Beschützer der Diebe

Inhaltsverzeichnis
Beschützer der Diebe
-3-
Das Pferd auf dem Kirchturm
-5-
In der Höhle des Kyklopen
-6-
Auf Zehenspitzen durch die Hauptstadt
-8-
Diadalus und Ikarus
-9-
Die Teddybär-Geschichte
-11-
Der Wolf
-13-
Beschützer der Diebe
-14-
Ronja Räubertochter
-16-
Der kleine, graue Wolf
-17-
Der kleine Prinz
-19-
Anhang
-20-
Beschützer der Diebe
Nachmittag zu verbringen. Auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt Stößen sie mit Olaf zusammen, der sie anschließend begleitet. Sie beschließen, die nächste Stunde mit einem Spiel zu
verbringen, bei dem jeder über einer zufällig ausgewählte Person möglichst viel herauszufinden
versucht, indem er sie verfolgt. Gesagt, getan und so nimmt Guddie die Verfolgung eines Mannes
in einem hellgrauen Anzug bis zum Pergamonmuseum auf…
(…) Zu Guddies Überraschung dauert es keine Viertelstunde, bis der Mann im hellgrauen Anzug
das Museum wieder verließ. Ohne sie zu bemerken lief er an der Statue vorbei, in deren Schatten
sie geduldig gewartet hatte. Was sie in der S-Bahn schon vermutet hatten, war jetzt offensichtlich: Der Mann war gestört
und unruhig. Noch während Guddieüberlegte , was sie jetzt
tun sollte, ging die Tür der vor Baues ein zweites Mal auf. Das
Glas blitzte im Sonnenlicht, sie senkte geblendet den Blick,
und als sie den Kopf wieder hob, sah sie den Glatzkopf die Stufen hin ablaufen. Guddies Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Wie hatte sie glauben können, das Auf tauschen des Glatzkopfs sei ein Zufall gewesen? Sie war nicht die Einzige, die
den Mann im hellgrauen Anzug verfolgt hatte! Der Glatzkopf
war ebenfalls hinter ihm her, er war die ganze Zeit hinter ihm her gewesen, sie wusste es mit tödlicher Sicherheit, und wenn sie den Mann nicht sofort warnte….
Ihre Beine trugen sie wie von selbst auf dem Pergamon Steg zu, aber es war bereits zu spät. Der
Mann hatte die Brücke gerade grade überquerte, als der Glatzkopf ihm von hinten eine Hand auf
die Schulter legte. Er drehte sich um und trotz der Entfernung konnte Guddie sehen, dass sein
Gesicht vor Angst verzerrt war. Der Glatzkopf sprach
heftig
auf
ihn
ein.
Der
Mann
schüttelte
energisch
den
Kopf.
Von linkes fuhr ein dunkelblauer Wagen vor. Er hatte
kaum neben den beiden Männern angehalten, als auch
Mann im Anzug etwas in die Seite, mit der linken
macht er ihm ein Zeichen, in den Wagen zu steigen.
Nur drei Meter wovon dem Geschehen entfernt bleib
Guddie wie angewurzelt und weltvergessen, ein sich
küssendes Pärchen und von der anderen Seite des Kupfergraben nähert sich aus weiter Entfernung eine Gruppe Touristen.
Eine Waffe?
-3-
Der protestierende Schrei des Mannes wurde vom Lärm eines Zuges verschluckt, der über eine
nahe gelegene S-Bahn-Brücke donnerte. Dann fiel sein in panischem Schrecken flackernder Blick
auf Guddie. Er griff in seine linke Jackentasche, zog ein Stück Papier hervor und hielt es ihr mit
ausgestrecktem Arm entgegen, gerade als es dem Glatzkopf endlich gelang, ihn unsanft in den
Wagen zu drücken. Der Zettel flatterte unbemerkt zu Boden. Guddie sah sich Hilfe suchend um.
Auf dem Museumsvorplatz war kein Mensch zu sehen. Unter der S-Bahn- Brücke stand, eng umschlungen keine anderen Autos in Sicht. Niemand hatte etwas bemerkt! Sie sah wieder zu dem
Wagen. Die Sonne spiegelte sich in der Windschutzscheibe, schon die Beifahrertür von innen aufgestoßen wurde. Die Recht Hand des Glatzkopfs presste dem aber sie glaubte zu erkennen, wie
der Fahrer dem Mann im grauen Anzug etwas ins Gesicht drückte und wie dessen Kopf plötzlich
nach hinten sackte.
