Platz und Performance - Trend Travel & Yachting

TEST Dufour 455 Grand’Large
Platz und Performance
D
ufour aus Frankreich geht es wie
Hanseyachts in Deutschland: Beide distanzieren sich gekonnt von
der Masse der deutlich größeren Mitbewerber Bavaria und Bénéteau. Man suchte und fand kleine, feine Marktnischen;
beide Werften proklamieren das gut aussehende, leistungsbetonte Schiff für ambitionierte Segler, die dennoch Komfort
wünschen und Wert auf einfaches Handling legen. Ein Kompromiss, den jede
Werft umzusetzen sucht, der aber meist
zu Lasten entweder der Segeleigenschaften oder der Wohnlichkeit geht.
Anders als Hanse bietet Dufour zwei
Linien, die sehr fein abgestuft sind. Die
Performance-Reihe verzichtet auf etwas
Wohn- und Stauraum und ist noch leistungsbetonter ausgelegt; die Schiffe sind
denn auch mit leichten Modifikationen
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selbst auf hochkarätigen Veranstaltungen
siegfähig. So gewann eine Dufour 40 Performance die vergangene Copa del Rey
und wurde Weltmeister der im Mittelmeer populären IMS-Klasse 670.
Dufours zweite Reihe nennt sich
Grand’Large, was so viel wie Große Fahrt
bedeutet. Damit ist die Ausrichtung klar:
mehr Volumen, etwas weniger Tuch, ein
simpleres Deckslayout.
Das derzeit größte Schiff der Reihe ist
die 455 Grand’Large, deren Prototyp die
YACHT getestet hat.
Starke Konkurrenz, guter Preis
Das Design stammt, wie für alle übrigen Dufours auch, vom italienischen
Konstrukteur Umberto Felci und dem
maritimen Innenarchitekten Patrick Roséo. Auch ihre 455 zeigt die typischen
Merkmale der Grand’Large-Reihe: steiler
Steven, lange Wasserlinie, niedriger, stufiger Aufbau, flache Rumpffenster, relativ
breites Heck. Dazu der Innenausbau aus
Moabi, einer ruhig gemaserten, angenehm hellen Mahagoni-Sorte.
Trotz des angestrebten hohen Raumvolumens und dem klaren Bekenntnis
zum reinen Fahrtenboot ist die 455 elegant, wirkt dynamisch, modern und individuell. Sie lässt sich in diesen Belangen
mit Schiffen wie Jeanneaus Sun Odyssey
45, der Grand Soleil 45, einer Salona 45,
der Comet 45 Sport und der Centurion 45
S von Wauquiez vergleichen. Mit einem
Grundpreis von 215 342 Euro liegt sie an
der Untergrenze dieser Gruppe. Das verwundert, ist doch Dufour kostenmäßig
sonst eher im Mittelfeld platziert und
zeigt sich betont resistent gegenüber
Schön & schnell: Die
Dufour 455 Grand’
Large überzeugt unter
Segeln durchweg
Moderne Linien, niedriger Preis, gute Leistungen, hoher Komfort – die größte
aus Dufours Cruiser-Reihe ist ein ambitioniertes Boot für Eigner und Charterer
Auch der erste Gang über Deck fördert Erfreuliches zu Tage. Der Spiegel
lässt sich durch eine Klappe öffnen, die
auf die Badeplattform geschwenkt wird.
Dann ist der Weg frei zu einem Rettungsinsel-Stauraum und zum Quadranten.
Durch einen in diesem Bereich versenkten Cockpitboden ist dieser wichtige Teil
der Steueranlage außerhalb des Schiffs-
inneren und somit gut erreichbar untergebracht. Weiterhin registriert der Beobachter effektive Fußstützen für das Steuern in Luv an einem der beiden Räder.
