22 _ DROGISTENSTERN 5/15 DROGISTENSTERN 5/15 _ 23 NEUE SERIE GANZ OHR! Wie wichtig das Gehör im Alltag ist, wird klar, wenn es nicht mehr richtig funktioniert. Das kann im Alter passieren, aber auch junge Menschen können Hörprobleme bekommen, etwa wegen eines Tinnitus oder eines Hörsturzes. In einer dreiteiligen Serie nimmt sich der Drogistenstern des Themas an. David Kohler «Knackeboul» erinnert sein Ohrgeräusch an Schafe, deren Glöckchen lautstark bimmeln. «Manchmal regt es mich richtig auf», sagt der Musiker. _ Drogistenstern Mai: Tinnitus _ Drogistenstern Juni: Hörprobleme im Alter _ Drogistenstern Juli/ August/September: Hörsturz «Blülülülülülü …!» In der Schweiz haben 15 Prozent der Menschen e inen Tinnitus. Das Pfeifen, K lingeln oder Rauschen in den Ohren ist unheilbar. Betroffene müssenlernen, damit zu leben. Rapper David Kohler alias Knackeboul hat genau das geschafft. räusch, das Kohler morgens hörte. «Einfach nervig», sagt der Zürcher. Heute hat er den Störenfried akzeptiert: «Es ist besser, man findet sich damit ab, als etwas bekämpfen zu wollen, dass sich nicht besiegen lässt.» Ohr abgeschnitten Bei manchen Menschen hört sich der Tinnitus wie kreischende Zugbremsen an. Oder wie Kreide, die auf der Wandtafel kratzt. Andere hören ein Pfeifen, Summen oder Klingeln. David Kohler erinnert sein Ohrgeräusch an Schafe, deren Glöckchen um den Hals lautstark bimmeln, wenn die Herde aufschreckt. Etwa so: «Blülülülülülü…», demonstriert der Beatboxer. Das Geräusch sei so laut wie sanfte Hintergrundmusik in einem Restaurant. Experten schätzen die Lautstärke eines Tinnitus zwischen 5 und 15 Dezibel. Das ist so laut, dass viele Betroffenen kaum schlafen können und ihre Nerven arg strapaziert werden (siehe Tipps auf Seite 25). Ein Satz, der in den Internetforen häufig fällt: «Ich halte das nicht mehr aus.» Der Maler Vincent van Gogh soll sich wegen seines Tinnitus sogar ein Ohr abgeschnitten haben. Zu solch drastischen Massnahmen würde Kohler aber nie greifen. «So sehr leide ich zum Glück nicht.» Als Kohlers Tinnitus zum ersten Mal auftaucht, steht seine Welt Kopf. Kurz vorher hat er noch einen Bericht über Tinnitus gelesen und gedacht: «Einfach schrecklich.» Und nur wenige Wochen später bemerkt er selber eigenartige Geräusche in seinem Kopf. «Am Anfang dachte ich, der Ton komme von einer Wasserleitung in der Wand», sagt Kohler. «Als ich aber eines Tages Kopfhörer anzog und das Geräusch noch lauter wurde, ahnte ich: Irgendetwas stimmt da nicht.» Er gerät in Panik und kontaktiert seinen Hausarzt. Die Diagnose: Tinnitus. «Ich war froh zu wissen, was ich habe, und dass der Arzt gleich sagte, dass man nichts dagegen unternehmen kann», sagt Kohler. Wenn Leidenschaft schadet Eine der Ursachen für Kohlers Tinnitus ist seine Leidenschaft, die Musik. Er liebt sie über alles – am liebsten laut. Seit über 25 Jahren musiziert er selber. Auf der Bühne ist der Rapper umgeben von Instrumenten und Musikboxen, die ihn zum Groo- Ton entsteht im Gehirn nen Zusammenhang zwischen Depressionen und Tinnitus gibt. Psychische Probleme und Tinnitus treten oft gepaart auf. Doch was war zuerst da? Wir wissen es noch nicht.» Worin sich Meyer dagegen sicher ist: «Nicht jeder Mensch, der einen Tinnitus hat, ist auch depressiv.» Sehr viele Menschen könnten gut mit dem Ton im Ohr leben. Deren Erfolgsrezept: «Sie fixieren sich nicht ängstlich auf das Geräusch. Personen, die sich auf den Ton konzentrieren, nehmen ihn lauter war, was das bereits vorhandene Angstgefühl noch verstärkt», so der