Auf den Spuren von Zwerg Bartli der Melodie des Sommers lauschen

Panorama
Zürcher Unterländer
Dienstag, 16. Juni 2015
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Auf den Spuren von Zwerg Bartli
der Melodie des Sommers lauschen
Braunwald Der Glarner
Ort Braunwald, seit mehr als
100 Jahren eine beliebte Feriendestination, ist trotz der langen
Tradition im Umbruch. Und setzt
in diverser Hinsicht auf Kinder.
Wer das Gebimmel von Kuhglo­
cken nicht mag, sollte im Sommer
nicht nach Braunwald gehen. Denn
sobald die Standseilbahn auf der
autofreien Terrasse über dem Tal
der Linth ankommt, sind Kuhglo­
cken zu hören. Und das Rauschen
von Wasserfällen. Wenn einem
dann auch noch Pferdekutschen
entgegenfahren, wähnt man sich
vollends in einer anderen Zeit.
Die Ankömmlinge staunen, dass
statt Beton viel Holz auszumachen
ist. Sie atmen neben dem Kräuter­
garten am Weg durchs Dorf die
Düfte von Pfefferminze, Thymian
und zahllosen anderen Kräutern
ein. Und sie nehmen erfreut den
freundlichen Gruss der Kräuter­
frau entgegen, die in selbigem Gar­
ten wirkt. Ist es vielleicht Tiidi, die
im Glarner Märchen vom Zwerg
Bartli dessen Hose flickt?
Ein riesiger Spielplatz
Eine Adresse in Braunwald, die
sich den Märchen verschrieben
hat, ist das Märchenhotel Bellevue.
Das traditionsreiche Haus, 1907
als Grandhotel gebaut, gleichzeitig
mit der ersten Standseilbahn, ist
heute ein Familienhotel. Die Devi­
se der Gastgeber Nadja und Patric
Vogel: den Gästen, den grossen wie
den kleinen, Dinge ermöglichen,
die zu Hause nicht drinliegen.
Rutschbahnen und Klettermög­
lichkeiten im und ums Haus; ein
Aquariumlift oder die Lamas und
Geissen vor dem Hotel lassen nicht
nur Kinderherzen höherschlagen.
Daneben sind es Details wie das
Lavabo auf Kinderhöhe, die selbst
alltäglichen Verrichtungen eine
besondere Note verleihen. Zumin­
dest anfänglich. Es gibt aber auch
den kinderfreien Wellnessbereich
– und einen Kindergarten.
Aus verschiedenen Ecken guckt
auch Zwerg Bartli hervor, zum
Beispiel im Schwimmbad. Um ihm
auf die Spur zu kommen, heisst es
aber raus aus dem Hotel, vorbei an
Kühen, Chalets, vor denen schon
mal eine strickende Grossmutter
sitzt, rauschenden Bächen. Das
Problem ist höchstens, dass man
mit dem Kleinen nicht recht vor­
wärtskommt: Da ist wieder eine
Brücke, von der aus sich Steine in
den Bach werfen lassen, dort ein
Fels, um draufzuklettern, ein bisschen weiter das Hüüsli der Kräuterfrau Tiidi, mit kleiner Bettstatt,
Teetassen und allem Drum und
Dran. Braunwald erweist sich als
ein grosser Spielplatz. Gut, gibt es
im Ort zwei Transportunterneh­
men, die einen mit der Kutsche
wieder zurückfahren, wenn der
Weg sonst allzu weit wird.
Die Kutscherin ist gesprächig.
Erzählt, es sei
schwierig im
Dorf, der Dorf­
Braunwald ist eine streusiedlung, umgeben von intakter Natur und majestätischen Bergen wie dem Kammerstock – dreissig Berggipfel sind es insgesamt, davon sechs Dreitausender.
Fabrice Suter
Verschiedene Wanderwege sind rollstuhl- oder kinderwagengängig.
laden etwa kämpfe ums Überleben,
weil viele in Linthal einkaufen wür­
den. Und die Bevölkerung Mühe
damit habe, dass der Brummbach
für die Stromgewinnung umgelei­
tet worden ist – unter anderem für
die von Hotels eingesetzten Elek­
trofahrzeuge. Noch nicht alle
scheinen in der neuen Zeit ange­
kommen zu sein und den Touris­
mus als Chance wahrzunehmen.
Einheimische einbeziehen
Nicht zuletzt deshalb ist es Nadja
und Patric Vogel ein Anliegen, dass
auch die Einheimischen, vor allem
die Kinder, das Märchenhotel von
innen kennen und akzeptieren ler­
nen. Und weil in dem 300­Seelen­
Dorf das Schwimmbad nicht ren­
tiert hat, gehen die 15 Schulkinder
im Märchenhotel zum Schwimm­
unterricht. Wirklich vieles ge­
mahnt an eine heile Welt.
Aber irgendwann heisst es dann
wieder, mit der Standseilbahn
runterfahren nach Linthal. «Ma­
mi, sieh mal, da fahren Autos!»
Autos? Ach ja. Und einen kurzen
Moment wird einem bewusst:
Eben noch war sie deutlich zu
hören, die Melodie des Sommers.
Nun wird sie schon wieder über­
Sibylle Saxer
tönt.
Diese Reise wurde ermöglicht
durch das Märchenhotel Bellevue,
Braunwald-Klausenpass Tourismus und den Kanton Glarus
wie im Märchen muten die Verkehrsschilder vor dem Märchenhotel an –
Fabrice Suter
die Lamas sind aber Wirklichkeit.
einen schönen Blick bietet das Bellevue von den Zimmern auf der
Fabrice Suter
Südseite, aber auch vom Speisesaal aus.
Mit ihrem Hochzeitsgeschenk, zwei Lamas und zwei Alpakas, bieten
Patric Vogel
Nadja und Patric Vogel vom Märchenhotel Lamatrekkings an.
20 JaHre ZwerG-BarTli-erleBnisweG
Das Glarner Märchen «Zwerg
Bartli» erzählt, wie Bartli zur
Strafe, weil er eine Vorgabe des
Königs missachtet hat, in den
Bergbau muss. Er setzt sich zum
Ziel, für den König jenen roten
Edelstein zu finden, den bis
jetzt niemand gefunden hat.
Er findet ihn und kann damit
kranke Tiere heilen. In einer
moderneren Version des Märchens muss Bartli den Schlüssel
jener Musikdose wiederfinden,
die er im Frühjahr öffnen sollte,
damit die Melodie des Som-
mers ertönt und die Zwerge,
Tiere und Blumen wieder aus
dem Winterschlaf erwachen –
den Schlüssel hat er verloren.
Seit 20 Jahren gibt es in
Braunwald den Zwerg-BartliErlebnisweg, an dem die Originalschauplätze des Märchens,
etwa das Zwergenschloss, die
Edelsteinspalte oder Tiidis
Hüüsli, bespielt werden können.
Zum Jubiläum ist neu ein Wasserspielplatz geschaffen worden, der am Samstag, 20. Juni,
offiziell eröffnet wird. sis
Der naturpädagogik verpflichtet: Der Zwerg-Bartli-Erlebnisweg ist zum
Fabrice Suter
20-Jahr-Jubiläum um einen Wasserspielplatz ergänzt worden.