Praxisfall Mediation- Das Wohnmobil

Praxisfall Mediation- Das Wohnmobil
An einer Schnittstelle in einem großen Unternehmen gab es zwischen Entwicklung und Planung immer wieder Konflikte. Die
beiden Abteilungen waren spinnefeind. Es gab im Laufe der letzten Jahre häufig Wechsel in den Teams, und auch die
jeweiligen Abteilungsleiter hatten in 5 Jahren zweimal gewechselt.
© Fotolia.com
Der Wechsel war in beiden Fällen erfolgt, nachdem die beiden Chefs entnervt das Handtuch geworfen hatten und sich heftig
über die Unfähigkeit und Unwilligkeit der jeweils anderen Seite bei der jeweiligen Bereichsleitung beschwert hatten. Im Kern des
Konflikts standen zwei langegediente Mitarbeiter, jeweils einer pro Abteilung, die besonders heftig mit der jeweils anderen Seite
„umsprangen“.
Auf Bereichsleiterebene gab es keine Probleme, daher beschlossen die beiden involvierten Bereichsleiter, dass sie zwischen
den Teams eine Konfliktklärung durchführen wollten. Im Vorgespräch mit den beiden zuständigen Bereichsleitern stellte sich
bald heraus, dass es dabei um eine Konfliktlösung und nicht um eine Mediation im klassischen Sinn ging.
Das Ziel des Topmanagements war es, diesen ständigen Konfliktherd endlich zu befrieden. Jedes einzelne Teammitglied war
im Unternehmen geschätzt und ob seiner Spezialisierung auch kaum in kurzer Zeit ersetzbar. Mehrere Kündigungen waren
daher keine Option. Es ging wirklich um eine nachhaltige Lösung.
Im ersten Schritt führten wir mit jedem Teammitglied ein einstündiges Gespräch, in dem wir alle Gesprächspartner baten, ihre
Sicht auf den Konflikt darzulegen. Für uns Berater war am Ende dieser Gesprächsrunde klar, dass es sehr viele, auch
unterschiedliche Streitthemen gab, und wir vermuteten, dass unter den vermeintlich sichtbaren Themen noch irgendwo eine
Leiche im Keller liegen musste.
Im ersten Workshop wurde schnell sichtbar, dass eigentlich nur zwei der rund 10 Beteiligten auf beiden Seiten wirklich
unversöhnlich waren. Alle Parteien erhielten Gelegenheit, ihre Sicht auf die Situation darzustellen. Die meisten Themen waren
relativ einfach lösbar, und es entstand langsam die Idee, dass der Konflikt an den Schnittstellen beilegbar war.
Nach einer zweiten Workshoprunde waren 10 Themen identifiziert, die einer Lösung bedurften und wo auch schon klar war,
dass eine Lösung wahrscheinlich war. Auffällig blieb, dass die beiden langgedienten Mitarbeiter immer noch voll Groll
miteinander umgingen, wenn sie direkt aufeinander trafen.
In einer weiteren Gesprächsrunde, die nur für diese beiden Mitarbeiter angesetzt war, versuchten wir, die Ursache des Konflikts
noch einmal zu beleuchten. Im Laufe des Gesprächs benutzen wir ein Werkzeug mit dem Namen Konfliktatlas, mit dessen Hilfe
wir die verschiedenen „Explosionen des Konflikts“ aus der jeweiligen Wahrnehmung beleuchteten und je länger das Gespräch
dauerte, desto weiter zurück in der gemeinsamen Geschichte. Interessant war, dass die Themen, an die sich beide erinnerten,
immer weniger mit den fachlichen Streitigkeiten zu tun hatten als vielmehr mit Missverständnissen auf persönlicher Ebene.
Schlussendlich stellte sich heraus, dass die beiden früher einmal ganz gute Kollegen waren, und dann passierte etwas, was
sich Jahre später zu einem Mega-Konflikt auswuchs: Ein Kollege hing nach dem Sommer am schwarzen Brett aus, dass er sein
Wohnmobil verkaufen wollte und der andere Kollege sprach ihn ein paar Tage später darauf an.
Der Kollege zeigte ihm Fotos und bot auch einen Besichtigungstermin an. Der interessierte Kollege überlegte daraufhin einige
Tage, und rund 4 Wochen nach dem Aushang ging er am Montag in der Früh auf den Kollegen zu und wollte Nägel mit Köpfen
machen und den Verkauf abschließen.
In der Zwischenzeit hatte allerdings die Frau des Kollegen das Wohnmobil am Wochenende einer Freundin überlassen, und
das erfuhr der interessierte Kollege, der geglaubt hatte, das Wohnmobil sei für ihn reserviert. Tja, damit war es passiert. Der
Kollege, der das Wohnmobil kaufen wollte, war sauer und enttäuscht und fühlte sich verraten.
Der andere Kollege verstand die Reaktion überhaupt nicht, und über die Jahre kam eines zum anderen: Jede kleine
Unstimmigkeit wurde zum Problem, weil sich die eine Seite ja nicht auf die andere verlassen konnte und die andere Seite immer
nur das zickige Verhalten des Kollegen sah, der nichts entschied und immer nur verzögerte. Über die Jahre wurden immer mehr
Leute in den Konflikt involviert, bis er schließlich implodierte und wir als Berater zugezogen wurden.
Diesen Praxisfall stellte Ihnen Mag. Birgit Fischer-Sitzwohl zur Verfügung.
Coverdale Managementberatungs- und -trainingsgmbH, Mohsgasse 1/Halbstock, 1030 Wien, www.coverdale.at, [email protected]