Rundschau 5 - Benigna Mallebrein

Rundschau
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8-9/2015
DIE FACHZEITSCHRIFT
FÜR INTERNATIONALE
HERRENMODE UND
SCHNITT-TECHNIK
AUSSTELLUNG
Expo Milano
SCHNITT-TECHNIK
Slimline-Anzug
IM BLICKPUNKT
Philosophie
der Patriarchen
PITTI IMMAGINE UOMO
FLORENZ
FRÜHJAHR/SOMMER 2016
FARBENFROHE
LEICHTIGKEIT
PITTI UOMO
THAT’S PITTI COLOR!
Aussteller
zeigen farbenfrohe
Leichtigkeit
D
CIRCLE OF GENTLEMEN
as Motto der Präsentation für
die Frühjahr/Sommerkollektionen 2016 in der Fortezza da
Basso heißt „That’s Pitti color“.
Hier geht es um sehen und gesehen
werden: stolz wie Pfauen warten die
Pitti-People vor dem Messeeingang darauf fotografiert zu werden. Sie stellen
sich in Pose, lächeln ins Objektiv, auf
die Veröffentlichung in einem angesagten Blog hoffend. Ihr Look gleicht schon
fast einer Uniform: eine sartoriale
Jacke, ein farbiges Hemd mit extravaganter Krawatte oder Papillon und eine
hochgekrempelte Hose. Auf keinen Fall
fehlen dürfen der Florentiner Hut, eine
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coole Tasche und die ultimative Sonnenbrille.
Der Hauptaustragungsort der Florentiner Messe für zeitgenössischen Lifestyle ist die Fortezza da Basso, die sich
als experimentierfreudiges Kaleidoskop
mit diversen Installationen und Lichtspielen präsentiert. Ein Fest der Farben
ist die Installation „Livingcolor“ am Eingang zum Obergeschoss des Hauptpavillons. Es geht um das perfekte Zusammenspiel von Dekor, Design und Mode,
sie gehen immer wieder ein Bündnis
ein, das für Spannung sorgt. So wurde
Carlo Brandelli, experimentierfreudiger Chefdesigner des traditionellen
Herren-Rundschau 8-9/2015
Korrespondentin
Dr. Benigna Mallebrein
MESSEBESUCHER
CIRCLE OF GENTLEMEN
Begleitet von Fanfarenklängen und
Trommelschlägen marschierte ein
Zug aus elegant gekleideten Fahnenträgern und Gefolgsleuten auf
dem Campo vor der Kirche Santa
Croce in Florenz ein. Ihre edlen
Gewänder aus Samt, Brokat und
Seide glänzten in der Abendsonne.
Es geht dabei um ein traditionelles
Fußballspiel, den ‘Calcio Storico
Fiorentino’, einem Handballspiel
ähnlich. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Mannschaft der
Ghibellinen, die gegen die der Guelfen antritt. Die Wurzeln dieses rauen
Spiels liegen in der Renaissance,
eine Wiederbelebung dieser historischen Sportart bildete den Auftakt der 88° Pitti-Modemesse, die
dem spannenden Sportevent in
ihrer Farbenfreude in nichts nachsteht.
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PITTI UOMO
Londoner Herrenmaßschneiders Kilgour
in der Savile Row, von den Messe-Organisatoren gebeten, in diesem Jahr das
Projekt Pitti Uomo 88° zu präsentieren.
Der englisch-italienische Designer, er
stammt aus einer Künstlerfamilie, zeigt
seine Stilvisionen von heute im historischen Innenhof des Palazzo Medici-Riccardi. Ästhetik ist für ihn gleichbedeutend mit Kultur. Künstler wie Gerhard
Richter, Carlos Scarpa, Mies van der
Rohe und Pistoletto haben ihn zur transparenten Glas-Installation in Frühjahrspastelltönen inspiriert. Die Transparenz
ist wichtig für ihn. So arbeitet er mit der
Methode des „fusing“, d.h. anstelle der
Taschen klebt er einen dünnen Streifen
Stoff auf die linke Seite des Jacketts, so
dass man meint, es sei ein Tascheneingriff. Ähnlich verfährt er mit weiteren
Details. Bei diesem vom Purismus geprägten Stil setzt er auf klare, skulpturenhafte, ätherische Kreationen, die
man, leicht wie sie sind, am besten direkt auf der Haut trägt. Auch das in das
Sakko eingefügte Gilet ist nur eine Andeutung und nicht ausgearbeitet.
Design und Mode heißt es auch bei Pitti
Italics, dem Programm, mit dem Pitti
Discovery die neuen Generationen der
Modedesigner unterstützt. Der junge
Wiener Arthur Arbesser (Studium an
der Central Saint Martins in London)
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Glas-Installation im
Palazzo MediciRiccardi.
KILGOUR-Chefdesigner Carlo Brandelli (r.)
arbeitet mit der Methode des „fusing“ und
fixiert dünne Streifen Stoff, um einen
Tascheneingriff zu suggerieren.
darf seine Schau in der Stazione Leopolda zwischen postmodernen Möbelstücken der 80er Jahre vom Studio Ettore Sottsass zeigen. Seine Kollektion
nimmt die geometrischen Formen und
Muster in knalligen Tönen wieder auf.
In formloser Silhouette hasten hagere
Models und Dressmen mit Bubikopf in
langen weiten unisex Hosen, kurzen
Hosenröcken, Mänteln und Kleidern
über den Laufsteg. Arthur Arbesser, der
Gewinner des Wettbewerbs „Who’s on
next?“ im Jahr 2013 lebt und arbeitet in
Mailand.
Für den Erfolg der Messe sprechen
die Daten: 1.578 Firmen davon 498
aus 100 verschiedenen Ländern
nahmen an der Herrenmesse teil.
Der Umsatz hat sich im Vergleich
zum letzten Jahr um 3,8 % gesteigert. Auch der Export ist um 6,5 %
gestiegen mit 8,7 Milliarden bei der
Herrenmode (DOB 12,2 Milliarden).
Von 30 000 Besuchern sind 20 000
Einkäufer, darunter Vertreter der
größten Kaufhäuser weltweit.
