Schwache Marken bezahlen mehr Gehalt

FACHTEIL
Employer Branding
Schwache Marken
bezahlen mehr Gehalt
Wer sich bei einer starken und als positiv empfundenen
Arbeitgebermarke bewirbt, ist bereit, auf Gehalt zu verzichten,
da den Vorteilen mehr Bedeutung beigemessen wird. Umgekehrt
müssen schwache Marken beim Gehalt in die Tasche greifen,
so das Ergebnis einer Befragung von LinkedIn.
ass Employer Branding ein Kernthema
für Personalabteilungen ist, müssen
wir den Lesern der Personalwirtschaft nicht
erzählen. 43 Prozent der Personalentscheider haben die Disziplin laut unserer Studie
„Global Recruiting Trends 2016“ bereits zur
Priorität in ihren Unternehmen erklärt. Konkrete Kosten sind für HR-Verantwortliche
immer noch die beste Entscheidungsgrundlage für ihre Budgetverhandlungen mit dem
Management. Neben den Ergebnissen der
Umfrage stellen wir daher einen Ansatz vor,
mit dem sich aus unserer Sicht ein Teil der
Kosten einer schwachen Marke in Euro beziffern lässt. Um diesen Ansatz zu untermauern und das Thema Arbeitgebermarke transparenter zu machen, haben wir eine weitere
Befragung unter mehr als 1000 deutschen
Vollzeitarbeitnehmern durchgeführt.
D
Schmerzensgeld gefordert
Laut unserer Studie bietet eine starke Marke unter anderem ein hohes Level an Jobsicherheit, gute Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung sowie viel Eigenverantwortung. Eine schwache Marke dagegen leidet unter schlechter Arbeitsplatzsicherheit,
schlecht zusammenarbeitenden Teams sowie
einer Führungsmannschaft mit schlechtem
Ruf. Keine Überraschungen soweit. Im nächsten Schritt unserer Befragung aber wurde es
spannend: Welche Konsequenzen ziehen
Arbeitnehmer, wenn sie mit einer starken
beziehungsweise schwachen Marke konfrontiert werden?
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02 | 2016
www.personalwirtschaft.de
Dass eine starke Marke nicht nur über Anziehungskraft verfügt, sondern auch Kosten
sparen kann, zeigt sich etwa im Verzicht auf
Gehaltserhöhungen: So sagte in der Studie
fast ein Drittel der deutschen Berufstätigen
(32 Prozent) aus, sie würden bei einem Jobwechsel auf eine Gehaltserhöhung verzichten, wenn der neue Arbeitgeber eine starke
Marke ist. Von denen, die gerade auf Jobsuche sind, würde fast die Hälfte (49 Prozent)
auf einen Gehaltssprung verzichten, wenn
die Arbeitgebermarke stimmt. Zwölf Prozent nähmen dafür sogar eine kleine Gehaltskürzung von bis zu fünf Prozent in Kauf.
Eine schwache Marke dagegen hat es auf
dem Markt der Talente deutlich schwerer.
Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer (52 Prozent) würde nicht zu einem Unternehmen
wechseln, das aus seiner Sicht eine schwache Marke ist. 21 Prozent wären für einen
Wechsel zu einem solchen Unternehmen
nur dann bereit, wenn die schwache Marke
mit einem Gehaltsaufschlag von mindestens
zehn Prozent kompensiert würde. Eine Minderheit von acht Prozent könnte sich bereits
mit einem Gehaltssprung von fünf Prozent
überzeugen lassen.
