Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden.

Positionspapier
Nachhaltige Mobilität
in Städten und Gemeinden.
Sicher, umweltfreundlich, bedarfsgerecht und bezahlbar.
Impressum
Herausgeber:
Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V., Ressort Verkehr
Hansastraße 19, 80686 München
Internet: www.adac.de/ratgeber-verkehr
Blog: forummobilitaet.wordpress.com
Redaktion:
Wolfgang Kugele, Christian Laberer, Michael Niedermeier, Ronald Winkler (ADAC e.V.)
Vertrieb:
Dieses Positionspapier kann mit Angabe der Artikelnummer 2830910 direkt beim ADAC e.V.,
Ressort Verkehr, Hansastraße 19, 80686 München, Fax (089) 7676 4567,
E-Mail: [email protected], bestellt werden.
Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise,
nur mit Genehmigung des ADAC e.V.
© 2015 ADAC e.V. München
Bildnachweis:
Titelseite: Fotolia
Seite 3: ADAC e.V.
Seite 11: Fotolia
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Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Vorwort
Städte und Gemeinden bilden das Zentrum unseres gesellschaftlichen
Lebens und sind der Motor der Wirtschaft: Zwei Drittel der europäischen
Bürgerinnen und Bürger leben in Städten, 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union werden dort erwirtschaftet.
Mobilitätsnachfrage entsteht, weil Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung
und Freizeit räumlich oft voneinander getrennt sind. Verkehr ist unverzichtbar,
um an diesen Daseinsfunktionen teilhaben zu können. Andererseits sehen
sich die Städte und Gemeinden mit einer Reihe ernsthafter Herausforderungen
konfrontiert, die durch den Verkehr mitverursacht werden: Staus, Treibhausgasemissionen, Luftverschmutzung, Lärm und Sicherheitsrisiken.
Ulrich Klaus Becker
ADAC Vize­präsident
für Verkehr
Die Zustimmung der Bürger zu Maßnahmen der Verkehrsgestaltung und
-lenkung hängt nicht zuletzt von nachvollziehbaren Entscheidungswegen
und attraktiven Angeboten ab. Verkehrspolitische Maßnahmen sollten unter
Berücksichtigung dieser Prämisse die Verkehrsmittel intelligent vernetzen,
ihre jeweiligen Stärken herausstellen und Mobilität als ein wesentliches Stück
Lebensqualität verstehen und sichern.
Die Mobilität der Menschen in allen ihren Facetten zu erhalten und die
Güterversorgung zu sichern, ohne dass der Verkehr langfristig Mensch und
Umwelt übermäßig belastet – das sind die Ziele einer „nachhaltigen“ Mobilität.
3
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Einleitung
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist mit
Die zukunftsgerechte Entwicklung der
Umweltbeeinträchtigungen weisen sehr
vielschichtigen Assoziationen und
kommunalen Verkehrssysteme ist eine
unterschiedliche Reichweiten ihrer
Definitionen verbunden. Seine Bedeu-
wichtige Aufgabe für Städte, Gemeinden
Wirkung auf. So ist etwa Lärm – sowohl
tung ging den Weg von der „Conserva-
und Landkreise. Unmittelbar Einfluss
räumlich wie auch zeitlich – ein lokales
tion und Anbau des Holtzes, dass es
können Kommunen auf das zur Verfü-
Problem, da Schallquelle und beeinträch-
eine continuirliche beständige und nach-
gung stehende Budget, auf die Hand-
tigte Menschen meist nur einige hundert
haltende Nutzung gebe“ (Hans Carl von
lungsfähigkeit der Verwaltung sowie
Meter voneinander entfernt liegen.