Herren-Rundschau 8-9/2015
PITTI UOMO
CERRUTI-AUSSTELLUNG
IM MUSEUM
MARINO MARINI
Elegant Code
Pure Eleganz prägt die Ausstellung
„Signor Nino“ im Museum Marino Marini. Es ist die erste Schau, die den
Ideen und dem Stil von Nino Cerruti
gewidmet ist, einem der wichtigsten
Namen in der italienischen Modewelt
seit fast fünfzig Jahren. Neben den eleganten Bronzeskulpturen des toskanischen Bildhauers Marino Marini (19011980) hängen die skulpturenhaften
Unikate des „Herrn Nino“, Präsident
der Stoffmanufaktur Lanifici F.lli Cerruti in Biella.
Er sammelte über 500 Teile all die Jahre
hinweg für sein Archiv, das er nun für
die Florentiner Modemesse geöffnet
hat, 65 Jahre Stoff- und Stilgeschichte
zeigen 60 Modelle vor allem aus Merinowolle. Dieses Material wurde schon
immer bei Cerruti auf die edelste Art,
wie eine zweite Haut für den täglichen
Anzug als auch für besondere Gelegenheiten verarbeitet. Seit dem Jahr 2000
stellt die Stofffirma, die zwischenzeitlich auch Konfektionsmode produzierte,
nur noch feinstes Tuch her.
Der schlanke, große ältere Herr Nino erinnert an eine Skulptur von Giacometti:
„Ich kleide mich nur mit Anzügen, die
mir gefallen, ob sie modisch sind oder
nicht. Im Archiv hängen auch Anzüge,
die ich heute noch, wenn ich Lust und
Laune habe, trage, denn in den letzten
Jahren habe ich nur selten weitere Anzüge erworben.“ Eigen ist allen Exponaten eine Nonchalance, zeitlose Eleganz
und höchster ästhetischer Genuss, der
sich zwischen Tradition und Innovation
bewegt, an der Kreuzung zwischen dem
Respekt vor hohen Regeln der Schneiderkunst, aber auch einem eigenwilligen Bruch von Konventionen, stets gepaart mit Selbstironie.
Nino Cerruti, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der italienischen Modewelt, im Interview
mit den Rundschau-Autorinnen Susanne Schaller
und Dr. Benigna Mallebrein.
Herren-Rundschau 8-9/2015
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STEFANO RICCI
PITTI UOMO
florentinische
Modehaus
Stefano Ricci wählte als Inspira-
tion für die Sommerkollektion 2016
die Farbenlehre von Johann Wolfgang von Goethe. „Sicherlich hat das
einzigartige Spektrum unserer Landschaft den Dichter zu diesem Studium inspiriert“, so Stefano Ricci,
der seinerseits die Lehre Goethes als
Quelle für seine ganz persönliche
Farbempfindung sieht und auf seine
textile Produktpalette überträgt. Die
Intensität von Gold, die Zartheit von
Pfirsich, der Reflex der Malve, das
ikonenhafte Ricci-Blau, Türkis und
Aquamarin erinnern an die Colorierung der Renaissancemaler und heben die dreidimensional gearbeitete
Struktur der Stoffe, der Strickware
und des Leders hervor. Für den Businessman wählt Ricci dreiteilige Anzüge mit sartorialem Schnitt aus der
exklusiven Super 180’ Wolle, aber
auch 2-Knopf-Sakkos in exklusivem
Tartanmuster zu Baumwollhosen.
Doppelreiher in Tönen, die von der
Farbpalette des Tiepolo stammen
könnten, zeigen sich mit abgestimmten Mokassins aus Krokodilleder,
gerne mit handbedruckter Seidenkrawatte.
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Stefano Ricci ließ sich durch die
Farbenlehre von Johann Wolfgang
von Goethe inspirieren.
Ebenso wählte das Modehaus
Töne, die der Colorierung des
Renaissance Malers Tiepolo
entstammen könnten.
STEFANO RICCI
Das
ISAIA
„Sartorial Neapolitan Power“ heißt die
Sommer-Kollektion des traditionsreichen Modehauses Isaia, beispielgebend für die luxuriöse Herrenmode aus
Neapel. Das Haus setzt auf sein Markenzeichen, die Koralle und auf Leinengewebe. Mit großer Erfahrung werden
Kaschmir, Wolle, Seide, Baumwolle
oder sogar Lycra gemischt. Was Farben
und Stil betrifft, so ist die Kollektion
vom amerikanischen Popkünstler Andy
Warhol inspiriert, der Ende der siebziger Jahre zusammen mit Carlos Santana
und Bob Dylan die Strömung „Neapolitan Power“ bildete.
Herren-Rundschau 8-9/2015
BRUNELLO CUCINELLI
Die „Leichtigkeit der Freiheit“ ist das
Motto für Brunello Cucinelli. Ein
großes Segelboot dekoriert den Messestand des erfolgreichen Unternehmers
aus Solomeo. Die Trennung von Casualund Formalwear ist untergegangen,
der Kurs richtet sich auf einen bequemen sommerlichen Lagenlook – ein
Dialog von sartorialen und sportlichen
Elementen. Anzüge (Ein- und Eineinhalbreiher), Jacken und Hemden in
klassischer Form und Musterung
werden durch legere Teile wie bedruckte Sweaters, Streifenpullis oder
ausgewaschene
Polo-Shirts
aufgelockert. Auch Denimstoffe und sogar
Jeanshosen mit – wohlgemerkt unterfütterten – Löchern hat sich Brunello Cucinelli an Bord geholt. Der freigeistige
Globetrotter und Businessman trägt unter seinem hochwertigen NadelstreifenAnzug ein Sweatshirt mit sportivem
Aufdruck. Zu seinen Basics gehören
Jacken und Westen aus feinstem Wildund Nappaleder, zum Teil mit eleganten
Perforationen, Blazer aus Seide/WolleGemisch, lässige Chinos aus Baumwolle
oder Sommercord, Hosen mit Tunnelzug oder aufgesetzten Cargotaschen.
Die Form folgt dem modernen Trend:
die schmal geschnittenen Jacken unterstreichen den männlichen Oberkörper,
das Profil der Hosen wird weicher. Harmonisch abgestimmte Farben – inspiriert an den Graustufen der Mineralien,
sowie kühle Beigetöne und eine breite
Blau-Palette, mit Akzenten in Mango,
Mint und Blueberry – ermöglichen dem
Kunden unkompliziertes Crossover.
