Neues Gesetz eingeführt

Illustration: istock/ stalkerstudent
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PRAXIS
Das Antikorruptionsgesetz tritt voraussichtlich im Frühjahr
in Kraft. Auch Heilmittelerbringer müssen über die neuen
Paragrafen Bescheid wissen.
Neues Gesetz eingeführt
Zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber ein neues Gesetz
eingeführt. Erbringer von Heilbehandlungen müssen danach künftig mit Strafverfolgung rechnen,
wenn sie ihnen nicht zustehende Vorteile im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit annehmen.
VPT-Justiziar D. Benjamin Alt erläutert, worauf nun besonders zu achten ist.
K
orruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt nach Ansicht der Bundesregierung den Wettbewerb, verteuert Leistungen für Patienten und stellt eine Gefahr für das langfristige
Vertrauen der Patienten in die Behandlung durch Heilbehandlungserbringer dar. Die Bundesregierung sieht deshalb Handlungsbedarf. Der Gesetzesentwurf zu den neu geschaffenen §§
299a, 299b, 300, 301, 302 StGB hat alle dafür vorgesehenen
Ausschüsse durchlaufen und dürfte entweder zum 1. März oder
zum 1. April 2016 in Kraft treten.
Die Tatbestände erfassen als sogenannte Sonderdelikte nur
einen geschlossenen Täterkreis, sind aber nicht mehr auf Angehörige akademischer Heilberufe beschränkt sondern erfassen
zwischenzeitlich alle Angehörigen von Heilberufen, die für ihre
Berufsausübung oder die Führung ihrer Berufsbezeichnung einer
staatlich geregelten Ausbildung bedürfen. Dazu zählen uneingeschränkt Ärzte, psychische Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Tierärzte und Apotheker. Lediglich Heilpraktiker sind ausgespart. Eine Sonderstellung nehmen Gesundheitshandwerker
(Optiker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker etc.) ein, welche
keine Heilbehandlungen erbringen. Diese können sich lediglich
auf der Geberseite über § 299b StGB strafbar machen.
Neue Paragrafen
Die neu geschaffenen Paragrafen zielen darauf ab, insbesondere
zwei Schutzgüter zu bewahren: die Lauterkeit des Wettbewerbs
innerhalb der Heilberufe und das Vertrauen der Patienten in die
heilberufliche Unabhängigkeit. Wer also einen ihm nicht gebührenden Vorteil im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung
fordert, sich versprechen lässt oder annimmt und damit entweder einen anderen entgegen den Regeln des lauteren Wettbewerbs bevorzugt oder seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit der Heilberufe verletzt, muss künftig
nicht lediglich mit berufsrechtlichen Sanktionen, sondern mit
dem Staatsanwalt rechnen.
Voraussetzung der Strafbarkeit ist nach der Gesetzesbegründung die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Das
Versprechen, Fordern oder Annehmen eines Vorteils muss also
erfolgen, damit eine im Zusammenhang mit der Berufsausübung stehende Gegenleistung erbracht wird. Der offenkundigste Fall ist die Zahlung einer Prämie pro zugewiesenem Patienten oder verschriebenem Präparat. Nicht ausreichend ist hingegen die Gabe von Geschenken, um sich das allgemeine Wohlwollen des Bedachten zu sichern, ohne konkrete Gegenleistung.
Die Flasche Wein als Aufmerksamkeit für die produktive Zusammenarbeit soll damit straffrei bleiben.
Kooperationen
Schwieriger zu fassen sind Fälle, bei denen die Verknüpfung von
Leistung und Gegenleistung nicht offenkundig ist. Besonders
gefahrträchtig sind Praxiskonstruktionen, bei denen verschiedene Heilberufler in einer Gesellschaft zusammengefasst sind
und am Gesamtumsatz beteiligt werden. Die neue Rechtslage
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VPTMAGAZIN
PRAXIS
Buchtipp: Allgemeine Krankheitslehre
Im ersten Teil „Allgemeine Krankheitslehre“
wird Grundlagenwissen vermittelt. Entstehung von Krankheiten und Leitsymptome
sowie Diagnoseverfahren. Damit wird speziell
den Berufsanfängern der Einstieg in die
Medizin erleichtert und eine Grundlage für
alle Fächer der speziellen Krankheitslehre
geschaffen. Der zweite Teil des Lehrbuchs
widmet sich allen Bereichen der Inneren
Medizin. Zunächst werden die anatomischen
und physiologischen Grundlagen der
jeweiligen Organsysteme zusammengefasst.
