Bedeutung einer geschickten Vertragsverhandlung

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VI Die Zutaten für einen guten
­Geschäftsmietvertrag
Dr. Roberto Peduzzi
A
C
Bedeutung einer
­geschickten
­Vertragsverhandlung
Was kann verhandelt
werden?
Welche Regelungsdichte ein Geschäftsmietvertrag
haben muss, um die Bedürfnisse der Parteien an-
Die Miete von Geschäftsräumlichkeiten ist für
gemessen zu decken, hängt stark vom Einzelfall ab.
Eigentümer und Unternehmen von strategischer
­
Mindestens zu regeln sind die Parteien, das Miet­
Wichtigkeit. Ein guter Vertrag minimiert das wirt-
objekt, der Anfangsmietzins und die geschäftliche
schaftliche Risiko und schafft die Grundlagen für
Verwendung des Mietobjekts. Diese Aspekte müs-
eine langfristige Planung des eigenen Geschäfts.
sen bestimmt oder nach objektiven Kriterien bestimmbar sein.
B
Schriftlichkeit ist keine Voraussetzung für die Gül-
Einstieg in die
­Verhandlung
tigkeit des Vertrags. Wegen der Komplexität des
Bevor Parteien Vertragsverhandlungen aufneh-
Die restlichen Vertragspunkte bilden den freiwilli-
men, sollten sie wissen, welche Punkte sie als un-
gen Vertragsinhalt. Treffen die Parteien keine ver-
verzichtbar und welche sie als verhandelbar ein-
tragliche Regelung, gilt Gesetzesrecht. Diese As-
schätzen.
pekte können von den Parteien frei verhandelt und
Vertragsinhalts empfiehlt es sich jedoch schon aus
Beweisgründen den Vertrag schriftlich abzuschlies­
sen.
geregelt werden, sofern sie nicht gegen zwingenDer Vermieter sollte ausserdem über die durch-
des Recht verstossen. Als zwingend gelten system-
setzbaren Mietzinsen für vergleichbare Objekte in-
prägende Gesetzesvorschriften und Normen mit
formiert sein und die zu erwartenden Renovations-
öffentlich-rechtlicher Funktion, etwa die Mindest-
und Unterhaltskosten abschätzen können.
dauer der Kündigungsfristen, die Unverzichtbarkeit
auf ausserordentliche Kündigungsgründe, die Form
Das mietwillige Unternehmen sollte eine klare Vor-
der Kündigung und die zivilprozessualen Vorschrif-
stellung davon haben, wie wichtig es ihm ist, sich
ten über Behörden und Verfahren. Nicht zu Lasten
an einem bestimmten Standort anzusiedeln und
des Mieters abänderbar sind weiter Bestimmun-
in welchem Umfang die Mietzinskosten sowie all­
gen, die zum Schutz der wirtschaftlich schwäche-
fällige zusätzliche Ausbauinvestitionen im Budget
ren Partei konzipiert sind wie zum Beispiel die
zu ­B uche schlagen dürfen.
Unverzichtbarkeit auf den Kündigungsschutz und
­
auf die Erstreckungsmöglichkeit des Mietverhältnisses.
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D
zinsmodelle ist unzulässig und führt zur Ungültig-
Die wichtigsten
­Verhandlungspunkte
keit der vertraglichen Regelung. Die Bindung an ein
Mietzinsmodell schliesst jedoch nicht aus, dass die
Parteien eine Umsatzklausel anfügen, gemäss welcher der Mieter – neben dem Mietzins – einen bestimmten Prozentsatz des im Mietobjekt erzielten
Umsatzes an den Vermieter zu entrichten hat.