Carlowitz, 1713) über die „Entwicklung,
auf die Qualität des Verkehrsangebots
Maßnahmen gegen Lärm können daher
die die Bedürfnisse der Gegenwart be-
nehmen.
nur vor Ort erfolgen. Und ist die Schall-
friedigt, ohne zu riskieren, dass künftige
quelle leise, dann ist der Lärm schlag-
Generationen ihre eigenen Bedürfnisse
Die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit
nicht befriedigen können“ (Brundtland-
der kommunalen Verkehrssysteme ist
Kommission, 1987) bis zum Dreiklang
nicht alleine eine Frage der Finanzie-
In völligem Gegensatz dazu steht das
der „ökonomischen, ökologischen und
rung. Vielmehr beeinflusst der Umgang
Klimaschutzproblem, dessen wesent-
sozialen Dimension“ (Enquete-Kommissi-
mit spezifischen sozialen, ökologischen
liche Treiber Kohlendioxidemissionen
on des Deutschen Bundestages, 1998).
und ökonomischen Unsicherheiten ihre
sind. Ist eine Tonne CO2 einmal aus-
erfolgreiche Gestaltung. Unsicherheiten
gestoßen, bleibt sie Jahrhunderte lang
Inzwischen ist der Begriff „Nachhaltig-
über künftige Mobilitätsanforderungen
strahlungswirksam und beeinflusst den
keit“ zum zentralen Begriff der politi-
können sich unter anderem aus einem
ganzen Planeten – egal, wo es ursprüng-
schen Diskussion geworden. Sein teils
Wertewandel, demografischen Verän-
lich emittiert wurde, und auch dann,
inflationärer Gebrauch zeigt aber auch,
derungen sowie der wirtschaftlichen
wenn die Quelle schon lange stillgelegt
wie grundlegend die innere Bedeutung
Entwicklung einer Region ergeben.
ist. Fossile Energieträger sind eine
artig weg.
endliche Ressource. Der Vorrat von Erdöl
des Ziels der Nachhaltigkeit für unsere
Gesellschaft geworden ist. Auch die
Mobilitäts- und Verkehrsmanagement
und Erdgas auf der Erde ist begrenzt und
Mobilität – eines der elementaren Grund-
als Antwort auf diese Unsicherheiten
jedes verbrannte Barrel ist „weg“.
bedürfnisse des Menschen – muss sich
kann entscheidend zur Prosperität von
Zudem wird dabei Kohlendioxid freige-
an diesem Ziel orientieren.
Städten, Gemeinden und ihren Regionen
setzt, was zur Verstärkung des anthro-
beitragen. Die aktive Gestaltung der
pogenen Treibhauseffekts beiträgt. Die
In Anlehnung an die Enquete-Kommis-
Mobilität vor dem Hintergrund dieser
Verringerung des Verbrauchs fossiler
sion und bezogen auf den mobilen
Veränderungen bildet somit eine wichtige
Energie ist daher dringend geboten,
Menschen definiert der ADAC nachhal-
Voraussetzung für die künftige Entwick-
nicht nur, aber auch für Zwecke der
tige Mobilität als Berücksichtigung von
lung der Attraktivität von Kommunen
innerstädtischen Mobilität.
sozialen, ökonomischen und ökologi-
für Menschen und Unternehmen.
schen Aspekten in der Gestaltung des
Die Gewissheit, notwendige Ortsverän-
In der Diskussion nachhaltiger Aspek-
Verkehrssystems, um die wesentlichen
derungen mittels sicherer und bezahl-
te urbaner Mobilität müssen daher
Charakteristika der Mobilität
barer Verkehrsmittel in zumutbarer Zeit
unterschiedliche Interessen vereint und
bewältigen zu können, macht Kommunen
differenziert behandelt werden. Gemein-
für ihre Bürger attraktiv.
sames Ziel der Anstrengungen muss
 Verkehrssicherheit
 Umweltfreundlichkeit
 Bedarfsgerechtigkeit
Umwelt
 Bezahlbarkeit
sein, die ökologische Situation in der
Stadt und die Lebensbedingungen ihrer
Bewohner zu verbessern.