Ein Betäubungsmittel! Guddie stand noch immer wie festgenagelt. Der Schock und die Angst
bannten sie auf die Stelle und sie konnte sich selbst nicht bewegen, als der Glatzkopf sich wie in
Zeitlupe umdrehte und ihr einen hasserfüllten Blick aus zu schmalen Schlitzte zusammengekniffenen Augen zuwarf. Sie bringen mich um!, schoss es ihr durch den Kopf. Ich habe alles gesehen,
ich habe gesehen, dass sie den Mann entführen, und jetzt bringen sie mich um oder sie entführen
mich! In ihrem Magen bildete sich ein bleischwerer Eisklumpen. Aus dem Inneren des dunkelblauen Wagens ertönte ein ungeduldiger Aus ruf. Der Glatzkopf zögerte. Dann, mit einem letzten
wütenden Blick auf Guddie, schwang er sich auf den Rücksitz des Wagens und zog die Tür hinter
sich zu. Sie hatte erwartet, dass der Wagen mit quietschenden Reifen davon schießen würde, aber
nicht dergleichen geschah. Er setzte sich fast Geräusche los in Bewegung und fuhr langsam auf die
S-Bahn-Brücke zu. Unmittelbar vor dem Stahlgerüst der Brücke bog nach links in eine Seitenstraße ab und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Diese Geschichtewurde abgetippt von Cecilia Kühnel
-4-
Das Pferd auf dem Kirchturm
Erich Kästner (1899-1974)
Meine erste Reise nach Russland unternahm ich mitten im tiefsten Winter. Denn
im Frühling und im Herbst sind die Straßen und Wege in Polen, Kurland und Livland vom Regen so erweicht, dass man stecken
bleibt, und im Sommer sind die knochentrocken und
so staubig, dass man vor Husten nicht vorwärtskommt. Ich reiste also jeden Tag mehr, denn
ich hatte einen zu dünnen Mantel angezogen, und
das ganze Land war so zugeschneit, dass ich oft genug weder Weg noch Steg sah, keinen Baum, keinen
Wegweiser, nichts, nichts, nur Schnee. Eines
Abends kletterte ich, steif und müde, von meinem braven Gaul herunter und band
ihn, damit er nicht fortlief, an einen Baumspitz fest, die aus dem Schnee herausschaute. Dann legte ich mich, nicht weit davon, die Pistole unterm Arm, auf meinem Mantel und nickte ein. Als ich aufwachte, schien die Sonne. Und als ich mich
umgeschaut hatte, rieb ich mir erst einmal die Augen. Wisst ihr, wo ich lag? Mitten
in einem Dorf , und noch dazu auf dem Kirchhof ! Donner und Doria! , dachte ich.
Denn wer liegt schon gerne kerngesund, wenn auch ziemlich verfroren, auf einem
Dorfkirchhof? Außerdem war mein Pferd verschwunden!
Und ich hatte es doch neben mir angepflockt! Plötzlich hörte ich’s laut wiehern. Und zwar hoch über mir! Es wieherte
und zappelte und wollte begreiflicherweise wieder herunter.
Aber wie, um alles in der Welt, war’s denn auf den Kirchturm hinaufgekommen? Allmählich begriff ich, was geschehen war .Also: Das Dorf mitsamt der Kirche war Eingeschneit gewesen, und was ich im Dunkeln für eine Baumspitzte gehalten hatte,
war der Wetterhahn der Dorfkirche gewesen! Nachts war dann das Wetter umgeschlagen. Es hatte getaut. Und ich war, während ich schlief, mit dem schmelzen
Schnee Zentimeter um Zentimeter hinab gesunken, bis ich zwischen den Grabsteinen aufwachte. Was war zu tun? Da ich ein guter Schütze bin, nahm ich eine meiner Pistolen, zielte nach dem Halfter, schoss ihn entzwei und kam auf diese Weise
zu meinem Pferd, das heilfroh war, als es wieder Bode unter dem Hufen hatte . Ich
schwang mich auf den Sattel, und unsere abenteuerliche Reise konnte weitergehen.
Diese Geschichte wurde abgetippt von: Anne Sophie Köllner.
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In der Höhle des Kyklopen
Odysseus ist mit seinem Gefährten auf einer Insel gelandet, die vom Volk der
Kyklopen bewohnt wird. Die Kyklopen sind Riesen mit nur einem Auge auf der
Stirn. Ein solcher Kyklop, Polyphem, ein Sohn des Meeresgottes Poseidon, nimmt
Odysseus und einige von dessen Begleitern gefangen. Er verschlingt zu jeder
Mahlzeit zwei Männer. Tagsüber geht er mit seinen Tieren auf die weide und lässt
die Gefangenen eingesperrt in seiner Höhle zurück. Die Männer überlegten, wie
sie sich befreien können. Sie spitzten einen Pfahl, härteten ihn im Feuer und versteckten ihn unter einem Haufen Dünger.
(…) Bald nach dem die Sonne untergegangen war, hörten sie ihn kommen. Er hob
den Felsen vom Eingang und ließ die Herde an sich vorübergehen in die Höhle.
Widder und Böcke wollten draußen in der Hürde bleiben wie sonst. Aber er trieb
auch sie hinein: Er mochte wohl Angst haben, es könnten wieder fremde kommen
und seine schönsten und stärksten Tiere Während der Nacht
forttreiben. Hinter dem letzten Widder verschloss erdas
Felsentor und machte sich an die gewohnte Arbeit.Als er
fertig war, verzehrte er zum dritten Mal zwei der Gefangenen. Die anderen vermochte es nicht zu verhindern. Aber es
sollte seine letzte Untat sein, dachten sie zähneknirschend.
Odysseus erhob sich langsam. Er löste den Lederschlauch
vom Gürtel, nahm einen hölzernen Napf und füllte ihn mit
Wein. Damit ging er hinüber zu Polyphem. ,,Da trink,
Kyklop“, sagte er heiser vor Grimm. , Ich wollte dir den
Wein spenden, damit du uns gnädig seist! Du aber wütest so schrecklich gegen
uns!“ Polyphem nahm den Napf und trank begierig. Sogleich begannen seine Augen zu funkeln. ,,He, Fremdling, was ist das für ein Wein?“, brüllte er.,, Gib mir
noch mehr davon er schmeckt wie Nektar und Ambrosia!“
Odysseus füllte das Gefäß zum zweiten und dann zum dritten Male. Mit kalter Wut
im Herzen wie der Unhold den Wein in seinen unersättlichen Schlund goss. Aber
der Wein war süß und stark und alt und umnebelte im Handumdrehen die Sinne der
Riesen. ,,Sage mir deinen Namen Fremdling!“ ,grölte der Polyphem. ,, Ich will
dich mit einer Gabe erfreue, zum dank für diesen Wein!“
Odysseus blickte zu dem unförmigen Schädel hinauf, der hoch über ihm hin und
her schwankte, und seinen gewohnte Vorsicht warnte ihn. Nein, r würde dem
Scheusal nicht erzählen, dass er der König von Ithaka war! ,,Ich heiße Niemand !“ ,antwortete er schnell. „Niemand nannten mich Vater und MutterNiemand
nennen mich auch meine Gefährte!“ „So höre zu Niemand!“ ,schrie der Polyphem.
