Herr der Flieger: Thomas Enders, 56, auf dem Gelände der Airbus

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Herr der Flieger: Thomas Enders, 56, auf dem Gelände der Airbus­Z entrale im französischen Toulouse. Der Konzernchef und Hubschrauberpilot
steht vor dem Passagierjet A350 XWB – die ­Typbezeichnung steht für
„Xtra Wide Body“. Bisher bestellten 40 Kunden schon 782 Maschinen dieses
zweistrahligen Langstreckenflugzeugs
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Thomas Enders
Airbus-Chef
ist
­l eidenschaftlicher Fallschirm­
springer – und lehnt sich auch in
Interviews gern mal weit aus
dem Fenster. Ein Gespräch über seine
Zeit als ­S oldat, Europa in der
Krise und die Zukunft des Fliegens
I N T E R V I E W
B E A T A
C E C E
&
A D R I A N
F O T O S
P E T E R
P I C K S H A U S
R I G A U D
»Ich glaube an
das Elektroflugzeug«
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Herr Enders, anscheinend gibt es nur
eine Sache, vor der Sie sich fürchten: Langeweile!
T H O M A S E N D E R S : Ich kann Langeweile durchaus ertragen, aber eben nicht lange (lacht). Das Maximum
sind zwei oder drei Tage im Urlaub.
E X C L U S I V E : Sie sind Chef des größten europäischen
Luftfahrtkonzerns, und nach der Arbeit treiben Sie
Extremsport: Fallschirmspringen, Drachenflie­­­­­gen, Klet­t­ern, Segelfliegen …
E N D E R S : Mit Verlaub, das ist doch kein Extremsport!
Fallschirmspringen, Klettern oder Segelfliegen ist
weder extrem noch besonders gefährlich. Außerdem
mag ich auch vermeintlich „ruhigere“ Sportarten:
Joggen am Morgen, Holz hacken am Wochenende.
E X C L U S I V E : Es heißt, dass Sie immer zwei gepackte Fallschirme im Büro haben. Wo stehen die hier?
E N D E R S : Vor Jahren, als mein Hauptbüro noch in
München war, standen oft gepackte Fallschirme in
der Ecke, weil ich dort ab und an mal mit Kollegen
gesprungen bin – vorzugsweise freitagabends.
E X C L U S I V E : Gibt es noch einen Traum, den Sie sich
beim Fallschirmspringen erfüllen wollen? Einen
besonderen Ort, über dem Sie abspringen wollen?
E N D E R S : Ich habe schon viele tolle Sprünge absolviert. Schauen Sie mal (steht auf und nimmt ein Bild
von der Wand. Darauf ist er mit einer Gruppe von
Sportfallschirmspringern beim Absprung aus dem Heck
eines Transportflugzeugs zu sehen). Im Herbst
2010 sind wir aus einer A400M gesprungen. Die
EXCLUSIVE:
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Sammelsurium:
Enders’ Büro
in Toulouse
ist vollgepackt
mit Flug-Zeug
französische Luftwaffe hat jetzt im Juni verkündet,
der erste Sprung aus einer solchen Maschine
gehe auf Ihr Konto. Aber wie man hier sieht, stimmt
das nicht (lacht). Wir waren fünf Jahre eher dran!
E X C L U S I V E : Wissen Sie noch, wo und wann Ihre Leidenschaft für die Luftfahrt entstand?
E N D E R S : Das war in meiner frühen Kindheit, im Wes­
terwald, wo ich aufgewachsen bin. Dort flogen in
den 60er-Jahren fast jeden Tag Starfighter oder andere Düsenjets im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg. Andere fanden das beängstigend, ich war fas­­zi­n iert. Ich war vier Jahre alt, als ein britischer
Hubschrauberpilot auf der Wiese unseres Nachbarn
notlanden musste. Er hat uns Kindern dann das
Cockpit gezeigt. Das war wohl ein Schlüsselmoment.