In der Diskussion nachhaltiger Aspekte
auch langfristig erhalten zu können.
der städtischen Mobilität sind lokale
Die Luft in Deutschlands Städten
Das Ziel ist, Mobilität zu erhalten, nicht
und globale ökologische Themenfelder
wird immer besser. In den vergangenen
zu beschränken. Dies muss für die
miteinander verwoben. Die verschiede-
Jahrzehnten wurden erhebliche Anstren-
Mobilität in allen ihren Facetten gelten.
nen durch den Verkehr verursachten
gungen unternommen, den Ausstoß
4
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
klassischer Schadstoffe aus Industrie,
hohen Flächenbedarf sind vorwiegend
autofreien Wohngebieten sind diese
Kraftwerken, Haushalten und Verkehr zu
neue Wohn- und Gewerbegebiete.
zur Erschließung notwendig, für Waren-
verringern: etwa durch Rauchgaswäsche,
Sie sind auch Ursache für Straßen-
lieferungen, aber auch für Feuerwehr
Brennwertkessel, benzolarmes Benzin,
und Verkehrsflächen. Doch selbst in
und Notarzt.
Kats und Partikelfilter. Die Emissionen
sind zum Teil erheblich gesunken und
mit ihnen nahm auch die Immissions-
45
belastung ab. Dass heute immer noch
40
35
Grenzwerte überschritten werden, liegt
abgesetzten Grenzwerten. So lag der
Jahresmittel-Grenzwert für Stickstoffdi-
µg/m3
vielmehr an den kontinuierlich her-
30
15
oxid im Jahr 1998 noch bei 100 µg/m3,
10
heute gibt die Europäische Immissions-
5
0
schutzgesetzgebung einen Wert von
40 µg/m3 vor.
Wie die regelmäßig vom Umweltbundesamt durchgeführten Umfragen zur
Lärmbelästigung zeigen, betrifft Straßenverkehrslärm einen großen Anteil
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ländlicher Hintergrund
städtischer Hintergrund
städtisch verkehrsnah
Quelle: Umweltbundesamt
Entwicklung der PM10 -Jahresmittelwerte im Mittel über die Stationsklassen „ländlicher Hintergrund“,
„städtischer Hintergrund“ und „städtisch verkehrsnah“ im Zeitraum 2000 bis 2013
der Deutschen. 2012 fühlten sich rund
54 Prozent der befragten Menschen in
ihrem Wohnumfeld dadurch gestört oder
180
Schienenverkehrslärm beeinträchtigt.
160
Flächenverbrauch ist ein weiteres Schlagwort, das oft im Kontext mit nachhaltiger
Stadtentwicklung diskutiert wird. Auch
Index: 1990 = 100
belästigt, rund ein Drittel fühlte sich vom
140
120
100
80
60
werden kann, ist es doch eine Tatsache,
40
dass immer mehr unbebaute Flächen zu
20
Bauland oder Trassen für Infrastrukturen
0
werden. Während der letzten 60 Jahre
hat sich die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland mehr als verdoppelt,
oft zulasten von Wald- und Ackerflächen.
