Metakognitive Strategien in der Therapie von Zwangsstörungen

Metakognitive Strategien
in der Therapie von
Zwangsstörungen
Exner, C., Hansmeier, J., Weber, F.,
Haberkamp, A., Rief, W. &
Glombiewski, J.
Universität Leipzig
Philipps-Universität Marburg
Therapieempfehlung
Methode der ersten Wahl: Kognitive
Verhaltenstherapie (KVT)
Aus: S3-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN):
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-017.html
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Wirksamkeit von KVT bei Zwangsstörungen
• Prä-Post-Effekte (Eddy et al., 2004):
– Exposition mit Reaktionsverhinderung (ERP) (d=1.53),
– Kognitive Therapie (CT) (d=1.54)
– Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) (d=1.39)
• Im Vergleich mit Warteliste oder Placebobehandlung (RosaAlcazar et al., 2008):
– Exposition mit Reaktionsverhinderung (ERP) (d=1.13),
– Kognitive Therapie (CT) (d=1.09)
– Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) (d=1.0)
• Im Vergleich mit medikamentöser Behandlung mit (S)SRIs
(Romanelli et al., 2014):
– KVT > SRIs (0.37), KVT = SSRIs (0.22), KVT plus SRI > SRI, but not >
KVT
• KVT ist die effektivste (psychologische) Behandlung bei Zwang
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Grenzen
•
•
•
•
Abbruchraten: 15 % in kontrollierten Studien (Eddy et al., 2004)
Responder: 70-80 % (≥35% Reduktion der Zwangssymptomatik)
Klinisch signifikante Veränderung:>60% (Fisher & Wells, 2005)
Residualsymptome: >75% (Fisher & Wells, 2005)
•
Probleme mit Anwendung in der Versorgung:
– 50 % der Psychotherapeuten nutzen ERP nie, selbst 20-30 % der
Verhaltenstherapeuten selten oder nie (Külz et al., 2010; Roth et al.,
2004)
– Selbst wenn, dann nicht state-of-the-art (nur kurze Expos < 2h,
selten außerhalb des Therapiezimmers)
KVT fordert Therapeuten und Patienten heraus. Alternativen?
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Metakognitives Modell psychischer
Erkrankungen (Wells, 2000)
• Negativer Gedankeninhalt vs. dysfunktionaler Denkstil
• Emotionale Störungen resultieren aus dysfunktionalem Umgang
mit Gedanken
• Cognitive Attentional Syndrome (CAS)
– Perseverativer Denkstil, exzessive konzeptuelle Verarbeitung (SichSorgen, Grübeln)
– Dysfunktionale Aufmerksamkeitslenkung (nach innen, auf
Bedrohung ausgerichtet)
– Dysfunktionales Copingverhalten (z.B. Gedankenunterdrückung,
Vermeidungsverhalten)
• CAS entspringt den metakognitiven Überzeugungen einer Person
• CAS wird in problematischen Situationen aktiviert
• CAS ist ein dysfunktionaler rigider kognitiver Stil, der bei fast
jeder Art von psychischer Störung zu beobachten ist
• Veränderung von CAS ist Hauptziel der metakognitiven Therapie
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Kognitiv-behaviorales Modell der
Zwangsstörung
+
(1)
Aufdringlicher
Gedanke






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+
(2)
Bedeutung
—
(3)
(4)
Emotionale,
physiologische
Unruhe
Neutralisieren,
Ritual
Überhöhte Verantwortlichkeit
Überschätzung von Bedrohungen
Intoleranz gegenüber Unsicherheit
Perfektionismus
Überschätzung der Wichtigkeit von Gedanken
Überschätzung der Wichtigkeit und Möglichkeit, Gedanken zu kontrollieren
[Modell nach P. Salkovskis, 1988]
Metakognitives Modell der
Zwangsstörung (nach Wells 2009)
Dysfunktionale metakognitive Regulation
 Rigide Aufmerksamkeitsausrichtung auf interne mentale Prozesse (Kognitive
Selbstaufmerksamkeit) erhöht „Entdeckungsrate“
Trigger
Dysfunktionale metakognitive Überzeugungen
 Überschätzung der Wichtigkeit von Gedanken
 Überschätzung der Wichtigkeit und Möglichkeit,
Gedanken zu kontrollieren
aktiviert FusionsMetakognitionen
Metakognitive Therapie (MCT)
• Fokus auf metakognitiven Annahmen
über Gedanken und Rituale
• Verhaltensexperimente
• Funktionale Aufmerksamkeitslenkung
• Distanzierung von Gedankeninhalten
Bewertung der
Intrusion
Metakognitionen
über Rituale
Verhaltensreaktion
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Emotion
Metakognitive Therapiemethoden
•
Modellvermittlung
•
•
Losgelöste Achtsamkeit (Detached Mindfulness)
Ausführen von Ritualen, während der (Zwangs-)Gedanke
gedacht wird (Exposure and Response Commission)
Aufschieben von Ritualen
Kognitive Methoden: z.B. Wieso haben nur manche
Gedanken eine besondere Bedeutung?
