Reagieren, bevor die Ampel Rot zeigt

Finanzen
BAUERNBLATT l 14. November 2015 ■
Zahlungsfähig bleiben
Reagieren, bevor die Ampel Rot zeigt
Liquidität, Stabilität, Rentabilität:
Das magische Dreieck der Unternehmensführung! Auf vielen Betrieben bereitet die mangelnde
Zahlungsfähigkeit derzeit Kopfzerbrechen. Fallende Erzeugerpreise, schwankende Märkte und
hohe Tilgungsleistungen lassen
die Reserven schrumpfen.
Durch das aktuell lang anhaltende
Preistief bei tierischen Produkten
wirkt finanzieller Druck auf die Betriebe. Die Talsohle an den Märkten
scheint noch nicht erreicht zu sein,
gleichzeitig belasten Steuervorauszahlungen und -nachzahlungen sowie Kapitaldienste vorangegangener Viele Sauenhalter haben angesichts der niedrigen Ferkelpreise LiquiditätsengInvestitionen die Zahlungsfähigkeit pässe.
Foto: Isa-Maria Kuhn
der Betriebe – rote Zahlen auf den
Bernd Wessels nimmt seinen letzflächen, die Ernte wird direkt an
Betriebskonten sind die Folge.
den Landhandel beziehungsweise ten Jahresabschluss zur Hand. Aufder Mais an die nahe gelegene Bio- grund der geringeren Ferkelpreise
Finanzierungskraft
weist sich der Cashflow III mit nur
gasanlage verkauft.
ermitteln
Aufgrund des derzeit niedrigen 10.000 € positiv aus – nicht gerade
Bernd Wessels bewirtschaftet ei- Ferkelpreises befürchtet Wessels, in viel für Ersatz- und Neuinvestitionen.
nen Betrieb mit 240 Sauen und einen Liquiditätsengpass zu geraten. Allein durch unverhoffte Reparatu85 ha landwirtschaftlicher Fläche. Der junge Betriebsleiter möchte den ren könnte dieses „Polster“ sehr
Der Großteil der erzeugten Ferkel Cashflow, eine Kennzahl der Liquidi- schnell aufgebraucht sein. Wessels
wird nach der Aufzucht verkauft, tät, berechnen. Der Cashflow I gibt überschlägige Berechnung zeigt: Bei
nur ein geringer Teil wird bis zur an, wie viel Geld innerhalb einer Pe- 6.700 verkauften Ferkeln pro Jahr
Schlachtreife selbst gemästet. Die riode für Privatentnahmen, Tilgung reicht schon eine Preisreduzierung
Erlöspreise der Ferkel orientieren und Investitionen zur Verfügung von 1,50 € je Ferkel aus, damit der
sich an der Nord-West-Ferkelnotie- steht. Die Zwischengröße Cashflow II Cashflow III ins Negative rutscht.
Ein negativer Cashflow III bedeurung für 200er Ferkelpartien und 25 errechnet, wie viel Geld für die Ablökg Lebendgewicht. Preiszuschläge sung lang- und mittelfristiger Ver- tet, dass ein Teil der Auszahlungen in
werden für erhöhte Ferkelgewich- bindlichkeiten, für die Ausschüttung der betrachteten Periode nicht durch
te, große Ferkelgruppen und den von Gewinnen sowie für Investitio- die Einzahlungen gedeckt werden
erreichten Impfstatus erzielt. Leider nen zur Verfügung steht. Cashflow III kann. Es würde ein Fehlbetrag entfallen mit den derzeit niedrigen Fer- ermittelt abschließend den Geldbe- stehen, der zum Beispiel durch die Inkelpreisen auch die Zuschläge ge- trag, der nach Abzug von Tilgungen anspruchnahme kurzfristiger Kredite
ringer aus. Getreide und Silomais für Ersatz- und Neuinvestitionen üb- gedeckt werden müsste.
Im vergangenen Wirtschaftsjahr
bestimmen die Nutzung der Acker- rig bleibt (Tabelle).
war die Liquidität auf dem Betrieb
Grafik 1: Nord-West-Notierung Ferkel inklusive Zuschlägen für ein Wessels gegeben, alle Rechnungen
höheres Gewicht (30 kg), Impfungen und größeren Partien im Vergleich zu konnten bezahlt werden – jedenfalls
zum Bilanzstichtag, wie die Kennden Direktkosten der Ferkelerzeugung (brutto)
zahlberechnung zeigt. Wie aber wird
75,00
sich die Liquiditätssituation in den
kommenden Monaten darstellen?