Falls eine steife Brise weht, stehen kürzere frühlingshafte Cabanjacken, mit-
ISAIA
Zeitgenössische Klassik
tellange Parkas oder lange Regenmäntel zur Auswahl. Viel Wind in den Segeln hat das umbrische Unternehmen
aus Deutschland bekommen. Der
Grund: „Der deutsche Mann will Qualität und da Brunello Cucinelli stets
daran arbeitet, diese 100% zu erfüllen,
konnte die Firma Zuwachs verzeichnen“, so das Statement. „Früher kam
der Mann zweimal im Jahr ins Geschäft,
jetzt schaut er auch oft zwischendurch
mal rein und sucht nach Neuem. Seiner
Marke bleibt er dabei aber generell
treu.“ Modisch schauen die neuen
Männer also gerne mal über den Tellerrand.
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PITTI UOMO
BRUNELLO CUCINELLI
Den Messestand von Brunello Cucinelli dekorierte ein großes Segelboot, an Bord die kompetente Mitarbeiter-Crew.
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Herren-Rundschau 8-9/2015
LUBIAM
Der Businessoder Tagesanzug
erhält bei LUBIAM
durch Mikrodessins und
größere Revers
mehr Präsenz.
Herren-Rundschau 8-9/2015
LUBIAM-Kunden bevorzugen Modelle mit mehr
Ausstattung und spielen
mit Details. Dabei geht
es neben dem perfekten
Maß um stilprägende
Elemente.
„Japan ist für uns eine unerschöpfliche
Inspirationsquelle“, so Giovanni Bianchi, Geschäftsführer von Lubiam und
Style Director des Familienunternehmens aus Mantua. „Die Dessins der
neuen Sommersakkos von LBM1911
sind dem Shibori entlehnt, einer antiken und traditionellen Technik der
Stoffmalerei“. Gut erkennt man den sogenannten Shibori-Stil in dem blauweißen Webblazer aus Baumwolle und
Leinen. Ein Eyecatcher der Kollektion
ist auch das am Stück gewaschene dunkelrote Jackett aus doppelt gedrehter
Baumwoll/Leinenfaser mit hellen Regimental-Streifen.
Mit hochwertigen Leichtgewichten aus
Wolle, Seide und Leinen kommt man
auch bei Luigi Bianchi Mantova Sartoria
dem reisenden Geschäftsmann entgegen. Der Business- oder Tagesanzug erhält durch Mikrodessins und größere
Revers mehr Charakter. Mit dem Angebot Su misura, der Maßkonfektion aus
eigenem Haus, hat Lubiam ins
Schwarze getroffen: Zwischen Januar
und April stieg der Umsatz des Produktzweigs um 70 % und aufgrund der
riesigen Nachfrage schickt die Firma
ihre Schneider rund um den Globus, um
sogenannte Trunk Shows zu organisieren. „Der Kunde will immer mehr mit
Ausstattung und Details spielen, es
geht ihm neben dem perfekten Maß um
stilprägende Möglichkeiten der Personalisierung. Er betrachtet den Anzug
als eine Art Erzählung über sich und
den eigenen Geschmack“.
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PITTI UOMO
Diskreter Charme: PAOLINIJackett mit abstrakt-floralem
Jacquardmuster, paspelierten
Tascheneingriffen, schmalem
Spitzrevers in Seidensatin,
veredelt durch eine Rose
aus gepunktetem Stoff.
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MANUEL RITZ
Farbe, Fantasie und Leichtigkeit – die
Kollektion von Paoloni soll eine
Hymne an positive Frische sein. Die
Firma aus der Region Marken ist seit
30 Jahren bekannt für Damen- und Herrenmode mit italienischem Fit und Styling in sartorialer Qualität. Jacken mit
Texturen und Dessins, die an die 70er
Jahre erinnern, deklinieren Blau-,
Beige- und Brauntöne mit Farbblitzen
in Orange, Gelb und Rubinrot. Neben
Checks und Streifen setzt auch Paoloni
auf den Denim-Effekt, sei es bei Jacken
tinto in capo/stückgefärbt, in Wendeversion oder mit kontrastierenden
weißen AMF-Nähten. Für besondere Anlässe bietet das "Paoloni Black Label"
hochwertige Anzüge in Wolle/Seide-Mischung.
Zur Gruppe Paoloni gehört auch die
Marke Manuel Ritz, die auf der Pitti
Uomo einen lässigen Total Look mit
Finessen vorstellt. Ins Auge fällt der ungefütterte Blazer aus gewaschener
Baumwolle/Leinen in Denim-Optik mit
gestreiftem Innenleben und Ärmelpatches. Die Farbbotschaft für den nächsten Sommer lautet Blau in allen Tönen:
uni oder gestreift, mit Mini- oder Karomuster und kernigen Texturen, modisch geprägt durch den Einsatz von Fil
PAOLINI
coupé. Dieses Gewebe ist auch unter
dem Namen Lancé Decoupé oder
Scherli bekannt: die eingewebten Fäden
werden partiell abgeschnitten und lassen auf diese Weise Effekte und Musterungen zurück. Hosen, Barracuda-Blousons und Anzüge komplett aus Jersey
führen Eleganz und Bewegungsfreiheit
zusammen. Dehnbare Stoffe mit kuscheligen und dennoch kühlen Texturen sorgen im wahrsten Sinn des Wortes zu soften Übergängen zwischen
Classic und Casual.
Die Kollektion von MANUEL RITZ stellt
einen lässigen Total Look mit Finessen
vor. Eine Farbbotschaft ist das gestreifte Innenleben.
Herren-Rundschau 8-9/2015
Mit einer Weinverkostung lockte die
Firma CANTARELLI in ihre Cantina.
Die Fachbesucher goutierten nicht nur
Farbe und Struktur der ungefütterten
Jacken aus Leinen, Wolle und Seide,
sondern auch einen vollmundigen
Rotwein aus der Toscana.
Herren-Rundschau 8-9/2015
BUGATTI
Im historischen Ambiente des Pavillons
Polveria zeigt uns Sales Manager Oliver
Schäfer die Sommerkollektion von
Windsor. Baumwollblazer mit dezenten Waschungen, Leinenstrick in der
Form eines knopflosen Sakkos, DenimOptiken, strukturierte Five-Pocket-Hosen, fließend sind die Übergänge zwischen Sportswear und Tailoring. Jersey
und Sweat-Qualitäten spielen eine zentrale Rolle neben satinierter Baumwolle
und Mischungen aus Leinen/Seide/
Wolle. Dominant sind gedeckte Grün-,
Blau- und Grautöne. Die Silhouette?