Experte. Besonders ältere Menschen, die im Alltag weniger ausgelastet und nicht abgelenkt seien, könnten häufig schlechter mit einem Tinnitus umgehen. David Kohler ist überzeugt, dass sein psychischer Zustand für die Entstehung seines Tinnitus mitverantwortlich war. «Damals machte ich eine grosse Krise durch. Ich brach mein Psychologiestudium ab, und ein sehr guter Freund war gestorben.» Beim chronischen Tinnitus kommt es zu einer Fehlanpassung im Gehirn. Die geschädigten Nervenzellen in den Ohren übertragen keine Signale mehr ans Gehirn. Professor Meyer: «Sie sind sozusagen arbeitslos.» Das Gehirn, genau genommen eine zentrale Struktur, der Thalamus, versucht die Hörstörung auszugleichen, was die Aktivität in der Hörbahn verstärkt und in einem Dauerton endet. Betroffene nehmen das als Tinnitus wahr. Ein Teufelskreis Nicht nur Lärm kann einen Tinnitus verursachen, auch ein stressinduzierter Hörsturz oder eine Infektion. Häufig verstärken psychische Probleme, Stress und Ängste ein chronisches Ohrgeräusch. Meyer: «Man hat beobachtet, dass es ei- Sport hilft Kohler besonders Tinnitus ist unheilbar. Manchen Menschen helfen kognitive Verhaltenstherapien oder eine Tinnitus-Retraining- Therapie (TRT). Die verschiedenen Varianten stützen sich auf psychotherapeutische Ansätze, sodass die Betroffenen ihre Angst vor dem Geräusch verlieren. Bestenfalls lernen sie, es zu ignorieren. Laut Meyer haben oftmals Entspannungsübungen und autogenes Training einen positiven Einfluss auf das Gehirn. Kohler hilft vor allem Sport. Alle zwei Tage joggt er rund zehn Kilometer. «Das dimmt den Tinnitus ein bisschen.» Als Testperson nimmt er ausserdem einmal pro Woche an Professor Martin Meyers ▲ ▲ «Manchmal regt er mich richtig auf», sagt Rapper, Beatboxer und Moderator David Kohler, besser bekannt als Knackeboul. «Es ist, als würde andauernd eine Stimme im Kopf sagen: Hallo, ich bin auch noch da.» Nein, Kohler ist nicht verrückt. Er gehört zu den 15 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die einen Tinnitus haben. Betroffene hören ständig einen Ton oder ein Geräusch, das gar nicht vorhanden ist. Anfangs sei dieser lästige Ton im Ohr sein Feind gewesen, sagt der 32-Jährige. Sein Tinnitus fing vor acht Jahren an, ihn am Einschlafen zu hindern. Und er war auch das erste Ge- Die Diagnose ven bringen und die alle mindestens 100 Dezibel erzeugen. Sich davor zu schützen, sei unmöglich, sagt Kohler. Er trage bei seiner Arbeit zu selten einen Gehörschutz. Das hat Konsequenzen: Wiederholte Lärmtraumata schädigen die rund 20 000 feinen Härchen des Innenohrs. Die Haarzellen, die normalerweise bei Geräuschen fein schwingen, verbiegen sich oder brechen und sterben schlimmstenfalls ab. Professor Martin Meyer vom Psychologischen Institut der Universität Zürich: «Beim akuten Tinnitus, den fast jeder Mensch kennt, der schon mal an einem Konzert oder in einer Disco gewesen ist, erholen sich die Sinneszellen innerhalb weniger Stunden.» Bei zehn Prozent der Betroffenen ist der Schaden nach wiederholter Lärmexposition aber irreversibel. So wie bei Kohler. Seinen Ohren zuliebe einen anderen Beruf ausüben, das will er aber nicht. Dafür mag er die Musik zu sehr. «Ich bin wie jemand, der Lungenkrebs hat und noch raucht», sagt Knackeboul. Lautstärke und Schallpegel Die Lautstärke eines Geräusches wird in Dezibel (dB) gemessen. Jede Erhöhung um 10 dB empfinden unsere Ohren als doppelt so laut. Sturmgewehr160 Pistolenschuss150 Jet-Prüfstand140 Flugzeug120 Laute Disco/Konzert 110 Presslufthammer100 Verkehrslärm80 