Freising und seiner Geschichte verpflichtet. 125

Freising und seiner Geschichte verpflichtet.
125 Jahre Historischer Verein Freising
von Günther Lehrmann (Redefassung 16.10.2015)
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Alt-Oberbürgermeister,
liebe Mitglieder des Historischen Vereins,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
der 125. Geburtstag des Historischen Vereins Freising, den wir heute feiern, hat uns hier im Asamsaal
zusammengeführt. Ich freue mich über Ihr Kommen und begrüße ich Sie sehr herzlich.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wie es sich bei einem Jubiläum gehört, blicken wir bei dieser Geburtstagsfeier mit einer knappen Rückschau
auf die vergangenen 125 Jahre zurück. Sie soll zeigen, es war und ist dem Verein immer ein Anliegen, für das
geschichtliche Erbe der Stadt einzutreten, auch im Sinne künftiger Generationen. 125 Jahre der Freisinger
Geschichte verpflichtet, heißt, der Historische Verein sieht sich als Vertreter einer interessierten Bürgerschaft
in die Verantwortung genommen, das Erkennen und Verstehen der Freisinger Vergangenheit weiter zu
fördern, und auch in der Gegenwart die Entwicklung der Stadt interessiert zu begleiten. Diese schöne, nicht
immer
einfache
Aufgabe
nimmt
der
Verein gerne
wahr,
ohne
Geschichtstümelei,
Folklore,
Butzenscheibenromantik oder gar Profiliersucht, die Stadt liegt uns einfach am Herzen.
Unser Abend heute wird geprägt von zwei besonderen Attraktionen. Zum einen stellen wir Ihnen unser 43.
Sammelblatt vor, einen ganz besonderen Band, einen Bestandskatalog, der eine in jeder Hinsicht
bemerkenswerte Dauerleihgabe unserer Sammlung präsentiert: die bemalten Schützenscheiben der Freisinger
Feuerschützen, die uns 2009 zu treuen Händen übergeben wurden.
Mich freut es besonders, dass ich unter den heutigen Gästen auch viele Feuerschützen begrüßen darf, unter
anderem Herrn Scheffzick und Herrn Nefzger als Vorstände, Herrn Christian Sperrer als Schatzmeister. Sie
alle können dann im Stadtmuseum dieser einzigartigen Sammlung begegnen, sie bestaunen, Darstellungen
enträtseln oder sich einfach an der Malkunst erfreuen.
Als bleibende Festgabe für die Mitglieder des Vereins, für die Öffentlichkeit, für die Stadtgeschichte
überreichen wir Ihnen heute mit dem 43. Sammelblatt ein wohlgelungenes Werk. Alle, die in den letzten
eineinhalb Jahren den heutigen Tag, das Buch und die Ausstellung, vorbereitet haben, können stolz sein auf
das, was hier geschaffen worden ist. Stellvertretend für alle daran Beteiligten danke ich Frau Dr. Ulrike Götz,
als Herausgeberin unseres Sammelblattes und als unserer Museumsleiterin, sehr herzlich für die große
Leistung, die sie mit Buch und Ausstellung erbracht hat: Sammelblatt und Ausstellung, Planung und
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Ausführung, zeugen auch vom Können und dem Einsatz ihrer Arbeitsgruppe.
Bedanken möchte ich mich nicht nur beim Vorstand des Vereins, der Sammelblatt und Ausstellung als
Zeugnis und Dokumentation Freisinger Bürgergeschichte stets wohlwollend gefördert hat, sondern auch bei
der Stadt, bei Ihnen, Herr Oberbürgermeister, bei den Damen und Herren des Stadtrates, beide Projekte
wurden von Ihnen großzügig unterstützt. Auch diese gute Verbindung belegt und erweitert das Motto des
heutigen Abends: Freising und seiner Geschichte verpflichtet. Nicht zuletzt geht der Dank auch an unsere
treuen Mitglieder für ihr stetes Interesse. Bedanken möchte ich mich auch bei der Freisinger Presse, die uns
stets ein öffentliches Forum bietet.