70,00
Preise in EUR/Ferkel (30 kg, mit Zuschläge, inkl. MwSt.)
42
WJ 2013/14
Vollkosten/Ferkel**
65,00
60,00
55,00
WJ 2015/16
50,00
WJ 2014/15
Direktkosten/Ferkel*
45,00
40,00
23
28
33
38
43
48
1
6
11
16
21
KW
* geschätze durchschnittliche Direktkosten der Ferkelerzeugung (WJ 2013/14 und 2014/15) bei 27,7 verkauften Ferkeln je Sau (brutto)
**geschätzte durchschnittliche Vollkosten der Ferkelproduktion bei 11 Akh/Sau und 18 €/Akh, sowie 333 €/Sau für Abschreibungen,
Zinsen und Unterhaltung (brutto)
Die Märkte
sind unter Druck
Die geringen Erlöspreise auf dem
Schlachtschweinemarkt spiegeln sich
auf dem Ferkelmarkt wider. Im
Durchschnitt des Wirtschaftsjahres
2013/14 wurden die Ferkel (NordWest-Notierung, auf 25-kg-Basis,
200er Gruppen) mit 53 € pro Ferkel
netto ohne jegliche Zuschläge notiert
beziehungsweise mit 69 € pro Ferkel
brutto inklusive Zuschlägen. Im fol-
genden Wirtschaftsjahr 2014/15 sank
die Notierung um durchschnittlich
zirka 10 € auf 42 € pro Ferkel netto
beziehungsweise auf 58 € pro Ferkel
brutto inklusive Zuschlägen. Die Prognose für das Wirtschaftsjahr
2015/2016 sieht zurzeit ähnlich
schwach aus.
Wie aus der Grafik 1 hervorgeht, liegen die durchschnittlichen Direktkosten der Ferkelerzeugung bei knapp
47 € pro Ferkel brutto (im Schnitt der
vergangenen beiden Wirtschaftsjahre, geschätzt für das Wirtschaftsjahr
2014/15) bei einem Gewicht von gut
30 kg. Als Direktkosten werden die
Kosten für Bestandsergänzung, Futter, Tierarzt, Besamung, Strom, Wasser, Versicherungen und Tierseuchenkasse bezeichnet. Gleichzeitig sind die
Vollkosten der Ferkelerzeugung in der
Grafik 1 mit knapp 67 € pro Ferkel abgetragen, denn wer in neuen Ställen
wirtschaftet und mit zusätzlichen Arbeitskräften arbeitet, hat einen höheren Kostenansatz. Für die Errechnung
der Vollkosten werden je Sau elf Arbeitskräfte je Stunde (AKh) zu je
18 €/AKh berechnet, sowie 333 €
brutto je Sau für Abschreibung, Zinsen
und Unterhaltung der Ställe.
Im Wirtschaftsjahr 2014/2015 wurde im Herbst/Winter ein deutliches
Preistief verzeichnet. Die Direktkosten der Ferkelerzeugung konnten
dabei zwar gerade gedeckt werden,
die Vollkosten aber nicht. Ein ökonomischer Grundsatz besagt: Sind die
Direktkosten nicht gedeckt, lohnt
sich die Produktion nicht. Dieser
Grundsatz kann zwar von einem
Schweinemäster umgesetzt werden,
indem die Wiederbelegung der Ställe
terminlich geschoben wird, für einen
Ferkelerzeuger kann dieses bekanntlich nicht gelten.
Liquiditätsplan
erstellen
Betriebsleiter Wessels ist in Anbetracht der jetzigen Ferkelpreise und
der Marktprognosen alarmiert. Wie
kann er die Liquiditätssituation der
nächsten Monate abschätzen? Mithilfe eines Liquiditätsplans (Grafik 2)
möchte Wessels alle monatlich anfallenden Einzahlungen und Auszahlungen gegenüberstellen. Die Differenz zwischen Einzahlungen und
Auszahlungen verändert den Kontostand und zeigt damit direkt die „kritischen“ Monate an. Um nun einen
Blick in die Glaskugel zu erhalten,
Finanzen
■ BAUERNBLATT l 14. November 2015
Grafik2:LiquiditätunterBetrachtungverschiedenerSzenarien
€ 80.000
60.000
40.000
Jun
Mai
Apr
März
Feb
Jan
Dez
Nov
Okt
Sep
0
-20.000
Aug
20.000
Jul
spiegelt Wessels die Zahlungen des
vergangenen Wirtschaftsjahres in die
Zukunft, passt dabei aber beispielsweise die Höhe der Betriebsprämien
(jährliche Abnahme der Prämienhöhe) und die des Kapitaldienstes
(ebenfalls jährlich abnehmend, falls
keine neuen Investitionen) an.
