51 Neue türkische Filme - TürkFilmFestivali Die Geister vom Bosporus Hasret Sehnsucht Furcht vor der Vergangenheit Drawers Çekmeceler 125 Min, Türkei / Originalfassung mit englischen Untertiteln Böse Mädchen kommen in die Hölle heißt es. Aber davor steht bekanntlich noch die Vorhölle, auch Leben genannt. Andererseits ist es ja die Frage, ob Deniz überhaupt ein böses Mädchen ist? Oder doch nur ein ganz normaler Teenager, der die Freuden des Lebens kennen lernen und sich selbst entdecken will? Allemal ist sie erkennbar verwundbar durch all die kleineren und größeren Katastrophen, die die Erwachsenen um sie herum anstellen. Zugleich treibt sie selbst es bunt und gefährlich: Deniz probiert harte Drogen aus, probiert Sex aus, hüpft von einer Party zur nächsten – auch sie spürt, dass ihr das nicht gut tut. Aber warum macht sie dann dies alles? Deniz Schicksal wird in Form von Rückblicken erzählt, nachdem ihre selbstzerstörerische Art sie in eine Klinik geführt hat. Im Zentrum eines Wechsels aus Selbstbezichtigungen und Anklagen steht ein junger Mensch, der gerade beginnt zu begreifen, was Leben bedeutet. Stück für Stück tun sich neue Abgründe auf. „Drawers“, auf Deutsch „Schubladen“, ist ein Film über Menschen, die versuchen gut und liebevoll zu sein und daran scheitern. Das Portrait einer Familie, die aus den Fugen gerät. Die Regisseure interessiert das Repräsentative ihrer Geschichte, der Bezug zur türkischen Kultur und ihre Verdrängungen: An den frühen Pedro Almodovar erinnert der Film in seiner Liebe zum Schrillen, zum Theatralischen, zu einem Kino der Echtheit. RS M. CANER ALPER Der 1970 im türkischen Izmir geborene M. Caner Alper arbeitet als Drehbuchautor und Regisseur. Mit seinem Erscheinen wurde sein Spielfilm „Zenne Dancer“ (2012), für den er mit seinem Kollegen Mehmet Binay Regie führte, mehrfach ausgezeichnet. Das Duo arbeitete auch 2014 gemeinsam am Spielfilm „Çekmeceler“ (2015). MEHMET BINAY Filmregisseur, Drehbuchautor und Produzent Mehmet Binay, geboren 1972 in Istanbul, veröffentlichte seinen ersten Dokumentarfilm „Anadolu’dan fisiltilar“ im Jahr 2008. „Zenne Dancer“ (2012) war auch Binays Spielfilmdebüt, gefolgt von „Çekmeceler“(2015). MANNHEIM S_46-53_KurzFilme_Logo_Tuerk_08_RZ.indd 51 82 Min, Türkei, Deutschland / Originalfassung mit englischen Untertiteln Ein Filmteam in Istanbul, es soll eines jener glitzernden 08/15-Portraits einer flirrenden Metropole werden. Doch bald fallen dem Regisseur auf seinen Filmbildern Dinge und Menschen auf, die er beim Drehen kaum bemerkt hat. Wie Geister tauchen sie auf, schattenhaft. Ein zweiter Film hat sich in den ersten eingeschlichen. Diese Entdeckung fasziniert den Regisseur und er beginnt gezielt nach jenen Geistern zu suchen. So zeigt er uns das Istanbul, das wir nicht kennen: Es ist gleichzeitig verborgen und alltäglich, es ist das Istanbul jenseits der Touristenattraktionen, aber auch jenseits der Nachrichtenbilder. Wir begegnen in den abgeschiedenen nächtlichen Gassen der Altstadt den Ausläufern der GeziProteste ebenso, wie den Müllmännern, die die Stadt sauber halten und das, was sie aufsammeln, zu Geld machen. Wir erleben zahllose Facetten dieser faszinierenden Brückenstadt zwischen Orient und Okzident, der einzigen Metropole