E X C L U S I V E : Ihr Weg in die Luftfahrtindustrie verlief
über Umwege: Wehrdienst bei den Fallschirmjägern,
Major der Reserve, Assistent im Deutschen Bundestag, Mitarbeiter im Verteidigungsministerium, 1991 der
Wechsel in die Industrie. Wo wird härter gekämpft:
beim Militär, in der Politik, der Wirtschaft?
E N D E R S : Beim Militär muss man bereit sein, das
­e igene Leben zu riskieren. Das liegt in der Natur
des Soldatenberufs, deshalb lässt sich das Militär nur
schwer in diesen Vergleich miteinbeziehen. Bleiben
also Politik oder Wirtschaft. Meiner Erfahrung nach
wird in der Politik mit wesentlich härteren Bandagen,
auch unfairer gekämpft als in der Industrie. Deshalb
habe ich großen Respekt vor den Menschen, die
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Jahre oder gar Jahrzehnte in der Politik tätig sind.
E X C L U S I V E : Warum tun sich die Deutschen mit Seiteneinsteigern in Wirtschaft und Politik so schwer,
während in Amerika selbst Ex-Filmstars schon zum
Gouverneur oder Präsident gewählt wurden?
E N D E R S : Das hängt gewiss mit den Anfängen der Vereinigten Staaten zusammen. Die Menschen, die
damals von Europa in die USA ausgewandert sind,
haben alles auf eine Karte gesetzt. Ich glaube,
dass diese Risikobereitschaft noch heute in der Mentalität der Amerikaner verankert ist. Sie trauen
sich Außergewöhnliches zu, wie etwa den Wechsel
vom Schauspieler zum Gouverneur. Die amerikanische Gesellschaft ist viel offener für Quereinsteiger, während wir in Deutschland in dieser
Hinsicht immer noch zu altbacken sind und zu sehr
auf geradlinige Karrieren und Kaminaufstiege setzen.
E X C L U S I V E : Sie haben mal gesagt, dass Sie Ihre
Führungskompetenzen bei der Bundeswehr erworben hätten. Dort gilt: Einer entscheidet. In der
Wirtschaft geht der Trend dagegen eher zu flachen
Hierarchien. Welches ist Ihr Konzept von Führung?
E N D E R S : Ich habe mit Anfang 20 bei der Bundeswehr erst eine Gruppe, dann einen Zug und später
eine Kompanie geführt. Diese Menschen sind mir
nicht aus blindem Gehorsam gefolgt. Nur mit guter
Führung – mit Offenheit und Vorbildcharakter –
kann man Menschen überzeugen, einem Vertrauen
entgegenzubringen und zu folgen. Vertrauen
spielt für mich auch heute noch eine zentrale Rolle.
Ich ziehe es grundsätzlich vor, meinen Mitarbeitern mit Vertrauen zu begegnen, sie zu unterstützen
und zu fördern, damit sie ihren Job machen können, und nicht „Micromanagement“ zu praktizieren
und dadurch Mitarbeiter zu frustrieren.
E X C L U S I V E : Die Airbus Group hat 2014 ein Rekordergebnis eingefahren. Aber der Wettbewerb bleibt
hart. Welche sind die größten Herausforderungen?
E N D E R S : Wir führen gerade unseren neuen Langstreckenflieger A350 ein, den auch die Lufthansa
bestellt hat. Bis 2017 wollen wir außerdem die
Produktion der A320-Flugzeuge auf 50 Maschinen
im Monat steigern. Und natürlich ist die Digitalisie­­-
AIRBUS
GROUP
Die Airbus Group
ist Europas größter
Luft- und Raumfahrtkonzern. Weltweit
beschäftigt das
Unternehmen rund
140 000 Mitarbeiter,
davon knapp 48 500
in Deutschland.
Der Jahresumsatz
betrug im vergangenen Jahr 60,7
Milliarden Euro.
Größte Unternehmenssparte ist die
zivile Luftfahrt, größter Konkurrent ist
hier der US-Konzern
Boeing.
rung von Entwicklung, Produktion und Product Support auch für uns ein großes Thema.
E X C L U S I V E : Wie groß ist denn Ihre Angst vor Ideenklau, wenn Sie Kabinen in China produzieren?
