72 business Herr der Flieger: Thomas Enders, 56, auf dem Gelände der AirbusZ entrale im französischen Toulouse. Der Konzernchef und Hubschrauberpilot steht vor dem Passagierjet A350 XWB – die Typbezeichnung steht für „Xtra Wide Body“. Bisher bestellten 40 Kunden schon 782 Maschinen dieses zweistrahligen Langstreckenflugzeugs 801_2015_011_0_072_0_Enders.indd 72 29.09.15 10:37 Thomas Enders Airbus-Chef ist l eidenschaftlicher Fallschirm springer – und lehnt sich auch in Interviews gern mal weit aus dem Fenster. Ein Gespräch über seine Zeit als S oldat, Europa in der Krise und die Zukunft des Fliegens I N T E R V I E W B E A T A C E C E & A D R I A N F O T O S P E T E R P I C K S H A U S R I G A U D »Ich glaube an das Elektroflugzeug« 801_2015_011_0_072_0_Enders.indd 73 29.09.15 10:05 74 business E Herr Enders, anscheinend gibt es nur eine Sache, vor der Sie sich fürchten: Langeweile! T H O M A S E N D E R S : Ich kann Langeweile durchaus ertragen, aber eben nicht lange (lacht). Das Maximum sind zwei oder drei Tage im Urlaub. E X C L U S I V E : Sie sind Chef des größten europäischen Luftfahrtkonzerns, und nach der Arbeit treiben Sie Extremsport: Fallschirmspringen, Drachenfliegen, Klettern, Segelfliegen … E N D E R S : Mit Verlaub, das ist doch kein Extremsport! Fallschirmspringen, Klettern oder Segelfliegen ist weder extrem noch besonders gefährlich. Außerdem mag ich auch vermeintlich „ruhigere“ Sportarten: Joggen am Morgen, Holz hacken am Wochenende. E X C L U S I V E : Es heißt, dass Sie immer zwei gepackte Fallschirme im Büro haben. Wo stehen die hier? E N D E R S : Vor Jahren, als mein Hauptbüro noch in München war, standen oft gepackte Fallschirme in der Ecke, weil ich dort ab und an mal mit Kollegen gesprungen bin – vorzugsweise freitagabends. E X C L U S I V E : Gibt es noch einen Traum, den Sie sich beim Fallschirmspringen erfüllen wollen? Einen besonderen Ort, über dem Sie abspringen wollen? E N D E R S : Ich habe schon viele tolle Sprünge absolviert. Schauen Sie mal (steht auf und nimmt ein Bild von der Wand. Darauf ist er mit einer Gruppe von Sportfallschirmspringern beim Absprung aus dem Heck eines Transportflugzeugs zu sehen). Im Herbst 2010 sind wir aus einer A400M gesprungen. Die EXCLUSIVE: 801_2015_011_0_072_0_Enders.indd 74 Sammelsurium: Enders’ Büro in Toulouse ist vollgepackt mit Flug-Zeug französische Luftwaffe hat jetzt im Juni verkündet, der erste Sprung aus einer solchen Maschine gehe auf Ihr Konto. Aber wie man hier sieht, stimmt das nicht (lacht). Wir waren fünf Jahre eher dran! E X C L U S I V E : Wissen Sie noch, wo und wann Ihre Leidenschaft für die Luftfahrt entstand? E N D E R S : Das war in meiner frühen Kindheit, im Wes terwald, wo ich aufgewachsen bin. Dort flogen in den 60er-Jahren fast jeden Tag Starfighter oder andere Düsenjets im Tiefflug über unsere Köpfe hinweg. Andere fanden das beängstigend, ich war faszin iert. Ich war vier Jahre alt, als ein britischer Hubschrauberpilot auf der Wiese unseres Nachbarn notlanden musste. Er hat uns Kindern dann das Cockpit gezeigt. Das war wohl ein Schlüsselmoment. E X C L U S I V E : Ihr Weg in die Luftfahrtindustrie verlief über Umwege: Wehrdienst bei den Fallschirmjägern, Major der Reserve, Assistent im Deutschen Bundestag, Mitarbeiter im Verteidigungsministerium, 1991 der Wechsel in die Industrie. Wo wird härter gekämpft: beim Militär, in der Politik, der Wirtschaft? E N D E R S : Beim Militär muss man bereit sein, das e igene Leben zu riskieren. Das liegt in der Natur des Soldatenberufs, deshalb lässt sich das Militär nur schwer in diesen Vergleich miteinbeziehen. Bleiben also Politik oder Wirtschaft. Meiner Erfahrung nach wird in der Politik mit wesentlich härteren Bandagen, auch unfairer gekämpft als in der Industrie. Deshalb habe ich großen Respekt vor den Menschen, die 29.09.15 10:05 Erleben Sie Surface live! Besuchen Sie uns in den Lufthansa Business Lounges Hamburg, Berlin und München. (16.11. bis 20.11 + 23.11. bis 27.11.) Tablet und Laptop in einem. 