Analyse von Vor- und Nachteilen von Ritualen
Verhaltensexperimente, z.B. Adaptive Checking
(Überprüfung des „Vorhersagewertes“ von Gedanken)
•
•
•
•
8
z.B.: Wenn Sie nicht länger glauben würden, dass Ihre Gedanken
bedeutsam sind, wie ängstlich wären Sie dann?
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Metakognitiv-basierte
Verhaltensexperimente
• Exposition, um metakognitive Überzeugungen zu
prüfen
• Expositionen nicht mit dem Ziel, Inhalte von
Gedanken und Überzeugungen auf ihren
Realitätsgehalt zu prüfen oder Habituation an Angst
zu erreichen
• Beispiele
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Wirksamkeit der Metakognitiven Therapie
bei Zwangsstörungen
Effektivität bisher nur in Pilotstudien untersucht:
10
•
Studie 1 (Fisher & Wells, 2008):
Einzelfallstudie an 4 Patienten (alle gebessert, 50% keine
Zwangsdiagnose mehr)
•
Studie 2 (Rees & Koesveld, 2008):
Open Trial mit einer Gruppe von 8 Patienten (88%
“recovery”)
•
Studie 3 (Simon, Schneider & Herpetz-Dahlman, 2006):
10 Kinder mit OCD, MCT vs. Expositionstherapie (ERP)
(80% keine Zwangsdiagnose mehr)
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Ziele der aktuellen Pilot-Studie
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•
Vergleich der Wirksamkeit von MCT und ERP (Goldstandard)
•
Durchführbarkeit im ambulanten Behandlungssetting
•
Patientenzufriedenheit
•
Entwicklung eines Behandlungsmanuals und Therapeutentraining
•
Definition spezieller Behandlungstechniken der MCT und ERP und
Einführung von Ratingskalen zur Qualitätssicherung
•
Übersetzung und Validierung von Fragebögen zur Erfassung von
Metakognitionen (z.B. Thought Action Fusion Scale, TAF, Shafran
et al., 1996)
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Ziele der aktuellen Pilot-Studie
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•
Vergleich der Wirksamkeit von MCT und ERP
(Goldstandard)
•
Durchführbarkeit im ambulanten Behandlungssetting
•
Patientenzufriedenheit
•
Entwicklung eines Behandlungsmanuals und Therapeutentraining
•
Definition spezieller Behandlungstechniken der MCT und ERP und
Einführung von Ratingskalen zur Qualitätssicherung
•
Übersetzung und Validierung von Fragebögen zur Erfassung von
Metakognitionen (z.B. Thought Action Fusion Scale, TAF, Shafran
et al., 1996)
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Pilotstudie der Universitäten Marburg/
Leipzig
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Setting
Psychotherapeutische Hochschulambulanzen
Design
Pilot RCT/ Beobachtungsstudie
Therapiebedingungen
ERP (Kozak & Foa, 2001): Fokus auf
therapeutengeleiteter und selbstständiger
Exposition mit Reaktionsverhinderung
MCT (Wells, 2009): Fokus auf metakognitiven
Überzeugungen über Intrusionen und Rituale,
Verhaltensexperimente, detached mindfulness
Einschlusskriterien
Erwachsene Probanden (18-65 Jahre) mit OCD,
nicht in weiterer Behandlung; komorbide
Störung (außer *) und pharmakologische
Behandlung kein Hindernis
Ausschlusskriterien
*Psychose, *Abhängigkeit, *F0, suizidale
Tendenzen
Primäres Outcome:
Fremdbeurteilung der Zwangssymptomatik
durch Therapeuten (Y-BOCS)
Sekundäre Outcomes:
Selbstbeurteilung der Zwangssymptomatik
(PADUA-PR), depressive Symptomatik (BDI-II)…
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Pilotstudie der Unis Marburg/ Leipzig
Prä-postVergleich
14 DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Bisherige Ergebnisse
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die im
Vortrag berichteten bisherigen Ergebnisse der
Pilotstudie hier nur in zusammengefasster
Form dargestellt werden. Es handelt sich um
noch unveröffentlichte Daten, die zur
Publikation an anderer Stelle vorbereitet
werden.