1Mietobjekt
Bei Festlegung der passenden Mietzinsstruktur ist
Das Mietobjekt muss korrekt und vollständig – am
zunächst der zeitliche Horizont der geplanten ver-
besten durch die Beifügung eines Situationsplanes
traglichen Zusammenarbeit entscheidend. Ein auf
– definiert werden.
dem Modell der Kostenmiete beruhender Mietvertrag kann befristet oder unbefristet sein. Die Ver-
Aus dem Vertrag muss – wie erwähnt – zwingend
einbarung einer Indexmiete ist hingegen nur zuläs-
hervorgehen, dass das Mietobjekt als Geschäfts-
sig, wenn der Mietvertrag für mindestens fünf Jah-
raum verwendet wird. Dies zieht die Anwendbarkeit
re abgeschlossen wird. Der Vermieter darf in den
gesonderter Regeln betreffend Kündigungsfrist,
ersten fünf Vertragsjahren über kein ordentliches
unbegrenzte Sicherungsmöglichkeit, Bestehen des
Kündigungsrecht verfügen. Ein Staffelmietvertrag
Retentionsrechts,
muss eine Mindestdauer von drei Jahren haben.
längerer
Erstreckungsdauer,
Übertragbarkeit des Vertrages, Schiedsfähigkeit
sowie fehlender Formularpflicht für die Anzeige des
Die Indexierung ist das bei Geschäftsmietverträ-
Anfangsmietzinses nach sich.
gen am meisten verbreitete Mietzinsmodell.
In gewissen Situationen hat der Vermieter ein
Eine Staffelung des Mietzinses ist dort angebracht,
­Interesse daran, dem Mieter eine Gebrauchspflicht
wo neben der Mietzinshöhe weitere wirtschaftliche
aufzuerlegen
Die
Faktoren, etwa die Übernahme von gewissen ver-
Durchsetzung der Gebrauchspflicht kann allerdings
traglichen Nebenpflichten durch den Mieter, eine
schwierig sein. Damit die Klausel nicht zum Papier-
wichtige Rolle spielen. In solchen Fällen dürfte der
tiger wird, muss die Gebrauchspflicht sachlich und
Anfangsmietzins eher unter dem Niveau des auf
zeitlich genau definiert und im Verletzungsfall mit
dem Markt erzielbaren Preises liegen.
(Beispiel
Shopping
Center).
einer Vertragsstrafe bedroht werden.
3Vertragsdauer
2Mietzins
Die Vertragsdauer ist das zweite prägende Element
Der Mietzins ist der Verhandlungspunkt par excel-
eines Geschäftsmietvertrags.
lence. Innerhalb der Grenzen des Verbots missbräuchlicher Mietzinse sind die Parteien in der
Bei der Entscheidung, ob das Mietverhältnis befris-
Festlegung der Höhe frei. Als Faustregel gilt, dass
tet oder unbefristet sein soll, ist zu berücksichti-
der Anfangsmietzins eines neuen Mietvertrags den
gen, dass befristete Mietverträge ohne Kündigung
Mietzins des alten Mietvertrags nicht um mehr als
mit Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer enden.
10% übersteigen darf.
Eine ordentliche Kündigung während der befristeten Vertragsdauer ist nur zulässig, wenn sich die
Das Gesetz sieht drei Mietzinsmodelle vor: die Kos-
Parteien dieses Recht vorbehalten. Unbefristete
tenmiete, die Indexmiete und die Staffelmiete. Die
Mietverträge können demgegenüber unter Einhal-
Kostenmiete knüpft an die Entwicklung des Refe-
tung der Kündigungsfrist aufgelöst werden. Die
renzzinssatzes und andere konjunkturelle und lie-
Kündigungsfrist bei Geschäftsmietverträgen be-
genschaftsbezogenen Faktoren an. Die Indexmiete
trägt zwingend mindestens sechs Monate.
ist ausschliesslich an die Entwicklung des Landesindex der Konsumentenpreise gekoppelt. Bei der
Die Parteien haben in der Regel ein gleichgerichte-
Staffelmiete vereinbaren die Parteien, dass der
tes Interesse daran, ein langfristiges Mietverhält-
Anfangsmietzins sich periodisch um einen be-
nis einzugehen. Die garantierte Mindestvertrags-
stimmten Betrag erhöht.
