Warum ist es in vielen Teilen Deutschlands so schwer, einen Psychotherapieplatz zu finden, wenn man bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist? Die Anzahl der Psychotherapeuten, die über die Krankenkassen abrechnen dürfen, die also einen so genannten Kassensitz innehaben, ist in Deutschland gesetzlich geregelt. Diese so genannte Bedarfsplanung ist jedoch völlig veraltet und wird den jeweiligen Bedürfnissen der Bevölkerung nicht angepasst. De facto gibt es ein Überangebot von Psychotherapeuten, die auf einen Kassensitz warten und eine dementsprechend große Nachfrage von Bürgern nach Psychotherapie, aber viel weniger freie Kassensitze. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Psychotherapeuten wird also aus Gründen der Kostendeckelung absichtlich staatlich verknappt. Kurz gesagt: Wenn ein Kassenversicherter keinen Psychotherapeuten findet, der in den nächsten drei bis vier Monaten einen Platz für ihn frei hat, wird das von den zuständigen Behörden (der Kassenärztlichen Vereinigung und den Gesundheitsbehörden) für zumutbar gehalten und dieser Zustand ist gewollt. Man will nicht, dass noch mehr Psychotherapiepatienten noch mehr Kosten verursachen. Der reichlich gedeckte Tisch im Gesundheitssystem, der weiterhin vorhanden ist (die Umsätze im Gesundheitssystem sind schließlich beachtlich), soll von anderen (z. B. Krankenhaus-, und Pharmakonzernen; Gerätemedizin) abgeräumt werden – die Verteilung ist bereits geklärt. Hinzu kommt, dass in vielen strukturschwachen Gebieten, z. B. Ostdeutschlands, entgegen anders lautender Beteuerungen, nichts dafür getan wird, dass qualifizierte Psychotherapeuten sich dort gerne auf die wenigen jedes Jahr frei werdenden Kassensitze bewerben. Einige Beispiele: Ein Interessent für einen Psychotherapie-Sitz muss in Mecklenburg-Vorpommern jedes Jahr 10,- Euro pro Planungsbezirk „Wartelistengebühr“ bezahlen. In den westlichen Bundesländern gibt es eine solche Gebühr nicht. In vielen Bundesländern können sich nur Psychologen auf psychologische Psychotherapeutensitze bewerben, und nur Mediziner auf ärztliche Psychotherapeutensitze. In Schleswig-Holstein ist diese Trennung entfallen. Fazit: Jede freie Stelle wird dort sofort wieder mit einem qualifizierten Bewerber ersetzt (auch wenn er nicht der gleichen Berufsgruppe angehört wie sein Vorgänger), während in anderen Bundesländern Sitze (derzeit die weniger begehrten ärztlichen) einfach frei bleiben, weil sich die entsprechende Berufsgruppe nicht ausreichend bewirbt, während es genügend Bewerber ebenso oder noch besser qualifizierter psychologischer Kollegen gäbe. In Bundesländern wie Berlin und Brandenburg werden Bewerbern zusätzliche bürokratische Hürden aufgebaut, die subtil wirken, aber durchaus wirksam sind: statt einer ausführlichen, freundlichen und hilfreichen telefonischen Niederlassungsberatung wie in anderen Bundesländern üblich, werden Interessenten hier grundsätzlich schnell und unfreundlich abgefertigt, das Angebot einer ausführlichen Niederlassungsberatung für Psychologen: Fehlanzeige! In Berlin wird von Bewerbern verlangt, schon zum Zeitpunkt der Bewerbung einen Mietvertrag über eine Praxis vorlegen zu können. Ein größerer Blödsinn ist kaum vorstellbar! Das wäre so, als ob ein Kaufmann sich von Bayern aus bei einem Unternehmen in Berlin bewirbt und das Unternehmen von ihm verlangt, zusammen mit der Bewerbung bereits einen Berliner Mietvertrag einzureichen. Durch derartige Maßnahmen wird es interessierten Psychotherapeuten, die einen Kassensitz erlangen wollen, absichtlich schwer gemacht, sich zu der (ohne Aussicht auf Erfolg) 100,- Euro Gebühr erfordernden Bewerbung bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu entschließen. Kassenversicherte können sich dagegen nur wehren, indem sie von ihrer Krankenkasse eine Kostenübernahme für die Behandlung bei einem nicht ins Kassensystem integrierten Behandler einfordern. Nach §13(3) SGB V hat nämlich jeder Bürger das Recht auf notwendige medizinische Behandlung. Das schließt notwendige Psychotherapie mit ein. Kann die Krankenkasse keinen kassenzugelassenen Behandler benennen, muss sie deshalb einwilligen, dass der Versicherte sich einen nur zur Privatabrechnung berechtigten, gleichwohl aber zur Kassenabrechnung grundsätzlich qualifizierten Behandler sucht und die Privatrechnungen bei der Kasse einreicht.
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