Ab 1890 hat sich der Verein erstmals in institutioneller Form sowohl mit der Vergangenheit von Hochstift
und Bistum befasst, als auch mit der bürgerlichen Geschichte Freisings, den zwei Schwerpunkten unserer
historischen Arbeit. Heute steht mit dem 43. Sammelblatt und der Ausstellung „Freising im Visier“ die
Bürgerstadt im Mittelpunkt. Ein ganz besonderes Quellenmaterial interessanter und anschaulicher Freisinger
Bürgergeschichte haben wir da in Buch und Bild
vor Ihnen ausgebreitet. Sie werden sehen, unser
Sammelblatt ist auch nach 125 Jahren – so darf man es sagen - bei guter Gesundheit. Das liegt in erster Linie
an unseren Herausgebern, die immer eine glückliche Hand besaßen, wobei ich die beiden letzten, Professor
Dr. Hubert Glaser und Dr. Ulrike Götz, besonders erwähnen möchte,
aber auch den engagierten Autoren danke ich, die in ihren Beiträgen für die Geschichte von Stadt und
Hochstift wesentliches wissenschaftliches Material bereitgestellt haben. Dass unser Sammelblatt nach 125
Jahren auch ein blendendes Aussehen hat, verdanken wir nicht nur dem Können des Verlags Appl-Sellier und
Herrn Erhard Wackerbauer, der den Band betreut hat, sondern auch den großzügigen Sponsoren, die es
durch ihre tatkräftige Unterstützung möglich gemacht haben, diesen für die Freisinger Stadtgeschichte so
wichtigen Jubiläumsband in ansprechend, schöner Form zu realisieren. So geht mein herzlicher Dank an die
Ernst von Siemens Kunststiftung und Herrn Dr. Martin Hoernes in München, an die Stadt Freising und Herrn
Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher, an den Bezirk Oberbayern, an die Feuerschützen Freising, an die
Bayerische Volksstiftung mit Herrn Rechtsanwalt Florian Besold und Herrn Hans-Carl Engleitner, an die
Stadtwerke Freising mit Herrn Werksleiter Andreas Voigt und an die Freisinger Bank mit Herrn Peter
Thometzki.
Was wäre eine solche Festveranstaltung ohne die entsprechende musikalische Umrahmung? So bedanke ich
mich für die schöne Musik von Georg ChristophWagenseil und Michel Corette, zweier Komponisten des 18.
Jahrhunderts, beim Ensemble der Neuen Freisinger Hofmusik und bei dir, liebe Sabine.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die ersten Historischen Vereine in Bayern gehen im wesentlichen auf Ludwig I. und seine Impulse für Kunst
und Geschichte zurück. Er hatte ihre Gründung angeregt, um regionale Identität und Heimatbewusstsein
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durch sie zu fördern. In drei Wellen folgten die Gründungen aufeinander, 1827, in der Mitte und am Ende
des 19.Jahrhunderts. Freising war bei der „dritten Welle“ ab 1890 mit dabei. Der Gründung vorausgegangen
war im November 1890 ein in der Stadt zirkulierendes Rundschreiben, bei dem 244 Freisinger Bürger mit
ihrer Unterschrift „ihren Beitritt zu dem in der Stadt Freising zu gründenden historischen Vereine“ erklärten.
Auffallend war die soziale Zusammensetzung des neuen Vereins, vom Lyzealprofessor bis zum Handwerker
waren alle Schichten der Freisinger Bevölkerung vertreten. Am 15. Dezember 1890 stellten sich dann bei der
Gründungsversammlung im Gasthof „Bayerischer Hof“ mit Amtsrichter Anton Auer, dem Bauamtmann
Konrad Kirchner und dem Geistlichen Rat Johann Baptist Prechtl, drei Freisinger Persönlichkeiten als
Mitglieder der Vorstandschaft zur Verfügung. Die Ziele des neuen Vereins wurden in der Satzung
niedergelegt, in deren Präambel es hieß, sein Zweck sei „vornehmlich die Pflege der speziellen Geschichte,
Statistik und Topographie von Freising und seiner Umgebung“.