„Ich will dich zuletzt von allen deinen Freunden verhrzeren! Das ist mein Gastgeschenk für dich!“ Damit lies er sich aufseinLager zurückfallen und begann alsbald
laut zu schnarchen.
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Odysseus warte eine Weile bis er sicher war, dass der Unhold fest schlief. Dann holte er den Pfahl unter dem Dünger hervor und winkte den Gefährten.
Lautlos schlichen sie zurück zum lager des Riesen. Odysseus richtete die Spitze genau auf das Geschlossene Auge. Dann stießen sie zu. Polyphem fuhr Import, mit einem so fürchterlichen Gebrüll, dass sich vor schreck ihre Haare sträubten. Sie stoben
nach allen Seiten auseinander in die äußeren Winkel der Höhle.
Polyphem riss den Pfahl aus dem Auge. Und schleuderte ihn weit von sich. Brüllend
lief er durch die Höhle und fuhr mit den Armen blitzschnell herum, um seine Gefangenen zu finden. Aber da er nichts mehr sehen konnte, entwichen sie ihm leicht, und
er griff nur in die Wolle der Schafe und in das zottige Fell der Ziegen. Als er niemanden fand, begann er mit lautem Geschrei die anderen Kyklopen zu rufen, die
Kyklopen kamen von überall her und fragten: „Warum schreist du so?“ „ Niemand!“, brüllte der Polyphem niemand ist hier. „Wieso schreist du dann so?“ dann
gingen sie wieder und Odysseus und seine Gefährten flohen.
Geschrieben von Dominique Wolle.
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Auf Zehenspitzen durch die Hauptstadt
Eines Tages lud der Kaiser mich ein, beim
Seiltanz zuzusehen. Er findet auf einem dünnen, etwa zwei Fuß langen Seil stattdessen
zwölf Zoll Höhe über dem Boden gespannt ist.
Jeder, der ein Amt bei Hofe erstrebt, muss sich
zuvor als Seiltänzer bewährt haben. Größte
Aussichten hat der Kandidat, der auf Seil am
höchsten springt, ohne herunterzufallen. Ich
war zugegen, als einige sich die Glieder brachen und es sind zahlreiche tödliche Unfälle
bekannt. Auch
Staatsmeister müssen gelegentlich aufs Seil, ob um
zu zeigen, ob sie ihrem Amt noch gewachsen sind.
Den Schatzmeister Flimmnap habe ich auf dem Seil
Saltos schlagen sehen. Eine weitere Belustigung
wird Hüpfen und Kriechen genannt und dient dazu,
sich der Gunst des Kaisers zu versichern. Seine Majestät hält einen Stock, über den die Kandidaten abwechselnd vorwärts und rückwärts hüpfen oder kriechen müssen.
Wer das Spiel am längsten durchhält, wird mit blauen Seidengürteln geehrt; der
Zweite erhält einen roten Gürtel, der Dritte einen grünen. Ich stelle fest, dass die
meisten Würdenträger bei Hofe Gürtel in diesen Farben trugen.
Diese Geschichte wurde von Jakob getippt.
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Diadalos und Ikaros
Niemand konnte sich wohl mit dem kunstreichen Diadalos messen, der als größter
Baumeister und Bildhauer seiner Zeit galt. Aber Eitelkeit und Neid führen ihn auf
den Weg des Verbrechens. Er hatte einen jungen Schüler,
der ihn zu überflügeln drohte. Da trieb ihn die Eifersucht
den Lehrmeister dazu, den Knaben zu töten!Diadalos
musste nun heimlich aus seiner Heimatstadt Athen flüchten. Unstet irrte er im Lande umher, bis er schließlich mit
seinem Sohn Ikaros auf Kreta eine neue Heimstatt fand.
Minos, der König der Insel, wusste die künstlerischen Fähigkeiten seines Gastes zu schätzen und stellte ihm die
Aufgabe, für den Minotaurus, das grässliche Ungeheuer, das halb Mensch, halb
Stier war, eine Unterkunft zu schaffen.
Diadlos war es, der damals das kunstreiche Labyrinth, den Irrgarten mit der verwirrenden Vielzahl von Gängen und Kammern, errichtete. Aber trotz allen Ehren,
mit denen Minos die Arbeit des Künstlers zu lohnen wusste, quälte Diadalolos der
Gedanke an das verlorene Vaterland. Bitteres Heimweh hielt ihn gefangen, und als
Minos, der den kunstfertigen Mann nicht gehen lassen wollte, von seiner Sehnsucht vernahm, wurde der Freistatt für Diadalos zu strenger Gefangenschafft. Wo
er ging und stand, umgaben ihn auf des Königs Geheiß misstrauische wachen. Unmöglich war es, zu Schiff die Insel zu verlassen. Der kunstreicheDiadalos aber
wusste einen Ausweg, der ihm Rettung verhieß. „ Mag Minos mir Land und Wasser versperren“, rief er entschlossen, „ mir bleibt die freie Himmelsluft! Dort werde
ich unseren Weg finden! Mag Minos überall seine Macht ausüben, in der Luft versagt seine Herrschergewalt!“ Diadalos ´Erfindergeist bezwang die Kräfte der Natur: Er nahm Vogelfedern, legte sie der Größe nach in eine genaue Reihenfolge,
dass man glauben mochte, sie seien in solcher Ordnung gewachsen. Er verband die
federn in der Mitte mit Fäden und fügte sie an den Kielen mit Wachs zusammen.