Wie aber werden sich die Ferkelpreise, die wichtigste Einnahmequelle des Betriebs, entwickeln? Neben
der saisonal schwachen Preisphase
spielt der voraussichtlich schwache
Schweinefleischpreis eine große Rolle
bei der Notierung der Ferkel. Bernd
Wessels hält drei Preisszenarien bis
zum Sommer 2016 für möglich. Es
wird unterstellt, dass sich die Zuschläge bei besserer Marktlage positiv entwickeln.
● Szenario 1: Die Märkte erholen
sich überdurchschnittlich gut, und die
Ferkelnotierung steigt, wie auch im
Wirtschaftsjahr 2013/2014, auf durchschnittlich 53 € pro Ferkel netto beziehungsweise auf 74 € pro Ferkel
brutto inklusive Zuschlägen (14 € pro
Ferkel) bis zum Sommer 2016.
● Szenario 2: Der Ferkelmarkt verlässt die Preistiefphase und steigert
die Notierung, ähnlich dem Wirtschaftsjahr 2014/15, auf durchschnittlich 42 € pro Ferkel netto beziehungsweise auf 60 € pro Ferkel brutto inklusive Zuschlägen (12 € pro Ferkel) bis zum Sommer 2016.
● Szenario 3: Bernd Wessels hält eine
Notierung von 33 € pro Ferkel netto
beziehungsweise 47 € pro Ferkel
brutto inklusive Zuschlägen (10 € pro
Ferkel) bis zum Sommer 2016 für
möglich, wenn die Nachfrage weiterhin schwach bleibt und sich der Ferkelmarkt nicht erholt.
Die Grafik 2 zeigt, dass sich die
niedrigen Ferkelpreise, selbst bei der
optimistischen Einschätzung, schon
im Winter negativ auf dem Konto be-
-40.000
-60.000
-80.000
-100.000
Einzahlung
Auszahlung
merkbar machen. Durch die Auszahlung der Agrarförderung im Dezember können die Kontostände bei der
optimistischen und auch bei der
durchschnittlichen Betrachtung ins
Haben gerückt werden. Spätestens
ab dem Frühjahr, wenn zeitgleich die
Kosten im Pflanzenbau ansteigen,
zeigen sich die niedrigen Ferkelpreise
der Szenarien 2 und 3 noch deutlicher
auf dem Betriebskonto. Vorbeugendes Handeln ist die Devise!
Sofortmaßnahmen
ergreifen
Um das Risiko fehlender Liquidität
einschätzen zu können, ist es empfehlenswert, einen Liquiditätsplan
aufzustellen und diesen regelmäßig
zu aktualisieren. Fehlende Liquidität
ist ein Risiko, das es nicht zu unterschätzen gilt. Um kurzfristigen Liquiditätsengpässen entgegenzuwirken,
können Sofortmaßnahmen ergriffen
werden, und zwar spätestens dann,
wenn erste Alarmsignale ertönen.
Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, einen individuellen Lösungsweg
zu finden. In enger Zusammenarbeit
mit einem Wirtschaftsberater und
Tabelle: Berechnung Cash-Flow
Gewinn
+ Abschreibungen
- Bestandsänderungen Tier/Vorräte
+ Einstellung in die Rückstellungen
- Auslösung aus den Rückstellungen
+ Einstellungen in Sonderposten mit Rücklage
- Auslösung von Sonderposten mit Rücklage
- Privatanteile in der Gewinn- und Verlustrechnung
= Cash-Flow I
- Entnahmen
+ Einlagen
+ Privatanteile in der Gewinn- und Verlustrechnung
= Cash-Flow II
- Tilgung
= Cash-Flow III
BMEL-Codes
WJ 2014/15
2959/5
2809/5
3199/8 + 3299/8 +
3499/8 + 3799/8
2862/5
2494/5
2861/5 + 2891/5
2452/5 + 2493/5
2959/4
+ 80.000 €
+ 39.000 €
- 14.000 €
1579/5
1589/5
2959/4
3996/9
-- €
-- €
-- €
-- €
-- €
+ 97.000 €
- 80.000 €
+ 10.000 €
+ 8.000 €
+ 35.000 €
- 25.000 €
+ 10.000 €
Kontostand
Szenario 1
Kontostand
Szenario 2
Kontostand
Szenario 3
Liquiditätsengpässe zeichnen sich
oft früh ab. Wichtig ist es, die finanzielle Gefährdung zu erkennen, sich
dieser bewusst zu werden und Maßnahmen einzuleiten.
