Illustration: istock/ stalkerstudent 12 PRAXIS Das Antikorruptionsgesetz tritt voraussichtlich im Frühjahr in Kraft. Auch Heilmittelerbringer müssen über die neuen Paragrafen Bescheid wissen. Neues Gesetz eingeführt Zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber ein neues Gesetz eingeführt. Erbringer von Heilbehandlungen müssen danach künftig mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie ihnen nicht zustehende Vorteile im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit annehmen. VPT-Justiziar D. Benjamin Alt erläutert, worauf nun besonders zu achten ist. K orruption im Gesundheitswesen beeinträchtigt nach Ansicht der Bundesregierung den Wettbewerb, verteuert Leistungen für Patienten und stellt eine Gefahr für das langfristige Vertrauen der Patienten in die Behandlung durch Heilbehandlungserbringer dar. Die Bundesregierung sieht deshalb Handlungsbedarf. Der Gesetzesentwurf zu den neu geschaffenen §§ 299a, 299b, 300, 301, 302 StGB hat alle dafür vorgesehenen Ausschüsse durchlaufen und dürfte entweder zum 1. März oder zum 1. April 2016 in Kraft treten. Die Tatbestände erfassen als sogenannte Sonderdelikte nur einen geschlossenen Täterkreis, sind aber nicht mehr auf Angehörige akademischer Heilberufe beschränkt sondern erfassen zwischenzeitlich alle Angehörigen von Heilberufen, die für ihre Berufsausübung oder die Führung ihrer Berufsbezeichnung einer staatlich geregelten Ausbildung bedürfen. Dazu zählen uneingeschränkt Ärzte, psychische Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Tierärzte und Apotheker. Lediglich Heilpraktiker sind ausgespart. Eine Sonderstellung nehmen Gesundheitshandwerker (Optiker, Zahntechniker, Hörgeräteakustiker etc.) ein, welche keine Heilbehandlungen erbringen. Diese können sich lediglich auf der Geberseite über § 299b StGB strafbar machen. Neue Paragrafen Die neu geschaffenen Paragrafen zielen darauf ab, insbesondere zwei Schutzgüter zu bewahren: die Lauterkeit des Wettbewerbs innerhalb der Heilberufe und das Vertrauen der Patienten in die heilberufliche Unabhängigkeit. Wer also einen ihm nicht gebührenden Vorteil im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt und damit entweder einen anderen entgegen den Regeln des lauteren Wettbewerbs bevorzugt oder seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit der Heilberufe verletzt, muss künftig nicht lediglich mit berufsrechtlichen Sanktionen, sondern mit dem Staatsanwalt rechnen. Voraussetzung der Strafbarkeit ist nach der Gesetzesbegründung die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Das Versprechen, Fordern oder Annehmen eines Vorteils muss also erfolgen, damit eine im Zusammenhang mit der Berufsausübung stehende Gegenleistung erbracht wird. Der offenkundigste Fall ist die Zahlung einer Prämie pro zugewiesenem Patienten oder verschriebenem Präparat. Nicht ausreichend ist hingegen die Gabe von Geschenken, um sich das allgemeine Wohlwollen des Bedachten zu sichern, ohne konkrete Gegenleistung. Die Flasche Wein als Aufmerksamkeit für die produktive Zusammenarbeit soll damit straffrei bleiben. Kooperationen Schwieriger zu fassen sind Fälle, bei denen die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung nicht offenkundig ist. Besonders gefahrträchtig sind Praxiskonstruktionen, bei denen verschiedene Heilberufler in einer Gesellschaft zusammengefasst sind und am Gesamtumsatz beteiligt werden. Die neue Rechtslage 03|16 VPTMAGAZIN PRAXIS Buchtipp: Allgemeine Krankheitslehre Im ersten Teil „Allgemeine Krankheitslehre“ wird Grundlagenwissen vermittelt. Entstehung von Krankheiten und Leitsymptome sowie Diagnoseverfahren. Damit wird speziell den Berufsanfängern der Einstieg in die Medizin erleichtert und eine Grundlage für alle Fächer der speziellen Krankheitslehre geschaffen. Der zweite Teil des Lehrbuchs widmet sich allen Bereichen der Inneren Medizin. Zunächst werden die anatomischen und physiologischen Grundlagen der jeweiligen Organsysteme zusammengefasst. Dann die Ursachen, Symptome, Diagnostik und Therapie der wichtigsten Krankheitsbilder dargestellt und physiotherapeutisch relevante Aspekte hervorgehoben. Das Buch erzeugt damit ein Spannungsfeld zwischen gesundheitspolitisch erwünschter Kooperation und strafrechtlich sanktionierter Korruption. Im Gesellschaftsvertrag müssen daher zwingend Konstruktionen vermieden werden, bei denen ein Heilberufler etwa durch die Zuweisungen von Patienten an einen der Partner zumindest mittelbar Einfluss auf seinen eigenen Gewinn nehmen kann. Aus anwaltlicher Sicht ist jeder Gesellschaft von Leistungserbringern von Heilberufen dringend zur Überprüfung Ihrer Gesellschaftsverträge durch fachlich qualifizierte Anwälte zu raten. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass in § 300 StGB eine Strafverschärfung bei bandenmäßiger Begehung vorgesehen ist; die Rechtsprechung nimmt eine Bande bereits dann an, wenn drei oder mehr Personen gemeinschaftlich handeln. Es könnte somit die „Arzt-Physio-Bande“ entstehen, welche von der Strafjustiz verfolgt wird. Mithin wird aber zu beobachten sein, inwieweit Staatsanwaltschaften tatsächlich aktiv werden und was die Gerichte aus den neuen Regelungen machen. Hier kann man noch nicht abschließend beurteilen, welche Gangart seitens der Justiz an den Tag gelegt wird. Aus eigener Anschauung wird es bundesweit aber sehr viel für die Behörden zu tun geben. Bagatellgrenze Die neuen Straftatbestände gebieten Obacht, da sie vom Wortlaut her sehr weit gefasst sind. Unter „Vorteil“ ist dabei jede Zuwendung zu verstehen, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Erfasst sind damit nicht lediglich Zuwendungen in Geld oder geldwerte Zuwendungen. Auch immaterielle Vorteile wie Auszeichnungen, Ehrungen oder Ehrenämter können einen tatbestandlichen Vorteil begründen. Der Gesetzgeber hat dabei auf die Verankerung einer Bagatellgrenze verzichtet. Nicht kritisch sind damit wohl lediglich Vorteile, die sozialüblich sind und damit nicht die Gefahr in sich bergen, den Bedachten in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinflussen. Denkbar wären handelsübliche Plastikkugelschreiber, Schokoladenhasen zu Ostern, etc. Die Gewährung von Rabatten dürfte nach der neuen Rechtslage vor allem in der Form von oftmals anzutreffenden Staffelrabatten höchst problematisch sein. Hier kommt es auf den EinVPTMAGAZIN 03|16 eignet sich für die Begleitung des Krankheitslehre-Unterrichts, ist ein Nachschlagewerk für das Praktikum und eine Hilfe für die Examensvorbereitung. Auch im späteren Praxis- bzw. Klinikalltag kann es bei internistischen Fragestellungen immer wieder herangezogen werden. Eine Hilfe für die Planung der Physiotherapie, die physiotherapeutische Wirkungen, aber auch Grenzen verstehen lässt. Gabriele Steffers und Susanne Credner: Allgemeine Krankheitslehre und Innere Medizin für Physiotherapeuten. 372 Seiten, 280 Abbildungen, Thieme Verlag, 32,99 Euro zelfall an. Der allgemeinübliche Skonto von 3 Prozent bei Barzahlung dürfte hingegeben in den meisten Fällen unproblematisch sein. Berichten zu Folge geht das Bundesministerium des Inneren von einer Bagatellgrenze von 25 Euro pro Bedachtem pro Jahr aus; die Strafverfolgungsbehörden lediglich von einer Grenze von 5 Euro. Da die Straftatbestände noch der Ausformung durch die Gerichte bedürfen, also man abwarten muss wie Gerichte hier tatsächlich künftig urteilen, empfiehlt es sich aus anwaltlicher Sicht, unbedingt Vorsicht walten zu lassen. Rabatte Strafbare Handlungen sind nur solche, die im Rahmen der Ausübung des Heilberufs getätigt werden. Wer einen Rabatt dafür erhält, dass er einen bestimmten Bürostuhl kauft, braucht sich daher keine Sorgen zu machen. Tatbestandlich erfasste Handlungen sind dagegen beispielsweise Überweisungen, Zuweisungen, aber auch Empfehlungen. Selbst die mündliche Empfehlung eines bestimmten Physiotherapeuten durch einen Arzt ist damit von der Strafnorm erfasst, wenn für diese Empfehlung ein Vorteil gewährt werden soll. Der Tatbestand ist dabei gesetzestechnisch als sogenanntes abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, was die Folge hat, dass es auf eine tatsächliche Beeinträchtigung der Schutzgüter nicht ankommt. Folgt etwa der Patient der Empfehlung durch einen Arzt nicht, ist der Korruptionsvorwurf gleichwohl in der Welt. Dies ist vergleichbar mit einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr. Sofern jemand betrunken fährt, kann er bestraft werden, auch wenn er keinen Schaden verursacht hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schaffung der neuen Straftatbestände zunächst einmal eine hohe Unsicherheit bringen wird. Ob das Vertrauen in die Integrität der Heilberufe nachhaltig verbessert werden kann, wird sich zeigen. Insbesondere Leistungserbringern, die in gemischten Gesellschaften ihrer Tätigkeit nachgehen ist dringend anzuraten, ihre Gesellschaftsverträge anwaltlicher Überprüfung zuzuführen, bevor dies der Staatsanwalt vornimmt. ◄ ► Bei Fragen wenden Sie sich gerne für eine als Mitglied kostenfreie Erstberatung an die VPT Rechtsabteilung (Adresse siehe ► Seite 18) 13
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