Die Welt im Umbruch

Die Presse (Morgenausgabe)
06/02/2016
Auflage 83.190
Seite Immobilien8-11
Artikelfläche
157284 mm²
DIE WELT
IM UMBRUCH
Big Data, Globalisierung, demografischer
Wandel und nachhaltige Ökonomie: vier
gesellschaftliche Megatrends, und wie sie
die Immobilienbrandfe verändern werden.
TEXT: CHRISTIAN LENOBLE
Zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
Anfragen zu weiteren Nutzungsrechten an den Verlag oder Ihren Medienbeobachter
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Die Presse (Morgenausgabe)
06/02/2016
Vom
Auflage 83.190
Beginn der digitalen Zeitrechnung bis
Data lautet das Schlagwort zu Beginn des dritten
Apropos Kundenservice: Wie stark wird die digitale Revolution jene Immobilienteilbranchen
verändern, die bis dato besonders auf Face-toFace-Kontakte aufgebaut waren? Fürchten etwa
Immobilienmakler, dass sie von privaten Käufern immer seltener zurate gezogenwerden und
die Neukundengewinnungzunehmend schwie-
Jahrtausends. Gemeint sind nicht nur riesige
riger werden könnte?
Datenmengen, sondern auch deren Komplexität
und die Geschwindigkeit, mit der sie sich im
Zeitalter der Digitalisierungerneuern.
"Vor dem Internet war Wissen eine exklusive
sche Immobilienunternehmerin und -sachverständige seit mehr als 30 Jahren, verneint.
"Selbst wenn alle Infos online sind: Ein Haus,
eine Wohnung oder ein Büro muss immer noch
.erfühlt' werden. Das kann nur auf direktem Weg
passieren, und da ist der Makler persönlich gefragt. Die gesamte Begleitungdes Kunden wäh-
zum Jahr 2003 hat die Welt fünf Exabyte
(10 hoch 18 Byte) an Daten generiert. 2011
wurde diese Menge an Daten alle zwei Tage produziert, 2013 brauchte es dafür nur noch zehn
Minuten, 2015 noch ganze fünf Sekunden. Big
Macht, die gern im Sinne des Wettbewerbsvorteils geschützt wurde. Heute ist Wissen überall
und jederzeit zugänglich, durch Verlinken verzweigbar und in seiner Ausdehnung unkontrollierbar" stellt der US-amerikanische "Internetphilosoph" David Weinberger fest. Die Conclusio, die er zieht: "Unser bisheriges Konzept von
Wissen ist nutzlos geworden. In Zukunft werden
jene zu den Gewinnern zählen, die aus dem unendlichen Datenpool die richtigen Schlüsse zie-
hen."
Margret Funk, österreichi-
rend des Ankaufs oder Anmietungsvorganges
bleibt beim .lebendigen' Maklerpartner."
Grenzenlose Konsequenzen, ist von der
Digitalisierung der Welt die Rede, fallt zwangsläufig das Stichw'ort der Globalisierung. Das gilt
für die Wirtschaft im Allgemeinen und den Immobiliensektor im Besonderen. "Die Globalisie-
rung hat die Immobilienwirtschaft und -inärkte
Wer die Zukunft kennt, "ln Zeiten der durch
die mobile Revolution vorangetriebenenVernetzung des digitalen Nervensystems gewinnt die
Prognose die Oberhand über die bloße Diagnose", sagt der österreichische Medien- und Kulturmanager Rudolf Klausnitzer in seinem Buch
"Das Ende des Zufalls". Die sogenannte Predictive Analysis ermöglicht künftig, bereits im Voraus zu wissen, was die Kunden wollen. Für
Unternehmen, die diesen Informationsvorsprung nutzen, ergeben sich daraus neue Business-Modelle. "Wer die Zukunft kennt, dem gehört sie", so Klausnitzer.
