aktuell - Prevention First

magazin
Dezember 2015
aktuell
DAS MAGA ZIN FÜR ARBEITSMEDIZIN IN DEUTSCHLAND
HERAUSGEGEBEN VOM VERBAND DEUTSCHER BETRIEBS- UND WERKSÄRZTE
SchwErpunktthEma
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für betriebsärzte
» 5 fragen zum Präventionsgesetz
aktuEllES auS dEr arBEitSmEdizin
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im gesundheits- und Arbeitsschutz
» Der Check-up als sinnvoller bestandteil
des bgm
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im Wandel
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» Deutscher betriebsärztekongress
2015 in Aachen
© neirfy · fotolia.com
vErBand aktiv
A k t u e l l es a u s d er Arbei tsmed i z in
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aktuell Prävention im Betrieb
Prävention im Betrieb
Der Check-up als sinnvoller
Bestandteil des BGM
Praktische Tipps für die Umsetzung
Unter Berufung auf eine 2012 im British Medical Journal veröffentlichte Cochrane Metaanalyse behaupten kritische Stimmen, dass Gesundheits-Check-ups nutzlos seien. Wenn man
bedenkt, dass es sich bei meisten der eingeschlossenen Studien um simple Screening-Untersuchungen ohne Beratung
oder Lebensstil-Intervention handelte, die in den 60er und
70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durchgeführt wurden, dann wird allerdings deutlich, dass daraus keine Schlussfolgerungen für den Nutzen moderner Check-ups abgeleitet
werden können.
Demographischer Wandel und „Generation Shift“
Kontinuierlich steigt in den Unternehmen der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter/-innen an. Gleichzeitig verlagert sich
aufgrund unseres modernen Lebensstils das Manifestationsalter von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wie
Bluthochdruck, Adipositas und Typ 2-Diabetes im Vergleich zu
früheren Generationen um 10-15 Jahre nach vorne. Dies bewirkt erhebliche Belastungen für die Unternehmen, weshalb
diese in gezielte Maßnahmen zur Verhaltens- und VerhältnisPrävention investieren sollten.
Querschnittsanalyse Prevention First
Bei über 9000 Erstuntersuchungen und einem mittleren Alter
von 46 Jahren zeigte sich eine hohe Prävalenz von Bluthochdruck, Cholesterinerhöhung, Prädiabetes, geringer Fitness
und subklinischer Arteriosklerose. (s. Tab. 1)
Tab. 1
Männer
(n = 5829
13,5%
Frauen
(n = 3210)
14,5%
Bluthochdruck
Non-HDL-Cholesterin
> 160 mg dl
Prä-Diabetes (ADA)
Geringe Fitness (< 25. PZ)
38,2%
47,8%
21,8%
29,2%
29,7%
33,0%
23,7%
35,7%
Plaques an den Carotiden
21,9%
13,7%
Zigarettenrauchen
Ausgabe Dezember 2015
Bei den Untersuchten handelt es sich darüber hinaus überwiegend um Angestellte im Banken- und Versicherungswesen,
Unternehmensberater, Ingenieure und Führungskräfte. Man
darf davon ausgehen, dass dies eine positive Selektion eher
motivierter und gebildeter Menschen darstellt, und dass die
Prävalenz von Risikofaktoren in der Allgemeinbevölkerung
noch höher liegen dürfte.
Kein Zweifel kann daran bestehen, dass sich die aufgeführten Risikofaktoren langfristig betrachtet sehr ungünstig auf
das Herz-Kreislauf Risiko auswirken würden, und dass der zu
erwartende Benefit umso größer ausfällt, je früher Probleme
wie eine relevante Cholesterinerhöhung entdeckt und durch
eine gezielte Intervention auch therapiert werden.
Was braucht ein „guter“ Check-up?
Sinnvollerweise beinhaltet ein moderner Check-up eine standardisierte Anamnese unter Berücksichtigung der Familienvorgeschichte (KHK, Diabetes, Krebs), erfragt die individuelle
berufliche und private Lebenssituation, den Lebensstil und die
aktuellen Beschwerden des Probanden. Ein kleines Basislabor
könnte beispielsweise das Gesamt- und HDL-Cholesterin, die
Triglyceride, den Nüchtern-Blutzucker und das HbA1c sowie
GPT, Kreatinin, Blutsenkung und gegebenenfalls ein kleines
Blutbild umfassen.
Für die Beratung zur Lebensstiländerung ist die Visualisierung
des Herz-Kreislauf-Risikos mit dem neuen JBS3 Risk Calculator (www.jbs3risk.com) aus den Britischen Präventionsleitlinien 2014 sehr hilfreich: Er erlaubt die Darstellung der Effekte
therapeutischer Interventionen (Stopp des Rauchens, Blutdrucksenkung, Statintherapie) auf das Herz-Kreislauf-Risiko in
der Lebenszeit-Perspektive.
Die Früherkennung der subklinischen Arteriosklerose im Ultraschall (IMT-Messung und Erfassung von Plaques) kann gerade
den Risikokandidaten den Effekt „nicht spürbarer“ Risikofaktoren sichtbar und damit verständlich machen.
