Experten aus Erfahrung‐ Alibi oder fester Bestandteil in der psychosozialen Versorgung Beispiel NiG.pinel Anne Hoffmann Trialog Vom Pilotprojekt zum Unternehmen Wie sich die Arbeit entwickelt hat Besonderheiten der Arbeit des Erfahrungsexperten. Wünsche und Ausblick Der Trialog Ich möchte an der Stelle mit einer Geschichte beginnen, die ich in einer Klinik erlebt habe: Am Vormittag fanden die Gruppentherapien statt, anschließend begaben sich alle zum Mittagessen. Nach dem Essen hatten die Therapeuten Teambesprechungen, um über die Patienten zu sprechen, während sich die Patienten im Raucherraum trafen um über die Therapeuten zu reden. Von außen betrachtet könnte man sich fragen, wieso reden die nicht miteinander. Als ich den Trialog kennenlernte, stellte ich erfreut fest, dass miteinander geredet wurde. Profis, Erfahrene und Angehörige. Die Gruppierungen habe sich etwas zu sagen, so dass alle voneinander lernen konnten. 1 Etwa 2 Jahre später hörte ich von der Krisenpension, in der Profis, Angehörige und Betroffene zusammen gefunden hatten um Menschen in Krisen zu begleiten, die nicht in die Klinik wollten. Kurze Zeit später trat ich dort meine erste Schicht an. Ich traf auf Aufbruchsstimmung und auf Idealismus. Es gab keine Hierarchie. In manchen Situationen, glaubten Erfahrene, die besseren Therapeuten zu sein. Sie führten die Gespräche, während die Profis die Küche putzten. Mir schien, dass eine umgekehrte Stigmatisierung stattfand, von den Personen, die ihre verletzenden Erlebnisse ihrer Behandlungen nicht überwunden hatten. Das Unternehmen NwpG/NiG.pinel 2009 wurde aus dem Pilotprojekt das Unternehmen NwpG heute NiG.pinel Das Hometreatment wurde etabliert. Von nun an konnte nicht mehr jeder kommen, sondern nur noch die, die in KK waren, mit denen das Unternehmen einen Vertrag hatte. Es entstanden Teams, die für die unterschiedlichen Bezirke zuständig sind. Die Akquise läuft nun weitgehend über die Krankenkasse. Wir bekommen Kontaktdaten von Menschen, die sich für das Angebot interessieren und die für die Begleitung in Frage kommen. Es folgt bei uns ein Informationsgespräch, und wenn das Angebot passt kann sich der Klient*in in einen Vertrag einschreiben, der die Begleitung in Krisen, über einen Zeitraum von 3 Jahren, vorsieht. Dann werden Die Bezugsbegleiter (BBs) tätig. In der Regel sind 2 Begleiter zuständig. Der erste Begleiter (BB1) ist für die Administration und für den roten Faden zuständig und der zweite Bezugsbegleiter (BB2) ist meist bei den Gesprächen dabei. Es kann vorkommen, dass ein weiterer Bezugsbegleiter hinzugeholt wird, wenn z. B besonderes Wissen, wie die eines Sozialarbeiters oder eines Erfahrungsexperten wichtig sind. Die Begleitung des Klienten beginnt mit einer sogenannten Kennenlernphase, in der eine Netzwerkkarte und ein Krisenplan erstellt werden. Nach dieser Phase ziehen wir uns zurück, und werden erst wieder tätig wenn es zur Krise kommt. Ansonsten melden wir uns spätestens nach 3 Monaten um nach dem Befinden zu fragen. 