Beitrag in “Die Stiftung” vom November 2015

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| DI E STI FTUNG SP ECI AL
„Das Bedürfnis nach
Information ist enorm“
Im Gespräch mit Dr. Peter Buss (StiftungSchweiz.ch)
über die Akzeptanz der Internetplattform und die ersten Neuerungen
DIE STIFTUNG: Herr Dr. Buss, noch einmal
kurz zur Auffrischung: Warum gibt es die
Plattform StiftungSchweiz.ch überhaupt?
Dr. Peter Buss: StiftungSchweiz.ch ist da,
um die Informationslage über das Schweizer Stiftungswesen zu verbessern und
vermehrte Transparenz zu schaffen. Die
bisherigen Informationsquellen haben
dies nicht erreicht. Ein grosses Anliegen
sind mir dabei auch die bessere Vernetzung und der offene Austausch unter den
Stiftungen sowie innerhalb des gemeinnützigen Sektors überhaupt. Ein einfacher
und direkter Dialog über die Plattform
soll dazu beitragen. Dass das alles seine
Zeit braucht, ist mir bewusst. Der Start ist
jedenfalls sehr gut gelungen.
DIE STIFTUNG: Welche speziellen Vorteile
haben dabei Förderstiftungen?
Buss: Es geht im Wesentlichen um eine
Steigerung der Effizienz und Effektivität.
Förderstiftungen zum Beispiel verhindern
mit StiftungSchweiz.ch unnötige Gesuche.
Denn hier können sie unter anderem ihren Stiftungszweck präzisieren, die aktiv
verfolgten Förderthemen bezeichnen
oder Ausschlusskriterien bekannt geben.
Auch Angaben zum Gesuchsverfahren
sind möglich. Darüber hinaus können sie
selbst nach Projekten und Organisationen
suchen, die sie unterstützen möchten.
DIE STIFTUNG: Wir haben gehört, es gibt seit
Mitte Oktober dieses Jahres spannende
Neuheiten in der Datenbank. Erzählen Sie
uns davon?
Buss: Vor allem die Kategorisierung aller
13‘000 Stiftungen nach einem einheitlichen System ist neu. Das ist einmalig
FOTO: © PHILANTHROPY SERVICES AG, BASEL/ELENA PRADERVAND
DIE STIFTUNG: Wer ist inzwischen in die
Plattform aufgenommen worden und für
wen ist sie gedacht?
Buss: StiftungSchweiz.ch enthält alle gemeinnützigen Stiftungen der Schweiz.
Auch andere Organisationen können aufgenommen werden. Die Plattform ist somit für Förderer und Gesuchsteller res-
pektive Projektträger gedacht – und für
alle, die sich mit Stiftungen und gemeinnützigen Themen befassen.
Remo Aeschbacher vom Verbandsmanagement Institut stellte beim Sommerapéro von StiftungSchweiz.ch in Zürich die neuesten Erkenntnisse über die Schweizer Stiftungslandschaft vor.
Dr. Peter Buss ist Gründer der
NPO-Beratung NonproCons, des
Dienstleistungsanbieters Philanthropy Services sowie der Onlineplattform StiftungSchweiz.ch. Er
ist neben seiner Beratungstätigkeit
als Hochschuldozent (Universität
Basel, Fachhochschule Bern),
Referent und Autor tätig.
für die Schweiz. Nach diesen Kategorien
und Merkmalen kann man auch suchen.
Und das Verbandsmanagement Institut
(VMI) wertet die Daten wissenschaftlich
aus. Spannend wird ausserdem die Kooperation mit dem Dachverband proFonds,
die wir ebenfalls im Herbst besiegelt
haben. Zusammen wollen wir 2015 einiges
anpacken, so zum Beispiel ein OnlineGesuchsformular und ein Project Scout
System. Dazu verrate ich aber noch nicht
mehr. Die Kooperation mit proFonds ist
ideal, denn wir verfolgen die gleichen
Inte ressen: Vernetzung des Stiftungsund Gemeinnützigkeitssektors. Aber beide
haben unterschiedliche Möglichkeiten,
welche wir so zur gegenseitigen Unterstützung einsetzen. Davon wird die ganze
Branche profitieren. Auch für weitere
Partnerschaften sind wir offen, denn Vernetzung gilt auch für StiftungSchweiz.ch.
HI NTERGRUND |
DIE STIFTUNG: Wie kam es zu diesen Veränderungen und was erhoffen Sie sich davon?