Lauter Fernseher 70 Gespräch60 Kühlschrank40 Flüstern30 Uhrticken20 Blätterrascheln10 Hörschwelle0 Quelle: «Gesundheit Sprechstunde» GANZ OHR! Studie teil. Der Experte und sein Team erstellen von Betroffenen individuelle Tinnitusprofile. Das schafft die Basis für sinnvolle Intervention. «Zuerst wollen wir verstehen können, weshalb ein Tinnitus für die einen die Hölle ist und für andere gut wegzustecken», sagt Meyer. Längerfristig planen die Forscher, neu- ropsychologische Therapien zu entwickeln. «Wir hoffen, dass wenn bestimmte Hirnregionen trainiert werden, der Tinnitus mit der Zeit ganz verschwindet oder zumindest kein Problem mehr ist.» Gelingt dies, würde das die Lebensqualität vieler Betroffener extrem verbessern. David Kohler: «Ich könnte endlich wieder besser einschlafen.» So hören Sie Musik, ohne Ihren Ohren zu schaden _ Grundsätzlich gilt: Je näher Ohr und Lärmquelle sind, desto lauter. Daher hält Professor Martin Meyer zum Beispiel So funktioniert das Ohr Die Ohrmuschel fängt den Schall auf und leitet Steigbügel ihn an den äusseren GeAmboss Ovales Fenster hörgang. Von dort gehen Hammer die Schallwellen zum Trommelfell. Die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel geben die SchwinCorti Organ gungen des Trommelfells Trommelfell Rundes an die Hörschnecke weiFenster ter. Diese sorgen dafür, Schallwellen Paukengang Vorhofgang dass sich die Flüssigkeit Schneckengang der Cochlea und ihre Schnecke Haarzellen in Bewegung versetzen. Das regt die Haarzellen an, elektrische Impulse auszulösen. Diese gelangen über den Hörnerv zum Gehirn. So schlafen Sie besser Kopfhörer, die im Ohr sitzen, für gefährlicher als solche, die aufliegen. Schliesslich befinden sie sich deutlich näher am empfindlichen Trommelfell. «Wer seine Ohren schonen möchte, benutzt am besten einen Schweizer MP3-Player oder ein Smartphone», rät Meyer. Sie werden kaum lauter als 85 Dezibel. Bei Abspielgeräten aus den USA ist dagegen oft erst bei 110 Dezibel Schluss. Ab wie viel Dezibel die Ohren grundsätzlich Schaden nehmen, kann Meyer nicht sagen: «Das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Wer wegen eines Geräusches in Panik gerät oder sich unwohl fühlt, empfindet es viel lauter, als es in Realität ist.» Die subjektive Wahrnehmung spielt bei Hörschäden eine grosse Rolle. Schon ein einziges negatives Ereignis kann einen Tinnitus verursachen. Wer in einer Disco oder an einem Konzert auf Nummer sicher gehen will, beugt mit Ohrenstöpseln einem Tinnitus vor. Tinnituspatienten müssen sich nicht von Geräuschen und Musik fernhalten. «Musikhören in normaler Lautstärke (50 dB) hat sogar positive Effekte, weil es den Tinnitus maskiert und er so in den Hintergrund rückt», sagt Meyer. Summen, pfeifen oder klingeln Ihnen nachts die Ohren? Und tagsüber sind Sie schlapp und unkonzentriert? Urs Hüttinger, Inhaber und Geschäftsführer der S widro Drogerie Hüttinger in Schwarzenburg (BE), hat gute Tipps parat, die bei Tinnitus helfen können. _ Spagyrik _ Ein spagyrischer Spray mit Johanniskraut (Hypericum), Zitronenmelisse (Melissa), Hopfen (Humulus), Alraune (Mandragora), Rauschpfeffer (Piper methysticum) harmonisiert und hilft bei Konzentrationsproblemen. Diese Mischung unterstützt vor allem die Nerven und die Psyche, ist stimmungsaufhellend und schmerzlindernd. Eine Mischung mit Ginkgo (Ginkgo biloba), Kleinem Immergrün (Vinca minor), Haselwurz (Asarum europaeum), Bärlapp (Lycopodium), Johanniskraut (Hypericum) und Kockelskörnern (Cocculus) kann Tinnitus lindern. Ein spagyrischer Spray mit