Nun bog er sie leicht zurück, dass sie ganz die Form von Flügeln annahmen.
Voll Eifer hielt Ikaros sich an des Vaters Seite und beobachtete, wie das Werk unter
den kunstfertigen Händen wuchs. Bald war die letzte Hand an das Wunderwerk gelegt. Diadalos band sich selbst die Flügel an, fand schnell das richtige Gleichgewicht und hob sich leicht in die Lüfte. Zur Erde zurückgekehrt, schnürte er dem
Sohn das Flügelpaar, das er für ihn gemacht hatte, an die Schultern. Dann mahnte
er ihn mit väterlicher Sorge: „Ikaros, halte dich immer in der Mitte, ich bitte dich!
Denn wenn du zu tief fliegst, so werden die wellen dir die Flügel beschweren und
dich hinabziehen! Steigst du aber zu hoch empor, dann kommst du der Sonne zu
nahe, deine Federn fangen Feuer und das Wachs schmilzt in der Hitze.
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. Zwischen den Wellen und der Sonne halte deinen Flug, folge stets meiner Führung!“ Tränen rannen dem Greis die Wangen hinab, als er noch einmal sein Werk
überprüfte, innig umarmte er den Jungen, und dann erhoben sich beide in die Lüfte.
Der Vater flog voran, das Herz voll Sorge, so wie eine Vogelmutter, die ihre zarte
Brut aus dem Neste zum ersten Male in die freie Luft
führt. „Folge mir getrost!“, rief er zurück, und dabei
bewegte er selber voll Sorgfalt die schwingen, um den
Sohn die schwere Kunst zu lehren. Doch der Vater
durfte sich schnell beruhigen, als er sah, wie sicher
der Knabe seiner Weisungen folgte. Im schnellen Fluge überquerten sie das blitzende Meer; schon lagen
die ersten Inseln des heimischen Griechenlands hinter
ihnen, als den jungen Ikaros der Übermut trieb, des
Vaters gebot zu missachten. Der glückliche verlauf
seines Fluges ließ ihn so sehr auf seine eigene kraft vertrauen, dass er des Vater Spur
verließ und sich auf seinen Flügeln immer höher erhob. Voll Angst wollte Diadalos
seinen Sohn zurückrufen, aber es war schon zu spät. Kaum war der Knabe der Sonne
näher gekommen, da erweichte unter der Gewalt ihrer Strahlen das Wachs, das die
Fittiche zusammenhielt, und ehe Ikaros es recht gewahr wurde, waren die Federn
aus ihrem Gefüge gelöst und flatterten durch die Lüfte davon. Nur noch einen Augenblick konnte sich der Junge in der Luft halten, dann griffen seine bloßen Arme
ins Leere - sie fanden keine Stütze mehr, und haltlos stürzte Ikaros in die gähnende
Tiefe. So schnell war das Unglück gekommen, dass er nicht einmal mehr Zeit fand,
einen Schrei auszustoßen. Als Diadalos wieder die Blicke zurückwandte, konnte er
zu seinem Entsetzen nichts mehr von seinem Sohne erblicken. Die Flut hatte ihn
schon verschlungen. „ Ikaros, Ikaros!“, schrie der unglückliche Vater in seiner Verzweiflung, „Wo bist du, wo soll ich dich suchen?“ Da endlich, als er in die Tiefe
schaute, erkannte er einige Federn, die einsam auf dem Wasser trieben. Das Herz
voller Trauer, flog Diadalos an Land; er legte die Flügel ab und irrte am Ufer der
kleinen Insel umher, die Wellen den Leichnamen die Gestrande spülten. Dort begrub
er den geliebten Sohn und gab dem Eiland für alle Zeiten den Namen Ikaros. Es
wird berichtet, dass der kunstfertige Diadalos später auf der Insel Sizilien zu großen
Ehren kam. Aber nach dem Tode seines Sohnes hat er seinen Seelenfrieden niemals
wiedergefunden. Die Schuld, die er einst durch die Ermordung seines Schülers auf
sich geladen und für die er nun eine so harte Strafe erlitten hatte, sollte ihn bis an
sein Lebensende nicht mehr zur Ruhe kommen lassen.
Diese Geschichte wurde abgetippt von Juliane Frühwirt.
-10-
Die Teddybär-Geschichte
In einem Wald, in dem die Bäume besonders dicht standen und es immer ein bisschen dämmerig war, wohnte einmal eine Bärenfamilie.
,,Sei nicht so vorwitzig und bleib immer
schön hinter mir!`` ,sagte Mutter Bär zu ihrem Bärenkind, wenn sein zusammen durch
den Wald streiften .
Zuerst war der kleine Bär auch ganz brav.
Aber als er größer wurde, hörte er nur noch
mit einem Ohr auf die Worte der Mutter,
dann nur noch mit einem halben und
schließlich mit keinem mehr. ,,Ich wüsste zu
gern ´´,brummte er zu sich selbst, ,,Wie es hinter den Bäumen aussieht. ´´Und eines Tages , als der Vater Bär und Mutter Bär nicht so gut aufpassten , lief der kleine Bär davon. Er lief durch den Wald, über Wiesen und Felder. Weil er schon ein
bisschen müde war, blieb er vor einem Haus stehen, das von einem kleinen Garten
umgeben war. Auf der Bank saß ein Mädchen und weinte. ,, Niemand spielt mit
mir !´´schluchzte es .Die Tränen liefen ihm dabei über die Wangen .Das Bärenkind
sah das kleine Mädchen an .,,Wie gerne würde ich mit dir spielen´´, dachte es.