Und Instrumente finden in Versenkungen
an der achteren Aufbauwand Platz, wodurch man sich hier gemütlich anleh- U
Sinnvoll & gut: robuster Cockpittisch, weit
außen liegende Räder, Cockpitfenster
Chic & praktisch: Heckklappe mit Rettungsinsel-Stauraum und erreichbarem Quadrant
Nachgedacht & umgesetzt: Fußstützen für
den Steuermann und versenkte Instrumente
Preiskämpfen. In Sachen Optik, Anmutung und Preis punktet die 455 jedenfalls
schon mal.
Simples Layout, gute Lösungen
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Gestaltung setzt sich unter Deck fort. Das Schiff wirkt leicht, aber
nen kann. Das Deckslayout ist analog zu
der Zielgruppe der reinen Fahrtensegler
ausgelegt. Traveller auf dem Kajütdach,
Genuawinschen weit achtern. Bedeutet:
Wenden einhand funktioniert, Abfallen
bei Wind jedoch nur mit Unterstützung
des Autopiloten. Auch das übrige Deckslayout ist simplifiziert: Es gibt keinen
serienmäßigen Achterstagspanner oder
leinenverstellbare Holepunkte. Das kann
man hinnehmen, verdammen – oder man
rüstet nach.
Das Rigg aus der höher wertigen Reihe Performance von Sparcraft ist simpel:
15/16-getakelt und mit zwei gepfeilten
Salingspaaren ausgestattet. Die Wanten
liegen innen; überlappende Vorsegel lassen sich also eng schoten. Das Standardvorsegel hat 130 Prozent. Die KutterstagOption ist decksseitig vorbereitet. Das
Großsegel wird mit zwei Einleinenreffs
verkleinert. Ein Rollmast ist als Extra zu
haben. Derzeit keine Wahlmöglichkeiten
gibt es für den Kiel aus Gusseisen; Standard sind 2,00 Meter.
Weiter fällt auf: Die vorderen Positionslaternen sind so weit außen am Bugkorb angebracht, dass sie in unrunden
Manövern beispielsweise am Pfahl abscheren können; das sollte die Werft ändern. Weiterhin gibt es keine Scheuerleiste ab Werft. Ohne den Schutz sieht der
Rumpf zwar zweifelsfrei besser aus, wird
aber schnell leiden, zumindest in nördlichen Revieren, wo man in Boxen anzulegen pflegt. Auf Wunsch rüsten die
Händler dieses Teil nach.
Schnelle Fahrt, gute Eigenschaften
Unter Segeln ließen sich keine Mängel entdecken. Das Schiff fährt schnell:
Bis zu 7,5 Knoten bei einem Wendewinkel von unter 90 Grad sind klasse für einen Cruiser, 9,0 Knoten bei halbem Wind
auch. Das alles bei 12 bis 15 Knoten. Dabei entwickelt das Schiff den richtigen
Ruderdruck für ein gutes Feedback und
tendiert selbst bei großer Lage nicht zum
Ausbrechen. Es wendet zügig und segelt
trocken. Alles, was ein Schiff heute können sollte.
Die Steuerung ist mit 1,3 Anschlägen
von hart Back- zu hart Steuerbord relativ
direkt ausgelegt, was bei den meisten Be-
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Hell & geräumig: Der Salon hat diverse
Lüftungen und ist wohl proportioniert
Angemessen & längsorientiert: Die Pantry
hält dem Bedarf einer großen Crew stand
Üppig & abgeteilt: Das Bad in der Eignerkammer verfügt über eine separate Dusche
Großzügig & angenehm: Zwischen den
breiten Kojen ist Stauraum eingebaut
dingungen als angenehm empfunden
wird. Die 90 Zentimeter durchmessenden
Räder könnten etwas höher montiert sein;
mit einem Maß von 106 Zentimetern vom
Cockpitboden bis zur Oberkante liegen
sie eher auf der zu flachen Seite.
Der Durchgang zwischen den Rädern
fällt mit 67 Zentimetern breit genug aus.
Das Cockpit wird sinnvollerweise durch
einen gelungenen, weil robusten und gut
dimensionierten, fest installierten Tisch
unterteilt.
