussierten Veröffentlichungen, etwa der Chemical Daily oder Daily Automotive News. Im internationalen Vergleich hat diese sehr hohe Auflagen. Allein der Chemical Daily liefert jeden Tag etwa 130.000 Zeitungen aus. Auf Stufe vier finden sich speziellere Industriezeitungen in wöchentlichem oder mehrwöchentlichem Erscheinungszyklus, beispielweise Japan Rubber Weekly oder Paint & Finishing News. Auch diese erreichen in Anbetracht ihrer Spezialisierung beiten. Gerade bei industriellen Themen kann dies schon einmal ein Jahr dauern,“ sagt Dressler. bemerkenswerte Druckauflagen von oft über 20.000 Zeitungen. Alle Medien auf Stufen eins bis vier folgen einem nachrichtengesteuerten Modell. Die fünfte Stufe bilden inhaltlich oftmals technische, themengesteuerte Fachmagazine, zum Beispiel Plastics Age. Zum Vergleich: Die deutsche Fachpresse entspräche einer Mischung der japanischen Stufen vier und fünf. PR auf Industriemedien ausrichten Dies biete bedeutende Chancen für die Öffentlichkeitsarbeit ausländischer Unternehmen. Japanische Unternehmen wenden substantielle Ressourcen darauf auf, die jeweils neuen Journalisten der Tages- und Wirtschaftspresse in dem für sie zuständigen Bereich schnell und im eigenen Sinne „auszubilden“. Das übersteige im Regelfall die für Öffentlichkeitsarbeit verfügbaren Budgets ausländischer Repräsentanzen. Gleichzeitig sind Industriepressejournalisten wegen ihres tieferen Branchenwissens und ihrer größeren Unabhängigkeit deutlich empfänglicher für ausländische PR-Arbeit, weiß Dressler. Aus diesem direkten Zugang zum Kunden, den niedrigeren Kosten und der größeren Offenheit folgt: „Für ausländische Industrieunternehmen in Japan ist eine fokussierte Ausrichtung ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf Industriemedien also auch die effizienteste Strategie.“ Relevant für ausländische Unternehmen Dies hat wichtige Implikationen, weiß der PR-Experte: „Zunächst kann man den deutschen Referenzrahmen nicht an die japanische Presselandschaft anlegen. Tageszeitungen und Nikkei dienen einer sehr binnenmarkt-orientierten Leserschaft. Aus Sicht eines ausländischen Industrieunternehmens wichtige Nachrichten ohne bedeutsamen Landesbezug finden in Japan in Tages- oder Wirtschaftspresse keine Aufnahme.“ Stattdessen seien Zeitungen der Industrietagespresse und die spezielleren Industriezeitungen relevant. „Sie sind Hauptinformationsmedien für ihre Industrien und bieten direkten Zugang zum Kunden. Wofür man woanders ins Wall Street Journal blickt, schaut man in Japan gerne in die Nikkan Kogyo Shimbun oder die Daily Automotive News“, bilanziert Dressler. Die japanische Industriepresse sei für ausländische Industrieunternehmen, Krisensituationen ausgenommen, daher der bei weitem relevanteste Teil der japanischen Medienlandschaft. Doch noch zwei weitere Eigenschaften gelte es zu beachten: Japanische Medien der dritten bis fünften Stufe sind meist nicht Teil des Presseklub-Systems und damit sogenannte „Outside Media“. Mit ihrer oft über 50-jährigen eigenständigen Geschichte sind sie relativ unabhängig von den sonst so dominanten japanischen Medienkonzernen. Zweitens belassen sie Journalisten länger in einem Ressort als Zeitungen der ersten und zweiten Stufe. „In der allgemeinen Presse wechseln Journalisten alle zwei bis drei Jahre den Bereich und müssen sich neu einar- Japan Industry News So bedeutend japanische Industriepresse ist, so unbekannt ist sie in internationalen Wirtschaftskreisen. Der Grund ist einfach: So gut wie keine Industriezeitung publiziert auf Englisch. Für die Verlage ist es schwierig, auf sich allein gestellt profitabel auf Englisch zu publizieren. Um das Problem zu lösen, hat Dressler Japan Industry News ins Leben gerufen. Der Service ermöglicht es japanischer Industriepresse, profitabel unter eigenem Markenauftritt englischsprachige Onlineausgaben zu veröffentlichen. Als ersten Zeitungspartner konnte Japan Industry News bereits die führende Industriezeitung für die japanische Kautschuk-, Reifen- und Plastikindustrie, Japan Rubber Weekly, gewinnen. „Unsere Vision ist, in Partnerschaft mit den wichtigsten japanischen Industriezeitungen Information aus allen japanischen Industriebranchen einer globalen Leserschaft zugänglich zu machen“, erklärt Dressler. „Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen weltweit ihre Geschäfte in und mit Japan auf besserer Informationsbasis tätigen können.“ n Beispiele wichtiger Industriezeitungen Japans Branche Zeitung Auflage pro Tag Übergreifend The Business & Technology Daily News (Nikkan Kogyo Shimbun) 420.000 Übergreifend The Nikkei Business Daily (Nikkei Sangyo Shimbun) 160.000 Automobil The Daily Automotive News (Nikkan Jidosha Shimbun) 150.000 Bau Engineering & Construction Daily (Nikkan Kensetsu Kogyo Shimbun) 340.000 Chemie The Chemical Daily (Kagaku Kogyo Nippo) 130.000 Elektronik/Elektrik Dempa Shimbun 285.000 Landwirtschaft Japan Agricultural News (Nihon Nogyo Shimbun) 380.000 Pharma Yakuji Nippo Stahl Japan Metal Daily (Nikkan Tekko Shimbun) Einen exzellenten Überblick des allgemeinen japanischen Pressesystems bietet die Publikation „Japan’s Media: Inside and Outside Powerbrokers“ des PR-Experten Jochen Legewie. Kostenloser Download unter: goo.gl/puI8gQ Ulf Dressler ist Gründer und CEO von Bonuterra Inc. Das Konzept zu „Japan Industry News“ entstand aus Gesprächen mit japanischen Industriepressejournalisten im Laufe seiner zehnjährigen, Japan-basierten Tätigkeit als Leiter Unternehmenskommunikation Japan und Leiter Marketingkommunikation Asien-Pazifik des deutschen Spezialchemiekonzerns LANXESS. E-Mail: [email protected] www.japanindustrynews.com 53.000 (3x/Woche) 85.000 November/Dezember 2015 J A PA N M A R K T 25
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