E N D E R S : Jede Form von Kooperation erfordert den
Transfer von Technologie und Know-how. Das ist
nicht zu verhindern, auch wenn wir unser Wissen so
gut wie möglich zu schützen versuchen. Aber was
wäre die Alternative? Nicht in China produzieren?
Das kommt nicht infrage. Das ist ein riesiger Markt
für uns. Schon heute liefern wir jährlich etwa 20 Prozent unserer Flugzeuge nach China. Allein 2014
waren es 121 Flieger.
E X C L U S I V E : Tesla-Gründer Elon Musk ist mit SpaceX
ins Raumfahrtgeschäft eingestiegen, Facebook und
Google arbeiten an Drohnen und Satelliten. Wollen
Sie auch in andere Branchen vorstoßen? Wird Airbus irgendwann ein Elektroauto bauen?
E N D E R S : Nein, aber ein Elektroflugzeug schon. Bei
der Entwicklung von Elektroantrieben sind wir führend. Im Juli haben wir mit einem kleinen Elektroflieger den Ärmelkanal überquert. Das mag zwar nur
wie ein kleiner Schritt erscheinen, aber er ist bedeutsam, wenn wir in 20 Jahren vielleicht einen 100-Sitzer mit Elektroantrieb bauen. Wir glauben an diese
Technologie – auch wenn wir heute noch nicht genau sagen können, wo uns das hinführen wird. Aber
ohne Wagnisse gibt es keinen Fortschritt!
E X C L U S I V E : Google, Facebook, SpaceX, lauter junge
amerikanische Unternehmen. Wo bleibt eigentlich
die Innovationsfreude in Europa?
»Die USA sind viel
­o ffener für Quereinsteiger,
während wir in Deutschland
noch zu altbacken sind«
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Absatzmarkt, sondern auch um die politische Idee?
Es kann einem schon angst und bange
werden, wenn man sieht, wie Europa seit Jahr und
Tag herumlaviert, wie immer wieder Regeln – etwa
zur Finanzstabilität – ignoriert oder gebrochen werden. Und glauben Sie mir: Ich bin nicht der einzige
Konzernlenker, dem es so geht.
E X C L U S I V E : Grexit nein, Schuldenschnitt auch nicht,
neue Milliardenhilfen ja, aber nur mit harten Spar­
auflagen … Wie bewertet der Manager Enders die
Krisenpolitik in Sachen Griechenland?
E N D E R S : Darüber maße ich mir kein Urteil an. Das
ist eine sehr schwierige Aufgabe für Politiker,
und ich bewundere Angela Merkel und Wolfgang
Schäuble für ihre Ausdauer. Ich würde mir aber
wünschen, dass sich unsere Politiker auch wieder
mit anderen Europa-Themen beschäftigen. So
bin ich fest davon überzeugt, dass ein Ausscheiden
Großbritanniens der EU nachhaltiger schaden
würde als ein Austritt Griechenlands.
E X C L U S I V E : Halten Sie diese Gefahr für realistisch?
E N D E R S : Ich halte es zumindest nicht für ausgeschlossen. Die Briten, die im nächsten Jahr über ihren Verbleib in der EU abstimmen, stehen unter
den Eindrücken einer nicht enden wollenden Abfolge von Krisen. In den Augen der britischen Wähler
drängen diese Eindrücke womöglich die rationalen
Vorteile der EU in den Hintergrund.
E X C L U S I V E : Es geht ein Gespenst um in der EU: ein
neuer, zum Teil aggressiver Nationalismus. Sie hingegen leben auch im Alltag den europäischen Geist.
Sollte dieser auch institutionell gestärkt werden?
E N D E R S : Absolut. Doch die engere europäische Integration scheitert an der Souveränitätsfrage. Die
Regierungschefs von Frankreich, Italien, Spanien
und Großbritannien sind nicht wirklich bereit, Souveränität abzugeben und in Richtung einer europäischen Zentralregierung zu gehen. Ich habe außerdem zum ersten Mal den Eindruck, dass sich auch
in Deutschland, wo über Jahrzehnte eine engere
Integration unterstützt wurde, die Stimmung in eine
andere Richtung entwickelt. Aber die derzeit größte Herausforderung für Europa ist zweifelsohne die
Flüchtlingskrise. Auch hier sind die Zentrifugalkräfte nicht zu übersehen.