,,Wenn du möchtest´´, brummte es, ,,Dann können wir uns ein bisschen schubsen .´´,,Wie geht das ?´´,fragte das Mädchen neugierig. ,,Du schubst mich mit dem
kleinen Finger und ich dich mit meiner Nase, und wer dabei grob wird, der hat verloren.´´ Damit war das Mädchen einverstanden .Das Bärenkind kletterte über den
Zaun, und sie spielten Schubsen, bis ihnen die Lust dazu verging. Später zeigte das
Mädchen dem kleinen Bären seine Schaukel. Sie schaukelten, spielten Ball und
lachten zusammen. Am Abend, als es an der Zeit war, ins Bett zu gehen, durfte der
kleine Bär im Puppenwagen schlafen. Die Mutter des Mädchens deckte ihn wie ihr
eigenes Kind zu. In der Nacht träumte das Bärenkind vom Wald, von Vater und
Mutter Bär. Sie weinten, weil ihr Kind davongelaufen. Als der kleine Bär am
Nächsten Morgen aufwachte war, war er krank.
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Er schlotterte an allen Tatzen. ,, Was fehlt dir ?´´ fragte ihn das kleine Mädchen. ,
Michfriert´s ´´, brummte das Bärenkind unglücklich. ,,Aber du hast doch einen dicken Pelz. Wie kannst du da frieren? ´´,,Mich friert´s unterm dem Pelz. ´´, jammerte
der Bär.Irgendwieinwendig ´´ Da rief das Mädchen seine Mutter, und die Mutter rief
den Vater. Alle beratschlagten, was man für das Bärenkind tun könnte. ,, Ich glaube,
eis ist Heimweh´´, sagte der Vater auf einmal. Und
weil er ein kluger Mann war und wusste, wo die Bären wohnen, nahm er das kleinen Bärenkind huckepack und es dorthin, wo die Bäume besonders dich
standen und wo es immer ein bisschen dämmerig war.
Mutter Bär und Vater Bär freuten sich, als sie ihr Kind
wieder sahen. Sie umarmtenes, und der kleine Bär
war gleich widergesund. Das Mädchen aber weinte,
weil es das Bärenkind so gern behalten hätte. Da setzte sich seien Mutter hin und nähte einen kleinen
Stoffbären. Zuerst zerschnitt sie eine wuschelige Decke. Aus schwarzen Knöpfen machte sie Augen. Mund und Nase stickte sie mit
braunem Garn. ,, Er sieht genauso aus wie mein Bärenkind´´, sagte das kleinen Mädchen und nahm den Teddy glücklich in die Arme. Am Abend legte es den Bären in
den Puppenwagen und deckte ihn zu. Als die Nachbarskinder den Stoffbären sahen,
wollten sie auch mit ihm spielen. Damit es keinen Streit gab, nähte die Mutter für
jedes Kind einen eigenen Teddybären. Sie nähte und nähte. Vielleicht Nähte sie heute noch.
Die Geschichte wurde abgetippt von Katharina Schranz.
-12-
Dirk Walbrecker (1944) :Der Wolf
Könnt ihr euch vorstellen, liebe
Freunde, wie unsagbar lausig
der russisch Winter ist? Ich habe
es erlebt. Und mein treuer Gaul
ebenso .Wieso reist der Baron
Hieronymus von Münchhausen
ausgerechnet im tiefen Winter
nach Russland? , werdet ihr
vielleicht fragen. Das ist sehr
einfach erklärt: Im Winter sind
die Holperwege nach Osten
dank Frost und Schnee leichter
passierbar als im Sommer. So trabte ich also Meile um Meile in diese Richtung,
der Schnee wurde mehr und mehr, und irgendwann schien es mir, als habe er das
ganze schöne Russland samt seinen lieben Menschen im wahrsten Sinne des Wortes verschluckt . Kein Haus, kein Baum, kein Nichts war mehr zu finden .Und als
mich und meinen Gaul nach tagelangen Ritt die Müdigkeit überkam, kam ein
Wolf vorbei , er sprang auf das Pferd und fraß es von hinten komplett auf. Er fraß
sich durch den Sattel bis er in den Zügeln war. Er brachte mich bis an mein Ziel.
Als wir am Ziel waren fiel er Tod um.
Diese Geschichte wurde abgetippt von Kevin Bischof.