„Zweiknopf-Sakkos werden ein bisschen kürzer, mit einer durchschnittlichen Rückenlänge von 73 cm bei Größe
50. Die jungen Einreiher bekommen
durch das steigende Revers einen
knackigen, rassigen Schnitt“, so Oliver
Schäfer. Die Fußweite ist eher schmal
mit 36 cm, auch mit dezentem Aufschlag von etwa 2,5 cm.
Zielgruppe der Windsor-Kollektion ist
die New Generation, die vernetzt, mobil
und flexibel ist. Ein Mann, der aber
nicht unbedingt online shoppt, sondern
Beratung und Kundenbetreuung schätzt.
WINDSOR
Sportlich und smart
Auf der Pitti Uomo stellte Windsor auch
erstmals die Sartorial Casual Collection
– im Zeichen luxuriöser Entspanntheit
vor: das Jackett aus gewaschener Wolle,
unstrukturiert und ohne Schultereinlage, aus einem Tuch von Loro Piana
knittert nicht und springt sofort in die
Ausgangsbasis zurück.
„Seabreeze, Blue Mood, Sunbleached
und Essential“ – diese Suggestionen
prägen die vier Kapsel-Kollektionen des
nächsten Bugatti-Sommers. Die Looks
setzen auf zwei Sakko-Modelle: das
leichte, softe und teilgefütterte KomfortSakko im Modern Fit, in unterschiedlichen Blau- und Naturtönen, uni und gemustert, überwiegend aus Jersey (Mesh,
Piqué und Wirkware). Dabei bleibt die
Dehnbarkeit des Oberstoffes durch
Stretcheinsätze im Rückenfutter voll
funktionsfähig. Daneben gibt es garment washed Sakkos aus strukturiertem Cotton-Stretch mit sportiven Taschenformen, soft verarbeitet, teilweise
ohne Schulterpolster. Unerlässlich ist
die Single-Weste, in Kombination mit
dem Sakko farblich eine Nuance heller
oder dunkler.
Die Koordinaten der Anzug-Kollektion
von Bugatti: Passform Modern-Fit mit
74er Rückenlänge, die Hose hat eine
Fußweite von 40 cm.
Der Fashion-Anzug kommt noch schlanker und kürzer daher, er hat weiche,
natürliche Schultern, drei aufgesetzte
Taschen und ist halb gefüttert. Die
Stoffe sind überwiegend aus 100 %
Wolle, ca. 200 g leicht.
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HARDY AMIES
PITTI UOMO
HARDY AMIES
Starke Konzepte
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Den Weltraum erobern, Grenzen überschreiten und erforschen, was es jenseits menschlicher Existenz gibt, aus
diesem unvergänglichen Menschheitstraum schöpfte Mehmet Ali, Kreativdirektor bei Hardy Amies die Ideen für
seine konzeptstarke Kollektion. Er trat
dabei in die Fußstapfen des Marken-Vaters. Sir Hardy Amies hatte bereits im
Jahr 1968 die Kostüme für Stanley Kubrick’s Film „2001: Odyssee im Weltraum“ realisiert. In seinen kreativen
Science Fiction-Interpretationen vereint
Mehmet Ali (wie damals auch Hardy
Amies) die Savile Row-Verarbeitung mit
dem typisch funktionsorientierten, futuristischen Stil der „Zeitlosigkeit“ des
Universums. Die geschäftigen Männer
auf der Erde werden im nächsten Sommer den cleanen Appeal zu schätzen
wissen: mehrlagige Outfits, die an
G suits mit Leuchtstreifen der ersten
Luftfahrt-Tests erinnern, favorisieren
Thermo-Regulierung. Ein spezieller
‘Filtration rib’-Stoff sorgt mit Seersucker-Modellen für Frischegefühl bei
heißen Temperaturen. Ein Beispiel ist
die weiße Nylon-Trainingsjacke mit Kapuze und Neonstreifen am Reißverschluss über langer Jacke mit grafischem Raster-Muster zu einem Prince
of Wales-Anzug, dazu kräftig besohlte,
dunkelgrüne Wildleder-Slipper. Ein
weiteres Inspirationsfeld sind außerirdische Landschaften: während sie Kubrick mit nachkolorierten Bildern der
Erde simulierte, verarbeitet Mehmet Ali
GPS-Bilder, die er in Webstoffe umsetzt,
zu zeitgenössischer Formalwear, wie
dem dunkel gemusterten Einreiher, zu
dem ein schwarzes T-Shirt getragen
wird.
Herren-Rundschau 8-9/2015
die perfekt dem Retro-Trend entsprachen. Zusammen mit dem Designer
Nick Ashley, dem Sohn der berühmten
Laura Ashley, wurden diese Modelle gekonnt aktualisiert. Die Stoffe kommen –
mit Ausnahme von Loro Piana – traditionell aus Großbritannien. Heute betreibt Private White V.C. drei eigene Geschäfte in London und ist weltweit vertreten, Manufaktum ist ein deutscher
Partner. Der Mood für den nächsten
Sommer? „Light, airy and very british!“
Aber was ist denn so britisch? James
Eden bringt es auf den Punkt: „Stil bedeutet Understatement. Wenn ein
Mann den Raum betritt, sollte man ihn
und nicht sein Outfit beachten. Die Kleider sollten nicht den Mann, sondern
der Mann sollte die Kleider machen“.
PRIVATE WHITE V.C.
Nostalgischer Esprit
Viele englische Labels haben die Florentiner Messe inzwischen für sich entdeckt. In der Pitti-Sektion „Futuro Maschile“, dem Concept Labor des neuen
Formellen, treffen wir auf Private
White V.C. aus Manchester, einer Traditionsfirma mit hundertjähriger Geschichte, wie wir von CEO James Eden
erfahren, 1917 wurde sie von seinem
Urgroßvater als klassische Manufaktur für Woll- und Schlechtwetterbekleidung errichtet. Dank der guten
Produktionsqualität arbeitete die Fabrik häufig auch für andere Hersteller wie Burberry und Paul Smith.
