476 2015_09_25 Rede des Kämmerers zum Haushaltsplanentwurf

Haushalt 2016
Einbringungsrede Erster Stadtrat Hans-Peter Suermann
Frau Ratsvorsitzende, meine sehr geehrten Damen und Herren!
I.
Vorbemerkung
Nach der hochspannenden Haushalts-Jungfern-Rede des Herrn Oberbürgermeisters nun die
bekannt langweilige Rede des Stadtkämmerers zur Kassenlage. Befürchten Sie aber nicht, dass
ich Sie jetzt belästigen werde mit einer unüberschaubaren Vielzahl von Euros und Cents, davon
werden Sie bei Ihrer Hauslektüre noch genügend entdecken. Und die wesentlichen Daten zu dem
erneut ausgeglichenen Ergebnishaushalt 2016 sowie den ebenfalls schwarzen Nullen der
Finanzplanung der Folgejahre haben Sie soeben bereits präsentiert bekommen.
Meine Aufgabe sehe ich im wesentlichen nicht darin, Ihnen nachfolgend in allen Einzelheiten zu
beschreiben, dass die Stadt Göttingen inzwischen wieder besser aufgestellt ist, wie wunderbar
der Zaubertrunk des Zukunftsvertrags gewirkt hat im trefflichen Zusammenspiel mit einer
nunmehr langjährig anhaltenden glänzenden Konjunktur und Steuersituation. Meine Aufgabe als
oberster Kassenverwalter ist es vielmehr – und das wollen Sie ehrlicherweise doch auch hören –
auf fortbestehende Risiken für unseren Haushalt aufmerksam zu machen und Ihnen das Gefühl
zu nehmen, man könne jetzt bereits wieder richtig loslegen. Zu diesem Zweck werde ich Ihnen
anhand von vier Schwerpunktthemen meine Sichtweise näherbringen.
II. Schwerpunktthemen
1. Finanzstatus
a) Sehr ordentliche Ergebnishaushalte von 2011 bis 2014 liegen hinter uns. Gelungen ist in
dieser Zeit der massive Abbau unserer in der Spitze mehr als 200 Mio. € Kassenkredite,
Ende 2015 könnte nach einem bisher noch guten Verlauf erstmals wieder bei den
Überziehungskrediten eine Null stehen.
b) Neben eingesparten Zinsen war zuvorderst die Gewerbesteuer unser Glück. 66 bis 77
Mio. € ab 2011, jetzt erwartet fast 70 Mio. € in 2015 und 2016 – das gab‘s noch nie, in
2009 und 2010 waren es zuletzt nur gut 40 Mio. €. Und im Jahr 2001 nur 25 Mio. €. Die
Gewerbesteuer ist ein Segen, kann aber auch zum Fluch werden.
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c) Aber auch die längst nicht so volatilen Lohn- und Einkommensteuern entwickelten sich
prächtig auf nunmehr erwartete fast 50 Mio. €.
d) Die Grundsteuer B hat weiterhin einen großen Anteil an der Sanierung unseres Haushalts
mit inzwischen fast 27 Mio. €, was zu einem wesentlichen Teil auf dem ebenso mutigen
wie unverzichtbar hohen Hebesatz beruht.
e) In der ebenfalls sehr stabilen Umsatzsteuer von inzwischen über 9 Mio. € steckt jetzt ca.
1 Mio. € aus der kommunalen Finanzspritze des Bundes aus dem Jahr 2014. Hier
zeichnen sich weitere Mio.-Sanierungshilfen des Bundes ab 2018 ab.
f)
Aufgrund der allgemein guten Ertragslage bei den Landessteuern ist auch der
Finanzausgleich ordentlich verlaufen, wobei bekanntlich überdurchschnittliche eigene
Steuereinnahmen geringere Landeszahlungen zur Folge haben. Ganz aktuell jedoch:
Wenn VW hustet, haben alle Kommunen Schnupfen und zwar im Finanzausgleich, wenn
nämlich das Land und auch die Stadt Wolfsburg Steuerausfälle haben; und das könnte für
uns locker 2 Mio. € ausmachen – denn VW hustet wegen der Abgas-Manipulation leider
kräftig mit ersten Rückstellungen von 6,5 Mrd. € noch im 3. Quartal 2015.
g) Die Finanzbeziehung zum Landkreis ist zum Glück jetzt gesetzlich geregelt, für die
verminderte Netto-Kreisumlage von rund 45 Mio. € werden wir als QuasiSozialhilfeträger finanziell entlastet. Ab 2017 wird sich auch in unserem Haushalt die
Sanierungsbedürftigkeit des dann ehemaligen Landkreises Osterode niederschlagen.