der Welt, die auf zwei Kontinenten liegt. Hasret ist das türkische Wort für Sehnsucht. Sehnen tun sich die Menschen hier nach Freiheit, nach Frieden. Ben Hopkins, ein Brite, der in Hongkong geboren wurde, hat schon mehrere Filme in der Türkei gedreht – sein Blick ist keiner von außen, sondern der eines Liebhabers. Sein melancholischsehnsuchtsvoller Filmessay zeigt uns auch die gespaltene Seele der türkischen Gegenwart. RS BEN HOPKINS Drehbuchautor, Filmemacher und Schriftsteller wurde in Hong Kong geboren. Er studierte am Royal College of Art Oxford und lebt seitdem in London und Istanbul. Zu seinem Repertoire gehören Kurzfilme, ebenso wie Dokumentar- und Spielfilme, die ihm bereits mehrere Auszeichnungen eingebracht haben. Neben mehreren Romanveröffentlichungen schreibt er als Drehbuchautor in den unterschiedlichsten Genres für verschiedene Regisseure. MANNHEIM Sa 10. Okt. 19.30 Uhr Kino Atlantis Fr 16. Okt. 19.30 Uhr Kino Atlantis Fr 16. Okt. 23.00 Uhr Kino im Stadthaus II Sa 17. Okt. 23.00 Uhr Kino im Stadthaus II Di 20. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis Fr 23. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis 11.09.15 14:21 52 Neue türkische Filme – TürkFilmFestivali Zu Fuß ins neue Leben A Good Fellow İyi Biri Wenn einen die Vergangenheit nicht los lässt The Human Within Me İçimdeki İnsan 109 Min, Türkei / Originalfassung mit englischen Untertiteln 100 Min, Türkei / Originalfassung mit englischen Untertiteln Eigentlich ist Sabri ein ganz normaler braver Staatsbeamter. Eines Tages jedoch begeht der ältere Herr mitten in seinem Büro einen Mord. Die Tat geschieht unvermittelt, sie hat keinen offensichtlichen Grund, und ist auch ihm selber ein Rätsel, als er von der Polizei verhört wird. „Ich habe eine Ratte getötet“, sagt Sabri zu sich selbst, und auch zu dem Schriftsteller Nuri, der ihn im Gefängnis besucht und ausfragt. Am Tag nach dem Besuch begeht Sabri Selbstmord. Nuri lässt das nicht los. Er sucht Sabris Verwandtschaft, seine Freunde und Berufskollegen auf und versucht, der rätselhaften Tat auf den Grund zu gehen. Jeder der Befragten hat seine eigene Version von Sabris Charakter und seiner Tat. Aber ganz allmählich kommt Licht in die Angelegenheit und zu seiner Überraschung entdeckt Nuri, dass auch er selbst eine Rolle in dem Geschehen spielt... „İçimdeki İnsan" ist ein psychologischer Thriller, der mit den Stilmitteln des Genrefilms spielt, aber über die Frage der Auflösung der Tat weit hinausgeht. Bald entwickelt sich daraus ein Panorama der türkischen Gesellschaft und ihrer Geschichte während der letzten Jahrzehnte. Ein auch in seiner Inszenierung sehr spannendes Drama über Schuld und Sühne, über Erinnerungen, die einen lebenslang verfolgen, das aus mehreren Perspektiven erzählt wird und viele überraschende Wendungen bereit hält. RS AYDIN SAYMAN Sayman wurde im Februar 1953 im türkischen Malatya geboren. Bereits als Student arbeitete er als Redaktions- und Regieassistent, bis er 1976 die Werbeindustrie für sich entdeckte. Bisher wirkte er bei diversen Filmprojekten als Drehbuchautor, Produzent oder Regisseur mit. Mit dem Drama „Icimdeki Insan“ (2014) brachte Aydin Sayman im vergangenen Jahr seinen ersten Spielfilm heraus. MANNHEIM