Später wuchs die preisgünstige Konkurrenz aus Übersee und so stand die
Manufaktur 2009 vor dem Aus. James
Eden stieg ein, um sein eigenes Label
zu lancieren. Er griff auf die raffinierten
Schnittmuster aus dem Archiv zurück,
Herren-Rundschau 8-9/2015
Den weltreisenden Gentleman der 50er
Jahre in Anzug und Krawatte, der sich
in breiten Flugzeugsitzen zurücklehnt –
sein Outfit und die entsprechende Stimmung möchte das niederländische Label Circle of Gentlemen wieder aufleben lassen. Der Herr trägt im nächsten Sommer z. B. einen schlanken
blauen Nadelstreifen-Anzug, darunter
ein Pepita-Hemd mit rundem Kragen
und breiter sonnengelber Krawatte.
Seine Destination: Portofino, Havana,
Miami, London.
Bequem zurückgelehnt haben sich Janjaap van Gent und Michel van Kommer
sicherlich nicht, denn ihr 2006 initiiertes T-Shirt Label in Amsterdam hat sich
nach acht Jahren zu einer PremiumMenswear-Marke gemausert. „Gut laufen wir in Schweden, Dänemark, Kanada, USA und auch in Deutschland,
u.a. bei Breuninger, Peek&Cloppenburg
oder Garderobe Berlin“, erklärt uns
Michael Redda, Sales Manager, der das
gut geschulte und freundliche Personal
in den deutschen Departmentstores
lobt. Die Preise? 145 Euro für ein
Hemd und 399 bis 499 Euro für ein
Sakko. Ein bisschen Business, ein
bisschen Crazyness und vor allem ein
Auge für Detail und Individualität
zeichnet die Niederländer aus, die
ihren „Circle of Gentlemen“ auch in
Florenz mit einem ansprechenden
Messeauftritt inszenierten, präparierte
Totenkopfkäfer und Schmetterlinge in
den Schaukästen haben sie auf extravaganten Drucken zum Leben erweckt.
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Ein bisschen Crazyness
und vor allem ein Auge für
Details und Individualität
kennzeichnet die niederländische Kollektion von
CIRCLE OF GENTLEMEN.
Leisure Time
Ein kleiner Pavillon mit bunten Farbkleksen, Outfits in Eisfarben, dazu
flotte Musik und eine Prosecco Bar Privée mit der Degustation eines Prosecco
Superiore DOCG’, versetzen Pitti-Besucher sofort in gute Laune. Eine lebhafte
ältere Dame empfängt uns, Olga Quinz,
die stolze Mamma – österreichischen
Ursprungs - von Paolo und Francesco
Perenzin, den Inhabern der Marke DiMattia. Gleich zur Stelle auch der
Papa, wie sich herausstellt ein „alter
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CIRCLE OF GENTLEMEN
PITTI UOMO
Hase“ im Business: „Boss, Gerry Weber,
Frapp, große deutsche Firmen und viele
mehr belieferte meine Knitwear-Firma
Peterson bei Treviso seit 1973 mit Maschenware. Jedes Jahr produzierten wir
1,5 Millionen Teile“, erzählt Giorgio Perenzin. „Meine Söhne wollten sich aber
nicht mit Produktionsproblemen auseinandersetzen, sondern interessierten
sich mehr für den Verkauf und das Design. Und so gründeten sie im Jahr
2000 ihre Marke DiMattia“. Bei 30 Mitarbeitern werden 40% Prozent der Ma-
schenware ins Ausland verkauft. Die
junge qualitätsorientierte Kollektion
punktet mit smarten Details und mediterranem Esprit. Zu haben ist sie bereits im eigenen Showroom in der Via
Montenapoleone in Mailand aber auch
in Shops in Cannes und Dubai. Was DiMattia so besonders macht? Vater Perenzin überlegt keine Sekunde: „Es ist
die Liebe und Leidenschaft. Ich glaube,
man muss sich im Leben seiner selbst
bewusst werden, um zu tun, was gefällt
und erfüllt“.
Herren-Rundschau 8-9/2015
DIMATTIA
Links: Giorgio Perenzin, Olga Quinz mit den Söhnen Paolo und Francesco.
Oben: Die Mitarbeiterinnen der Rundschau Dr. Benigna Mallebrein und Susanne
Schaller im Gespräch mit Seniorchefin der Firma DIAMATTIA.
ARMATA DI MARE
CAPRI
Herren-Rundschau 8-9/2015
Meeresluft & Co atmet man am StandStrand von Armata di Mare. Die maritime Atmosphäre sorgt für ein bisschen Erfrischung während der heißen
Messetage. Diese erfolgreiche italienische Marke für Sportswear konzentriert
sich im kommenden Sommer auf zwei
Schwerpunkte. Erstens keine Verwendung von tierischen Produkten: das Innere der Multitasking-Funktionsjacken
und Blousons ist aus einer kompakten
Synthetikeinlage, der Oberstoff aus Nylonstretch ist wasserabstoßend. Zweitens der Einsatz einer speziellen Duftnote, die in Zusammenarbeit mit der
traditionellen Parfümerie Dr. Vranjes in
Florenz entwickelt wurde, die bei den
Jacken der Capsule Collection “Onda”
(Welle) dem Futter entströmt und für
frischen Duft sorgt. Auch die Farben
machen Ferienlaune: Sand, Ecrù, Hellund Dunkelblau. Fantasiereiche bunte
Stoffe und Muster bei den Hemden und
T-Shirts, superleichte Verarbeitung bei
den Jacken und Hosen sorgen für besten Tragekomfort, nicht nur beim aufregenden Inselabenteuer oder beim Segeln im Mittelmeer. Die Schwesterfirma
Invicta trumpft auf mit glänzenden
Blousons, Steppjacken und Bootsjacken
auch in modischem Viola.
Farbenfroh präsentiert sich auch die
Marke Capri. Aber außer dem Namen
hat die Marke mit Capri nichts gemeinsam. Seit zwei Jahren produziert die
Firma „Improti“ im grünen Umbrien in
San Sepolcro, dem Heimatort des Renaissancekünstlers Piero della Francesca, ausgefallene Herrenmode. „Wir
möchten den Lifestyle von Capri wider-
spiegeln“, so Herr Guglielmo La Tana,
Brandmanager und Stilist für Herrenmode. „Bei Capri denkt man doch gleich
an Zitronen, Blüten, Margeriten, und
immer wieder leuchtende Farben.“ So
finden wir neben farbenfrohen Hemden
auch weiße Hemden mit Ton-in-Ton
Stickereien oder bunten Laser-Applikationen wie Froschmuster, Papageien,
Eistüten etc. „Unsere Mode konzentriert sich auf das Wesentliche“, meint
Herr Guglielmo. Drei Jackenmodelle
und Hemden in 23 Farben. Vom Schnitt
her sind die Baumwolljacken mit Blumendruck kurz und weich. Mit militärischen Anklängen zeigt sich die SaharaJacke aus Leinen und Seide, gefärbter
Wolle und Polyester in Denimversion.
