„Unser Name verpflichtet“

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UNTERNEHMERPorträt
Im Gespräch mit Philip F. W. Harting, HARTING Technologiegruppe, Espelkamp
„Unser Name verpflichtet“
Gelungene Nachfolgeregelungen in Unternehmen sind mancherorts ein existenzielles
Problem. Nicht so in OstWestfalenLippe, wo die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen als echter Wert hochgehalten wird. Ein besonders gelungenes Beispiel liefert
die HARTING Technologiegruppe in Espelkamp, wo die Eigentümerfamilie – Dietmar
Harting und Margrit Harting sowie ihre Kinder Philip F. W. Harting und Maresa HartingHertz – Hand in Hand arbeiten. Jede und jeder auf ihrem oder seinem Platz, mit eigenem Verantwortungsbereich.
Von Reinhard Schwarz
D
ie Unternehmensübergabe ist ein
klar strukturierter Prozess und
läuft seit mehreren Jahren erfolgreich
und ohne Dissonanzen. Schritt für
Schritt ist mehr und mehr Verantwortung auf die dritte Generation, also auf
die Kinder Philip F. W. Harting und
Maresa Harting-Hertz übertragen worden. Ende 2013 wurden beide persönlich
haftende Gesellschafter.
In vielen Dingen sind die vier Familienmitglieder einer Meinung, manchmal
haben sie aber auch unterschiedliche
Auffassungen zu einem Thema. Dann
muss irgendwann einmal eine letzte
Entscheidung her. Philip Harting,
Vorstand Connectivity & Networks,
HARTING ist bekannt für seinen
Industrie-Steckverbinder Han®.
Han® steht dabei für HARTING Norm.
OWL_Das Magazin 21.2015
Global unterwegs, in OstWestfalenLippe zu Hause:
Philip F. W. Harting leitet gemeinsam mit seinen Eltern Dietmar
Harting und Margrit Harting sowie der Schwester Maresa
Harting-Hertz die HARTING Technologiegruppe in Espelkamp.
sagt ganz selbstbewusst: „Diese finale
Entscheidung trifft unser Vater. Damit
haben wir Kinder aber kein Problem.“
Bodenständigkeit und Weltoffenheit
„Ich bin global unterwegs und hier zu
Hause.“ Kürzer und prägnanter lässt sich
kaum ausdrücken, was Philip Harting,
der in Espelkamp aufwuchs und heute
in Lübbecke lebt, und viele seiner mittelständischen Unternehmerkollegen
aus OstWestfalenLippe auszeichnet.
Zahlreiche der hier ansässigen inhabergeführten Unternehmen sind bekannte
Weltmarktführer, andere genießen ihr
eher unauffälliges Dasein als Hidden
Champions. Typische Kennzeichen aller
sind ihre unerschütterliche Bodenständigkeit einerseits und die weltoffene
Vertriebsmentalität andererseits.
Wie Philip Harting tragen zahlreiche
Unternehmerinnen und Unternehmer
ihren Namen als Produkt- und Markennamen vor sich her. Mit Stolz und in
dem Bewusstsein, dass der Familienname
ein Qualitätssiegel ist – bei Harting für
elektrische und elektronische Steckverbinder. „Unser Nachname steht auf
unseren Produkten“, sagt der 40-Jährige,
„und deswegen sehen wir uns gegenüber unseren Kunden im Besonderen
in der Verantwortung. Unser Name
verpflichtet.“ Es spricht für ihn, dass er
die unmittelbaren Wettbewerber Wago,
Weidmüller und Phoenix Contact aus
den Nachbarstädten Minden, Blomberg
und Detmold mit einschließt: „Wir
haben hier eine einmalige Ansammlung von Weltmarktführern. Und wir
verstehen uns als sportliche Rivalen,
nicht als Feinde.“
„Das Unternehmen ist die Diva!“
Es ist nicht nur die durchaus als sportlich
gesehene Fairness, die den leidenschaftlichen Handballfan und Hauptsponsor
des Handball-Bundesligisten GWD
Minden ausmacht. Und es ist auch das
unternehmerische Selbstverständnis, das
im kreativen Umfeld einer harmonisch
miteinander arbeitenden Familie blühen
konnte und die Nachfolgeregelung einfach machte. „Als ich ins Unternehmen
Fotos (4): HARTING
eintrat und die mir übertragenen Aufgaben übernahm, war es
mein Vater, der uns allen zeigte, wie man loslassen kann. Meine
Schwester Maresa und ich haben von Kindesbeinen an erlebt,
dass das Unternehmen unser aller Lebensmittelpunkt ist. Oder
wie meine Mutter gerne sagt: „Das Unternehmen ist die Diva!“
Philip Hartings Karriere verlief geradlinig. Der Sohn wuchs
mit großem Respekt vor der Lebensleistung seiner Eltern
Dietmar (75) und Margrit Harting (70) auf und wusste schon
zu Schulzeiten, wohin die Reise gehen sollte. Nach dem Abitur
machte er außerhalb des Familienunternehmens erst einmal
eine Lehre zum Industrieelektroniker in Minden. „Und nach
Feierabend habe ich aus eigenem Interesse systematisch alle
Abteilungen unseres Unternehmens besucht. Ich wollte dicht
am Thema bleiben und von der Pike auf lernen. Damit den
Menschen, die hier leben und für HARTING arbeiten, zeigen,
dass ich den technischen Kern des Unternehmens verstehe.“
Nach Studienabschluss als Diplom-Kaufmann an der Universität Köln wechselte er als Assistent der Geschäftsführung
zu HARTING, um dann von 2005 bis 2008 ausgehend vom
Management-Center in Hongkong das gesamte Asiengeschäft
der Technologiegruppe voranzutreiben und auszubauen. In
seiner Funktion als Managing Director arbeitete er sich in
alle relevanten Bereiche ein, belegte Kurse und Seminare,
um die Basics asiatischer Sprachen und Kulturen zu erlernen.