-13-
Beschützer der Diebe
Guddie lebt erst seit kurzer Zeit in Berlin. Eines Tages verabredet sie sich mit ihrer Cousine Dags, um
mit ihr den Nachmittag zu verbringen. Auf dem
Weg zum vereinbarten Treffpunkt stößt sie mit Olaf
zusammen, der sie anschließend begleitet. Sie beschließen, die nächste Stunde mit einem Spiel zu
verbringen, bei dem jeder über eine zufällig aus gewählte Person möglichst viel herauszufinden versucht, indem er sie verfolgt. Gesagt, getan – und so
nimmt Guddie die Verfolgung eines Mannes in einem hellgrauen Anzug bis zum Pergamonmuseum auf
…
(…)Zu Guddies Überraschung dauerte es keine Viertelstunde, bis der Mann im hellgrauen Anzug das Museum wieder verließ. Ohne sie zu bemerken lief er eilig an der Statue vorbei, in deren Schatten sie geduldig gewartet hatte. Was sie in der S – Bahn schon vermutet hatte, war jetzt offensichtlich: Der Mann war
verstört und beunruhigt. Noch während Guddie überlegte, was sie jetzt tun sollte, ging die Tür des Vorbaus zweites Mal auf. Das Glas
blitzte im Sonnenlicht, sie senkte geblendet den Blick, und als sie den Kopf wieder
hob, sah sie den Glatzkopf die Stufen hin ablaufen. Guddies Mund war plötzlich
wie ausgetrocknet. Wie hatte sie glauben können, das das Auftauchen des Glatzkopfs ein Zufall sei? Sie war nicht die Einzige, die den Mann im hellgrauen Anzug
verfolgt hatte! Der Glatzkopf war ebenfalls hinter ihm her, er war die ganze Zeit
hinter ihm her gewesen, sie wusste es mit tödlicher Sicherheit, und wenn sie den
Mann nicht sofort warnte…
Ihre Beine trugen sie von selbst auf den Pergamon Steg zu, aber es war bereits zu
spät. Der Mann hatte die Brücke gerade überquert, als der Glatzkopf von hinten
eine Hand auf die Schulter legte. Er drehte sich um und trotz der Entfernung konnte Guddie sehen, dass sein Gesicht vor Angst verzerrt war. Der Glatzkopf sprach
heftig auf ihn ein. Der Mann schüttelte energisch den Kopf.
Von links fuhr ein dunkelblauer Wagen vor. Er hatte kaum neben den beiden Männern angehalten, als auch schon die Beifahrertür von innen aufgestoßen wurde. Die
rechte Hand des Glatzkopfs presste dem Mann im Anzug etwas in die Seite, mit
der linken machte er ihm ein Zeichen, in den Wagen zu steigen. Nur drei Meter
vom Geschehen entfernt blieb Guddie wie angewurzelt stehen.
Eine Waffe?
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Der protestierende Schrei eines Mannes wurde vom Lärm eines Zuges verschluckt,
der über eine nahe gelegene S-Bahn-Brücke donnerte. Dann fiel sein in panischem
Schrecken flackernder Blick auf Guddie. Er griff in seine linke Jackentasche, zog
ein Stück Papier hervor und hielt es ihr mit ausgestrecktem Arm entgegen, gerade
als es dem Glatzkopf endlich gelang, ihn unsanft in den Wagen zu drücken. Der weiße Zettel flatterte unbemerkt zu Boden. Guddie sah sich Hilfe suchend um. Auf dem
Museumsvorplatz war kein Mensch zu sehen. Unter der S-Bahn-Brücke stand, eng
umschlungen und weltvergessen, ein sich küssendes Pärchen und von der anderen
Seite des Kupfergrabens näherte sich aus weiter Entfernung eine Gruppe Touristen.
Es waren keine anderen Autos in Sicht. Niemand hatte etwas bemerkt! Sie sah wieder zu dem Wagen. Die Sonne spiegelte sich in der Windschutzscheibe, aber sie
glaubte zu erkennen, wie der Fahrer der Mann im grauen Anzug etwas ins Gesicht
drückt und wie dessen Kopf plötzlich nach hinten sackte. Ein Betäubungsmittel!
Guddie stand noch immer wie festgenagelt. Der Schock und die Angst bannte sie auf
die Stelle und sie konnte sich selbst dann nicht bewegen, als der Glatzkopf sich wie
in Zeitlupe umdrehte und ihr einen hasserfüllten Blick aus zu schmalen zusammengekniffenen Augen zuwarf. Sie bringen mich um!, schoss es ihr durch den Kopf. Ich
habe alles gesehen, ich hab gesehen, dass sie den Mann entführen, und jetzt bringen
sie mich um oder sie entführen mich auch! In Ihrem Magen bildete sich ein bleischwerer Eisklumpen. Aus dem Inneren des dunkelblauen Wagens ertönte ein ungeduldiger Ausruf. Der Glatzkopf zögerte. Dann, mit einem letzen wütenden Blick auf
Guddie, schwang er sich auf den Rücksitz des Wagens und zog die Tür hinter sich
zu. Sie hatte erwartet, dass der Wagen mit quietschenden Reifen davon schießen
würde, aber nicht dergleichen geschah. Er setzte sich fast geräuschlos in Bewegung
und fuhr langsam auf die S-Bahn-Brücke zu. Unmittelbar vor dem Stahlgerüst der
bog er nach links in eine Seitenstraße ab und verschwand aus ihrem Blickfeld.
Diese Geschichte wurde abgetippt von Lena Raßbach
-15-
Ronja Räubertochter
In einer Gewitternacht zerteilt ein Blitz die Mattisburg in zwei Teile die fortan
durch den Höllenschlund getrennt sind. In dieser Nacht wird Ronja Räubertochter
geboren. Ihre Eltern sind außer sich vor Freude, der
Räuberhauptmann Mattis möchte, dass seine Tochter
später seine Nachfolge antritt. Ronja hat eine glückliche
Kindheit auf der Räuberburg. Sie wird von allen geliebt
und verwöhnt. Räuber spielen, tanzen und singen mit
ihr, als währe sie eine der ihren. Dass es sich bei ihnen
und ihrem Hauptmann um Menschen handelt, die anderen Leid zufügen, erfährt
Ronja erst nach und nach. Dieses Wissen bereitet ihr
Kummer. Die Eltern erlauben der jungen Ronja, die
Burg zu verlassen, um draußen selbstständig Erfahrungen zu sammeln. Eines Tages begegnet ihr Birk,
der Sohn des Borka, ärgster Feind ihres Vaters. Ronja
erfährt, dass die Borka Räuber den abgespaltenen
Teil der Mattisburg bezogen haben und dort ein ärmliches Leben führen. Anfangs misstrauen die Kinder einander. Kommst du her,
dann hau ich dir eine aufs Maul, das dir die Nase abfliegt! Haha! ,rief Birk und mit
einem Satz war er über die Kluft hinweg.,, Marchs nach , wenn du`s kannst“ , sagte er mit einem kleinen Grinsen . das hätte er nicht sagen dürfen, das war zu viel.