Buss: Die Kategorisierung war von Anfang
an vorgesehen. Aber wir mussten zuerst
die Datenbank dazu aufbauen und die
Stiftungen codieren. Grundlage dafür bildete das NonproCons Kategorisierungssystem gemeinnütziger Stiftungen NKS,
das auf einer über 20-jährigen Erfahrung
dieser Beratungsfirma in der Stiftungsarbeit beruht. Alleine die Codierung der
13‘000 Stiftungen dauerte über neun
Monate und beschäftigte ein mehrköpfiges Team. So lange wollten wir 2014 aber
nicht mehr auf den Launch von StiftungSchweiz.ch warten. Die Codierung
stand übrigens unter der Projektleitung
und Qualitätssicherung des VMI. Für diese Zusammenarbeit bin ich sehr dankbar.
DIE STIFTUNG: Und wie verhält es sich in
der neuen Version genau mit den StiftungsSURoOHQ"
Buss: Die Basisdaten stammen aus den
Handelsregistern aller Kantone. Diese
werden tagesaktuell übernommen. Dann
wurde jede Stiftung unter einer Auswahl
von fast 100 Merkmalen kategorisiert.
Und schliesslich können alle Stiftungen
ihr Profil mit vielen Informationen ergänzen. Das ist ganz entscheidend und wird
sehr empfohlen.
DIE STIFTUNG: Wie viele Stiftungen haben
denn bislang selbst etwas in die Datenbank
HLQJHSpHJW"
Buss: Eine erste aussagekräftige Auswertung werden wir nach den ersten zwei
Betriebsjahren vornehmen können. So
viel Zeit muss sein. Aber wir sehen schon
jetzt: Das Bedürfnis nach Information ist
enorm. So wurden zum Beispiel innerhalb
der ersten zwölf Monate, also Stand Juni
2015, in den Profilen bereits 2‘500 Zusatzinformationen gepostet. Bis zum Ende
des Jahres dürfte sich das verdoppelt
haben. Ebenfalls in den ersten zwölf
Monaten wurden über 50‘000 Stiftungsprofile aufgerufen. Per Oktober verzeichnen wir schon über 3‘000 registrierte
Nutzer, pro Monat kommen knapp 200
dazu. Als kürzlich providerbedingt das
System vier Stunden nicht zugänglich
war, bekamen wir sofort Telefonanrufe:
Wir können nicht arbeiten – was ist los?
Das ist alles beträchtlich und wir begegnen dem mit grossem Respekt.
DIE STIFTUNG: Bestehen Unterschiede in
der Nutzung des Portals zwischen einer kleinen, sagen wir 1 Mio. CHF Stiftung, und einer
grossen?
Buss: Auch da ist es noch zu früh, um eine
verlässliche Aussage zu treffen. Ich vermute aber, dass die Plattform vor allem
für die tausenden kleinen und mittleren
Stiftungen eine grosse Hilfe und Arbeitserleichterung ist. Die 100 grossen Stiftungen, die sowieso jeder kennt und die
selbst gut informieren, sind zwar auch auf
StiftungSchweiz.ch, haben aber vielleicht eine andere Optik. Allerdings gibt
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StiftungSchweiz.ch
3UÉIHQ6LHGDV3URoO,KUHU6WLIWXQJDXI6WLItungSchweiz.ch und ergänzen Sie es mit den
wichtigsten Informationen – zum Beispiel
über Ihre Fördertätigkeit oder über Projekte, für die Sie Unterstützung suchen.
Das ist über das Single-Abo kostenfrei.
es auch ein paar grosse, die sich umgehend portraitiert haben.
DIE STIFTUNG: Ist die Plattform denn auch
weiterhin kostenlos nutzbar? Und welche
Abo-Möglichkeiten gibt es jetzt?
Buss: Eine Basisnutzung und das Pflegen
des Stiftungsprofils sind kostenfrei. Daneben gibt es die drei kostenpflichtigen
Abos Basic, Premium und Professional.
DIE STIFTUNG: Herr Dr. Buss, wir danken
herzlich für diese interessanten Ausführungen und hoffen, die Plattform wird
weiterhin rege genutzt.
Das Interview führte Martina Benz.
ABBILDUNG: © STIFTUNGSCHWEIZ.CH
Mit Kulturvermittlung Schweiz kam es
bereits zu einer Partnerschaft, die wir
jetzt weiter entwickeln wollen. Und mit
anderen Verbänden, wie zum Beispiel
SwissFoundations, sind wir laufend in
einem offenen Austausch.
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www.stiftungschweiz.ch hält zahlreiche Informationen über das Schweizer Stiftungswesen bereit.
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| DI E STI FTUNG SP ECI AL
Dem Stiftungszweck
auf den Zahn gefühlt
Eine Vollerhebung der klassischen Stiftungszwecke ermöglicht tiefere Einblicke in die Zweckstruktur Schweizer Stiftungen und bietet neue Entscheidungsgrundlagen für das Stiftungsmanagement.