S_46-53_KurzFilme_Logo_Tuerk_08_RZ.indd 52 rkFilmFestivali . Tü Eröffnungsfilm des 24 Wie wird man eigentlich erwachsen, wenn einem keiner erklärt, wie das geht? Mizrap wirkt auf die Freunde und Bekannten der Familie wie „ein guter Junge“. Für seine Eltern und Geschwister ist er aber eine einzige riesige Enttäuschung. Denn auch mit 40 Jahren lebt der Mann noch immer bei seinen Eltern und immer noch hat er keine richtige Arbeit – und er macht auch nicht den Eindruck, als sei er von irgendeinem Ehrgeiz getrieben. Irgendwann wirft ihn sein Vater hochkant aus dem Elternhaus heraus und seinen Hund gleich mit dazu. Was tun? Mizrap beschließt, erst einmal Salim zu besuchen, seinen alten Freund aus Armeezeiten. Der lebt in einer malerischen, von Feldern umgebenen Kleinstadt bei Mersin – und Mizrap träumt bereits von einer beschaulichen Zukunft „mit einem kleinen Häuschen, Frau und Kindern“. Bloß: Wie stellt man das an? Erst einmal muss er aber zu Salim kommen. Auf der langen Wanderung nach Mersin, zu Fuß mit seinem Hund, wird er viele Überraschungen erleben, merkwürdigen Mitmenschen begegnen und eine Menge lernen. Dieser Film, ein poetisches Roadmovie ohne Autos enthält nach Angaben des Regisseurs und Drehbuchautors Ayhan Sonyürek „viele mehr oder weniger autobiographische Elemente“. 2014 gewann er den Publikumspreis bei den „türkischen Oscars“ in Antalya. RS AYHAN SONYÜREK wurde 1968 im türkischen Adana geboren und war lange Zeit als Drehbuchautor tätig. Im Jahre 2006 führte er bei seinem Spielfilm „Unutulmayanlar“, von dem er auch das Drehbuch schrieb, erstmals Regie. Seine zweite Regiearbeit „İyi Biri“ (2014) feierte ihre Weltpremiere beim 51. International Antalya Golden Orange Film Festival. MANNHEIM Sa 10. Okt. 15.00 Uhr Kino im Stadthaus II Di 13. Okt. 19.00 Uhr Kino im Stadthaus II Do 15. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis Mi 14. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis Sa 17. Okt. 13.00 Uhr Kino im Stadthaus II Fr 23. Okt. 23.00 Uhr Kino im Stadthaus II 11.09.15 14:22 53 Neue türkische Filme – TürkFilmFestivali Von früher und von heute Song of my Mother Annemin Șarkısı / Klama Dayika Min Abschied von der Kindheit Snow Pirates 103 Min., Türkei, Frankreich, Deutschland Originalfassung mit englischen Untertiteln Kar Korsanları 83 Min, Türkei / Originalfassung mit englischen Untertiteln Es ist ein harter Winter im Nordosten der Türkei. Der Schnee bleibt hier lange liegen – und das ist auch ein Sinnbild der erkalteten, starren politischen Verhältnisse. Denn der Militärputsch von 1980 liegt noch nicht lange zurück. Vor diesem Hintergrund erzählt der Film die Geschichte von Serhat, Gurbuz und Ibo. Die drei Jungen sind 12 Jahre alt, dicke Freunde, besuchen die gleiche Schule. Ihre Nachmittage sind unbeschwert, geprägt vom Schlittenfahren und Fußballspielen im Schnee. Aber das Leben der Erwachsenen, mit ihren Sorgen, mit den sozialen Verwerfungen und politischen Gefahren wirft düstere Schatten auf die Kinder. Zum Beispiel die Kohle: Das Militär beschlagnahmt die angelegten Vorräte, aber weil die Menschen selbst dringend Heizstoff benötigen, werden die Jungens losgeschickt, um irgendwo etwas aufzutreiben. Schnell begreifen sie: Not kennt kein Gebot. Das Kohleklauen beginnt als ein