Immerhin ist es uns in den Aufgabenbereichen Schule und jetzt auch Jugend gelungen,
denselben Status wie eine kreisfreie Stadt zu haben.
h) In den Aufgabenfeldern Soziales und Jugend lauern noch erhebliche Finanzierungsrisiken
aufgrund der Flüchtlingsentwicklung; hinzu kommen noch im KiTa-Bereich massive
Ausgaben durch den neuen Eingruppierungs-Tarifvertrag und die vom Land geforderte
Personalaufstockung für zusätzliche Vertretungskräfte.
Nun, verehrte Ratsmitglieder, haben Sie den ersten und umfangreichsten Block „Finanzstatus“
hoffentlich wachsam und trotzdem unbeschadet überstanden. Ich komme jetzt zum Thema
2. Personal
Ergänzend zu den Ausführungen des Oberbürgermeisters darf ich noch folgende
Schlüsselzahlen kundtun. Bei Abschluss des Zukunftsvertrages war noch angesichts der
damals bestehenden Kostenstruktur angenommen worden, das die Brutto-Personalkosten
von 86 Mio. € im Jahr 2011 auf 92 Mio. € in 2016 ansteigen dürften. Aufgrund notwendig
gewordener
Mehrbeträge
für
Pensionsrückstellungen
sowie
zwischenzeitlicher
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Tarifabschlüsse und Besoldungserhöhungen sind nunmehr für die Kernverwaltung 2016 über
100 Mio. €, nämlich 100,6 Mio. € eingeplant. Netto beträgt der Personalaufwand – wiederum
incl. Pensionsrückstellungen – statt 68 Mio. € in 2012 nunmehr 81 Mio. € in 2016, was
unseren Haushalt natürlich sehr belastet und möglicherweise aufgrund der aktuellen Lage
nichtmals ausreichend sein dürfte. Der aktuelle Stellenplanentwurf beinhaltet aus bereits
erwähnten Gründen 50 neue Stellen bei gleichzeitig 22,75 wegfallenden Stellen, wobei
zahlreiche Stellen den Haushalt netto nicht belasten werden. Die aus dem HSK und EHP
resultierenden Einsparvorgaben werden auch weiterhin im Blick zu behalten sein.
Und damit bin ich schon im vorletzten Themenblock
3. Investitionen
Das Deutsche Institut für Urbanistik hat den aufgelaufenen Investitionsstau in den
Kommunen zuletzt mit über 120 Mrd. € beziffert. Städtische Gebäude jedweder Art, Straßen,
Brücken, Radwege – unsere gesamte Infrastruktur ist in die Jahre gekommen, ein
aufgestauter dreistelliger Millionen-Betrag kommt da ganz locker zusammen. Die
wesentlichen anstehenden investiven Maßnahmen hat der Oberbürgermeister bereits
skizziert. Das Investitionsvolumen des Jahres 2016 ist bei Abschreibungen von 19 Mio. € mit
29,2 Mio. € taxiert, für die Folgejahre 2017 bis 2019 sind noch einmal 58,9 Mio. €
vorgesehen, zudem stehen in 2015 noch Haushaltsmittel von 54,4 Mio. € (Haushaltsreste aus
Vorjahren plus Haushaltsansatz 2015)
im wesentlichen für
schon vorbereitete,
ausgeschriebene oder beauftragte Investitionen oder als zwangsläufig eingeplante
Komplementärmittel zur Verfügung. Und alles muss in den Rahmen des Zukunftsvertrages
mit nur 41,3 Mio. € Schulden der Stadt im Jahr 2020 eingepasst werden. Und das geht nur,
wenn
im
Ergebnishaushalt
schwarze
Zahlen
geschrieben
und
dadurch
Finanzmittelüberschüsse erwirtschaftet werden. Wenn jetzt noch weitere bisher nicht
eingeplante Investitionen z.B. für Flüchtlingsunterkünfte oder eine verstärkte kommunale
Wohnungsbauförderung hinzukommen, wird die Aufgabe noch anspruchsvoller. Insoweit
sind wir für jede Hilfestellung dankbar: sei es das vom Bund im Juni 2015 beschlossene
Kommunalinvestitionsförderungsgesetz mit 5,1 Mio. € oder auch jedwedes Förderprogramm
von Land oder Bund für Wohnungsbau und andere infrastrukturellen Notwendigkeiten von
Land und Bund.
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Und schon sind wir beim letzten Schwerpunktthema
4. Flüchtlinge
Hierzu ist schon Einiges ausgeführt worden, woran ich mit nur wenigen finanzrelevanten
Aspekten anknüpfen möchte.