15 DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Vorläufige Ergebnisse
• MCT und ERP zeigten in einer kleinen Pilotstudie (!)
vergleichbare Therapieerfolge
• vergleichbare und moderate Abbruchraten (MCT 27 vs. ERP
22 %)
• Zwangssymptome wurden in beiden Therapiebedingungen
signifikant reduziert (große Effekte)
• Komorbide depressive Symptome – obwohl nicht gezielt
therapiert – wurden ebenfalls reduziert (moderate Effekte)
• Bisher kein Hinweis auf unterschiedliche Wirkweise
• Vergleichbare Patientenzufriedenheit in beiden
Therapiebedingungen
• ERP benötigte doppelt so viel Behandlungszeit (Sitzungen a
50 Min.) wie MCT
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Fazit und Ausblick
• Metakognitive Störungsmodelle und Behandlungstechniken
können wertvolle Ergänzungen oder Alternativen zum
kognitiv-behavioralen Behandlungsansatz der
Zwangsstörung liefern
• Offene Fragen:
– Cave: Wiederholbarkeit in größerer Stichprobe?
– Cave: Stabilität der Therapieerfolge? Notwendigkeit
ergänzender Therapieangebote (Komorbide Störungen)?
– Passung für verschiedene Patienten?
– Wirkmechanismen (z.B. Metakognition vs. Habituation)?
– ….
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Danke
• Allen StudienteilnehmerInnen!
• Meiner Ko-Studienleiterin Dr. Julia Glombiewski
• Den Studienmitarbeiterinnen und -therapeutinnen
– Jana Hansmeier
– Anke Haberkamp
– Friederike Weber
• An die Psychotherapieambulanz Marburg e.V.!
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DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Vielen Dank für
Ihre
Aufmerksamkeit!
[email protected]
Literatur
•
•
•
•
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Eddy, K.T., Dutra, L., Bradley, R. & Westen, D. (2004). A
multidimensional meta-analysisof psychotherapyand
pharmacotherapyforobsessive-compulsive-disorder. Clinical
Psychology Review, 24, 1011-1030.
Fisher, P.L. & Wells, A. (2008). Metacognitive Therapy for
obsessive-compulsive disorder: A case series. Journal of Behavior
Therapy and Experimental Psychiatry, 39, 117–132.
Kahl, K.G. et al. (2011). Die dritte Welle der Verhaltenstherapie.
Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie, 79, 330-339.
Rees, C.S. & van Koesveld, K.E. (2008). An open trial of group
metacognitive therapy for obsessive-compulsive disorder. Journal
of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 39, 4, 451–
458.
Rosa-Alcazar, A.I., Sanchez-Meca, J., Gomez-Consena, A. &
Marin-Martinez, F. (2008). Psychological treatment of obsessivecompulsive disorder. Clinical Psychology Review, 28, 1310-1325.
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015
Literatur
•
•
•
21
Simons, M., Schneider, S. & Herpertz-Dahlmann, B. (2006).
Metacognitive Therapy versus Exposure and Response Prevention
for Pediatric obsessive-compulsive Disorder - A case series with
randomized allocation. Psychotherapy & Psychosomatics, 75,
257–264.
Wells, A. (2000). Cognitive Therapy of Anxiety Disorders: A
Practice Manual and Conceptual Guide. Chichester: Wiley.
Wells, A. (2009). Metacognitive Therapy for Anxiety and
Depression. New York: Guildford.
DGZ-Jahrestagung, Prien 2015