Sieben Millionen Euro Kosten
Da wir nun den geforderten Gehaltsaufschlag
kennen, können wir mithilfe weiterer
Variablen berechnen, wie viel eine schwache Arbeitgebermarke kosten kann. In den
Berechnungen sehen wir uns nicht an, wie
viel mehr die betreffenden Unternehmen
für Stellenanzeigen oder Recruiter ausgeben müssen – wir berechnen also lediglich
einen Teilbetrag der Mehrkosten. Auch ist die
Berechnung sicher nicht präzise – sie liefert
aber einen leicht nachzuvollziehenden und
gut zu argumentierenden Anhaltspunkt für
Budgetverhandlungen. Unser Wert berechnet sich aus der Fluktuation im Unternehmen und dem Aufschlag auf das Gehalt der
neuen Arbeitskräfte. Die Formel lautet:
Kompensation =
(∑ Mitarbeiter x % Fluktuation) x
(Ø Gehalt x % Talent-Brand-Faktor)
Setzt man beispielsweise die Zahlen des Statistischen Bundesamts zur Durchschnittsfluktuation und dem Durchschnittsgehalt
in die Berechnung ein, ergibt sich Folgendes:
Im zweiten Quartal 2015 gab es in Deutschland rund 43 Millionen Erwerbstätige.
3,91 Millionen, also 17 Prozent, gaben in
einer IfD-Allensbach-Umfrage an, 2015 den
Arbeitgeber oder Beruf wechseln zu wollen.
Das Durchschnittsgehalt lag 2014 bei
43 234 Euro pro Jahr. So ergibt sich bei einem
Gehaltsaufschlag von zehn Prozent (=TalentBrand-Faktor) für ein Unternehmen mit
10 000 Mitarbeitern eine jährliche Kompensation von rund 7,3 Millionen Euro. Wie
gesagt – ein Anhaltspunkt, nicht mehr. Doch
auch wenn nur die Hälfte der Arbeitnehmer
einen Aufschlag von zehn Prozent verlangt,
muss das betreffende Unternehmen noch
immer mehr als drei Millionen Euro mehr
für neue Kräfte bezahlen als ein Wettbewerber mit starker Arbeitgebermarke.
Nach den Gründen gefragt, die für einen
Arbeitgeberwechsel sprechen, nannten 48
Prozent der Arbeitnehmer einen höheren
Grad an Jobsicherheit beim neuen Unternehmen. An zweiter Stelle liegen mit 36
Prozent mehr Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung und an dritter folgen
mit 33 Prozent mehr Eigenverantwortung
und Eigenständigkeit in der Arbeit.
Ein Unternehmen, das diese drei Merkmale erfüllt, kann wesentlich einfacher (und
günstiger) neue Talente für sich gewinnen:
32 Prozent, also fast ein Drittel der deutschen Vollzeitarbeitnehmer würde einen Job
in einem Unternehmen antreten, das diese
drei Punkte erfüllt, ohne einen Gehaltsaufschlag zu veranschlagen. Das gilt auch für
Arbeitnehmer, die sich nicht aktiv nach
einem neuen Job umsehen, aber offen sind
für neue Möglichkeiten.
Beachtlich ist außerdem, dass unter den
genannten Umständen 35 Prozent auch
einen Umzug in Betracht ziehen würden –
und das ohne Gehaltsaufschlag. Eine Person aus zehn wäre sogar bereit, auf Gehalt
zu verzichten, wenn die drei Topkriterien
erfüllt sind. Besonders die Gruppe der 18bis 24-Jährigen würde eine Reduzierung des
monatlichen Gehalts von bis zu fünf Prozent in Kauf nehmen, um in einem für sie
attraktiven Unternehmen zu arbeiten. In der
Top-Fünf-Wunschliste von Arbeitnehmern
Die Studie können Sie
hier downloaden:
Abbildung
48 % Höhere Arbeitsplatzsicherheit
36 % Größere berufliche Entwicklungschancen
33 % Chance auf mehr Verantwortung und Unabhängigkeit
28 % Möglichkeit, mit einem besseren Team zu arbeiten
23 % Führungsetage genießt einen besseren Ruf
Ein Unternehmen, das die drei am häufigsten genannten Merkmale erfüllt, kann wesentlich
einfacher neue Talente für sich gewinnen, ohne dass diese einen Gehaltsaufschlag verlangen.