Die Motorfahrt rundet den positiven
Eindruck ab, den die Dufour 455 unterwegs hinterlässt. Zum einen sind 8,2 Knoten Marschfahrt recht zügig. Zum anderen liegt die maximale Geräuschbelästigung dabei mit 71 dB(A) sogar in der
Achterkammer niedrig. Beim Manövrieren zeigten sich keine Auffälligkeiten.
terieur. Die Aufteilung sieht identische
Achterkammern vor; statt nur eines
Längsschotts gibt es zwei Trennwände,
die Geräusche isolieren und einen Geräteraum dazwischen ermöglichen. Die
Polster sind geteilt; das vordere Stück erlaubt so den einfachen Zugang zu einem
darunter liegenden Stauraum. Die beiden
Achterkammern lassen natürlich nur kleinere Backskisten zu. Voluminöse Dinge
wie beispielsweise einen Gennaker bekommt die Crew jedoch auch in einem
Bugstauraum hinter dem Ankerkasten unter, und achterlich des Rudergängers sind
weitere Möglichkeiten gegeben.
Navigation und Bad liegen neben dem
Niedergang. Die Pantry dagegen ist längsorientiert gegenüber dem Salon untergebracht. Halt findet man bei Lage durch eine Mittelbank, die per Gasdruckfeder aufklappbar ist und so Stauraum freigibt. Die
Pantry überzeugt durch viel Staumöglichkeiten, auch für die üblicherweise anfallenden kleineren Dinge des Bordlebens.
Auch schön: Die Waschbecken sind angenehm tief. Jedoch läuft das Wasser dort
Viel Platz, schöne Anmutung
Besonderheiten finden sich dagegen
unter Deck. Neben dem erwähnten schönen Ausbauholz gefallen die Platzverhältnisse, die zeitlose Gestaltung, das helle In-
ALLE FOTOS: H.-G. KIESEL; ZEICHNUNG: A. HOPPENHAUS
Die klare, zeitlose
dennoch solide. Und die Platzverhältnisse stimmen
uTEC HNISC HE DATEN (WERFTANGABEN)
Konstrukteur . . . . . . . . Umberto Felci/Patrick Roséo
CE-Entwurfskategorie . . . . . . . . . . . . . . A (Hochsee)
Rumpflänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13,45 m
LWL (Wasserlinienlänge) . . . . . . . . . . . . . . . . 11,91 m
Breite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4,30 m
Theoretische Rumpfgeschwindigkeit . . . . . . 8,4 kn
Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11,0 t
Ballast/-anteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3,0 t/27 %
Großsegel (Standard) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42,2 m2
Genua (Standard, 130 %) . . . . . . . . . . . . . . 58,2 m2
Segeltragezahl (Standardbesegelung) . . . . . . . 4,51
Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 kW/55 PS
Rumpf- und Decksbauweise Rumpf Volllaminat,
oberhalb der WL Sandwich im Vakuum-Handauflegeverfahren, Deck Balsa-Sandwich (Infusionsverfahren)
uSEG E LLE ISTUNG E N
(O. ABDRI FT U. STROM)
Am Wind (ca. 43 Grad) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7,5 kn
60 Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8,5 kn
90 Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9,0 kn
130 Grad (Gennaker) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7,3 kn
Windgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . 12–15 kn/4 Bft.
Y - BEWERTUNG
Die Dufour 455 erfüllt die Zielvorgaben: Sie
ist schnell, schön und gut fahrtentauglich
uKonstruktion und Konzept
Å Schöne Linienführung trotz großem Platzangebot
uSegelleistung und Trimm
PRE IS UN D WERFT
u
Grundpreis ab Werft . . . . . . . . . . . . . . . 215 342 Euro
Preis segelfertig (nach YACHT-Def.) . . 222 908 Euro
YACHT-Komfortpreis . . . . . . . . . . . . . . . 233 038 Euro
Werft www.dufouryachts.com
Vertrieb Andreas Haubold Segel, Boote, Zubehör,
Tel. 03036/28 44 66; Yachtsport Eckernförde, Thomas
Nielsen, Tel. 04351/75 27 34; Trend Travel & Yachting,
Hannes Grassl, Tel. 0800/857 32 81
nicht auf Backbordbug ab. Weiterhin gibt
es zwei Kühleinheiten, die zusammen
rund 250 Liter Volumen haben, sowie einen Ofenkocher mit drei Flammen – beides Dinge, die selbst auf Schiffen dieser
Größe keine Selbstverständlichkeit sind.
