Experteninterview: Siva Pariti

Experteninterview mit Siva Pariti, Sustex Solutions.
Hintergrund:
Dr. Pariti, Siva, ist Experte für Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit im Rahmen des TextilProgramms und anerkannter Experte auf diesem Gebiet mit ZDCH und Marken-Programmen. Das
Unternehmen Sustex Solutions ist Teil einer der führenden Hersteller des Färbemittels Dystar.
Herr Dr. Pariti, auf welchen beruflichen Werdegang schauen Sie zurück und wie kam es zur
Zusammenarbeit mit Fairtrade?
Sustainable Textile Solutions in Mumbai ist eine unabhängige Sparte von DyStar. Ich bin Techniker für
Zwischenprodukte und Färbemittel vom Institut für Chemische Technologie der Universität Mumbai.
Meine Schwerpunktthemen sind Umweltschutz, Prozesse für Chemikalienmanagement und der
Bereich „chemischer Compliance“ nach dem International Standard for Laboratories, kurz ISL.
Mit Fairtrade arbeite ich im Rahmen der Implementierung des Textil-Standards bei den Partnern der
Wertschöpfungskette zusammen. Es geht konkret um die Einhaltung der Kriterien zum Umgang mit
chemischen Stoffen.
Warum braucht die Textilindustrie einen Fairtrade-Standard?
Die Wertschöpfungskette in der Textilindustrie ist sehr komplex. Es ist wichtig, dass in jedem Glied
der Kette gute und faire Praktiken eingeführt werden. Dies ist aber häufig nicht bei allen Partnern der
Fall. Wir brauchen Fairtrade, damit auch der menschliche Faktor berücksichtigt wird. Auf allen Stufen
der Wertschöpfungskette arbeiten Menschen intensiv an der Produktion der Rohstoffe und Textilien.
Hier kommt Fairtrade zum Einsatz: Denn bei Fairtrade wird nicht nur darauf geachtet, dass die Ware
korrekt produziert werden, sondern auch das „Wie“ der Herstellung wird betrachtet. Also, dass die
Menschen, die in der Produktionskette arbeiten fair behandelt werden.
Fairtrade betritt hier einen wichtigen Bereich. Es gibt bereits verschiedene Akteure, die in diesem
Segment arbeiten. Aber ich glaube, es gibt eine Notwendigkeit für einen Standard und eine
Organisation, die all die verschiedene Aspekten gemeinsam betrachtet.
Was sind die größten Probleme, die in den Fabriken in Sachen Umweltschutz, Gesundheit und
Sicherheit verbessert werden müssen?
Es muss ein Fokus darauf gelegt werden, ein Bewusstsein für den Umgang mit chemischen
Substanzen zu schaffen – ein Bewusstsein für die chemischen Substanzen, die die Menschen nutzen,
ob wissentlich oder nicht. Bislang ist dies ein Bereich, dessen Know-How von großen Unternehmen
unter Verschluss gehalten wird. Kleinere Fabriken haben teilweise überhaupt keine Kenntnisse
darüber. Der richtige Umgang mit Chemikalien und das Bewusstsein dafür, was in den Produkten
steckt, hat auch Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit. Dieses notwendige Bewusstsein sowie
die damit einhergehende Kommunikation ist ein Teil der Herausforderung, der wir gegenüberstehen.
Es ist enorm wichtig, über Chemikalien und deren Risiken zu informieren, über die adäquate
Schutzkleidung und wie sie richtig genutzt wird, wann sie gewechselt werden sollte, und wie sie
entsorgt wird. Hier sind Verbesserungen in den Fabriken notwendig, denn was wir derzeit sehen, ist,
dass beispielsweise Schutzkleidung nur allgemein genutzt wird und nicht spezifisch. Außerdem gibt
es Defizite bezüglich Chemikalienmanagement im Falle von Unfällen. Wir brauchen hier
Verbesserungen.
Was sind die Herausforderungen bei der Implementierung von Standards?
Das wichtigste bei der Implementierung eines Standards in einer Fabrik für Textilproduktion ist:
Bewusstsein schaffen und die Anforderungen so kommunizieren, dass sie ankommen. Nur so ist zu
erreichen, dass die Fabriken an den notwendigen Verbesserungen arbeiten. Das bedeutet, dass wir
von Anfang an schnell für Bewusstsein unter den richtigen Leuten sorgen müssen, um sicher zu
stellen, dass sie genau wissen, was verbessert werden muss. Außerdem ist es wichtig, dass die
Anforderungen verstanden werden und dass der globale Maßstab, also das was als vorbildliches
Niveau gilt, klar kommuniziert wird.
