Nanette Steiner verhilft Müttern zur Karriere

Nanette Steiner verhilft Müttern zur Karriere
zum Thema «Vereinbarkeit von Familie und Beruf» publiziert werden.
Nanette Steiner und Jill
Altenburger haben vor Kurzem «jobsfuermama.ch»,
ein Jobportal für Mütter,
gegründet. Der «Küsnachter» hat die Zollikerberglerin Steiner zu den
Hintergründen befragt.
Ist die Schweiz im Bereich Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ein bisschen langsamer?
Wenn man es mit den nordischen
Ländern wie Schweden und Finnland
vergleicht, sicher. Dort ist es eine
Selbstverständlichkeit, dass die Frau
nach der Geburt weiterarbeitet. Ich
habe dänische Freunde, die verlassen um 15 Uhr das Büro und haben
fast den ganzen Nachmittag Zeit für
ihr Kind. Am Abend arbeiten sie,
wenn noch etwas ansteht. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die bei uns
noch nicht in diesem Masse vorhanden ist.
Interview: Philippa Schmidt
Warum braucht es «jobsfuermama.ch»?
Steiner: Dass es «jobsfuermama.ch»
braucht, beweist unsere eigene Erfahrung. Meine Geschäftspartnerin und ich
haben beide studiert und hatten gute
Jobs, bevor wir Kinder bekommen haben. Wir haben dann bemerkt, dass es
nicht ganz so einfach ist, wieder in der
Arbeitswelt Fuss zu fassen. Bei mir
hiess es hundert Prozent oder gar nicht.
Das wollte ich nicht. Wenn ich mich für
Kinder entscheide, dann will ich auch
einen Mix finden, der passt. Daraufhin
haben wir mit vielen Müttern gesprochen und gemerkt, dass ein grosser Bedarf da ist. Wir haben uns gefragt, ob
das auch für Unternehmer von Interesse ist. Gute Arbeitskräfte werden
schliesslich gerade nach Annahme der
Masseneinwanderungsinitiative
gebraucht. Das Potenzial ist da, man muss
es einfach nutzen: Darum wollten wir
arbeitssuchende, qualifizierte Mütter
und Arbeitgeber zusammenbringen.
Was für Formen von Diskriminierung erleben Mütter im Arbeitsleben bzw. im
Bewerbungsprozess?
Die Arbeitgeber haben oft die Vorstellung, dass Mütter fehlen, weil ihre
Kinder häufig krank sind oder dass
sie dauernd gestresst sind. Die Realität sieht aber ganz anders aus. Ich
kann es am besten am Beispiel meiner
Geschäftspartnerin,
meinen
Freundinnen und mir selbst beschreiben. Wir sind verantwortungsbewusst, belastbar und sehr gut organisiert, wir haben einen Krippenplatz und für den Notfall haben wir
Mütter, Schwiegermütter, Gotti, Götti
und Freunde, die einspringen können. Dank der digitalen Welt ist es
heute möglich, auch von zu Hause
aus zu arbeiten. Mamis sind motiviert, sie sind verantwortungsbewusst, sie wollen arbeiten.
Haben Mütter ein ausgeprägteres Organisationstalent?
Nanette Steiner (links) betreibt gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Jill Altenburger «jobsfuermama.ch».
Ich will das nicht verallgemeinern,
die Leute sind unterschiedlich. Ich
habe auf jeden Fall viel gelernt, beispielsweise auf unvorhersehbare Situationen zu reagieren, was auch ein
gewisses Organisationstalent erfordert. Ich überlege immer im Voraus,
was ansteht, und organisiere dementsprechend alles. Ich stand noch
nie vor der Situation, dass ich keinen
Znacht zu Hause hatte oder dass ich
ein Meeting hatte und das Kind war
noch nicht versorgt.
In der heutigen Arbeitswelt muss man
auch flexibel sein; ist das nicht schwierig mit einem oder mehreren Kindern?
Eine gewisse Flexibilität ist wichtig.
Auf unserer Plattform haben wir deshalb auch einige Informationen und
Tipps rund um das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammengestellt.
Es heisst «Jobs für Mama», müsste es
im Sinne der Gleichberechtigung nicht
«Jobs für Mamas und Papas» heissen?
Es heisst «jobsfürmama.ch», aber
prinzipiell dürfen sich bei uns alle
bewerben, die flexible Arbeitsmodelle
suchen: Auch Papas sind herzlich
willkommen. Im Unterschied zu den
Mamas beenden Papas allerdings
kaum ihren Job, wenn der Nachwuchs kommt. Sie diskutieren vielleicht mit ihrem Arbeitgeber, ihr Pen-
sum zu reduzieren. Als Mama wird
man völlig aus dem Arbeitsumfeld
gerissen, wenn das Kind da ist. Deswegen hatten wir das Gefühl, dass
dort Handlungsbedarf besteht.