Eine Verbesserungsmöglichkeit gäbe
es noch für den Salon: Während man sich
am Niedergang an schönen, geschwungenen Handgriffen festhalten kann, fehlt
beim Gang nach vorn der Halt wie zum
Beispiel Griffe unter der Decke.
In zwei Versionen ist das Vorschiff zu
haben: Die Eignerversion sieht eine große
Koje (2,00 mal 1,83 Meter!), zwei Sofas,
viel Schrankraum und ein großes Bad mit
abgeteilter Duschecke vor.
Wer sich dagegen für zwei Kabinen im
Bug entscheidet, muss mit schmaleren
Polstern und kleineren Schränken Vorlieb
nehmen. Duschbad und Toilette sind
dann vor den Kabinentüren angeordnet
und in zwei kleinere getrennte Räume
eingebaut.
Erwähnenswert sind auch die diversen
Lüftungsmöglichkeiten: Zehn Deckslu-
Å Großes Potenzial trotz klarer Fahrtenausrichtung
Í Achterstagspanner und Leinenholepunkte fehlen
uWohnen und Ausbauqualität
Å Ansprechende Gestaltung, gelungenes Layout
uAusrüstung und Technik
Y
Å Gute Komponenten, saubere Installationen
Í Scheuerleiste nur ab Händler
Í Buglaternen sind gefährdet montiert
ken und vier zu öffnende Aufbaufenster
sowie zwei Doradeboxen sind überdurchschnittlich viel.
Feines Finish, saubere Installation
Blicke hinter die Kulissen zeigen weitere, durchweg positive Aspekte. Die Leitungen und Verteiler für das Wasser- und
Stromnetz sind nachvollziehbar und übersichtlich verlegt, Schrankräume innen
ordentlich mit Holz verkleidet, Winkellaminate haben so weit sichtbar ein gutes
Finish. Die laminierte Bodengruppe und
die allseits mit Topcoat versiegelten GFKFlächen sind sauber gefertigt.
Als Bodengruppe dient ein GFK-Rahmen, der verklebt und festlaminiert ist
und die Unterzüge der Wanten aufnimmt.
Der Rumpf selbst wird im Handauflegeverfahren als Sandwich gefertigt. Das
Deck entsteht im Infusionsverfahren als
Sandwich mit einem Schaumkern. Die
Methode steht für geringes Gewicht, saubere Oberflächen und eine gute Dämmung von Geräuschen und Kondenswasser. Deck und Rumpf sind wie heutzu-
tage üblich verklebt und verschraubt, die
Schotten anlaminiert.
Als Osmoseschutz werden in den äußeren Lagen NPG-Harze eingesetzt. Die
entsprechende Garantie beläuft sich immerhin auf fünf Jahre.
Wenig Kritik, gutes Ganzes
Insgesamt: Vernachlässigbar wenigen
Kritikpunkten stehen diverse und gewichtige positive Aspekte gegenüber. Die Dufour 455 Grand’Large ist, wie auch die übrigen Schiffe der neuen Reihe, ein durchweg gelungenes Produkt. Besonders die
Balance zwischen Platz und Performance
scheint gelungen, das Schiff ist ein Beispiel
dafür, wie gut heute moderne Fahrtenyachten sein können. Preis, Leistungen
und Detaillösungen überzeugen den
Kopf, Linien und Gestaltung das Herz.
Viel mehr kann ein Kunde eigentlich
nicht wollen.
Fridtjof Gunkel
@
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im Internet: www.yacht.de/test
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