Was Arbeitnehmer wollen
Studie „Global Recruiting
Trends 2016“
Gründe für Arbeitgeberwechsel
Quelle: LinkedIn, 2015
Oben haben wir uns angesehen, welche Konsequenzen ein Unternehmen erwarten kann
oder befürchten muss, wenn es insgesamt
als starke oder schwache Arbeitgebermarke
wahrgenommen wird. Im Folgenden wollen
wir uns einzelne Aspekte ansehen, die von
Arbeitnehmern positiv oder negativ bewertet wurden – und die entsprechenden Konsequenzen.
Info
kommt an vierter Stelle der Wunsch, in
einem guten Team zu arbeiten und 23 Prozent lassen sich von einem hervorragenden
Ruf der Führungsmannschaft überzeugen.
Diese beiden Eigenschaften wirken sich allerdings nur noch marginal auf die Bereitschaft
der Arbeitnehmer aus, ohne Gehaltsaufschlag das Unternehmen zu wechseln.
Gründe, die Kandidaten von einem Arbeitgeberwechsel abhalten, sind zum großen
Teil das negative Spiegelbild der attraktiven
Faktoren. So sind 53 Prozent von Unternehmen abgeschreckt, bei denen die Arbeitsplatzsicherheit in Frage steht. Eine Ausnahme machen hier die 18- bis 34-Jährigen: 51
Prozent von ihnen empfinden die Arbeitsplatzunsicherheit nicht als negativen Aspekt
der Arbeitgebermarke. Ansonsten halten 50
Prozent aller Befragten Unternehmen mit
dysfunktionalen oder schlecht performenden
Teams für unattraktiv. 44 Prozent würden
von einem Wechsel absehen, wenn die Führungsmannschaft einen schlechten Ruf hat.
Einflussfaktoren auf Arbeitnehmerseite
Neben den Eigenschaften, die sich positiv,
beziehungsweise negativ auf eine Arbeitgebermarke auswirken, hat die Studie auch
untersucht, welche Faktoren die Wahrnehmung der Arbeitnehmer beeinflussen. Dabei
kam heraus, dass 60 Prozent auf positives
Feedback von Branchenkollegen vertrauen,
wenn es um ein Unternehmen geht, von
dem sie noch nie gehört haben, und fast die
Hälfte (46 Prozent) sagen, dass Freunde
einen Einfluss haben. Bei Karriereeinsteigern
ist die Meinung von Freunden sogar genauso viel wert wie die der Branchenkollegen.
Neben den persönlichen Empfehlungen wirken aber auch die positive Berichterstattung
in den Medien (42 Prozent), eine ansprechende Website (31 Prozent) und SocialMedia-Präsenzen auf die Wahrnehmung. Im
Social-Media-Bereich ist Facebook insbesondere bei den Jüngeren relevant (14 Prozent).
LinkedIn hat dagegen mehr Einfluss auf ältere Fach- und Führungskräfte und spielt bei
acht Prozent der Arbeitnehmer in Führungspositionen eine Rolle.
Authentische Darstellung
Viele Unternehmen haben den Wert einer
starken Marke bereits erkannt. Spätestens
jetzt muss ihnen auch klar sein, welche Kosten eine negative Wahrnehmung haben
kann. Der Aufbau einer Arbeitgebermarke
ist ein hoch strategisches Thema, das der
Unterstützung des Topmanagements bedarf.
Doch auch andere Abteilungen wie Marketing, Kommunikation und IT müssen eingebunden werden. Des Weiteren ist nicht
zu unterschätzen, welchen Wert jeder einzelne Mitarbeiter als Markenbotschafter hat.
Und bei aller Kommunikation gilt: Das Unternehmen muss ehrlich auftreten und mutig
auch Unangenehmes ansprechen. Eine
authentische Darstellung ist das A und O,
denn nur so erwirbt sich die Marke eine persönliche Note mit Glaubwürdigkeit.
Autorin
Alexandra Kolleth,
Mitglied der Geschäftsleitung
und Head of Marketing Solutions, LinkedIn Deutschland,
Österreich und Schweiz,
München, [email protected]
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