Sie haben erwähnt, dass es in Fach- und
Führungspositionen schwierig ist, einen
Teilzeitjob zu ergattern. Findet da ein
Umdenken statt?
Diesbezüglich gibt es eine gewisse
Entwicklung, und ein gutes Beispiel
ist Susanne Ruoff, heute Konzernleiterin der Schweizer Post. Sie hat
nach der Geburt ihrer beiden Kinder
jeweils für einige Zeit ihr Arbeitspensum in der Geschäftsleitung von IBM
reduziert. Es gibt auch Oberärztinnen, die Jobsharing machen. Ein
bisschen etwas ist passiert, aber es
könnte noch mehr sein. In Zukunft
wird es die Generation «Digital Natives» geben, die es sich gewohnt ist,
Aufgaben noch schnell mit dem
Smartphone oder Tablet unterwegs
zu erledigen. Diese Generation wird
flexible Arbeitsmodelle verlangen.
Derzeit werden bei Ihnen unter anderem
eine Oberärztin und eine Abteilungsleiterin gesucht. Gibt es nichts für die
Coiffeuse oder Handwerkerin?
Wir haben uns auf die Nische gut
Ausgebildete konzentriert, weil wir
aufgrund eigener Erfahrungen das
Gefühl hatten, dass hier Bedarf besteht. Ich persönlich habe in vielen
zvg.
Bewerbungsgesprächen gehört, ich
sei überqualifiziert.
Welche Reaktionen haben Sie bis jetzt
erhalten?
Wir haben viele Reaktionen erhalten,
derzeit haben wir über 700 registrierte Mütter. Jobinserate kommen
auch einige rein, aber wir wollen
noch mehr grosse und kleinere Unternehmen für uns gewinnen.
«jobsfuermama» gibt es auch in
Deutschland; ist das Portal dort schon
länger präsent?
Nein, gar nicht, bei den deutschen
Geschäftsführerinnen handelt es sich
um Partnerinnen. Wir haben zusammen Feldforschung betrieben. Konzept, Design und Businessplan haben
wir gemeinsam entworfen. Wir haben versucht, Synergien zu nutzen,
sind aber wirtschaftlich und rechtlich
völlig unabhängig.
Wie sehen die Unterschiede aus?
Wir tauschen uns rege aus. Der deutsche Markt ist ein bisschen anders,
dort wird etwa von Zeitarbeit gesprochen und Teilzeit wird nicht wie bei
uns in Prozent, sondern in Anzahl
Stunden die Woche definiert. Die Unterschiede haben auch oft damit zu
tun, dass Deutschland sehr gross ist.
Da passiert unheimlich viel, wenn ich
zum Beispiel schaue, wie viele Artikel
Stichwort Selbstverständlichkeit: Passiert es immer noch, dass man in der
Schweiz als «Rabenmutter» bezeichnet
wird, wenn man als Mutter arbeitet?
Ich habe beide Phasen erlebt, hatte
auch eine Zeit, in der ich gar nicht
gearbeitet habe. Da wurde ich oft als
uninteressant abgestempelt. Wenn
ich in Gesellschaft war, hiess es
manchmal: «Du machst nichts?» Die
Person hat sich dann von mir abgewandt, weil ich für sie offensichtlich
nicht interessant war. Als Rabenmutter wurde ich noch nie bezeichnet.
Wenn man sich die Zahlen anschaut,
geht der Trend dahin, dass die meisten Mütter wieder Teilzeit arbeiten.
Ich denke, die Bezeichnung «Rabenmutter» haben wir überwunden.
Für die Stellensuchenden ist das Jobportal gratis, wie wird es finanziert?
Für Mamas sind unsere Dienstleistungen kostenlos. Unternehmer zahlen für das Stelleninserat oder dafür,
dass sie selbst im Talentpool nach
der passenden Bewerberin suchen.
Bis Ende Juni ist es aber auch für
Unternehmen gratis.
Wie sieht es bei Ihnen als Geschäftsführerin aus, arbeiten Sie flexibel?
Ich arbeite je nach Arbeitsumfang 60
bis 80 Prozent, das kann ich flexibel
einteilen. Glücklicherweise habe ich
meine Eltern und Schwiegereltern in
der Nähe. In der Nachbarschaft
wechseln wir uns ab mit Kindermittagessen und Spielnachmittagen. Das
gibt Luft, egal ob man arbeiten oder
in Ruhe einkaufen gehen will. Ausserdem ist mein Büro zu Hause und
unterwegs bei den Kunden.