Sicher hat der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl mit seinem 1866 erschienenen Aufsatz über Freising
diese Gründung befördert: Er stellte die Bedeutung Freisings in besonderer Weise heraus: „Eine geistliche
Stadt“ nennt er sie, „Herz Altbayerns“, „Stadt der Schulen und der Wissenschaft“. Knappe und klare
Formulierungen, die noch heute mit den Slogans hoch dotierter Werbeagenturen konkurrieren können. Eine
seiner Freising-Thesen beschreibt aber den besonderen Rang unserer Stadt und hebt sie aus der Vielzahl
bayerischer Städte hervor: „Wer Freising nicht kennt“, so stellt Riehl fest, „kennt Altbayern nicht.“ Dieses
klare Diktum Riehls besitzt eine große Bedeutung. Der gebürtige Rheinländer Riehl kannte nämlich
„sein“ Bayern genau und ist über jede unerlaubte Protektion Freisings erhaben. Seit 1854 als Professor in
München lebend, war er ab 1885 Direktor des Bayerischen Nationalmuseums. Es ist davon auszugehen, dass
die „Gründerväter“ des Historischen Vereins Freisings, die ja der bildungsbürgerlichen Honoratiorenschicht
der Stadt entstammten, das Zitat Riehls kannten und sich dadurch bestärkt und ermutigt fühlten, sich intensiv
mit der Geschichte und den Besonderheiten ihrer Heimatstadt zu beschäftigen, die Erkenntnisse durch
Vortragsreihen zu vermitteln und durch Publikationen zu verbreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die einzelnen Bereiche, in denen der Historische Verein Freising seit einer Gründung tätig ist, würden viel
Raum und Zeit beanspruchen, um sie gebührend zu würdigen: neben dem gerade erwähnten „Sammelblatt“,
nenne ich unsere Vortragsreihen und Exkursionen, bei denen qualitätvolles Material mit dem von uns immer
hochgehaltenen „Freising-Bezug“ von ausgewiesenen Fachleuten geboten wird. Zwei Bereiche sollen aber
anlässlich des heutigen Vereinsjubiläums besonders herausgestellt und beschrieben werden: zum einen die
Entwicklung des Museums und - damit im Zusammenhang - die Zustiftungen Freisinger Bürger, die das
rasche Anwachsen der Sammlung begünstigt haben. Zum anderen auch das Engagement des Vereins für die
Denkmal- und Stadtbildpflege, für die Erhaltung historischer Bausubstanz in unserer Stadt.
Unter den Aufgaben, denen sich der neue Verein 1890 verschrieb, stand die Sammlungstätigkeit als eine
seiner Hauptaufgaben an erster Stelle. Mit den „historischen Resten der Vergangenheit unserer Stadt“ sollte
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der Aufbau eines eigenen Museums befördert werden.
So setzt der Beginn der Sammeltätigkeit des
Historischen Vereins bereits in seinem Gründungsjahr 1890 ein. Das Ergebnis lässt sich durchaus als
Erfolgsmodell bürgerlichen Engagements in Freising bezeichnen. Von den Freisinger Bürgern wurde der
Verein von Anfang an so reich beschenkt, dass 1894, im 1. Sammelblatt, insgesamt bereits „758 Nummern
diverser Gegenstände“ gezählt wurden, säuberlich unterschieden zwischen Vereinseigentum und Leihgaben.
Für das von Anfang an große Interesse der Stadt Freising an der
Vereinssammlung „geschichtlicher
Denkmale“ und von ihrer stets bereitwilligen Unterstützung spricht, dass bereits zum Jahresende 1890 im
städtischen Knabenschulhaus an der Heiliggeistgasse - nach Auszug des Eichamts in dessen neues Quartier
am Wörth - Räume für das Museum bereitgestellt wurden. Freilich, die Raumverhältnisse waren nicht so
günstig, es fehlte ein dringend notweniger Depotraum, die
Möglichkeiten einer
Erweiterung waren
beschränkt.
Nach kurzem Umbau der Räume und der Aufstellung der Objekte wurde das Museum am 8. März 1891 „zur
Vorfeier des 70. Geburtstages Sr. Kgl. Hoheit des Prinzregenten“ feierlich eröffnet. Recht knapp waren
allerdings die Öffnungszeiten bemessen, eine Besichtigung war nur an Sonn- und Feiertagen von 11 Uhr bis
12 Uhr möglich. Von Anfang an litt das Museum an Platznot, es bestand ja zunächst nur aus drei Räumen. So
bemerkte der damalige Rezensent des „Freisinger Tagblatts“ mit feiner Kritik, dass sich die reichhaltige
Sammlung in schönster Ordnung und Übersicht befinde, aber „die zur Verfügung stehenden Räume
vollständig“ fülle und weiter „Über die Aufstapelungen im genannten Museum könnten Seiten geschrieben
werden.“
Die Erweiterung der Museumsräume an der Heiliggeistgasse und der Plan einer Neuaufstellung der
Sammlung
beschäftigte
in
den
Jahren
1913/1914
sowohl
die
Vereinsleitung
als
auch
die
Vereinsversammlungen. Kurz vor Beginn des 1. Weltkriegs erhielt der Verein durch die Stadt Freising ein an
sein Museum anstoßendes Zimmer überlassen. Für die Umgestaltung der Räume verpflichtete man den
jungen Münchner Architekten Max Kerschensteiner, die Neukonzeption der Aufstellung war das Werk des
Gymnasiallehrers und Vereinsmitglieds Joseph Wenzl.