Zur definitiven Abklärung des Verdachts auf einen Bluthoch-
Aktuelles aus der Ar be itsmediz in
aktuell Prävention im Betrieb
Ausgabe Dezember 2015
druck hat sich die Langzeit-Blutdruckmessung über 24 Stunden (ABDM) bewährt. Bei mehr als 500 Untersuchungen fanden wir in 80% tatsächlich einen Tagesmittelwert >135/> 85
mmHg als diagnostisches Kriterium für den Bluthochdruck.
Die Fitness ist ein sehr bedeutsamer Gesundheitsfaktor: Bei
jedem dritten Probanden war die kardiovaskuläre Fitness so
gering, dass dies einer 4-fachen Risikosteigerung ähnlich dem
Rauchen einer Schachtel Zigaretten pro Tag entspricht. Über
eine Spiroergometrie mit Laktatmessung bis zur vollen Ausbelastung ermitteln wir deshalb nicht nur den aktuellen Fitnesszustand, sondern erstellen auch einen individuellen Trainingsplan.
Sollte die Umsetzung eines Fitnesstest beim Check-up im betrieblichen Setting nicht möglich sein, dann wäre zumindest
die Anwendung eines validierten Fragebogens zur körperlichen Aktivität anzuraten, um im Beratungsgespräch auf diesen wichtigen Aspekt individuell eingehen zu können.
Die entscheidende Komponente eines „guten“ GesundheitsCheck-ups ist aber in jedem Fall die individuelle und evidenzbasierte Beratung zu Risikofaktoren, Ernährung und Sport. Die
Vereinbarung gemeinsam erarbeiteter Gesundheitsziele und
das routinemäßige Angebot von Follow-up-Terminen fördern
die Nachhaltigkeit der Empfehlungen.
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zeigte sich bei einem mittleren Follow-up von 3,9 J. (Männer)
bzw. 3,5 J. (Frauen) eine signifikante Senkung des errechneten Herz-Kreislauf-Risikos bei denjenigen, die in der Erstuntersuchung ein Lebenszeitrisiko von > 40% für Herzinfarkt und
Schlaganfall hatten. Es zeigte sich eine Abstinenzquote von
44,9% der männlichen und 25,2% der weiblichen Raucher,
eine gute Blutdrucksenkung bei Vorliegen eines Bluthochdrucks in der Erstuntersuchung sowie bei den Prä-Diabetikern
(nach Definition der ADA erhöhter Nüchternblutzucker ≥100
mg/dl und/oder HbA1c ≥5,7%) eine Verminderung des zukünftigen Diabetesrisikos und 82,7% (Männer) bzw. 93,4% (Frauen) im Vergleich zur mindestens zu erwartenden DiabetesInzidenz von 35 pro 1000 Personen-Jahre.
Insbesondere die Senkung der Raucher-Prävalenz und die
Diabetesprävention im Unternehmen haben durch die damit
verbundene Reduktion von Fehlzeiten auch ein großes Potenzial zur Kosteneinsparung, wie eine aktuelle Analyse eines
Firmenkunden in Verbindung mit seiner Betriebskrankenkasse
gezeigt hat: Nur unter Berücksichtigung der Themen Herzinfarkt, Schlaganfall, Rauchen und Diabetes lag der Return-onInvest für den Arbeitgeber bereits bei mindestens 1,6.
Die Beweiskette ist lückenlos: von der epidemiologischen Evidenz für die vorliegenden und zunehmenden Probleme über
die Wirksamkeit der aufgeführten therapeutischen Interventionen bis hin zu den nachhaltigen Verhaltensänderungen, die
durch nachhaltige, beratungsintensive Check-up-Programme
erreicht werden können.
Gesundheits-Check-ups sind bei freiwilliger Teilnahme und
qualitätsgesicherten Inhalten also keineswegs nutzlos, sondern äußerst wirksam in der Prävention von Herz-KreislaufErkrankungen und Diabetes. Davon profitieren langfristig
betrachtet sowohl die Teilnehmer selbst als auch deren Arbeitgeber und die Gesellschaft. ■
Literaturhinweise finden Sie im Internet unter www.vdbw.de
Welche Evidenz gibt es für Interventionen?
Es gibt eindeutige Evidenz aus randomisierten, kontrollierten
Studien für die Senkung des Herzinfarkt- und Schlaganfallrisikos durch den Stopp des Zigarettenrauchens, die Blutdrucksenkung bei arterieller Hypertonie, die Cholesterinsenkung
mit Statinen bei Hyper­chole­sterinämie sowie für die Diabetes­
prävention durch Lebensstil-Interven­tion bei Vorliegen eines
Prä-Diabetes.
Zur Person
Längsschnitt-Analyse belegt Erfolge
Auf der Datenbasis von 2812 Personen, die mindestens zweimal einem Check-up bei Prevention First durchgeführt haben,
Kontakt: [email protected]
Dr. med. Johannes Scholl
» Facharzt für Innere Medizin
Ernährungsmedizin, Sportmedizin
» Dr. Scholl Prevention First GmbH