Der Schwerpunkt sollte nicht darauf liegen, wie etwas „korrekt“ erfüllt wird, sondern wo die
Bestmarke liegt. Die Leute sollten das Ziel kennen und wie es erreicht wird, statt sich auf die
derzeitigen Praktiken zu konzentrieren. Aktuell wird nur angestrebt die Anforderungen gerade so zu
erfüllen. Aber das ist nicht das, was wir im größeren Rahmen anstreben. Wir wollen, dass jeder
anstrebt, Branchenführer zu werden. Deshalb wollen wir Bewusstsein dafür schaffen, was erreichbar
ist und was wir als Bestmarke ansehen, damit die Leute ihren eigenen Strategieplan entwickeln
können, wie das erreicht wird. Verständnis für Best Practice zu schaffen ist ebenfalls eine große
Herausforderung. Wir wollen über die reine Einhaltung von Kriterien hinausgehen. Das halte ich für
wichtig.
Wo liegen die Herausforderungen für die Auditoren?
Um diese Frage zu beantworten ist es wichtig zu verstehen, dass jede Fabrik einzigartig ist. Es gibt
Gründe, warum jemand einen Job auf eine bestimmte Art und Weise erledigt und ein Auditor muss
diesen spezifischen Grund erkennen. Nur Experten können das leisten und dann die Lücke aufzeigen
zwischen den aktuellen Praktiken und jenen, die erreicht werden sollen. Der Experte muss den
Leuten verständlich machen, warum aktuelle Praktiken nicht korrekt sein mögen und wie die
Aufgabe besser gelöst werden kann.
Das ist eine große Herausforderung, denn häufig sind Auditoren keine Experten und behandeln alle
Fabriken gleich. Für die Nicht-Einhaltung von Kriterien gibt es bislang allgemeine Lösungen, die jeder
Fabrik gleichermaßen auferlegt werden. So sollte es nicht laufen. Die wichtigste Aufgabe der
Auditoren ist es, zu verstehen, warum und wie Dinge gemacht werden. Nur so kann vermittelt
werden, wie die Prozesse eigentlich aussehen sollten. Die Konsequenz daraus ist: Nicht nur jede
Fabrik, sondern auch jeder Lösungsansatz wird einzigartig sein.
Wir können nicht vorhersagen, dass das, was in Fabrik A gut funktioniert auch in Fabrik B klappt,
obwohl das Problem dasselbe ist. Denn Fabrik A und B unterscheiden sich, obwohl sie vielleicht
dasselbe produzieren. Es ist ein bisschen wie kochen: Zwei Leute können dasselbe Essen kochen, mit
denselben Zutaten und demselben Rezept, aber beide Gerichte werden unterschiedlich schmecken.
Das müssen wir als Experten verstehen und demnach Lösungen kreieren, die für die spezifischen
Fabriken nutzbar, umsetzbar und anpassbar sind. Das ist die größte Herausforderung, die auf die
Auditoren zukommt und die nur durch gut ausgebildete Auditoren lösbar ist. Denn sie wissen, wie
diese Lösungen kommuniziert werden müssen und schaffen ein Gefühl von „Ach, so einfach ist das!“.
Meistens ist die Lösung wirklich sehr einfach und die größte Aufgabe für den Auditor ist es, diese
einfache Lösung zu finden.
Was unterscheidet den neuen Fairtrade-Ansatz mit Standard und Programm von anderen bereits
existierenden Standards?
Der neue Standard betrachtet alle Teile der Wertschöpfungskette, die bislang separat
wahrgenommen wurde, zusammenhängend - von der Ernte bis zur Produktion in der Fabrik.
Außerdem handelt es sich dabei nicht nur um einen Standard, der einem sagt, was man tun muss. Er
sagt einem auch, wie etwas zu tun ist. Er vermittelt die Kriterien verständlich und gibt den Fabriken
Zeit und Informationen bezüglich der richtigen Ressourcen, damit nachvollziehbar ist, wie die Ziele
erreichbar sind. Es handelt sich beim Standard nicht nur um eine Checkliste oder einen Aktionsplan
sondern ist viel weiter entwickelt. Experten sind in die Trainings involviert und in die Kommunikation
darüber, welche Schritte benötig sind. Sie entwickeln Lösungen, die berücksichtigen, was für die
Leute erreichbar ist. Es ist vielmehr ein Gesamtprozess als nur ein Plan, um Korrekturmaßnahmen
umzusetzen.
Mit welchen Reaktionen ist zu rechnen?
Um eine erfolgreiche Implementierung des Standards zu ermöglichen, braucht es eine klare
Kommunikation der Erwartungen und Kriterien, die dann eine Brücke bildet, um bestehende Lücken
zu schließen. So nimmt man die Leute an die Hand und sie werden bereit sein, Verbesserungen
umzusetzen. Ich glaube, Fairtrade wird als Partner sehr wertgeschätzt werden, weil mit Hilfe des
fairen Handels große Verbesserungen erreicht werden.
Vielen Dank für das Gespräch.