2 Grundlage unserer Arbeit sind die Prinzipien des offenen Dialogs, und jeder Mitarbeiter der bei uns arbeitet nimmt an einer Schulung zum offenen Dialog teil. Die wichtigen Attribute dieses Konzeptes sind: Alle haben die gleiche Stimme, die Begleiter wissen nicht unbedingt mehr, stellen aber ihre Wahrnehmung zur Verfügung, die Lösung hat der Klient, das Umfeld wird einbezogen. Es gibt die Möglichkeit des Reflektierens, so dass Vielstimmigkeit entsteht und die Mitarbeiter weniger Last tragen, weil es jederzeit die Möglichkeit des Austausches gibt. Gruppenangebote wie Recovery, Empowerment, Kommunikationsgruppe, Kreativgruppe sind oft von den Erfahrungsexperten ins Leben gerufen worden. Um die trialogische Arbeit zu sichern, wurde der trialogische Beirat gegründet. Häufiges Thema: Wir arbeiten doch alle professionell, und die Profis haben doch auch ihre Krisen gehabt. Dann wird auch wieder auf die Unterschiede Wert gelegt. EX – IN Ausbildung, Trainer…. Ein Blick nach Rostock. Als Trainerin und als Teilnehmerin war es eine besondere Schwierigkeit, dass die Fähigkeiten und Belastbarkeiten der Teilnehmer sehr weit auseinanderliegen. So gibt es auch keine einheitlichen Einsatzmöglichkeiten für ausgebildete Ex Inler. Ich habe erfahren, dass es ein großer Unterschied ist ob ein Unternehmen trialogisch gegründet wird, oder ob der Trialog in bestehende Strukturen etabliert werden soll. Als wir die Ausbildung nach Rostock bringen wollten, sind wir auf Skepsis gestoßen, die mir bis dahin fremd war. Ich war dort die große Ausnahme, die Klienten aus Rostock können und wollen das nicht. Nach zwei Jahren Ex In Ausbildung in Rostock, gab es ganz viele Ausnahmen. Auch bei Menschen, denen prophezeit wurde, dass sie das nie schaffen würden. Dann gibt es noch für Menschen wie mich, die ihre Kompetenzen leben, den Begriff „Edelpsycho“. Es war schwer für die Teilnehmer Praktikumsplätze zu finden. Die Teilnehmer mussten erfahren, dass sie wie Patienten behandelt wurden. Z. B sollte ein jahrelang trockener Alkoholiker vor dem Dienstbeginn pusten. 3 Die Besonderheiten, Wünsche und Ausblick. Aus einem Erfahrungswissen heraus zu arbeiten, gibt mir Sicherheit, denn die Erfahrungen werden nie vergessen. Durch meine Existenz kann ich Hoffnung geben ohne irgendetwas zu sagen. Für meine Kolleg*innen wird deutlich, dass ich mich auf eine Weise mit den Klienten verständige, auf die sie keinen Zugriff haben. Ich stelle andere Fragen und manchmal genügen Stichworte zur Verständigung. Oft bekomme ich auch die Rückmeldung, dass Kollegen von mir lernen, auf eine andere Weise zu verstehen. Mit der Arbeit hat meine Erkrankung einen Sinn bekommen und das Leiden war nicht umsonst. Die Arbeit stabilisiert, denn ohne Arbeit kann jeder krank werden. Meine Wünsche: wenn ich an die Strukturen denke, die ich in Rostock vorgefunden habe, könnte meine Forderung sein, dass in allen Bereichen ein gewisser Prozentsatz Erfahrungsexperten eingestellt werden soll, so dass die Einrichtungen die Erfahrung machen, mit dem was an Bereicherung möglich ist, und dass es eine besondere Arbeit ist, die nicht in Konkurrenz zu anderen Berufsgruppen steht. Wenn ich an die Strukturen denke in denen ich arbeite, wünsche ich mir eine Anerkennung als Beruf. Ich arbeite seit neun Jahren in der Krisenbegleitung, habe mir viel Wissen angeeignet, an etlichen Fortbildungen teilgenommen und gelte dennoch als ungelernt. Leider gilt das auch für viele andere Berufsfelder, in denen informelles Wissen nicht anerkannt wird. Wenn ich die Frage, Alibi oder fester Bestandteil, beantworten soll, sage ich ja und nein. In meiner täglichen Arbeit habe ich die Anerkennung, die mir offiziell fehlt. Dennoch sehe ich auch, dass es für bestehende Strukturen, noch große Zweifel an der Fähigkeit von psychisch erkrankten Menschen gibt, die sehr unterschiedlich sein können. Denn manche sind belastbar, manche wieder nicht, Dennoch sollte jeder Ex Inler einen Platz finden. Meine Forderung: Machen Sie Erfahrungen mit den Erfahrenen. 4
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