Er widmete den ersten Raum der Freisinger Vor- und Frühgeschichte im zweiten Raum brachte man Waffen,
Zunftgegenstände und Zeugnisse des Rokokos unter, ebenso 47 chinesische Bronzen, ein ganz besonderer
Schatz, ohne den sonst üblichen „Freising-Bezug“, der aus Freising gebürtige Kapuziner und ChinaMissionar Strobl hatte sie dem Verein überwiesen. Die Ansichten der Stadt und die Münzbestände fanden im
dritten Raum ihren Platz. Den neuen, den vierten Raum unterteilte man in einen größeren und kleineren
Bereich. Wahrscheinlich inspiriert vom Bayerischen Nationalmuseum in München, dessen Museumsräume
einen eigenen Kirchenraum für seine sakrale Sammlung erhalten hatten, fügte man in den kleineren Bereich
einen „stimmungsvollen Kapelleneinbau“ für die kirchlichen Sammlungsgegenstände ein, im größeren
fanden die von Joseph Wenzl ergrabenen und dem Verein geschenkten prähistorischen Funde ihren Platz. Bei
der Finanzierung der Kosten für diese Erweiterung - die notwendigen Umbaumaßnahmen und die
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notwendigen neuen Schränke betrugen 1331,17 Mark - war man erfinderisch und gab 50 unverzinsliche
Anteilscheine zu je 10 Mark aus, von denen jährlich 5 Stück zurückgezahlt werden sollten. Auch die Stadt
Freising und ein Zuschuss aus dem staatlichen Fond zur „Erhaltung und Förderung von Provinzial- und
Lokalmuseen“ steuerten finanzielle Mittel bei. Ebenfalls angelegt wurde ein kleines Depot, in dem nicht
ausgestellte Gegenstände aufbewahrt wurden, „um einer unkünstlerischen Anfüllung der neuen
Museumsräume zu begegnen“. Ende Juni 1914 konnten dann die neuen Räume eröffnet werden.
Nachdem die Sammlung den 1. Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte und sich in den folgenden
Jahrzehnten beständig weiter entwickelte, bedeutete ihre partielle Plünderung zu Kriegsende 1945 einen
schwarzen Tag für das Museum. So ging vor allem ein Teil der wertvollen Münzsammlung verloren, deren
Neuordnung und Bestimmung vierzig Jahre vorher mit Hilfe des numismatischen Kabinetts in München, der
heutigen Staatlichen Münzsammlung, durchgeführt wurde, ein Bibliotheksschrank wurde beraubt,
graphische Ansichten verschwanden. Ein „Denkmal“ an diesen brutalen, zerstörerischen Einbruch findet sich
in Form eines eingeklebten Zettels in einer Viola d`amore des Freisinger Instrumentenbauers Franz Michael
Perger aus dem 18. Jahrhundert, die damals ebenfalls schwer beschädigt wurde:
Bin nicht mehr spielbar, denn ich wurde
in viele Trümmer roh zerschlagen
durch eine plündernd schlimme Meute
in den bösen Nachkriegstagen.
Daß ich mein Aussehn wieder fand,
verdank ich einer liebend' Hand. (Fritz Willi)
Nach dieser Plünderung erfolgte die notwendige Neuaufstellung der Sammlung in den Räumen an der
Heiliggeistgasse durch Rektor Fritz Willi. Aber immer wieder wurde die unzulängliche Unterbringung der
Sammlung oder die „hoffnungslose“ Museumssituation beklagt. Als Freisinger Schulkind besuchte ich
natürlich dieses Museum, war beeindruckt von der Überfülle an Gegenständen aller Art, aber als einzige
konkrete Erinnerung verblieb mir das mit Schaudern wahrgenommende „Johannishaupt auf der Schüssel“.