bisschen abenteuerliches Kinderspiel, aber es wird schnell auch bitterer Ernst, und das bleibt den Dreien natürlich nicht verborgen. In seinem packenden Debüt gelingt Regisseur Faruk Hacıhafızoğlu eine Geschichte vom Abschied von der Kindheit. Bei allen offenen Anleihen an den italienischen Neorealismus ist „Kar Korsanları“ zugleich ein sehr origineller Film: Neben bezaubernden Kinderdarstellern trägt dazu auch die wunderbare Kulisse der schneebedeckten Berglandschaft um Kars das ihre bei. RS. ç FARUK HACIHAFIZOĞLU wurde 1965 im türkischen Kars geboren. Bevor er sich einem Studium der Contemporary Media Practices an der University of Westminster widmete, hatte er bereits Agrartechnik und Fotografie studiert. Währenddessen arbeitete er als freier Journalist, Fotograf, Produzent und Regisseur. Das historische Drama „Kar Korsanları“ (2015) ist sein erster Spielfilm, der dieses Jahr auf der Berlinale Premiere feierte. Der Schullehrer Ali lebt immer noch bei seiner alten Mutter Nigar im traditionellen Tarlabașı-Viertel von Istanbul. Aber die Stadt verändert sich, ganze Straßenblöcke mit Wohnungen werden abgerissen und durch ShoppingMalls oder Yuppie-Appartements ersetzt. So geht es auch Ali und seiner Mutter: Sie müssen ihre alte Wohnung verlassen und in die seelenlosen Betonwüsten der Vorstadt ziehen. Die alte Frau ist überzeugt, dass ihre ehemaligen Nachbarn alle zurück in ihre Dörfer gegangen sind. Nachts träumt sie ständig von einem Lied aus ihren Jugendtagen. Jeden Morgen packt sie ihre Sachen und durchstreift die Stadt, um ihr altes Dorf wiederzufinden. Sohn Ali kann nicht viel tun, er umsorgt sie ständig, kauft ihr Geschenke und Naschwerk. Oder er nimmt sie mit auf Spazierfahrten mit seinem Motorrad. So sehr, dass seine Freundin Zeynep langsam Angst bekommt, ob er sich irgendwann noch von der Übermutter lösen und erwachsen werden kann. Eines Tages erfährt Ali, dass Zeynep schwanger ist. Ist er bereit, Vater zu werden, oder bleibt er ein ewiges Muttersöhnchen? Ali ist nicht nur zerrissen zwischen den beiden Frauen seines Lebens, sondern auch zwischen Tradition und Moderne, Stadtflucht und Landsehnsucht. Wie sehr vererben sich die Träume der Eltern auf die Kinder? Das Filmdebüt von Erol Mintas gewann bei den „türkischen Oscars“ von Antalya die Auszeichnung für das beste Erstlingswerk. RS EROL MINTAȘ Der 1983 im türkischen Kars geborene Erol Mintaș studierte zunächst Informatik an der Marmara University, bevor er sein Filmstudium begann. Währenddessen arbeitete er bereits als Regisseur von verschiedenen Filmprojekten, bis 2008 sein erster eigener Kurzfilm „Butimar” auf Festivals gezeigt und für mehrere türkische Awards nominiert wurde. „Klama Dayika Min” (2014) gewann das Heart of Sarajevo als Bester Film und hat bereits weitere Auszeichnungen ergattert. MANNHEIM MANNHEIM Mo 19. Okt. 19.30 Uhr Kino Atlantis Sa 10. Okt. 23.00 Uhr Kino im Stadthaus II Mi 21. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis So 18. Okt. 19.30 Uhr Kino Atlantis Sa 24. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis Di 20. Okt 19.30 Uhr Kino Atlantis Do 22. Okt. 17.30 Uhr Kino Atlantis S_46-53_KurzFilme_Logo_Tuerk_08_RZ.indd 53 11.09.15 14:22
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