E X C L U S I V E : Unter der Woche leben Sie in Toulouse,
am Wochenende bei Ihrer Familie am Tegernsee,
dazu besuchen Sie regelmäßig Produktionsstandorte
in aller Welt. Was bedeutet Heimat für Sie?
E N D E R S : Mit Heimat verbinde ich weder meinen Geburtsort, noch kann ich behaupten, dass ich in
meiner Heimatgemeinde bislang starke Wurzeln geschlagen hätte. Für mich ist Heimat da, wo meine
Familie ist. Aber Oberbayern ist schon schön und
lebenswert, da bin ich sehr gern „dahoam“!
ENDERS:
In Europa gibt es zu viele Regulierungen.
Hat hier jemand eine Idee, werden Komitees und
Ethikräte gegründet, die überlegen, was alles schiefgehen könnte. Erst wenn hinter allen Bedenken ein
Häkchen steht, kann’s losgehen. In Amerika ist es umgekehrt. Da geht es ohne Beschränkungen los, und
wenn man dann feststellt, dass es Probleme gibt,
werden sie nach und nach gelöst.
E X C L U S I V E : Was muss passieren?
E N D E R S : Wir benötigen Freiräume und die Einsicht,
dass man ein zartes Pflänzchen nicht gleich mit
Steuern und Auflagen erdrücken darf. Und es fehlt
die gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass Scheitern normal ist – und zum Fortschritt dazugehört.
E X C L U S I V E : Zurück zum Geschäft: Wie wird sich
Fliegen in den nächsten 20 bis 25 Jahren verändern?
E N D E R S : Bald wird es Internet auf allen Flügen geben. Wir haben einen Auftrag über 900 Satelliten für
das OneWeb-Projekt ergattert, das eine flächendeckende Versorgung der Weltbevölkerung mit Internet
gewährleisten möchte. Wenn diese Satelliten im All
sind, wird es eine permanente Breitbandverbindung
auf allen Flugstrecken geben. Entscheidend wird
aber sein, dass wir Flugzeuge entwickeln, die immer
weniger verbrauchen. Bis 2050 wollen wir den CO2Ausstoß um 75 Prozent, den von Stickoxiden um 90 Prozent und den Fluglärm um 65 Prozent senken.
E X C L U S I V E : Airbus gilt mit Standorten in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien als
europäischer Musterkonzern. Macht sich der AirbusChef derzeit Sorgen um Europa – nicht nur um den
ENDERS:
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THOMAS
ENDERS
„Major Tom“, so
sein Spitzname,
wurde 1958 als Sohn
eines Schäfers im
Westerwald geboren.
Nach Stationen
in Wissenschaft und
Politik wechselte
er 1991 in die Luftund Raumfahrt.
2000 ging Enders
zu Airbus (damals
EADS), seit 2012
ist er Vorstands­
vorsitzender.
Enders lebt in
­Toulouse und am
Tegernsee, er ist
verheiratet und hat
vier Söhne.
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Transforming the Nation.
Samruk-Kazyna, Kazakhstan’s sovereign wealth fund, is transforming
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markets for growth, Samruk-Kazyna is
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as an administrator of assets transferred
by the state, and moving to a role as an
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Via Samruk-Kazyna, Kazakhstan is
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Samruk-Kazyna is transferring 106 companies to the private sector, a key initiative to diversify the economy and support
the development of new industries.
To date 34 facilities have been sold at
a total price of $ 300 million. Privatization is a priority both for the Fund
and the government of the Republic of
Kazakhstan, as it is required to reduce
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while at the same time strengthening
the private sector. By 2020 the share of
state-owned property in the Republic
should be brought down to 15 % of the
GDP, the level of OECD countries.
SOME FACTS ABOUT
SAMRUK-KAZYNA:
• 600 companies
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