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12
wenn Fläche nicht wirklich „verbraucht“
Pkw
Schwere Nutzfahrzeuge
Quelle: Bundestags-Drucksache 18/2426
Dieser Trend soll gestoppt werden. Ziel
ist, bis 2020 die Neuinanspruchnahme
Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr
von Flächen für Siedlungen und Verkehr
auf 30 Hektar pro Tag zu verringern –
2012 waren es noch 74 Hektar, täglich
also rund 113 Fußballfelder. Verkehrsflächen sind dabei übrigens das kleinere
Teil des Problems. Auslöser für den
5
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
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2000 2002
Straßenverkehr
Industrie/Gewerbe
2004
2006
2008
2010
2012
Flugverkehr
Schienenverkehr
Nachbarschaft
Quelle: Umweltbundesamt
Lärmbelästigung in Deutschland in Prozent
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µg/m3
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2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
ländlicher Hintergrund
städtischer Hintergrund
städtisch verkehrsnah
Quelle: Umweltbundesamt
Entwicklung der NO2 -Jahresmittelwerte im Mittel über die Stationsklassen „ländlicher Hintergrund“,
„städtischer Hintergrund“ und „städtisch verkehrsnah“ im Zeitraum 2000 bis 2013
6
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Verkehrssicherheit
Auf Stadtstraßen ereignen sich die
Verkehrsinfrastruktur, begleitende
getötet oder schwer verletzt zu
meisten Verkehrsunfälle, da hier die
Verkehrs- und Mobilitätserziehung
werden, mit zunehmenden Alter
Komplexität des Verkehrs am größten
sowie auf regelmäßiges und vorzeitiges
deutlich an, was vor allem auf die
ist und sich alle Gruppen von Verkehrs-
Training im „Schonraum“ angewiesen
erhöhte Verletzlichkeit (Vulnerabilität)
teilnehmern im gleichen Straßenraum
sind. Im Jahr 2013 kamen 29 Kinder
und den hohen Wegeanteil zu Fuß oder
treffen. So ist es wenig erstaunlich, dass
innerhalb von Ortschaften ums Leben,
mit dem Fahrrad zurückgeführt werden
sich 2013 im innerörtlichen Bereich
davon 20 als Fußgänger und sieben als
kann. Von den 31.823 verunglückten
73,3 Prozent aller polizeilich erfassten
Radfahrer.
Senioren innerorts war jeder Dritte ein
Unfälle und 68,6 Prozent aller Unfälle
Radfahrer und jeder Fünfte ein Fußgän-
mit Personenschaden ereigneten. Auch
Vor allem sind es aber ältere Menschen,
ger. Bezogen auf alle getöteten Fuß-
wenn innerorts die Unfälle meist glimpf-
die von komplexen Verkehrssituationen
gänger und Radfahrer im Innerortsbe-
lich ausgehen – 88,6 Prozent verlaufen
überfordert sind. So steigt das Risiko
reich steigt der Anteil sogar auf über
ohne Personenschaden – und „nur“
für Ältere, bei einem Verkehrsunfall
50 Prozent an.
29,3 Prozent aller tödlich Verunglückten
im Straßenverkehr auf Stadtstraßen ums
Leben kommen, besteht lange noch kein
20.000
Grund zur Entwarnung. Schließlich sind
knapp tausend getötete Verkehrsteilneh-
16.000
mer immer noch viel zu viel, gemessen
an dem vergleichsweise niedrigen
Geschwindigkeitsniveau und der gerin-
12.000
gen Verkehrsleistung. Auch stagniert die
langfristige Entwicklung bei den Getöte-
8.000
Außerhalb von Ortschaften
ten, während diese bei den Außerortsstraßen stark rückläufig ist.
4.000
Innerhalb von Ortschaften
Besonders dramatisch ist aber, dass
auf Stadtstraßen vor allem die schwachen Verkehrsteilnehmer zu Schaden
kommen. So verunglückten im Jahr
2013 dort 90,4 Prozent aller Radfahrer
und 95,0 Prozent aller Fußgänger. Wäh-
0
1973
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010 2013
Quelle: Statistisches Bundesamt
Getötete nach Ortslagen 1973 bis 2013
rend nur 11,0 Prozent aller Pkw-Unfälle
im Innerortsbereich tödlich verlaufen,
sind es bei Unfällen mit Radfahrern und
29,3
Getötete
Fußgängern mit 61,0 Prozent bzw. 70,6
Prozent sechs Mal so viele.