1958 wurde das Heimatmuseum wieder geschlossen und geriet als Bildungsquelle der Freisinger fast in
Vergessenheit. Bereits 1951 hatte der damalige Vereinsvorstand, Oberstudiendirektor August Pöllinger, neue
Räume von der Stadt erbeten und den Bescheid erhalten, dass „gewölbte Räume unter dem Asamsaal“ dafür
in Aussicht genommen seien. Vierzehn Jahre, bis 1965, musste man warten, um mit dem Umzug des
Museums in den Westflügel des Asamgebäudes endlich ein wesentlich besseres Platzangebot zu erhalten,
wenn es auch weiterhin an dringend notwendigen Lagerräumen mangelte. Am 26. November 1965 wurde
dann das „neue“ Heimatmuseum im Rahmen des 75jährigen Jubiläums des Historischen Vereins durch den
damaligen Vorsitzenden Dr. Josef Zanker (1905-1968) mit einem kleinen Depotraum ein zweites Mal
eröffnet. 1968 kam es zu einer erneuten Erweiterung. Die Räume konnten nun, mittlerweile sprach man ganz
großstädtisch von einem „Museumstrakt“, durch ein von Max Tischler gestiftetes Gitter aus dem 18.
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Jahrhundert, angeblich aus der Attachinger Kirche stammend, abgeschlossen werden. 1991 wurde auf
Initiative des Vereins von der Stadt eine hauptamtliche Stelle geschaffen und mit der Verpflichtung der
Kunsthistorikerin Dr. Ulrike Götz, welche die Sammlung inventarisierte, ein neues Museumskapitel
aufgeschlagen. 2000 eröffnete man das lang ersehnte Depot, 2007 das inhaltlich neu konzipierte Museum,
nun aber nicht mehr als Heimatmuseum, sondern „Stadtmuseum Freising, Sammlung des Historischen
Vereins“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Ein französischer Theologe des 17. Jahrhunderts hat es so formuliert: „Das Gedächnis des Herzens ist die
Dankbarkeit“. Im Sinne dieser Dankbarkeit möchte ich nur einige der vielen Stifter, Mäzene und Geber von
Dauerleihgaben der vergangenen Jahrzehnte erwähnen, die großzügig und mit echtem Bürgersinn unsere
Sammlung bereichert haben.
An erster Stelle sei der Gründer des Historischen Vereins Freising, Dr. Johann Baptist Prechtl, genannt. Ein
besonders reicher Bestand an archäologischen Funden aus den Anfangsjahren stammte, wie bereits gesagt,
von Josef Wenzl. Es sei an dieser Stelle auch eine besondere Schenkung mit viel Freisinger Lokalkolorit
erwähnt, die 1893 durch den Königlich Bayerischen Major Riederer in die Sammlung gegeben wurde, das
sogenannte „unversehrte Trinkglas“. Es überstand am 28. Juni 1724, als es nach einer geglückten
Abschlussarbeit auf einem Domturm mit einem Trinkspruch von einem Zimmermann auf das Wohl des
Fürstbischofs Eckher geleert und in den Domhof geworfen wurde, den Sturz aus der Höhe und wurde mit
einer eingeschnittenen Widmung und dem hochstiftischen Wappen dem Bischof verehrt. Dieses wertvolle
Glas aus den Sammlungen des Vereins wird übrigens im nächsten Jahr als Leihgabe in der bayerischen
Landesausstellung „Bier in Bayern“ in Aldersbach zu sehen sein.
Auch der langjährige Vorsitzende des Vereins, Dr. Joseph Schlecht, Professor für Geschichte am Freisinger
Lyzeum, bestiftete Bibliothek und Sammlung. Der Stiftsdekan von St. Kajetan in München, Sebastian
Staudhammer (1857-1924), schenkte Anfang der zwanziger Jahre dem Verein eine reichhaltige Sammlung
von Skizzenbüchern und Zeichnungen des aus Freising gebürtigen Malers Ulrich Halbreiter (1812-1877). Sie
ist im 15. Sammelblatt umfassend publiziert und gewürdigt worden.