dauer ermöglicht es dem Mieter, die Investitionen
für den Innenausbau zu amortisieren. Auf der an-
Die Parteien müssen das auf das Vertragsverhält-
deren Seite schränkt die ordentliche Unkündbar-
nis anzuwendende Mietzinsmodell bestimmen und
keit die Freiheit des Vermieters nicht übermässig
konsequent umsetzen. Eine Vermischung der Miet-
ein, weil nachträgliche Mietzinsanpassungen mög-
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lich bleiben und ohne massgebliche Prozessrisiken
Falls der Mieterausbau bei Beendigung des Miet-
durchgesetzt werden können. Auch aus diesem
verhältnisses nicht rückgängig gemacht wird, stellt
Grund wird regelmässig auf das Mietzinsmodell der
sich die Frage, ob der Vermieter dem Mieter den
Indexierung, das eine Mindestdauer von fünf Jah-
Wert des Mieterausbaus abgelten muss. Das Ge-
ren vorschreibt, abgestellt.
setz stellt die Vermutung auf, dass der Vermieter
für die überlassenen Ausbauten eine Entschädi-
Zur Absicherung der Langfristigkeit des Mietver-
gung zu bezahlen hat, wenn die Mietsache dadurch
hältnisses werden oft Verlängerungsklauseln (Op-
einen erheblichen Mehrwert aufweist. Zu entschä-
tionen) vereinbart. Die Vertragsverlängerung über
digen ist der objektive Mehrwert, der – je nach Fall
die befristete Vertragsdauer hinaus kann dabei
– entweder dem Restwert bis zur Abschreibung der
entweder ein einseitiges Recht des Mieters oder
Mieterinvestitionen oder der Erhöhung des Ertrags-
eine blosse Absichtserklärung sein. Bei der Ver-
wertes entspricht.
tragsredaktion sollte Wert darauf gelegt werden,
dass klar zum Ausdruck kommt, was von beidem
Die gesetzliche Regelung über die Rückbaupflicht
von den Parteien gewollt ist.
und die Mehrwertentschädigung ist dispositiv. Sofern das Formerfordernis der Schriftlichkeit eingehalten wird, steht es den Parteien frei, abweichen-
4
Weitere Vertragskosten: Nebenkosten
de Vereinbarungen abzuschliessen. Von der Pflicht
und Unterhaltskosten
zum Rückbau bis zum Recht auf Beibehalten des
Mieterausbaus sind alle Varianten zulässig. Im Zu-
Falls der Mieter die Nebenkosten neben dem Netto-
sammenhang mit den überlassenen wertvermeh-
mietzins tragen soll, was die Regel ist, müssen die
renden Investitionen kann der Mieter auf eine Ent-
Parteien die Überbindung der Nebenkosten aus-
schädigung auch vollumfänglich verzichten, etwa
drücklich vereinbaren. Dabei genügt eine Grund-
wenn diese für den Vermieter zu keinem höheren
satzbestimmung oder ein genereller Verweis auf
Ertrag führen.
Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht. Im Interesse der Transparenz empfiehlt es sich, die einzelnen Nebenkosten im Mietvertrag aufzulisten.
6Sicherheiten
Der Unterhalt der Liegenschaft, mit Ausnahme des
Die Möglichkeiten, die Erfüllung von mietrechtli-
sogenannten kleinen Unterhalts, stellt nach schwei-
chen Forderungen zu sichern, sind vielfältig. Das
zerischem Rechtsverständnis eine Pflicht des Ver-
übliche Sicherungsinstrument ist das Mietzins­
mieters dar. Grundsätzlich besteht wenig Gestal-
depot (Kaution). Dieses ist ein Sparkonto oder ein
tungsspielraum für die vertragliche Auferlegung
Depot, das auf den Namen des Mieters lautet, aber
auf den Mieter. Sind sich beide Parteien aber dies-
nur mit Zustimmung beider Parteien oder gestützt
bezüglich einig und liegt ein berechtigtes Bedürfnis
auf einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl oder ein
vor, bedarf die Überbindung einer transparenten
Gerichtsurteil herausgegeben werden kann. Die
und wirtschaftlich – auch aus Sicht des Mieters –
Sicherheit kann weiter durch Dritte, etwa eine Bank
nachvollziehbaren Begründung, die belegt, dass
oder eine Versicherung, geleistet werden. In die-
die Pflichtenverschiebung nicht zum Nachteil des
sem Fall besteht die Sicherheit in einer Bürgschaft
Mieters ist. Nur so sind derartige Regeln durchsetz-
oder einer Bankgarantie.
bar.