Es reichte , dass er und seine Hosenschisser sich eine Feste in der Mattissburg
verschafft hatten, aber kein Borkaräuber sollte hier irgendwelche Sprünge machen, die ein Mattisräuber nicht nachmachen konnte! und sie tat es. Sie wusste
selbst nicht recht, wie es zuging, aber plötzlich flog sie über den Höllenschlund
und landete auf der anderen Seite. ,,du bist gar nicht so ungelenk“ , sagte Birk und
sprang ihr sofort nach . aber Ronja wartete nicht auf ihn. mit einem neuen Sprung
flog sie zurück über die Kluft. Da konnte er stehen und ihr nachklotzen, so viel er
wollte!,, Du wolltest mir doch eine aufs Maul hauen , warum tust du es nicht? ,rief
Birk. Da sah sie, wie Birk, gerade aufsetzte, auf einem stein ausrutschte, der lose
am Rand lag. Und sie hörte seinen Aufschrei, bevor er in die Tiefe verschwand.
Schließlich kroch sie bäuchlings bis an den Rand vor und späte hinab in die
Schlucht. Und da sah sie Birk. Er stand unmittelbar unter ihr auf einem Stein
oder Balken oder was es nun war, das aus der geborsten Mauer ragte. Sie lies den
Riemen zu Birk hinab und sie zog ihn hoch zu ihr. Ja der Riemen reichte gerade so
weit, wie es nötig war, stellte sie fest und das war ein rechtes Glück für den Borka
Lümmel.
Diese Geschichte wurde abgetippt von Oliver Siede.
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DER KLEINE GRAUE WOLF
Er war anders als seine Geschwister. Ihr Haar zeigte den rötlichen Schimmer der
Mutter, während er als Einziger das graue Fell des Vaters geerbt hatte. Er glich
überhaupt sehr seinem Vater, dem einäugigen Wolf,
mit dem einen Unterschied, dass er zwei Augen hatte.
Gerade erst hatten die Augen noch geschlossen waren,
hatte er gefühlt, geschmeckt und gerochen. So lernte er
seine beiden Brüder und die beiden Schwestern kennen, er balgte sich mit ihnen, und manchmal kam ein
seltsamer krächzender Laut aus seiner Kehle, wenn er
zornig wurde. Auch seine Mutter war ihm sehr früh
durch Berührung, Geschmack und Geruch vertraut geworden. Sie war für ihn eine
Quelle der Wärme, Nahrung und Zärtlichkeit. Es war ein angenehmes Gefühl,
wenn sie mit der Zunge über seinen kleinen, weichen Körper strich,u nd er
schmiegte sich fest an sie, bevor er einschlief. Im ersten Monat seines Lebens
schlief der junge Wolf die meiste Zeit. Dann, als er sehen konnte, blieb er länger
wach und begann seine Umgebung zu erforschen. Diese Welt war recht dunkel,
doch das war ihm nicht bewusst, denn er kannte ja keine andere. Hier gab es nur
sehr gedämpftes Licht, doch seine Augen hatten sich noch an kein anderes Licht
gewöhnen müssen. Seine Welt war sehr klein. Grenzen waren dien Wände der
Höhle. Aber auch diese Enge störte ihn nicht, a er ja die weite Welt draußen nicht
kannte. Doch er hatte bald bemerkt, dass eine Wand seiner Welt sich von den anderen unterschied, nämlich die Seite, an der der Höhleneingang lag. Von dort kam
das Licht. Diese Entdeckung hatte er schon gemacht, bevor er noch überhaupt den
ersten eigenen Gedanken fasste, noch bevor seine Augen sich geöffnet hatten, um
es zu sehen.das Licht war auf seine geschlossenen Lider getroffen, und seine Augen hatten es bereits als angenehm empfunden. Das Leben in seinem Körper sehnte sich nach diesem Licht und wie eine Pflanze strebte es diesem Licht entgegen.
Schon damals zog es den jungen Wolf und seine Geschwister zum Höhleneingang
hin. Die anderen Wände der Höhle interessierten sie dagegen kaum. Wie Pflanzen
zog es die jungen Tiere zum Licht hin, denn etwas in ihrem Inneren sagte ihnen
von Anfang an, dass es kein Leben ohne dieses Licht gab. Und ihre kleinen rundlichen Körperkrochen blind und wie von selbst in Richtung des Höhleneinganges.
Später, als die verschiedenen Wünsch und Begierden in ihnen erwachten, nahm die
Anziehungskraft des Lichtes weiter zu. Immer wieder zurück.
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Auf diese Weise lernte der kleine Wolf, dass seine Mutter noch andere Eigenschaften
außer einer weichen, angenehmen Zunge besaß. Wen er wieder einmal zum Höhleneingang hin gekrochen war, stieß sie ihn nochmal kräftig mit
der Nase oder war, stieß sie ihn manchmal kräftig mit der Nase
oder warf ihn mit einem gezielten Schlag ihrer Pfote um. So
lernte er den Schmerz kennen. Und vor allem lernte er, wie
man ihn vermeiden konnte-indem man kein Risiko einging.