Die Sammlung Parzer-Peslmüller, durch Frau Anna Parzer testamentarisch an den Verein übergeben, zählt
mit zum umfangreichsten Bestand, der 1971 an den Historischen Verein gekommen ist. So verdankt der
Verein ihr unter anderem die Portraits der letzten Äbte von Weihenstephan und Neustift.
Von der
Kirchenstiftung St. Georg wurde bereits 1968 der große Bestand an Zunftfahnen als Dauerleihgabe in unsere
Sammlung gegeben
Bildzeugnisse der Freisinger Stadtgeschichte, Zeichnungen und Druckgraphik, welche „die Geschichte des
Freisinger Stadtbilds erhellen“, sammelte Robert Sellier (1891-1972), Mitbesitzer der Buchdruckerei Dr. F.P.
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Datterer in Freising. Während einzelne Blätter an die Dombibliothek übergeben wurden, ging der weitaus
größere, für die Stadtgeschichte grundlegende Teil dieser Sammlung, als Schenkung seiner Frau Elfi Sellier
(+1988) in den Besitz des Historischen Vereins über. Ein weiteres Sammlungsgebiet Robert Selliers waren
die „Münzen und Medaillen des Hochstifts Freising“, wie auch der Titel seines 1966 erschienenen Werks
lautete. „In ihrer wissenschaftlich erarbeiteten, weitgehenden Vollständigkeit“ übergab er die wertvolle
Sammlung in einer letztwilligen Verfügung an den Historischen Verein.
Dass Ankäufe für die Sammlung des Vereins, dass Restaurierungsmaßnahmen und auch die Herausgabe von
Publikationen sehr kostenintensiv sind, hatte
der 1979 verstorbene Freisinger Amtsrichter Josef Nerz
erkannt und die beiden wichtigen Aufgaben testamentarisch mit einem stattlichen Vermögen großzügig
gefördert.
Es sei erinnert an die Stiftung des Freisinger Unternehmerpaares Anton und Friedl Schlüter. Darunter nicht
nur die Ausstattung des Chefbüros, sondern auch die Tafeln mit den fotografischen Abbildungen der
Mitarbeiter der einst weitberühmten und gerühmten Traktorenfabrik Schlüter, ein Anziehungspunkt für viele
Besucher des Stadtmuseums, die Familienangehörige, Freunde und Bekannte darauf wiedererkennen. Auch
die Bildzeugnisse, die Frau Marianne Sellmeier aus München in den letzten Jahren dem Verein übergeben
hat, haben unsere Sammlung bereichert.
Es ist das Verdienst von Herrn Adolf Deppisch, der 1968 im Alter von nur 61 Jahren verstarb, dass wir uns
heute noch in eindrucksvollen Bildern an das „alte“ Freising, seine Straßenzüge, seine Gebäude erinnern
können. Als langjähriges Mitglied und Bibliothekar des Historischen Vereins, als Bauamtmann und
Kreisheimatpfleger für die Stadt Freising hatte er Zeit seines Lebens darauf hingearbeitet, ein Freisinger
Häuserbuch zu erstellen. Unter dem bescheidenen Namen „Alt-Freising-Sammlung“ erhielt der Historische
Verein 2007 diese Sammlung als großherzige und sehr wertvolle Schenkung durch seinen Sohn Herrn Dolf
Deppisch.
So stellt das Stadtmuseum Freising und seine Sammlung nach wie vor den Stolz des Historischen Vereins dar.
Alle, die unser Museum in irgendeiner Weise bedachten und bedenken, wussten und wissen, dass ihre
Schenkungen nicht nur für die Nachwelt sicher aufbewahrt, sondern auch restauriert, wissenschaftlich
beschrieben und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies macht das Museum im doppelten Sinn
zu einem Geschichtsort, die Exponate öffnen ein Fenster in die Freisinger Vergangenheit, die an ihnen
angebrachten Objekt-Beschriftungen geben Hinweise auf die Spender, sind Teil der Erinnerungskultur
unserer Stadt. Zum andern kann das Museum als der begünstigte Teil seine Aufgabe als Geschichtsort besser
leisten und bewahrt sicher auf, was sonst vielleicht verloren ginge. Der dritte positive Effekt kommt der
Öffentlichkeit zugute, den interessierten Bürgern und Besuchern unserer Stadt, denen die Dotationen einen
lebendigen Einblick in die Geschichte, die Kunst und die Kultur Freisings geben.