Kaffeestrauch (Coffea), Hopfen (Humulus), Zitronenmelisse (Melissa), Johannis kraut (Hypericum), Damaszenerrose (Rosa damascena) wirkt beruhigend auf Körper und Geist, regeneriert die Nerven und hilft bei Einschlafschwierigkeiten und Schlafstörungen. _ _ _ Im Innenohr liegt auch das Gleichgewichtsorgan. Der Gleichgewichtsnerv, ein Teil des Hörnervs, leitet Signale aus diesem Organ zum Gehirn weiter. Dieses verarbeitet alle Informationen aus dem Ohr. Quelle: «Gesundheit Sprechstunde» _ Mehr Wissen: Alles, was Sie sich übers Hören hinter die Ohren schreiben sollten, finden Sie auf vitagate.ch. Teemischung _ Optimal bei Einschlaf- und Durchschlafproblemen sind Lavendel (Lavandula officinalis), Hopfen (Humulus), Zitronenmelisse (Melissa) und Baldrian (Valeriana officinalis). Sie wirken alle beruhigend, ausgleichend und harmonisierend. Scannen Sie den Code mit einem QR-Reader. AKKU LEER? Phytopharmaka Einschlaftipps der Schweizerischen Tinnitus-Liga: WENN DICH DER MAGEN IN DIE KNIE ZWINGT _ Treiben Sie regelmässig Sport. Aktive Menschen schlafen generell besser. _ Gehen Sie ins Bett, sobald Sie müde sind, egal ob es früh oder spät ist. _ Können Sie nach 30 Minuten nicht einschlafen, sollten Sie etwas Entspannendes tun. Probieren Sie es danach noch einmal. Koffein und Nikotin wirken stimulierend. Also Hände weg! Viel Fernsehen und Computer machen unruhig. Vor dem Schlafengehen sollten Sie besser relaxen. Schlafen Sie mit aufgerichtetem Kopf ein. Diese Haltung gelingt, indem Sie mehrere Kissen übereinanderstapeln. Das verhindert, dass sich das Blut im Gehirn anstaut. So ist der Tinnitus weniger zu «hören». Manchen Menschen hilft ein Hörgerät, weil es die Geräusche in der Umgebung verstärkt und damit der Tinnitus in den Hintergrund rückt. Alternative Therapiemethoden haben sich bei einigen Tinnitus-Geplagten bewährt. Zum Beispiel Akupunktur, Chiropraktik oder Hypnose. Tatsächliche Erfolge sind wissenschaftlich aber nicht dokumentiert. _ _ _ _ 180315/sto.ch NEUE SERIE DROGISTENSTERN 5/15 _ 25 PADM A AG, w w w.padma.ch 24 _ DROGISTENSTERN 5/15 PADMA DIGESTIN® hilft bei Verdauungsstörungen mit Druck- oder Völlegefühl in der Magengegend _ Text: Vanessa Naef / Fotos: fotolia.com, panthermedia.net, knackeboul.com/Lukas Mäder _ Präparate mit Ginseng (Panax gin- GLYCORAMIN Bei Ermüdungserscheinungen durch körperliche Anstrengungen sowie Beschwerden in der Höhe. Erhältlich in Apotheken und Drogerien. www.haenseler.ch/glycoramin Lesen Sie die Packungsbeilage. Hänseler Ag, CH-9100 Herisau EnErgiESPEnDEnD, AtEm- unD krEiSLAufAnrEgEnD seng) und Ginkgo (Ginkgo biloba) unterstützen die Konzentration und können Ohrgeräusche abschwächen. Sie helfen gegen Müdigkeit, Stress und verbessern die Durchblutung im Innenohr. Denn eine Ursache von Tinnitus kann eine schlechte Innenohrdurchblutung sein. Am besten lassen Sie sich in Ihrer Drogerie professionell beraten. Drogistinnen und Drogisten helfen Ihnen gerne bei der Suche nach dem individuell passenden Medikament. Geräusche gegen Tinnitus Vielen Betroffenen helfen andere Geräusche, ihren Tinnitus zu «vergessen». Zum Beispiel das Plätschern eines Zimmerspringbrunnens. Hilfreich können auch CDs mit beruhigenden Klängen wie Wellenrauschen oder Vogelgezwitscher sein. Auf dem Markt gibt es zudem Kissen mit Lautsprechern, die auch den Nacken entlasten sollen. Pflanzliches Arzneimittel. Aus der tibetischen Medizin. Hergestellt in der Schweiz. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage.
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