Jede Sicherheit muss ausdrücklich vereinbart werden. Von Gesetzes wegen besteht – mit Ausnahme
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Bauliche Veränderungen durch den
des Retentionsrechts – keine Sicherheit zum Schutz
Mieter
der Forderungen des Vermieters. Es liegt an ihm,
die Leistung einer Sicherheit und deren Inhalt in
Erneuerungen und bauliche Veränderungen am
den
­Mietobjekt, die vom Mieter vorgenommen werden,
durchzusetzen.
Vertragsverhandlungen
aufzuwerfen
und
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Vermieters. Der Vermieter kann dabei die Einhaltung
Im Bereich der Geschäftsraummiete ist eine Si-
bestimmter Baustandards verlangen.
cherheit in der Höhe von sechs Bruttomietzinsen
üblich und sowohl bei Bürgschaften und Bank­
Der Vermieter kann die Wiederherstellung des Zu-
garantien als auch bei Mietzinsdepots zulässig. Die
standes (Rückbau), der im Zeitpunkt der Übergabe
gesetzliche Beschränkung auf drei Monatsmietzin-
der Mietsache bestand, nur verlangen, wenn dies
sen gilt nur bei der Miete von Wohnräumlichkeiten.
schriftlich vereinbart worden ist.
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E
Die Rohbaumiete
Die Rohbaumiete ist eine besondere Form von Miete, die – obwohl nicht gesetzlich geregelt – immer
häufiger vorkommt und sich namentlich bei der
Vermietung von Ladenflächen, Büros und Produk­
tionsliegenschaften als Standard etabliert hat.
Charakteristisch für die Rohbaumiete ist, dass der
Mieter ein Objekt übernimmt, das sich im Rohbauzustand befindet und ausgebaut werden muss, bevor es für die vorgesehene Endnutzung verwendet
werden kann.
Die Vermietung im Rohbauzustand erfordert einige
vertragliche Sonderregelungen. Das Mietobjekt,
der gebrauchstaugliche Zustand und der Verwendungszweck müssen so definiert werden, dass der
Zweck im Ausbau der Mietsache für den Endgebrauch besteht. Damit die Rohbaukosten, die Ausbaukosten und die Unterhaltskosten getrennt und
zwischen den Parteien aufgeteilt werden können,
müssen weiter der übergebene Rohbauzustand und
der Mieterausbau klar auseinander gehalten werden. Regelungsbedürftig sind dabei insbesondere
auch die Baustandards der mieterseitigen Veränderungen am Mietobjekt.
Der Vertrag muss schliesslich eine Verbindung zwischen der garantierten Vertragsdauer und den
­Investitionskosten des Mieters enthalten. Sinnvollerweise sollten die Mieterausbaukosten im Laufe
der Vertragsdauer amortisiert werden können.
F
Schlussbemerkungen
Es kommt vor, dass Vermieter und Mieter zu vorformulierten Vertragsvorlagen greifen, um ein Mietverhältnis zu regeln. Dabei vertrauen sie darauf,
dass die Vorlagen inhaltlich ausgewogen sind und
ihre Regelungsbedürfnisse vollständig abdecken.
Das dürfte gerade bei komplexen Verhältnissen
selten der Fall sein. Damit ein Mietvertrag im Ideal­
fall wirtschaftliche Vorteile und Rechtssicherheit
vereint, lohnt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Vertragstext, der Beizug eines erfahrenen Profis kann sich dabei durchaus als gute Investition erweisen.
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