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Gerade in den letzten Jahren konnte der Verein einige besonders kostbare Objekte für seine Sammlung
erwerben. So 2002 die wunderschöne Freising-Ansicht von Max Joseph Wagenbauer, 2005 das
charaktervolle Porträt des Bischofs Philipp von der Pfalz, ein Werk Peter Gertners
oder 2008 das
stimmungsvolle Gemälde „Gehöft in Attaching bei Freising“ von Johann Georg von Dillis. Ein Erwerb aus
eigener Kraft wäre dem Verein mit seinen bescheidenen finanziellen Mitteln oft nicht möglich gewesen,
hätten ihn nicht hochmögende Gönner bei dieser wichtigen Aufgabe der Mehrung der Sammlung unterstützt
oder dringende Restaurierungsarbeiten ermöglicht. So geht herzlicher Dank
für die großzügige
Unterstützung an die Ernst von Siemens Kunststiftung, München, an die Kulturstiftung der Sparkasse
Freising, die
Stadtwerke Freising,
das Unternehmen Texas-Instruments und an viele Freisinger, die
ungenannt bleiben wollen, denen aber unsere Museumssammlung ein Anliegen ist.
Lassen Sie mich noch auf den nicht mehr wegzudenkenden Einsatz des Vereins für die Denkmal- und
Stadtbildpflege kommen, das Eintreten für das geschichtliche Erscheinungsbild Freisings und die Erhaltung
historischer Substanz. Die Unabhängigkeit des Vereins – da keine Interessen politischer oder wirtschaftlicher
Art bestehen, gibt ihm die Möglichkeit, für die Belange der Erhaltung und Überlieferung zu sprechen. Unter
den zahlreichen Bemühungen des Vereins, der diese auch als wichtige kommunale Aufgabe sieht, sollen hier
kurz einige Initiativen genannt werden.
Das denkmalpflegerische Engagement des Vereins begann in den Jahren 1897/1898 mit dem entschiedenen
Einsatz für das letzte noch verbliebende Freisinger Stadttor, dem Ziegeltor. Hier schieden sich erstmals – wie
auch bei heutigen Diskussionen üblich - die Geister. Während die Befürworter des Torabbruchs, kräftig
unterstützt vom Redakteur der Freisinger Zeitung, die Initiative des Vereins mit dem Motto „O Zieglthor, o
Zieglthor – Wie kommst du mir historisch vor!“ ins Lächerliche zogen und forderten, dass das Tor dem
Historischen Verein „schankungsweise oder käuflich zu überlassen“ sei. Der solle das Bauwerk „entweder in
seine Sammlung aufnehmen oder als geeignetes Portal bei der Hl. Geistgasse – dort war nämlich das
Museum des Vereins positioniert - wieder aufstellen“ lassen. Nachdem das Jahr aber bereits zu
fortgeschritten sei, solle man im Frühjahr zeitig beginnen, damit die Übergabe am „1. April 1898“ erfolgen
könne. Nach dieser bissigen, polemischen Lokalposse wurde der Streit um den Erhalt des Tores letztendlich
auf der höheren politischen Ebene in München entschieden und sein Abriss durchgesetzt. Georg Orterer,
einflussreicher Zentrumsabgeordneter, mit Freising durch seine Schulzeit und seine Lehrtätigkeit bis 1892
eng verbunden, Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden Dr. von Daller und ab 1899 Präsident der
Bayerischen Abgeordnetenkammer, telegrafierte am 10. Januar 1898 kurz und knapp an den Freisinger
Bürgermeister Martin Mauermayer: „Das Ziegelthor fällt“
.
Das Tor, angeblich Symbol für
negative
Beschränkung und Begrenzung der alten Stadt, stand dem damaligen Fortschrittsgeist und angeblich der
Entwicklung eines neuen Freisings im Wege. Dieses Ausspielen des sogenannten „Fortschritts“ gegen
Tradition und Bewahrung des Stadtbildes ist als Grundmuster der Auseinandersetzungen bis heute gleich
geblieben.
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Erfolgreicher war die Initiative des Vereins einige Jahre später, als es um die ehemalige Dorfkirche des 1883
aufgelassenen Weilers Oberberghausen im Jahre 1905 ging. Das Schicksal der kleinen Kirche schien
besiegelt. Dem Historischen Verein, vor allem dem Einsatz seines damaligen Bibliothekars Georg Klebel, ist
ihr Erhalt zu verdanken.