Das Geschäft der Firma läuft gut, die
Kunden leben vor allem in den USA,
Asien und Italien.
Ein neues Stand-Design mit Naturholz
in skandinavischer Anmutung ist die
Kulisse für die qualitätsvollen Sommerkreationen von Altea: Jacken, Pullis,
Hemden und Hosen in Indigo-und Sorbetfarben sowie optisch effektvolle Patterns und 3D-Texturen stehen im Zeichen eines stimmigen „easy to wear“.
La giacca maglia, ein „Pullover-Jackett“
aus Jersey, Wirkware oder Bouclé ist
modischer Protagonist: mit hochgestelltem Revers, getragen über T-Shirt oder
Pulli, zu festen weißen Baumwollchinos
mit Bügelfalte. Für den besonderen
Touch hat der Individualist die Qual
der Wahl unter den reich sortierten
Altea-Accessoires mit einer Vielzahl
von Pochettes, Krawatten, Bandanas
und Tüchern.
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PITTI UOMO
Sportswear versus
Smart Casual
NAEEM ANTONY
ALTEA:
Neu PulloverJacketts aus
Jersey, Wirkware
oder Bouclé.
„Wir müssen unseren Kunden immer
wieder sagen, dass La Martina eine
Marke aus Argentinien ist, die bereits
ihr 30-jähriges Jubiläum feiert. Unsere
Kollektion ist dem Polo-Sport verpflichtet, Kernprodukte sind seit jeher Sattel,
Stiefel und Schläger, erst später ist die
Mode zu einem wichtigen Sektor geworden“, so Bastian Cummert, La Martina/Deutschland. Schon im letzten Jahr
ist die Marke um 18 % gewachsen, obwohl Polo in Deutschland eher eine
Randsportart ist. Beliebt sind die legendären Poloshirts, die mit einer neuen
Faser verarbeitet werden. Durch den
Zusatz von Aluminium werden die
schädlichen Strahlen der Sonne abgeblockt, eingebaute Apps berechnen den
Kalorienverbrauch beim Sport. La Martina setzt auf das DNA des Sports als
traditionelles Kennzeichen dieser Herrenmode. Die Kollektion wird in sogenannten Kapseln präsentiert. Zum einen die Essentials mit vielerlei Druckmustern, hier spiegelt sich der Pottennio, der argentinische Dandy. Gegenpart ist der Gaucho als Inspirationsquelle, er verkörpert die Farbigkeit. Für
die dem Guards Poloclub gewidmete
Capsule Collection hat La Martina eine
indisch inspirierte Farbpalette gewählt.
Die spielerische Liaison von Tradition
und Moderne macht die Guards-Jacke
zum Highlight der Sommer-Kollektion.
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Herren-Rundschau 8-9/2015
LA MARTINA
Das Projekt The Latest Fashion Buzz richtet seine
Schweinwerfer auf einige der talentiertesten internationalen Fashiondesigner der Männermode. Sie fokussieren ein neues Konzept der Moderne, dass sich dennoch
im Rahmen des Formalen bewegt. Der Akzent des 34jährigen Naeem Antony verweist auf indische Wurzeln.
„Mein Label heißt Helen Antony, weil meine Großmutter Helen mich zu dieser Tätigkeit angespornt hat.
Sie war Schneiderin, nähte Anzüge und stellte Strickwaren her. Ich verbrachte mit ihr viel Zeit in Pakistan
und lernte so das Handwerk von der Pike auf.“ Nach
ihrem Tod wollte der inzwischen in London ansässige
Naeem die Erinnerung an sie bewahren. Da zahlreiche
Freunde und Bekannte seine selbst entworfene Kleidung schon immer bewundert hatten, beschloss er fünf
Modelle zu entwerfen. Auf der Pitti Uomo zeigt er seine
erste Sommerkollektion Coral reef mit Anklängen an
die Farbenpracht und Tierwelt der Korallenriffe.
Zum ersten Mal in Florenz dabei ist
die Marke Mardon aus Korea mit einer exotischen Mischung aus westlicher Architektur à la Frank Lloyd
Wright und asiatischer Silhouette.
Raffiniert sind die weichen Stoffe aus
einem Mix aus 40 % Viskose und 60 %
Papier. Immer wieder tauchen Streifen und geometrisches Dessin auf den
weiten Pullis, den Jacken und Hosen mit Bundfalte und
Umschlag auf. Als Verschluss dient beim Blazer ein Inside Belt, ein Gürtel zwischen den beiden Jackenvorderteilen. Die Kapuzen und Schalkragen an den
Jacken sind abnehmbar.
Herren-Rundschau 8-9/2015
HELEN ANTONY
Junge Designer
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MOSCHINO
PITTI UOMO
Popkultur
Menswear Guest Designer Jeremy Scott,
Kreativdirektor der Maison Moschino
erklärt: „Mir gefällt es, mit dem immer
wieder erkennbaren Code von Franco
Moschino zu spielen, ihn aktuell zu gestalten und mit innovativen Interpretationen dem Publikum zu präsentieren.“
Zum ersten Mal zeigt Scott in einer
klassischen Schau, nach zwei Londoner
Auftritten, seine Herrenkollektion im
überfüllten Palazzo Corsini al Parione.
Er richtet sich bei der Kollektion nach
dem, was er selbst gerne trägt und was
er in seiner Garderobe vermisst. Sein
Kunde soll „verrückt, sexy und cool“
sein. Seit 2013 steht Jeremy Scott an
der stilistischen Spitze der IkonenMarke, die 1983 von dem extravagan20
ten Franco Moschino gegründet wurde,
der jedoch im Jahr 1994 frühzeitig verschied. „Ein Hauptcharakterzug der
Mode von Moschino war schon immer
der Humor und ich glaube ich habe
diese DNA mit einer zeitgemäßen Sensibilität ins Rampenlicht gerückt”, erklärt der Kalifornier und zeigt eine Kollektion, in der er die Uniform des
‚Grand Prix’ Motorradrennfahrers Valentino Rossi, Giro d’Italia-Rennfahrer,
mit dem Schwalbenschwanz-Frack des
Casanova, den Jabot-Hemden des Spätbarocks und mit graphischen Zeichen,
knalligen Farben und ausgeflippten
Popelementen mischt. „Die Popkultur
dominiert heute und ist Teil meiner
Arbeit, man kann ihr nicht entfliehen“,
so Jeremy Scott.
