Jeder muss - Pro Infirmis

Datum: 20.10.2015
Ausgabe Glarus
Die Südostschweiz
8750 Glarus
055/ 645 28 28
www.suedostschweiz.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 7'242
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Themen-Nr.: 312.015
Abo-Nr.: 1094349
Seite: 6
Fläche: 55'197 mm²
Sinnbild
für
das Leben:
Leben: Blanka
Blanka Kälin
Kälin liebt
liebt diesen
diesen Weg
Weg zum
zum See.
See.
Sinnbild für
fürdas
Bild Claudia Kock
Kock Marti
Marti
«Jeder muss
seinen Weg gehen»
Blanka Kälin aus Weesen SG macht beim Photovoice-Projekt von
Pro Infirmis Glarus mit. Für die geplante Fotoausstellung fotografiert sie
das Thema «Wenn Stille und Einsamkeit erdrückend laut werden».
von Claudia Kock Marti
überhaupt nicht. Es ist richtig lässig, len. Dann habe sie aber bewusst ent-
Worauf habe ich mich bei Photovoice mitzumachen.»
schieden, «es mit dem vielleicht
da bloss eingelasDie 69-jährige Heimbewohnerin ist schwierigsten Thema zu probieren».
Herausforderungen im Leben ansen?» Blanka Kälin eine von 26 Teilnehmenden am Projekt
rückt ihren Elektro- der Pro Infirmis Glarus. «Kann man
rollstuhl mit RückStille und Einsamkeit überhaupt fotospiegel im Essraum des St.Josefheims grafieren?», habe sie sich gefragt.
in Weesen gekonnt in die richtige PosiEigentlich habe sie denn auch zuerst
tion. Lachend stellt sie klar, wie ihre beim Thema «Mobilität» oder «Wenn
Worte gemeint sind: «Ich bereue es ich einmal gross bin» mitmachen wol-
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zunehmen und zu meistern, das passt
offenbar zu ihr. Ein Lächeln huscht
über ihr braun gebranntes Gesicht:
«Ich bin in einer tollen Gruppe gelandet, in der wir schon viele tiefe Gedanken ausgetauscht haben.»
ARGUS der Presse AG
Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich
Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01
www.argus.ch
Argus Ref.: 59453046
Ausschnitt Seite: 1/2
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den Händen bewegen», wie sie erklärt. kurvt sie geschickt herum. Sie kenne
Zwei Unfälle haben ihre körperlichen den Trick, für manche Rollstuhlfahrer
Langsam scrollt Kälin durch die AufMöglichkeiten zudem eingeschränkt. seien die Barrieren aber ein unübernahmen auf ihrer gelben Kamera, die
An ihrem Bedürfnis, mobil und windliches Hindernis.
sie für das Photovoice-Projekt bekom-
«Ich hätte doch so gern getanzt»
unternehmungslustig zu bleiben, hat
Das Wasser rauscht friedlich im
men hat. Zu sehen sind Bilder vom das aber nichts geändert. «Ich war früBachbett.
Kein Mensch ist zu sehen.
Walensee, See mit Vollmond, von der
her sogar ein richtiges `Reisefüdli: Ich «Man kann hier plötzlich ganz allein
Pilzausstellung in Niederurnen, einem
war auch schon in Deutschland. in und völlig auf sich selbst angewiesen
Ausflug auf die Rigi, vom heiligen Jo- den Niederlanden oder in Dänesef in der Kapelle des Heims und von mark.» Mit dem elektrischen Rollstuhl
Spazierfahrten in der Natur. «Das Bild schaffe sie es bis nach Glarus, wenn sie
vom Schutzpatron ist gesetzt. In der wolle. Oder auch tagsüber einmal al-
sein», sagt Kälin. Sie fahre gern solche
Wege, doch freue sie sich auch, jemanden zu treffen. Sie überlegt: Je älter sie
werde, desto besser könne sie mit Stil-
Stille betet man doch gern», sagt sie. lein mit dem Bus. Dass der Bahnhof
le umgehen oder diese mit schöner
ge- Musik füllen, ein Buch lesen, schreigewählt, «er ist unser Heimpatron». macht werde, freut sie. «Es gibt heute
ben, Zeit in der Natur verbringen.
Blanka Kälin erzählt gern. Sie wirkt so viele Orte, an die ich alleine hinSie schaut zum herbstlich besonnvoller Energie. Zu jammern über ir- reisen kann. Unsere Gleichstellung hat
ten See, in dem sich das Wasser leicht
gendwelche Barrieren, zu hohe Ram- grosse Fortschritte gemacht.»
kräuselt. «Der Weg passt mir als Bild
pen oder Ähnliches ist nicht ihr Ding.
Von ihrer Kindheit im Kanton Frei- für unsere Ausstellung: Jeder Mensch
Auch nicht, dass sie nicht selbst foto- burg und dann in St.Gallen will sie muss seinen Weg gehen.»
grafieren kann, sondern die Lehrtoch- nicht gross erzählen. Nur so viel: Ihre
ter die Motive für sie festhält. Mitleid drei Geschwister wuchsen gesund auf. Das Photovoice-Projekt
Darum habe sie den heiligen Josef Glarus behindertenzugänglich
braucht sie keines. Lieber zeigt sie, wie
Als junges Mädchen kam sie mit
sie mit ihren Hilfsmitteln gut organi- 18 Jahren in das Josefsheim, zuvor
siert ist, zum Beispiel ihren Computer hatte sie eine Heimschule besucht. In
bedient. Gern zeige sie den Leuten Weesen lernte sie, besser zu schreiben
auch, wie sie mit einem kleinen Ste- und im Atelier zu handarbeiten.
cken die Zugtüre selbst öffnen könne.
Heute gefalle es ihr gut im Heim,
Der Rollstuhl begleitet Blanka Kä- auch wenn sie früher gern eine eigene
lin durchs Leben, seit 29 Jahren auch Wohnung gehabt hätte. Nach dem
elektrisch, was ein riesiger Fortschritt Umbau sei alles heller und freundlich
sei. Seit Geburt ist sie in ihrer Mobili- geworden. Was ihr am meisten fehle,
tät schwer behindert. Selbstständig ge- seien zuweilen Gesprächspartner auf
hen war nie möglich. Dabei habe sie Augenhöhe.
das Tanzen im Blut. «Ich hätte doch so
gern einmal im Leben getanzt», sagt «Der Weg passt mir als Bild»
Kälin, die gern Menschen beim Tan- In fünf Minuten ist der Weg zum Wazen zuschaut.
lensee erreicht, den Kälin neben dem
Schutzpatron als Motiv für die Foto«Ich war früher ein `Reisefüdli'»
ausstellung ausgewählt hat. Um rotHeute kann Kälin auch die Arme nicht weisse Barrieren am Eingang, die Radmehr heben. «Und dafür die Finger an oder Motorradfahrer abhalten sollen,
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Am 3. Dezember, dem Tag der
Menschen mit Behinderung, ist
in der Landesbibliothek Glarus
Vernissage zur Fotoausstellung,
für die zurzeit Menschen mit
Behinderung mit der Kamera
unterwegs sind. 26 Leute
bearbeiten dazu in fünf Ateliers
Themen ihres Alltages mit all
seinen Barrieren. Es geht um
Momente, in denen das Leben als
Erfolg oder als Kampf erfahren
wird, um Mobilität, Erwartungen,
Stille, Einsamkeit oder Situationen, in denen Fremdbestimmung
erlebt wird. Die «Südostschweiz»
stellt drei Teilnehmende des
Projekts näher vor. (ckm)
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