(Quelle: Bezirksstelle OldenburgNord, Landwirtschaftskammer)
Sofortmaßnahmen,
wenn das Geld ausgeht
● Auszahlungen nach hinten verschieben
● mit Ihrer Bank über ein Aussetzen
der Tilgung sprechen
● Reparaturen oder Ersatzinvestitionen aufschieben
der Bank kann zunächst ein besserer
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Überblick über den Betrieb gewonnen werden, um dann ein Krisenpaket zu schnüren.
Wer auch einen besseren Überblick
über seinen Betrieb gewinnen möchte oder Unterstützung in Krisenzeiten sucht, wende sich an die Wirtschaftsberaterinnen und -berater der
Landwirtschaftskammer.
● die Zahlungsfristen voll ausnutzen,
dennoch Skonto nutzen
● Ausgaben, betrieblich und privat,
Alarmsignale
so weit wie möglich reduzieren, Notfür mangelnde Liquidität
wendigkeit überprüfen
● Das Kontokorrentkonto kann ● Einzahlungen vorziehen
nicht mindestens einmal im Jahr aus- ● Vermögen umschichten
geglichen werden.
● Geldanlagen mobilisieren, Rück● Die vereinbarten Kreditgrenzen umlagen aus dem privaten Bereich
für das Kontokorrentkonto werden einsetzen
häufig überschritten.
● Verkauf von nicht betriebsnot● Das Kontokorrentkonto steigt wendigem Vermögen
nach einer Umfinanzierung wieder ● Kapitalzufuhr von außen
an.
● Erhöhung der Kreditlinie auf dem
● Abtretung von Flächenbeihilfen Girokonto
und sonstige Abtretungen sind not- ● Kurzfristige Überbrückungskredite.
wendig.
● mit Ihrer Bank über Umschuldun● Die Verbindlichkeiten steigen an, gen sprechen
ohne das Investitionen getätigt wer- ● Aufgabe von Betriebszweigen, die
den.
langfristig nicht kostendeckend sind
● Die Verbindlichkeiten bei Lieferan- ● Auslastung eigener Maschinen, Einten nehmen ständig zu.
satz des Lohnunternehmers prüfen
● Die Anzahl der unbezahlten Rech- ● Produktionsergebnisse überprünungen erhöht sich.
fen, Leistungen steigern
● Investitionen unterbleiben oder ● sofern möglich, Erzielung außerwerden voll mit Fremdkapital be- landwirtschaftlichen Einkommens
zahlt.
● Steuervorauszahlungen vom Steu● Abgeschlossene Sparverträge oder erberater prüfen lassen
Und was ist, wenn diese kurzfristiprivate Versicherungen zur Altersvorsorge können nicht mehr bedient gen Sofortmaßnahmen nicht mehr
werden oder werden mit Fremdkapi- greifen? Sofort Unterstützung bei einem Berater suchen
tal bezahlt.
(Quelle: Bezirksstelle Oldenburg● Zur Verbesserung der Liquidität
werden nicht verkaufsreife Produkte Nord der Landwirtschaftskammer, erabgesetzt oder sonstige Notmaßnah- gänzt um eigene Aspekte)
men (zum Beispiel Flächenverkauf)
Anna-Lena Niehoff
getätigt.
Marlene Wilken
● Skonti und Frühbezugsrabatte
Landwirtschaftskammer
können nicht in Anspruch genomNiedersachsen
men werden.
anna-lena.niehoff@
● Mahn- und Pfändungsverfahren
lwk-niedersachsen.de
sind eingeleitet worden.
marlene.wilken@
● Schecks und Zahlungsanweisunlwk-niedersachsen.de
gen werden zurückgewiesen.
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