Aufgrund seiner hohen Komplexität ist
der Stadtverkehr vor allem für Kinder
52,8
Schwerverletzte
64,2
Verunglückte
und ältere Menschen besonders gefährlich. Kinder haben eine einigermaßen
73,3
Unfälle insgesamt
gute Verkehrskompetenz als Fußgänger
und Radfahrer erst mit dem achten bzw.
zwölften Lebensjahr entwickelt, so dass
sie in besonderem Maße auf eine gute
0
20
40
Prozent
60
80
Quelle: Statistisches Bundesamt
Anteil der Innerortsunfälle am gesamten Unfallgeschehen 2013
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Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Herausforderungen der Finanzierung kommunaler Verkehrsinfrastruktur
Eine zunehmende Herausforderung
solche Um- und Ausbaumaßnahmen
bezahlbarer ÖPNV kann insbesondere
für Städte und Gemeinden liegt darin,
zu finanzieren, ist die Beibehaltung
Ballungszentren von Verkehrsstaus und
die bestehende Verkehrsinfrastruktur
von Investitionshilfen durch Bund und
Lärm entlasten, wenn Region und Stadt
funktionsfähig zu halten. Straßen,
Länder notwendig. Die Diskussion um
effizient verknüpft werden. Ein Beispiel
Schienen und Brücken sind einer
die Zukunft der Entflechtungsmittel
hierfür sind Park & Ride-Angebote, die
stetigen Schädigung durch verschie-
über das Jahr 2019 hinaus muss die
ein Umsteigen vor den Toren der Städte
dene Einflussfaktoren wie Witterung,
Zielsetzung haben, kommunale Mo-
ermöglichen. Der ÖPNV sieht sich aber
Aufbrüche und Verkehrsbelastungen
bilität dauerhaft sicherzustellen. Für
weiteren großen Herausforderungen
ausgesetzt. Ein besonderes Problem bei
den öffentlichen Personennahverkehr
gegenüber, die auf die Finanzierbarkeit
kommunalen Straßen stellt in diesem
gilt dies im Besonderen, da hier lange
von Angeboten direkten Einfluss haben.
Zusammenhang der Straßengüterverkehr
Planungs- und Umsetzungszeiträume,
Im ländlichen Raum stellt der Schüler-
dar. Mit der Zunahme des Schwerlast-
z.B. bei Stadt- und Straßenbahnen,
verkehr bisher eine tragende Säule der
verkehrs potenziert sich die Druckbe-
langfristige Planungssicherheit verlan-
ÖPNV-Finanzierung dar, die aber zuneh-
lastung für die Straße. Folge ist ein
gen. Allerdings erschwert die Vielfalt der
mend brüchig wird. Andererseits wächst
stetiger Wertverlust. Wird bei vorge-
Finanzierungsströme und der Mittel-
dort wie in den Städten die Zahl älterer
schädigter Infrastruktur nichts für deren
empfänger („Spaghetti-Finanzierung“ im
Menschen. Die barrierefreie, bezahlbare
Erhaltung unternommen, steigen der
ÖPNV) die Transparenz hinsichtlich des
und nachfragegerechte Gestaltung des
weitere Verfall und damit der Erhaltungs-
Bedarfs und des Mitteleinsatzes. Abhilfe
ÖPNV ist daher eine wesentliche Aufga-
bedarf und die Instandhaltungskosten
könnte die Zuweisung der unterschied-
be der kommunalen Politik.
rasant an. Dies dauerhaft zu vermeiden,
lichen Landes- und Bundesmittel an die
ist Ziel eines systematischen Erhaltungs-
Aufgabenträger über ein einheitliches
Leere Haushaltskassen zwingen Städte
managements bei Straße und Schiene.
Finanzierungsinstrument auf Länder-
und Gemeinden dabei, wirtschaftlich in
ebene schaffen.
ihre Verkehrssysteme zu investieren.
Neben Erhaltungsaufwendungen müssen
Die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit der
auch notwendige Um- und Ausbaumaß-
Der ÖPNV bildet das Rückgrat der
kommunalen Verkehrssysteme ist auch
nahmen finanzierbar bleiben, die einen
kommunalen Mobilität und dient als
eine Frage zielgerichteter Investitionen
modernen Nutzungsbedarf bei Straßen
Bindeglied zwischen den einzelnen
und politischer Prioritätensetzung; denn
und öffentlichem Verkehr sichern. Um
Verkehrsarten. Ein leistungsfähiger und
Nichtstun wird am Ende immer teurer.