Herren-Rundschau 8-9/2015
Hemden & Co
Mit einem ausgefallenen Stand in royalem Blau – dem neuen Markenzeichen –
präsentiert sich die renommierte schwedische Firma Eton. Auch hier dominiert im Sommer 2016 ein bunter Farbreigen. Ein Eton-Hemd kann der Mann
bei jeder Gelegenheit tragen, wie es die
neue Werbekampagne vorführt: als
Dandy in St. Tropez flamboyant mit
Druckelementen oder lässig beim
Staubsaugen mit aufgekrempelten Ärmeln. Durch die Inszenierung von Total
Looks stellt die Firma eine Art Stilbibel
für den zeitgenössischen Mann vor.
Fein eingewebte Popelinefäden geben
dem Baumwollhemd Struktur. Wie immer spielt der Kreativdirektor Sebastian Dollinger gerne mit farbenfrohen
Prints und Details wie eingewebten
Sebastian Dollinger
Punkten, wild gemusterten Krawatten,
leichten fantasievollen Sommerschals,
also für den extrovertierten Typ. „Man
muss die Kunden motivieren, ausdrucksstarke Hemden zu tragen, mehr
Mut zur Farbe und damit zum Sommer
zu haben“. Seine „wilden“ Ideen inspirieren sich am Vorbild des berühmten
Skateborders Ali Mulala. „Das Hemd
verändert sich bei jeder Waschung, es
lebt mit dem Träger, das kann nur gutgehen, wenn man mit Stoffen der Spitzenklasse arbeitet,“ so Dollinger.
Farbig sieht es auch am Stand von
Barba Napoli aus. Seit zwei Jahren
wird die Marke auch erfolgreich in
Deutschland vertrieben. Es handelt sich
um einen klassischen HemdproduzenHerren-Rundschau 8-9/2015
ten, erklärt Giuseppe Galassi, der Vertreter für Deutschland. Neben der sportlichen und der Dandylife-Linie gibt es
ein Zwischensegment, die Barba culto
mit klassischen, aber lässigen Hemden
in leichter Waschung. Monogramm,
Knöpfe, Kragenform, alles ist individuell änderbar. Neuerdings werden auch
Jacken produziert, kleingemustert aus
Leinen/Baumwolle. Alle Produkte werden in Neapel hergestellt.
LOUIS LEEMAN
S. Malatesa
Kunsthandwerk Schuh
Vervollständigt wird ein Outfit letztendlich auch durch Accessoires, die Kleidung charakterisieren und unterstreichen sollen. Im nächsten Jahr feiert die
Schuhfirma Moreschi, im Jahr 1946
von Mario Moreschi gegründet, ihr
70jähriges Bestehen. Seit Jahrzehnten
gibt sie den unverwechselbaren Stil in
der Herrenschuhmode an, der zum Lifestyle eines Who is Who gehört. In einer
innovativen Stand-Szenografie kann
man anhand eines Touch screens die
Entwicklung des legendären Mokassins
von 1951 bis 2015 verfolgen. Ein weiteres Video zeigt, wie die neun Teile für
einen Schuh zusammengesetzt werden.
Zu den Klassikern gehören drei Modelle, einmal aus rauem Büffelleder,
dann im Stil der 60iger Jahre aus gefüttertem Kalbsleder und zuletzt die
schlanke Linie aus sehr weichem Kalbsleder und dünner Sohle. Für den Sommer dürfen die Netz-Sportschuhe „Flying Dutchman“ für das Segelboot nicht
fehlen. Sie werden in den Farben Rot,
Blau und Beige angeboten. Wichtig ist,
dass ein Schuh elegant, dennoch weich,
bequem und leicht ist“, so die Kommunikationsmanagerin Ilaria Barnabei.
Zeitlose, elegante Schuhe und Taschen
mit einem Schuss Extravaganz präsentieren die beiden jungen Modedesigner
Louis Leeman aus Deutschland und die
Florentinerin Erica Pelosi mit ihrer
Marke Louis Leeman im Palazzo
Pandolfi. Stefano Malatesta, verantwortlich für die Produktion, führt dem Publikum vor, wie er einen Papierentwurf in
ein dreidimensionales Modell umwandelt, maßgerecht zum passenden Ledermaterial. Im Ledermuster-Katalog kann
man aus einem großen Sortiment
wählen: laminiertes oder lackiertes Leder, Schlangendruck, Blüten- und Korallendesign. All diese faszinierenden Produkte werden in der Toskana gegerbt.
MAISON MARCY
Nicht nur für die Nacht
Den ganzen Tag im Schlafanzug herumhängen? Was für viele ein geheimer
Wunsch in unserem hyperaktiven Alltag ist, macht Maison Marcy mit einem ausgeschlafenen Konzept zu einem schnieken Dresscode. „Meine De
Luxe-Pyjamas für Gentlemen und Ladies sind für den Tag und die Nacht.
Kurz zum Bäcker gehen oder den Hund
ausführen? Eine Jacke darüber und
voilà: man ist trotzdem chic“, so der
sympathische Belgier. Vor zwei Jahren
war er, nach fast drei Jahrzehnten in
der Bekleidungsindustrie, seiner Leidenschaft für Stoffe und Ideen gefolgt
und seitdem designt er vornehme Wäsche aus hochwertiger Hemdenbaumwolle oder zarterem Tissue. Pop-Art
Prints, mit buntem Tutti-Frutti oder roten Tomaten bedruckt, erfrischen die
sommerlichen Kreationen für 2016.
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PITTI UOMO
Wettbewerbsteilnehmer
Gewinner Vittorio Branchizio
Der Frankfurter Designer
Jörg BROSKA präsentierte
ein Kaleidoskop an
Dessins mit Einflüssen
aus Afrika und dem
Orient.
Im Rahmen der Pitti Uomo findet seit einigen Jahren der Wettbewerb „Who is on next? statt, bei dem
italienische oder in Italien ansässige Design-Talente im Bereich Männermode gesucht werden.