1959 unterlag man wie 1898 beim Ziegeltor den von mächtigen Gegnern geforderten Abbruch der
romanischen Martinskapelle auf dem Domberg. „Die Kapelle befindet sich an der Nordseite des Seidlbaus
und wird von den Baufachleuten als äußerst störend empfunden“, so der überhaupt nicht ironisch gemeinte
Tenor eines Gutachtens, das den Abbruch beschleunigen sollte. Um diesen Abbruch voranzutreiben, war
jedes Mittel recht. So kursierte damals ein bitteres Bonmot in Freising, das besagte, mit jeder weiteren
offiziellen Stellungnahme der Verantwortlichen, die den Abbruch betrieben, werde die Martinskapelle immer
jünger.
Erfolgreich war das Eintreten des Vereins, angeführt von seinem damaligen Vorsitzenden Sigmund Benker
und seines Mitstreiters Hubert Glaser um die Bewahrung des Philipp-Schlosses auf dem Domberg in den
siebziger Jahren. Bei der kurzen Öffnung des Diözesanmuseums Mitte Mai 2015 wurden unter anderem
noch einmal die Wettbewerbsmodelle ausgestellt, mit denen die Planer damals den gesamten Nordrand der
Dombergbebauung rigoros abräumen wollten. Eine Realisierung dieses Wettbewerbs, eine Durchführung
dieser Kahlschlagsideologie hätte eine städtbauliche Katastrophe für Freising bedeutet, nicht auszudenken,
wenn diese Planungen realisiert worden wären. Vor einigen Wochen, am 4. August 2015 verstarb mit Prof.
Helmut Gebhard der Architekt, dem damals das Kunstück gelang, ein historisches Gebäude und eine
modernen Schulbau schlüssig miteinander zu verbinden.
Für den Erhalt des Marcus-Hauses am Marienplatz trat der Verein in besonderer Weise ein. Es stellt
steingewordene Geschichte unserer Stadt dar, sowohl Bürger- und Wirtschaftsgeschichte früherer
Jahrhunderte, erinnert aber auch an Leid und Unrecht, das dem jüdischen Besitzer Marcus Lewin im 3. Reich
angetan wurde. In den Jahren 2007-2010 wurde es durch die Stadt Freising vorbildlich saniert .
Die Sorge des Vereins um die erhaltenswerten Grabdenkmäler an der Freisinger Friedhofskirche und im
Friedhof St. Georg führte unter anderem zur Renovierung und Neuaufstellung des Oberbucher Grabmals
2002 am Originalstandort im Nordwesten der Friedhofskirche. Das 1787 entstandene repräsentative
Denkmal der wohlhabenden Kaufmannsfamilie mit seinen vier Schauseiten ist in seiner Art in ganz Bayern
einmalig. Die 2005 auf dem Dachboden über der Orgelempore der Friedhofskirche aufgefundenen
Grabsteine – mehr als 20 Stück, bedeutende Quellen zur Stadtgeschichte - wurden und werden auf Initiative
des Vereins wieder an ihren Standorten an der Kirche angebracht.
Am Ende sei abschließend auf die bisher letzte Dauerleihgabe für den Historischen Verein hingewiesen, die
heute im Mittelpunkt steht. Die Königlich Privilegierte Feuerschützengesellschaft Freising übergab am 16.
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Dezember 2009 ihren großen und wertvollen Bestand an historischen Schützenscheiben an die Sammlung
des Historischen Vereins Freising. Diese ungewöhnlich reichhaltige Sammlung von über 100 Scheiben
besitzt durch ihr Alter, ihre Vielseitigkeit an Motiven, durch ihre Verbundenheit mit der Stadt- und
Landesgeschichte, aber auch durch die Selbstdarstellung einer selbstbewussten Bürgerschaft, überregionale
Bedeutung und verdient besondere Aufmerksamkeit. Für die Nachwelt gesichert und restauriert, wird der
bemerkenswerte Bestand zu Recht im Jubiläumsjahr des Vereins im neuen Sammelblatt wissenschaftlich
beschrieben und im Stadtmuseum der Öffentlichkeit präsentiert – Freising und seiner Geschichte verpflichtet.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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