Für die traditionell analog aufgestellte Immobilienbranche ist damit ein dramatischer Wandel
eingeläutet. Schnittflächen der Branche mit Big
Data gibt es genug. Es gilt, sie zu erkennen und zu
nutzen. "Wenn auf Gebäudeebene große Mengen
an technischen Daten aufgezeichnet und in Echtzeit analysiert werden, kann etwa die Energieeffizienz erheblich beeinflusst werden. Daraus folgen
beträchtliche Kostenminderungen für Betreiber",
nennt Thomas Beverle, Group Head of Research
der ImmobiliengesellschaftCatelia, ein Beispiel.
Auf Marktebene können laut Beyerle Finanz-, Investment- und Marktdaten, ähnlich wie bei BigData-Anwendungen im Finanzsektor, unterstützend zur Kaufentscheidung und Risikoeinschätzung verwendet werden. Auf Dienstleistungsebene ermöglichen transparente Kundenprofile ein
verbessertes und auf den Klienten zugeschnittenes Angebot des Kundenservice.
zunehmend erfasst. In allen Wertschöpfungsketten hat der Einfluss von Marktakteuren aus
anderen Ländern qualitativ und quantitativ zugenommen" sagt Günter Vornholz,
Professor für Immobilienökonomie
an der EBZ Business School Bochum
und Autor des 2015 erschienenen
Buches "Internationale Immobilienökonomie: Globalisierung der Immobilienmärkte". Von Projektentwicklungen
über Nutzermarkt und Investmentmarkt bis hin
zu verschiedenen Immobiliendienstleistungsmärkten seien die Folgen der Globalisierung
"Unser bisheriges
Konzept von Wissen ist
nutzlos geworden."
festzustellen.
Internationale Player und Usancen kommen ins
eigene Land und verändern den Wettbewerb, die
Geschäftsmodelle und die Spielregeln auch in
den Heimatmärkten. Zugleich erhöhen sich
Markttransparenz und Gesamtangebot. Das damit ansteigende Vermögen lässt wiederum die
wirtschaftliche Bedeutung des Immobiliensektors innerhalb einer Volkswirtschaft anwachsen.
Durch die zunehmende Globalisierung der Immobilienmärkte werden zudem die mehrspra-
chige Kommunikation und das grenzüberschreitende Know-how in technischen oder rechtlichen Fragen zu wichtigen strategischen Herausforderungen.
"Zwar können Immobilien nicht ex- oder importiert
werden, wohl aber werden Dienstleistun-
gen oder Eigentumsrechte von Immobilien
international gehandelt", bringt Vornholz die
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internationalen Aktivitäten auf den Punkt. Die den Bedarf nach altersgerechten und barrieredavon ausgehenden Impulse treffen freilich freien Wohnmöglichkeiten. Und der Trend in
nicht alle Märkte gleich. Auch in Zukunft werde Richtung zunehmender Individualisierung, weg
es weiterhin stark lokal orientierte und gleichzei- von der klassischen Familienform, endet in einer
tig stark globalisierte Märkte, wie zum Beispiel starken Zunahme von Singlehaushalten. Die
die Investmentmärkte, geben. Ähnlich wie hei Bauwirtschaft wird auf diese Veränderungenmit
der Digitalisierung gilt auch in Sachen Globali- Wohnneubauten und Infrastrukturschaffung resierung: Unternehmen, die lokales Wissen mit agieren müssen.
transnationaler Kompetenz vereinen, sollten
künftig zu den Gewinnern gehören.
Immobilien als Kraftwerke. Reaktionen verlangt im Zeitalter der Nachhaltigkeit der UmSilver und single. Die aktuelle demografischc stand, dass Immobilien punkto RessourcencinEntwicklungist laut Experten ein weiterer Mega- satz und des damit verbundenen CO .-Ausstoßes
trend, der den Immobiliensektor in Zukunft
Einfluss nehmen dabei
nicht nur die Alterung der Weltbevölkerung,
sondern auch die Ab- und Zuwanderungsbewegungen. "Die Entwicklungder Bevölkerungszahlen verläuft regional unterschiedlich. Ursächlich
hierfür sind vor allem Binnenwanderungen aus
massiv betreffen wird.