Wenn man aber das Risiko auf sich nahm, dann musste man geschickt ausweichen können, wenn Gefahr drohte. Er hatte gelernt, dass bewusst zu handeln und Zusammenhänge herzustellen. Er floh nicht mehr automatisch vor dem Schmerz, wie zu Beginn, sondern nun
floh er davor, weil er ihn kannte. Wie seine Geschwister war er ein wilder kleiner
Wolf. Er war ja auch ein Fleischfresser, so wie alle seine Vorfahren, so wie sein Vater und seine Mutter. Selbst die Milch, die er als Neugeborenes getrunken hatte, war
aus Fleisch entstanden, und jetzt da er gerade einen Monat alt war und sich seine
Augen gerade erst geöffnet hatten, begann auch er schon, Fleisch zu fressen. Noch
musste die Mutter es ihm vorkauen, ehe er es verzehren konnte. Er war der wildeste
der 5 Jungen Wölfe. Sein Knurren war lauter als das seiner Geschwister, er lernte
bald, die anderen mit der Pfote umzuwerfen oder sie am Ohr zu zerren. Und mit ihm
hatte die Mutter die meisten Schwierigkeiten, wenn sie ihre Jungen vom Höhleneingang zurücktrieb. Doch so faszinierend das Licht für ihn war, und sooft er zum Eingang kroch, wusste er doch nicht, dass es ei Eingang war. Er konnte nicht wissen,
dass man durch so einen Eingang von einem Ort zu einem anderen gelangte. Er
kannte ja keinen anderen Ort. Darum war der Eingang für ihn eine Wand, eine Wand
aus Licht. Sie war die Sonne seiner kleinen Welt. Er wurde von ihr angezogen wie
die Motte vom Licht. Das Leben in ihm drängte ihn zum Licht hin, denn es wusste,
dass dies der Weg ins Freie war. Doch er selbst wusste von alldem nichts. Diese
Mauer aus Licht erschien ihm geheimnisvoll. Sein Vater-für ihn ein Lebewesen, das
ihm Fleisch brachte und das der Mutter ähnlich war-hatte eine besondere Fähigkeit:
er konnte durch die diese Wand verschwinden. Das konnte sich der kleine Wolf nicht
erklären. Er hatte bereits die anderen Wände erforscht und war dabei mit der Nase
gegen eine harte Wand gestoßen. Schließlich akzeptierte er diese Fähigkeit, durch
die Wand zu verschwinden, als ein besonderes Merkmal seines Vaters, so wie die
Milch und das Fleisch ein Merkmal der Mutter waren. Über all diese Dinge dachte
der kleine Wolf nicht wirklich nach-jedenfalls nicht so wie ein Mensch darüber
nachdenken würde. Sein Denken war unklar, doch die Schlussfolgerungen, die er
zog, waren so eindeutig wie die eines Menschen. Warum etwas passierte, interessierte ihn nicht; allein wie es passierte, war für ihn wichtig. Er war mit der Nase gegen
die Wand gestoßen-also konnte er nicht hindurch.
Geschrieben von Philip Hörschelmann
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Der kleine Prinz
Ach, kleiner Prinz, so nach und nach habe ich dein kleines schwermütiges Leben
verstanden. Lange Zeit hast du, um dich zu zerstreuen, nichts anderes gehabt als
die Lieblichkeit der Sonnenuntergänge.
Das erfuhr ich am Morgen des vierten Tages, als du mir sagtest: ,,Ich liebe die Sonnenuntergänge sehr. Komm, lass uns einen
Sonnenuntergang anschauen…´´,,Da muss
man noch warten…´´,,Worauf denn warten? ´´ ,,Warten, bis die Sonne untergeht. ´´
Du hast zuerst ein sehr erstauntes Gesicht gemacht und dann über dich selber gelacht. Und du hast zu mir gesagt: ,,Ich bilde
mir immer ein, ich sei zu Hause! ´´ In der Tat.
Wenn es in den Vereinigten Staaten Mittag
ist, geht die Sonne, wie jedermann weiß, in
Frankreich unter. Um dort einem Sonnenuntergang beizuwohnen, müsste man in einer
Minute nach Frankreich fliegen können. Unglücklicherweise ist Frankreich viel zu weit
weg. Aber auf deinem so kleinen Planeten
genügte es, den Sessel um einige Schritte weiterzurücken. Und du erlebst die Dämmerung, so oft du es wünschtest…
,,An einem Tag habe ich die Sonne vierundvierzig Mal untergehen sehen! ‘‘
Und ein wenig später fügtest du hinzu: ,,Du weißt doch, wenn man recht traurig ist,
liebt man die Sonnenuntergänge…‘‘ ,, Am Tage mit den vierundvierzig Mal warst
du also besonders traurig? ‘‘ Aber der kleine Prinz antwortete nicht.
Diese Geschichte wurde abgetippt von: Philipp Lachmann
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Anhang
Alle in diesem Buch verfassten Geschichten entstanden im Medienkundeunterricht der 6. Klassen des Perthes-Gymnasiums Friedrichroda im
Schuljahr 2009/ 2010 in eigenständiger Arbeit der jeweiligen Autoren.
Die beteiligten Schüler mit ihren Geschichten sind:
Cecilia Kühnel: Beschützer der Diebe
Anne Sophie Köllner: Das Pferd auf dem Kirchturm
Dominique Wolle: In der Höhle des Kyklopen
Jakob: Auf Zehenspitzen durch die Hauptstadt
Juliane Frühwirt: Diadalus und Ikarus
Katharina Schranz: Die Teddybär-Geschichte
Kevin Bischof: Der Wolf
Lena Raßbach: Beschützer der Diebe
Oliver Siede: Ronja Räubertochter
Philip Hörschelmann: Der kleine, graue Wolf
Philipp Lachmann: Der kleine Prinz