Gewinner 2015 ist Vittorio Branchizio (2. v.l.) mit seiner innovativen Strickkollektion. Neben einem
Geldpreis erhält er auch die Chance, während der nächsten Pitti Uomo (12.-15.1.2016) ein Event zu
veranstalten. Dazu gehört eine Berichterstattung in der L’Uomo Vogue und auf Präsenz den Internetseiten von Condé Nast.
Kreatives Joint Venture
Jörg Broska präsentierte auf der Pitti
Uomo exklusive handgefertigte Krawatten, Einstecktücher, Schals und Brillen
– ein Kaleidoskop mit Einflüssen aus
Afrika und dem Orient, RegimentalStreifen mit Patchworkoptik und Dessins, die moderne architektonische
Strukturen zitieren.
Seit sechs Jahren ist der Modedesigner
aus Frankfurt mit seiner ManufakturKollektion auf dem Markt. Nicht das
Große, Auffällige und Spektakuläre in22
teressiert ihn, sein Interesse gilt Details, die sich verankern. „Ich habe für
jede Warengruppe einen Spezialisten,
der das Produkt fertigt. Davon sind 80 %
in Italien, weitgehend in Como. Von
dort kommen zum größten Teil auch die
Naturmaterialien wie feines Leinen,
Baumwolle, Kaschmir, Kaschmir/Seide
und Twill“, erklärt Jörg Broska. Alle
Dessins werden von ihm selbst entwickelt, für jede Saison stellt er eine
Farbkarte mit 60 Couleurs zusammen.
„Ich kam z.B. für diese Saison mit 182
Ideen nach Como, dann habe ich zehn
Tage mit kreativen Mittelpersonen gearbeitet, Farben und Muster ausgewählt, und am Ende übernahm der Grafiker das Finetuning“, erläutert Jörg
Broska seinen Produktionsflow. Auch
beim Druck ist Know-How gefragt: „Wir
arbeiten im Digitaldruck auf doppelpenetriertem Weg, damit die Rückseite
beispielsweise eines Tuches wie seine
Vorderseite aussieht. Mit sieben FarbHerren-Rundschau 8-9/2015
Fazit
Formalwear wird durch Sport-, Rockund Popelemente aufgelockert. Die
Grenzen zwischen formaler Kleidung
und Upper Casual sind fließend. „Sartorial“ ist das Zauberwort, umgesetzt
in wertigen und funktionellen Leichtgewichten. Dreidimensionale Webstrukturen, Jacquards, Mini-Muster
oder dezente Waschungen lockern bei
Jacken aus Wolle/Leinen/Seide oder
Anzügen in feinstem knitterfreiem
Wolltuch die Oberflächen auf. ColorCodes sind Blau in allen Nuancen, sowie Natur- und Grautöne, oft vermitteln optimistische Sorbetfarben mediterranes Feeling. Signalfarben wie
Orange und Neongelb brechen förmliche Looks auf.
kalotten läuft der Farbkopf, auf jeder
Kalotte sitzt ein Behältnis mit Penetril,
eine Trägerflüssigkeit, die die Farbe
beim Druckvorgang tief ins Gewebe
bringt“. Nur eine exakte Justierung garantiert ein vollendetes Dessin. Die Einstecktücher liegen wie Federn in der
Hand: „Sie sind aus 18 Momme Twill
Seide, d.h. ein Quadratmeter Seide
wiegt etwa 130 Gramm. Aus diesem
Material macht Hermes Druckkrawatten, wir verwenden es sogar für Tücher
und Bandanas“. Auch Juweliere bestellen bei Jörg Broska: “Sie schlingen die
Tücher um Uhren oder Spangen, damit
diese dann von ihren Kundinnen am
Handgelenk getragen werden“. Im Bereich Krawatten arbeitet der Stilist mit
einer englischen Manufaktur zusammen. Zur Kollektion gehört auch eine
Baumwollkrawatte in Jeansoptik: „Sie
ist neunfach gefaltet, ohne Einlage und
komplett von Hand genäht. Ihre Festigkeit erhält sie über das Material“, so der
Frankfurter. Seine Lieblingskrawatte?
„Je nach Outfit, aber immer in Proportion mit der Reversbreite des Sakkos.
Ich mache im Grunde keinen Unterschied zwischen einer Seiden- oder einer Casualkrawatte“. Weltweit verkauft
Jörg Broska in vierzig renommierten
Stores; in Deutschland u.a. bei Lodenfrey (München), Möller&Möller (Hannover), Tom Reimer (Hamburg) und Diehl
& Diehl (Frankfurt).
Herren-Rundschau 8-9/2015
In der Abendgarderobe überraschen
die Smokings mit aparten Mikrodessins, auch in Blau und Creme, oft mit
Schalrevers im gleichen Ton oder einer Kontrastfarbe.
Key-Item in allen Sparten bleibt das
Softjackett in Jersey, Strick- oder
Wirkware, darunter ein T-Shirt, leichte Polos und Pullis anstelle von Hemden mit steifen Kragen, dazu körpernah konstruierte, meist knöchellange
Hosen. Anstelle von Sakkos können
sich zu dieser krawattenlosen Eleganz
auch legere Blousons oder kernige
Leinenstrickjacken gesellen; Jeans
und Denim-Optiken sind omnipräsent. Must have im Sommer 2016
wird auch eine knackige, reinweiße
Chino mit Bügelfalte sein. Damenund Herrenmode kommen sich im
Zeitgeist immer näher. Aus diesem
Grund wurde auch die Pitti W Woman
Precollection durch die Sektion
„Open“ ersetzt, die gender-übergreifende Mode und Accessoires präsentiert, tragbar für Sie und Ihn. Dort
sind Batikjacken, hyperweibliche
Hemden im Blusenschnitt in den
Farben Aquamarin, Orange und Rottönen zu entdecken. Stefano Ricci,
Präsident der Pitti Uomo Immagine,
zeigt sich dennoch in der Pressekonferenz zuversichtlich, dass sich trotz
der zunehmenden Beliebtheit der
Unisex-Mode, in Zukunft „die Damen
als Damen und die Herren als Herren
kleiden werden“.
Dr. Benigna Mallebrein
und Susanne Schaller
Prints, oft mit einem
Schuss Ironie oder
Exotikanklängen, sind
besonders bei Casual
Smart-Looks ein
beliebtes Stilmittel.
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