Dann die Ursachen, Symptome, Diagnostik
und Therapie der wichtigsten Krankheitsbilder dargestellt und physiotherapeutisch
relevante Aspekte hervorgehoben. Das Buch
erzeugt damit ein Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitisch erwünschter Kooperation und strafrechtlich sanktionierter
Korruption. Im Gesellschaftsvertrag müssen daher zwingend
Konstruktionen vermieden werden, bei denen ein Heilberufler
etwa durch die Zuweisungen von Patienten an einen der Partner
zumindest mittelbar Einfluss auf seinen eigenen Gewinn nehmen kann. Aus anwaltlicher Sicht ist jeder Gesellschaft von Leistungserbringern von Heilberufen dringend zur Überprüfung Ihrer Gesellschaftsverträge durch fachlich qualifizierte Anwälte zu
raten. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass in §
300 StGB eine Strafverschärfung bei bandenmäßiger Begehung
vorgesehen ist; die Rechtsprechung nimmt eine Bande bereits
dann an, wenn drei oder mehr Personen gemeinschaftlich handeln. Es könnte somit die „Arzt-Physio-Bande“ entstehen, welche von der Strafjustiz verfolgt wird. Mithin wird aber zu beobachten sein, inwieweit Staatsanwaltschaften tatsächlich aktiv
werden und was die Gerichte aus den neuen Regelungen machen. Hier kann man noch nicht abschließend beurteilen, welche Gangart seitens der Justiz an den Tag gelegt wird. Aus eigener Anschauung wird es bundesweit aber sehr viel für die Behörden zu tun geben.
Bagatellgrenze
Die neuen Straftatbestände gebieten Obacht, da sie vom Wortlaut her sehr weit gefasst sind. Unter „Vorteil“ ist dabei jede Zuwendung zu verstehen, auf die kein Rechtsanspruch besteht
und die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Erfasst sind damit nicht lediglich Zuwendungen
in Geld oder geldwerte Zuwendungen. Auch immaterielle Vorteile wie Auszeichnungen, Ehrungen oder Ehrenämter können
einen tatbestandlichen Vorteil begründen. Der Gesetzgeber hat
dabei auf die Verankerung einer Bagatellgrenze verzichtet. Nicht
kritisch sind damit wohl lediglich Vorteile, die sozialüblich sind
und damit nicht die Gefahr in sich bergen, den Bedachten in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinflussen. Denkbar wären handelsübliche Plastikkugelschreiber, Schokoladenhasen zu Ostern,
etc. Die Gewährung von Rabatten dürfte nach der neuen Rechtslage vor allem in der Form von oftmals anzutreffenden Staffelrabatten höchst problematisch sein. Hier kommt es auf den EinVPTMAGAZIN
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eignet sich für die Begleitung des Krankheitslehre-Unterrichts, ist ein Nachschlagewerk für
das Praktikum und eine Hilfe für die Examensvorbereitung. Auch im späteren Praxis- bzw.
Klinikalltag kann es bei internistischen
Fragestellungen immer wieder herangezogen
werden. Eine Hilfe für die Planung der
Physiotherapie, die physiotherapeutische
Wirkungen, aber auch Grenzen verstehen
lässt.
Gabriele Steffers und Susanne Credner:
Allgemeine Krankheitslehre und Innere
Medizin für Physiotherapeuten. 372 Seiten,
280 Abbildungen, Thieme Verlag, 32,99 Euro
zelfall an. Der allgemeinübliche Skonto von 3 Prozent bei Barzahlung dürfte hingegeben in den meisten Fällen unproblematisch sein. Berichten zu Folge geht das Bundesministerium des
Inneren von einer Bagatellgrenze von 25 Euro pro Bedachtem
pro Jahr aus; die Strafverfolgungsbehörden lediglich von einer
Grenze von 5 Euro. Da die Straftatbestände noch der Ausformung durch die Gerichte bedürfen, also man abwarten muss
wie Gerichte hier tatsächlich künftig urteilen, empfiehlt es sich
aus anwaltlicher Sicht, unbedingt Vorsicht walten zu lassen.
Rabatte
Strafbare Handlungen sind nur solche, die im Rahmen der Ausübung des Heilberufs getätigt werden. Wer einen Rabatt dafür
erhält, dass er einen bestimmten Bürostuhl kauft, braucht sich
daher keine Sorgen zu machen. Tatbestandlich erfasste Handlungen sind dagegen beispielsweise Überweisungen, Zuweisungen,
aber auch Empfehlungen. Selbst die mündliche Empfehlung eines bestimmten Physiotherapeuten durch einen Arzt ist damit
von der Strafnorm erfasst, wenn für diese Empfehlung ein Vorteil
gewährt werden soll. Der Tatbestand ist dabei gesetzestechnisch
als sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, was
die Folge hat, dass es auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der
Schutzgüter nicht ankommt. Folgt etwa der Patient der Empfehlung durch einen Arzt nicht, ist der Korruptionsvorwurf gleichwohl in der Welt. Dies ist vergleichbar mit einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr. Sofern jemand betrunken fährt, kann er
bestraft werden, auch wenn er keinen Schaden verursacht hat.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schaffung der
neuen Straftatbestände zunächst einmal eine hohe Unsicherheit
bringen wird. Ob das Vertrauen in die Integrität der Heilberufe
nachhaltig verbessert werden kann, wird sich zeigen. Insbesondere Leistungserbringern, die in gemischten Gesellschaften ihrer Tätigkeit nachgehen ist dringend anzuraten, ihre Gesellschaftsverträge anwaltlicher Überprüfung zuzuführen, bevor
dies der Staatsanwalt vornimmt.
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