ökonomisch schwächeren Regionen hin zu wirtschaftlich stärkeren; insbesondere Agglomerationsräume gewinnen", lautet eine der Erkenntnisse einer Studie (aus 2015, Schwerpunkt
Wohnimmobilien in Deutschland) der Universität Regensburg (IREBS) zu den Implikationen
der demografischen Entwicklung.
Mit der Einwohnerzunahmc in gefragten Städten
(siehe auch Seite 20) und der altersbedingten
Veränderung der Bevölkerungsstruktur ändern
sich die Wohnbedürfnisse und somit die Anforderungen an die Immobilienbranche. "Die quantitative Nachfrage nach Wohnflächen wird nach
gängigen Vorausberechnungen zumindest noch
etwa 20 Jahre zunehmen", sagt Tobias Just, wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer der
IREBS Immobilienakademie. Mehrere Gründe
zeichnen dafür verantwortlich. Zum einen altern
Menschen überwiegend in jenen Wohnungen,
die sie bereits mit etwa 50 Jahren bewohnt haben.
Sind die Kinder ausgezogen und Lehenspartner
zum Teil gestorben, fällt die Wohnfläche pro Kopf
in Seniorenhaushalten vergleichsweise hoch aus.
Bei steigendemAnteil der Personen in der Altersgruppe 65 plus wird die mittlere europäische
Haushaltsgröße von aktuell rund zwei Personen
je Haushalt in den nächsten Jahrzehnten auf
deutlich unter zwei Personen sinken.
"Der demografische Wandel hat spürbar an Zugkraft gewonnen. Die Nachfrage nach Wohnungen in Ballungszentren steigt ebenso wie die
Tendenz, hin zu kleineren Wohnungen", sagt
auch Matthias Ortner, Autor der aktuellen
-
Advicum-Consulting-Studie "Immobilientrends
2030". Die Entwicklungzur Silver Society erhöhe
immer noch als die größten Umweltverschmutzer auf der Erde gelten. Angebot und Nachfrage
bei ökologisch konzipiertenWohn- und Bürogebäuden werden sich verstärken. Ist heute noch
das Passivhaus in aller Munde, so könnte cs
morgen schon das Plus-Energie-Haus sein, das
mehr Energie produziert, als cs
verbraucht.
"Plus-Energie
heißt: 100 Prozent regenerative
Energieversorgung und emissionsfreier Betrieb. Zusätzlich
wird ein Plus an sauberem
Solarstrom an das öffentliche
Netz abgegeben", erklärt dazu der deutsche
Architekt Rolf Disch, der mit dem Bau des weltweit ersten Plus-Energie-Hauses (Heliotrop,
1994, Freiburg) als einer der Pioniere in diesem
Bereich gilt.
Mittlerweile wird in größerem Maßstah gedacht,
wie das Beispiel eines Projektes in der französischen Stadt Lyon zeigt. Errichtet wurde ein Gebäudekomplex mit einer Gesamtfläche von
13.000 Quadratmetern, der als größtes PlusEnergie-Gebäude der Welt gilt. "Die Energieerzeugung wird den Gebäudeverbrauch um
0,2 Prozent übersteigen", heißt cs seitens der
Agentur für Wirtschaftsförderungder Metropole
Lyon, Aderly. Der Einsatz von modernster Technik macht es möglich.
Einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit wird
auch die Vernetzung von Gebäuden mittels intelligenter Zähler (Smart Meter) leisten. Wenn
Sensoren Gebäude und die Nutzer in ihrem
Energieverhalten "belauschen" und immer
mehr Daten durch immer bessere Analyseprogrammeausgewertet werden, wird permanentes
Energie-Controlling zum Standard mit dem
Ziel, Nachhaltigkeit wirtschaftlich wie ökologisch in die Planung von Immobilien zu implementieren. Eine Frage von Big Data; womit sich
der Kreis der Megatrends, die die Immobilienwirtschaft vor sich hertreiben,schließt.
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Wandel hat spürbar an
Zugkraft gewonnen."
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