Von Remo Aeschbacher
Wirkungsbereiche schweizerischer Stiftungen
QUELLE: REMO AESCHBACHER/STITUNGSCHWEIZ.CH, VERBANDSMANAGEMENT INSTITUT (VMI) DER UNIVERSITÄT FRIBOURG/CH
NStiftungen=12‘692; Mehrfachcodierungen
Soziales
66%
Kunst, Kultur, Freizeit
64%
Aus- und Weiterbildung
37%
34%
3‘307
3‘010
36%
63%
1‘631
1‘667
1‘714
10%
2‘822
23%
13%
43%
Forschung/Wissenschaft
57%
1‘058
1‘400
16%
64%
36% 793
Gesundheit
21%
1‘425
17%
42%
Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umwelt- und Tierschutz
534
Ethik, Religion, Kirche
528
58%
852
1‘194
625
Cluster 1: die visionären Veränderer
476
Entwicklungszusammenarbeit
prioritäre Nennungen
(an erster Stelle)
523
Cluster 2: die umweltbewussten Generalisten
nicht prioritäre Nennung
(nicht an erster Stelle)
450
Cluster 3: die fokussierten Künstler
Cluster 4: die empathischen Helfer
503
Gemeinnütziges allgemein
382
Cluster 5: die betroffenen Angehörigen
0
1‘000
ie systematische, multidimensionale Kategorisierung sämtlicher klassischer Stiftungen
der Schweiz – das war das
Ziel einer Studie, die auf Datenbasis der
Onlineplattform StiftungSchweiz.ch unter
der Leitung des Verbandsmanagement Instituts (VMI) der Universität Freiburg/CH
durchgeführt wurde. Die Ergebnisse schaffen Transparenz im Stiftungssektor und
D
2‘000
3‘000
4‘000
5‘000
erweitern das Instrumentarium der Stiftungsrecherche.
Die rund 12‘700 Stiftungen, davon
26% Organisationen, die Angaben zu operativen Tätigkeiten machen, erwähnen in
ihren Stiftungszwecken durchschnittlich
zwei der neun im linken Teil der Abbildung dargestellten Wirkungsbereiche.
Rund 35 bis 39% der Stiftungen tangieren
entweder eines beziehungsweise meh-
Cluster 6: die kultivierten Intellektuellen
rere der Themenfelder Soziales, Kunst/
Kultur/Freizeit/Sport oder Bildung. Jeweils 16 bis 19% der Organisationen
begünstigen im Bereich Forschung und
Wissenschaft, Gesundheit und/oder Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft. Ein kleineres Segment der Stiftungen, 7 bis 9%, unterstützen Anliegen im Bereich Umweltund Tierschutz, Ethik, Religion, Kirche
und/oder Entwicklungszusammenarbeit.
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FOTO: © FOTOMEK/WWW.FOTOLIA.COM
HI NTERGRUND |
24% der Stiftungen widmen sich Anliegen, die lediglich Bedürftigen, also Personen in ökonomischer Notlage, zugutekommen. 13% der Stiftungen schränken
die Begünstigung ganz oder teilweise auf
Kinder ein (10% auf Jugendliche). Relativ
häufig sind zudem explizite Zweckbeschränkungen auf Betagte, Pflegebedürftige und/oder Behinderte bei jeweils 9%
der Stiftungen.
Mithilfe einer Clusteranalyse über die
verschiedenen Zweckstrukturen der Stiftungen können sechs verschiedene Stiftertypen vorgeschlagen werden (vergleiche Abbildung). 23% sind visionäre Veränderer, die Themen der Gesellschaftspolitik, Entwicklungszusammenarbeit oder
Ethik/Religion kombinieren. 21% sind –
häufig affin für Umweltschutz – Generalisten, die vielfältige Bereiche begünstigen. 17% sind fokussierte Stiftungen im
Bereich Kunst und Kultur, 16% sind konzentrierte Stiftungen im sozialen Bereich,
13% sind Stiftungen im Bereich Gesundheit, allenfalls verknüpft mit Sozialem
und Wissenschaft, 10% kombinieren eher
intellektuelle Themen aus Kunst/Kultur,
Wissenschaft und Bildung.
Die intellektuell abstrahierte Erfassung der Stiftungszwecke in Kategorien
ermöglicht es Stiftungen, auf der Onlineplattform StiftungSchweiz.ch auch innerhalb der kategorisierten Gruppen zu filtern, freie oder besetzte Themen ausfin-
dig zu machen oder Förder- und Umsetzungspartner zu finden.
Die vollständigen Studienergebnisse zur schweizerischen Stiftungslandschaft können unter
www.vmi.ch bestellt werden.
Remo Aeschbacher ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verbandsmanagement Institut
(VMI) der Universität
Fribourg/CH und dissertiert zu den Themen Stiftungsmarkt
und NPO-Profession.
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