3
2,75
2,5
2
1,5
1,45
1,3
1
0,5
0
Erhalt/Betrieb
Nachholbedarf
Summe
Quelle: Bericht der Kommission „Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ („Daehre-Kommission“)
Ersatz– und Nachholbedarf der kommunalen Baulastträger (Gemeindestraßen/ÖSPV) in Mrd. Euro/Jahr, Stand 2012
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Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Regionalisierungsmittel
GVFG-Bundesprogramm
EntflechtungsG
Mittel nach
ÖPNVG, FAG
Querausgleich
Kommunaler AT
Schulträger
Holding
Querverbund
EVU
allgemeine Vorschrift
Gesellschaftereinlagen
Schüler
lokale
Regieorga.
Infrastrukturbereitstellung
Querausgleich
öDA
DB AG
Kommunaler
AT 2
Verbund
DTV, HV, (EAV)
Steuervorteil
Querverbund
Bestellorga.
SPNV
Maßnahmen
Förderung Infrastr.
§ 145 ff, SGB IX
Infrastruktur/Anlagen
§ 45a PBefG/Länderregelungen
§ 6a AEG
GVFG/Investitionsförderung
Bestellgarantie
EBKrG
LuFV
BSWAG
Steuervorteil öDA
§§ 145 ff, SGB IX
Kreisumlage
Verkehr
Soziales
Land
Steuervorteil Querverbund
Gemeinden im Gebiet des komm. AT
öDA
Bund
VU
VU 1,
kommunal
VU 2,
kommunal
Quelle: III kcw
„Spaghetti-Finanzierung“ im ÖPNV
Mobilität in der Nachbarschaft
Die Mobilität im Quartier oder in der
mit Fragen des Städtebaus, der Grünflä-
Nachbarschaft findet zum großen Teil
chengestaltung und der Ausstattung der
zu Fuß oder mit dem Fahrrad statt. Da
Quartiere mit Versorgungseinrichtungen
dabei meist nur kurze Entfernungen zu-
einhergehen.
geordnete Abstellen von Fahrrädern
rückgelegt werden, spricht man auch von
Beispiele:
in stark frequentierten Fußgängerberei-
Nahmobilität. In erster Linie bezieht sie
 Parkraumkonzepte, die dazu beitragen,
chen oder an intermodalen Umsteige-
sich auf Einkaufs-, Freizeit- und Schul-
den knappen Parkraum gerecht und
wege, kann in begrenztem Umfang aber
effektiv zu nutzen, und Parksuchver-
auch auf den Berufsverkehr bezogen
kehr verringern.
sein. Letztendlich spielt aber auch die
 Automatische Parksysteme und
Stationen und gegenseitige Preisnachlässe ergänzen.
 Fahrradabstellkonzepte, um das
punkten zu gestatten.
 Kommunikationsstrategien und
Beteiligungsverfahren, um Bewusstsein für Nahmobilität zu bilden.
 Lebenswerte Straßen- und Platzent-
Fortbewegung mit dem Auto oder mit öf-
Quartiersgaragen, die es Bewohnern
fentlichen Verkehrsmitteln eine wichtige
hochverdichteter Wohnviertel
würfe, die das harmonische Mitein-
Rolle für die kleinräumige Erreichbarkeit
ermöglichen, ein Auto in Wohnortnähe
ander der Verkehrsteilnehmer fördern
im Quartier, insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels
abzustellen.
 Konzepte zur Barrierefreiheit, um
und die Aufenthaltsqualität erhöhen.
 Quartierskonzepte, die auf eine
mit einer wachsenden Zahl an Menschen
Personen mit Mobilitätseinschränkun-
Nutzungsverdichtung und -mischung
mit Gehbehinderungen und sonstigen
gen eine selbstständige Mobilität zu
abzielen, damit kürzere Wege zwischen
ermöglichen.