„Mir war es wichtig, meine Kunden und Mitarbeiter verstehen
und respektieren zu können.“ >>
Das Goldene Zeitalter
der Kartographie
13. September –
6. Dezember 2015
www.weltvermesser.de
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Porträt
Harting Technologiegruppe, Espelkamp
Gesamtumsatz 2013/14 (30.09.): 547 Mio. Euro (2012/13 484 Mio.)
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: 4.048 (Stichtag 30.09.2014)
in 42 Vertriebsgesellschaften und 12 Produktionsstätten
Produkte (Beispiele)
n PROFINET
n Leiterplattensteckverbinder
n Leiterplattensysteme
>> Orientierung an
Unternehmensleitlinien
Damals lag der Umsatz des Asiengeschäftes am HARTING Gesamtumsatz
bei 8 Prozent, Ende des Geschäftsjahres
2013/14 (30.09.) waren es 24 Prozent.
Mittlerweile arbeiten rund 700 Menschen in dieser Region für HARTING.
2008 kehrte Philip Harting nach Espelkamp zurück. „Der will“, dachten
wohl seine Eltern, als sie ihm 2008
den Vorstandsbereich „Connectivity &
Networks“ – das Kerngeschäft der Unternehmensgruppe – übergaben. Seine
Karriere sieht er heute so: „Ich bin jetzt
zehn Jahre aktiv dabei, gefühlt aber sind
es deutlich mehr.“ Gemeinsam mit seiner Schwester Maresa, die als Vorstand
für den Bereich Finanzen und Einkauf
zuständig ist, orientiert er sich immer
an den Unternehmensleitlinien, die gemeinsam von der Familie, demVorstand
und den Mitarbeitern erarbeitet wurden
und gelebt werden.
Dazu passt auch die enge Verbundenheit zur Region, in der immer wieder
kräftig investiert wird – zuletzt in die
Erweiterung von HARTING Systems
in Espelkamp-Isenstedt (am Mittellandkanal). HARTING Systems produziert
neben weltweit erfolgreich eingesetzten
Automaten- und Verkaufssystemen für
den Einzelhandel auch Gehäusesysteme
und Blechkomponenten aus Stahl, Edelstahl und Aluminium, die nach indivi-
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n Industriesteckverbinder
Han®
n Werkzeuge
Han®
Han®
n Systemkabel und Kabel konfektionen Han®
n Han-Yellock®
n Ha-VIS RFID
n Ethernet Switches eCon
n Hall-Effekt Stromsensoren
n Zubehör
duellen Kundenwünschen angefertigt
werden. In die Erweiterung des Neuen Ausbildungszentrums HARTING
(NAZHA) in Espelkamp von derzeit 127
Auszubildenden auf 180 Auszubildende
wird ebenfalls kräftig investiert, denn
man will auch mit den Fachkräften
von morgen kräftig wachsen. Und die
Vorbereitungen für den Bau des neuen
Logistik- und Versandzentrums in Espelkamp laufen auf Hochtouren. Hier
soll noch 2015 mit den Bauarbeiten
begonnen werden. Insgesamt rund 44
Millionen Euro betrugen die Investitionen im Geschäftsjahr 2013/14 – so
hoch wie nie zuvor. Auf Rekordniveau
werden sie auch 2014/15 sein.
„Hier ist meine Heimat“
HARTING fördert zahlreiche kulturelle
Projekte. So setzt sich Margrit Harting
seit vielen Jahren engagiert für das Neue
Theater in Espelkamp und die Nordwestdeutsche Philharmonie ein. Philip
Harting hingegen hält es sportlich wie
Großvater Wilhelm und Vater Dietmar
n smart Power Networks –
Das Energiemanagementsystem
n I/O Steckverbinder inkl.
Werkzeuge, Zubehör
n Device Connectivity
Kabelkonfektionen
n 3D MID Microsysteme
n Shopsysteme & Projektierung
n Sondermaschinen und Werkzeuge
n Mechatronische Systeme
www.harting.com
Harting, die den GWD Minden (früher: Grün-Weiß Dankersen) nicht nur
materiell unterstützten, sondern selbst
regelmäßige Zuschauer waren. Seinem
Vater Dietmar und ihm liegt vor allem
die Jugendförderung des GWD Minden
am Herzen.
Und wie es sich für eine harmonisch
zusammenlebende Familie gehört, hegt
und pflegt man ein gemeinsames Hobby:
die Jagd. „Mir kommt es dabei in erster
Linie auf die Hege und Pflege an“, sagt
Philip Harting. Ansonsten findet er
Ausgleich auf dem Crosstrainer, er liest
viel, beschäftigt sich mit Geschichte.
Auch wenn er häufig unterwegs ist
und das Pulsieren in den Metropolen
Asiens erlebt, so freut er sich doch
immer wieder auf die Heimat: „Ich bin
froh, dass ich hier eine wunderschöne
und abwechslungsreiche Landschaft
erleben kann: OstWestfalenLippe und
der Mühlenkreis – da ist nicht nur unser
Unternehmenssitz, das ist auch meine
Heimat!“