Folgende haushaltsbedeutsamen Forderungen hat der Deutsche Städtetag am 22.09.2015
beschlossen:
a) Nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektive, also nicht solche aus sog. sicheren
Herkunftsländern, dürfen noch nach abgeschlossenem Asylverfahren in die Kommunen
weitergeleitet werden. Rückführungen in die Heimat müssen aus den Einrichtungen der
Länder erfolgen.
b) Begrüßt wird die Zusage des Bundes, sich strukturell dauerhaft und dynamisch an den
gesamtstaatlichen Kosten für die Aufnahme schutzwürdiger Asylbewerber und
Flüchtlinge zu beteiligen.
c) Sofern
eine
abgesicherte
Pro-Kopf-Pauschale
seitens
des
Bundes
aus
Verfassungsgründen nicht direkt an die Kommunen gezahlt werden kann, sind die Länder
zu verpflichten, die ggf. über einen höheren Landesanteil an der Umsatzsteuer
bereitgestellten Bundesmittel vollständig weiterzuleiten. Ferner sind Fachprogramme
z.B. für den sozialen Wohnungsbau und die Arbeitsmarktintegration alsbald
aufzustocken.
In der Zielrichtung gleichartige und noch weiter spezifizierte Forderungen hat auch das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages am 09.09.2015 beschlossen. Und am 22.09. d.J.
haben die kommunalen Spitzenverbände mit der Niedersächsischen Landesregierung eine
Bundesbeteiligung von mehr als 3 Mrd. € ab 2016 gefordert, aber auch deutlich höhere
Landeszuweisungen verabredet.
Die bisher schon in Göttingen anfallenden Kosten der Flüchtlingsaufnahme werden z.Zt. im
Rahmen des Haushalts 2016 mit ca. 9,5 Mio. € taxiert, von denen etwa 4,1 Mio. € bisher zur
Erstattung vorgesehen sind. Nicht berücksichtigt hierbei sind 6,0 Mio. € für sonstige soziale
Leistungen und die investiven Kosten für das neue Zieten-Wohnheim von ca. 4,5 Mio. €.
Diese und weitere Investitionen werden auch die Ergebnishaushalte der Zukunft mit
Folgekosten (Abschreibungen, Unterhaltungskosten, Betreuung, Integrationsmaßnahmen)
belasten.
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Für das Haushaltsjahr 2016 sind bisher lediglich 11,0 Mio. € im Entwurf etatisiert bei
Annahme einer Erstattung von 4,4 Mio. €. Eine Brutto-Vollkostenberechnung der
Landeshauptstadt Hannover hat für den Haushalt 2016 144 Mio. € ergeben, wobei Hannover
einen Brutto-Aufwand von 20.600 € pro Kopf ermittelt hat.
Die
Ergebnisse
des
„Flüchtlingsgipfels“
(Treffen
Bundeskanzlerin
mit
den
Ministerpräsidenten) vom gestrigen Trage bedürfen nunmehr einer länderweisen
Konkretisierung und baldigen Umsetzung. Die Landesregierung hat angekündigt, das
Erstattungssystem zu überarbeiten, insbesondere höhere Kostenerstattungen jahresaktuell
zu vollziehen.
Mit der für Anfang November d.J. vorgesehenen Änderungsliste der Verwaltung
beabsichtigen wir eine haushaltsscharfe Aktualisierung unserer bisherigen Ansätze. Dabei
dürfte dann auch auf der Grundlage einer neuen Fallzahlenerwartung für das Jahr 2016 die
Frage der Errichtung weiterer Wohnheime zu beantworten sein.
III. Schlussbemerkung
Das war’s schon – die Zeit verging doch wie im Fluge und Sie haben hoffentlich alle wesentlichen
Informationen über das empfangen, was Sie nun ausführlich beraten und dann am 18. Dezember
d.J. beschließen mögen. Es wird also weiterhin darum gehen, im Einklang mit dem
Zukunftsvertrag strikte Ausgabendisziplin bei den Aufwendungen zu wahren, verfügbare
Ertragspositionen auszuschöpfen, Verwaltungsaufwand auf das Notwendige zu beschränken,
erwirtschaftete Überschüsse für Substanzerhaltung und den Ausbau der Infrastruktur
einzusetzen und mit alledem unsere Stadt auch angesichts der aktuellen Herausforderungen
dauerhaft leistungsfähig und zukunftssicher zu gestalten. (Das war ein Zitat aus meiner
letztjährigen Haushaltsrede – passt immer noch !)
Enden möchte ich mit einem Dank von Herzen an Herrn Fuchs und sein Team sowie alle anderen
konstruktiv Beteiligten und dazu zählen auch Sie, sehr geehrte Ratsmitglieder, die Sie mir bei
meiner 25. Haushaltsrede mindestens höfliche Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Vielen Dank!
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