Wohn-, Einkaufs- und Arbeitsstätten
Mobilitätseinschränkungen. Nahmobilität
darf nicht auf die verkehrlichen Aspekte
reduziert werden, sondern muss auch
 Innovative Fahrradverleihsysteme,
die den ÖPNV durch haltestellennahe
ermöglichen und zum Zufußgehen
einladen.
9
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Mobilität in der Stadt
Mobilität ist unverzichtbarer Teil
der Stadt mit weniger Fahrten und
des städtischen Lebens. Privat- und
besonders umweltschonenden
welche etwa mit Beratungszentralen die
Wirtschaftsverkehr können aber auch
Fahrzeugen gewährleisten.
Bürger aus gewohnten und eingeschlif-
erheblich zu Beeinträchtigungen der
 Optimierung der kommunalen Flotten
 Mobilitätsmanagementangebote,
fenen, aber gegebenenfalls suboptima-
Bewohner beitragen. Die Kommunen
und Fahrzeugparks, indem z.B. alter-
stehen damit vor der Herausforderung,
native Antriebe eingeführt oder neue
bei der Gestaltung der Mobilität einer-
Konzepte zur Mehrfachnutzung
führung, Bau und die Vermeidung von
verfügbar gemacht werden.
Konflikten flächenhaft berücksichtigen.
seits den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, andererseits
 Innovative Nahverkehrskonzepte
len Mobilitätsmustern befreien.
 Radverkehrskonzepte, die Routen-
Auch Serviceangebote, die die Attrak-
aber eine möglichst umweltfreundliche,
für die Stadt, die beispielsweise das
tivität des Fahrrads als Verkehrsmittel
effiziente und nachhaltige Umsetzung
Stadtgebiet flexibel bedienen, neue
steigern.
zu unterstützen: Es braucht innovative
Bezahlsysteme einführen und auf
und praxisgerechte Lösungsansätze, wel-
bestimmte Zielgruppen zugeschnittene
che die notwendige städtische Mobilität
– beim Personen- wie beim Güterverkehr
Angebote ermöglichen.
 Intelligentes Verkehrsmanagement,
– nachhaltiger machen.
das z.B. mit optimierter Verkehrsleis-
Beispiele:
tung oder besserer Steuerung von
 Güterverkehrsmaßnahmen und
Lichtsignalanlagen einen flüssigeren
-konzepte, welche den Lieferverkehr für
Verkehr mit weniger Verbrauch und
die Geschäfte und Bürger
Emissionen erreicht.
Mobilität zwischen Stadt und Umland
Eine große Herausforderung stellt
 Intermodale Verkehrskonzepte,
die in der Regel starke Verflechtung
die die räumliche Entfernung zwischen
der Städte in Deutschland mit ihrem
Arbeits- und Wohnorten zuverlässig
Umland dar. Aber nicht nur die Städte
und Gemeinden des Umlandes sind
und attraktiv überwinden helfen.
 Koordinierte Verkehrs- und Siedlungs-
von ihrem Zentrum abhängig, auch die
planung, die nicht an der eigenen
Städte – unabhängig von ihrer Größe –
Gemeindegrenze endet, sondern die
sind auf die Kaufkraft der Menschen
Belange der Pendler wie Anwohner
aus dem Umland und die täglich ein-
„grenzüberschreitend“ berücksichtigt,
pendelnden Arbeitskräfte angewiesen.
zum Beispiel im Rahmen der Planungs-
Eine Herausforderung für Verkehrsplaner
prozesse von Gewerbe-, Ausbildungs-,
besteht darin, diese Abhängigkeiten
zu erfassen und in Gesamtkonzepten für
Freizeit und Wohnstandorten.
 Intelligentes Verkehrsmanagement
bessere Mobilität einzubinden. Vernetz-
im Sinne einer Verknüpfung von
tes Denken zwischen einer Stadt und
städtischer und regionaler Verkehrs-
den benachbarten Gemeinden darf nicht
zuerst eine Frage der Finanzierungsver-
steuerung.
 Regionales Mobilitätsmanagement,
antwortung sein. Im Vordergrund müssen
das hilft, Fahrten von Tür zu Tür
pragmatische Lösungen zum Ausgleich
unter Berücksichtigung von Fahrzeit,
der unterschiedlichen Interessen stehen.
Preis und Umweltfreundlichkeit zu
Erforderlich sind, z.B.:
planen. Konzepte, die erlauben,
10
mittels einer „Mobilitätskarte“ alle
Verkehrsmittel zu nutzen.
Nachhaltige Mobilität in Städten und Gemeinden
Kernbotschaften
Nachhaltige Mobilitätskonzepte in
Städten und Gemeinden sollen
sozialen, ökologischen und ökonomischen Anforderungen gerecht werden.
Unter Beachtung der Prämissen
„sicher, umweltfreundlich, bedarfsgerecht und bezahlbar“ soll Mobilität
ermöglicht und nicht verhindert werden.
Das Ziel einer nachhaltigen Mobilität ist,
die Mobilität der Menschen in allen ihren
Facetten zu erhalten und die Güterversorgung zu sichern, ohne dass der Verkehr
langfristig Mensch und Umwelt übermäßig belastet.
Verkehrspolitische Maßnahmen sollten
vor diesem Hintergrund die Kapazitäten besser nutzen, die Verkehrsmittel
intelligent vernetzen, ihre jeweiligen
Stärken herausstellen und Mobilität als
ein wesentliches Stück Lebensqualität
verstehen und sichern.
Die Kommunen sollten die unterschiedli-
Umweltfreundlichere Motortechnik
Mobilität als unverzichtbare Vorausset-
chen Bedürfnisse und Ansprüche bei der
und Antriebe, lärmarme Straßenbeläge,
zung gesellschaftlicher Teilhabe sollte
Gestaltung der Mobilität ausgewogen und
höherer Besetzungsgrad der Fahrzeuge
für alle bezahlbar bleiben, sie darf nicht
ohne einseitige Benachteiligung einzelner
oder effizientes Verkehrsmanagement
einseitig beschränkt oder unangemessen
Verkehrsträger in Einklang bringen.
tragen dazu bei, den Kfz-Verkehr ökolo-
verteuert werden.
gisch verträglicher zu gestalten.
Das Auto bleibt auch in einem nachhal-
Die Finanzierung der kommunalen
tigen Verkehrssystem unverzichtbar. Für
Im Umweltbereich liegt insbesonde-
Verkehrsinfrastruktur sollte dauerhaft
viele Streckenrelationen und Fahrtzwecke
re beim Straßengüterverkehr großes
sichergestellt sein. Insbesondere gilt
gibt es dazu keine sinnvolle Alternative.
Einflusspotenzial. Dieser muss sau-
dies für Erhaltungsmaßnahmen im Stra-
berer und leiser sowie effektiver gelenkt
ßenbau und im ÖPNV.
Maßnahmen und Konzepte für nach-
werden.
haltigen Stadtverkehr sollten bereits
auf Quartiersebene ansetzen und auch
Mobilität sollte stärker am Bedarf
an der Stadtgrenze nicht Halt machen.
der Nutzer orientiert werden. Benötigt
werden vor allem barrierefreie Verkehrsan-
Mobilität muss sicher sein. Dabei gilt es,
lagen, leistungsfähige Infrastrukturen im
vor allem die schwachen Verkehrsteil-
motorisierten Individualverkehr (MIV) und
nehmer wie Kinder und Senioren als
öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Fußgänger und Radfahrer durch geeig-
sowie komfortable Fuß- und Radverkehrs-
nete Maßnahmen zu schützen.
netze.
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Hansastraße 19
80686 München
2830910/02.15/7’
ADAC e.V.