802_2015_011_0_000_0_microsoft.indd 1 23.09.15 17:05 76 business Jahre oder gar Jahrzehnte in der Politik tätig sind. E X C L U S I V E : Warum tun sich die Deutschen mit Seiteneinsteigern in Wirtschaft und Politik so schwer, während in Amerika selbst Ex-Filmstars schon zum Gouverneur oder Präsident gewählt wurden? E N D E R S : Das hängt gewiss mit den Anfängen der Vereinigten Staaten zusammen. Die Menschen, die damals von Europa in die USA ausgewandert sind, haben alles auf eine Karte gesetzt. Ich glaube, dass diese Risikobereitschaft noch heute in der Mentalität der Amerikaner verankert ist. Sie trauen sich Außergewöhnliches zu, wie etwa den Wechsel vom Schauspieler zum Gouverneur. Die amerikanische Gesellschaft ist viel offener für Quereinsteiger, während wir in Deutschland in dieser Hinsicht immer noch zu altbacken sind und zu sehr auf geradlinige Karrieren und Kaminaufstiege setzen. E X C L U S I V E : Sie haben mal gesagt, dass Sie Ihre Führungskompetenzen bei der Bundeswehr erworben hätten. Dort gilt: Einer entscheidet. In der Wirtschaft geht der Trend dagegen eher zu flachen Hierarchien. Welches ist Ihr Konzept von Führung? E N D E R S : Ich habe mit Anfang 20 bei der Bundeswehr erst eine Gruppe, dann einen Zug und später eine Kompanie geführt. Diese Menschen sind mir nicht aus blindem Gehorsam gefolgt. Nur mit guter Führung – mit Offenheit und Vorbildcharakter – kann man Menschen überzeugen, einem Vertrauen entgegenzubringen und zu folgen. Vertrauen spielt für mich auch heute noch eine zentrale Rolle. Ich ziehe es grundsätzlich vor, meinen Mitarbeitern mit Vertrauen zu begegnen, sie zu unterstützen und zu fördern, damit sie ihren Job machen können, und nicht „Micromanagement“ zu praktizieren und dadurch Mitarbeiter zu frustrieren. E X C L U S I V E : Die Airbus Group hat 2014 ein Rekordergebnis eingefahren. Aber der Wettbewerb bleibt hart. Welche sind die größten Herausforderungen? E N D E R S : Wir führen gerade unseren neuen Langstreckenflieger A350 ein, den auch die Lufthansa bestellt hat. Bis 2017 wollen wir außerdem die Produktion der A320-Flugzeuge auf 50 Maschinen im Monat steigern. Und natürlich ist die Digitalisie- AIRBUS GROUP Die Airbus Group ist Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 140 000 Mitarbeiter, davon knapp 48 500 in Deutschland. Der Jahresumsatz betrug im vergangenen Jahr 60,7 Milliarden Euro. Größte Unternehmenssparte ist die zivile Luftfahrt, größter Konkurrent ist hier der US-Konzern Boeing. rung von Entwicklung, Produktion und Product Support auch für uns ein großes Thema. E X C L U S I V E : Wie groß ist denn Ihre Angst vor Ideenklau, wenn Sie Kabinen in China produzieren? E N D E R S : Jede Form von Kooperation erfordert den Transfer von Technologie und Know-how. Das ist nicht zu verhindern, auch wenn wir unser Wissen so gut wie möglich zu schützen versuchen. Aber was wäre die Alternative? Nicht in China produzieren? Das kommt nicht infrage. Das ist ein riesiger Markt für uns. Schon heute liefern wir jährlich etwa 20 Prozent unserer Flugzeuge nach China. Allein 2014 waren es 121 Flieger. E X C L U S I V E : Tesla-Gründer Elon Musk ist mit SpaceX ins Raumfahrtgeschäft eingestiegen, Facebook und Google arbeiten an Drohnen und Satelliten. Wollen Sie auch in andere Branchen vorstoßen? Wird Airbus irgendwann ein Elektroauto bauen? E N D E R S : Nein, aber ein Elektroflugzeug schon. Bei der Entwicklung von Elektroantrieben sind wir führend. Im Juli haben wir mit einem kleinen Elektroflieger den Ärmelkanal überquert. Das mag zwar nur wie ein kleiner Schritt erscheinen, aber er ist bedeutsam, wenn wir in 20 Jahren vielleicht einen 100-Sitzer mit Elektroantrieb bauen. Wir glauben an diese Technologie – auch wenn wir heute noch nicht genau sagen können, wo uns das hinführen wird. Aber ohne Wagnisse gibt es keinen Fortschritt! E X C L U S I V E : Google, Facebook, SpaceX, lauter junge amerikanische Unternehmen. Wo bleibt eigentlich die Innovationsfreude in Europa? »Die USA sind viel o ffener für Quereinsteiger, während wir in Deutschland noch zu altbacken sind« 801_2015_011_0_072_0_Enders.indd 76 24.09.15 09:40 801_2015_011_0_000_0_bp.indd 1 17.09.15 17:07 78 business Absatzmarkt, sondern auch um die politische Idee? Es kann einem schon angst und bange werden, wenn man sieht, wie Europa seit Jahr und Tag herumlaviert, wie immer wieder Regeln – etwa zur Finanzstabilität – ignoriert oder gebrochen werden. Und glauben Sie mir: Ich bin nicht der einzige Konzernlenker, dem es so geht. E X C L U S I V E : Grexit nein, Schuldenschnitt auch nicht, neue Milliardenhilfen ja, aber nur mit harten Spar auflagen … Wie bewertet der Manager Enders die Krisenpolitik in Sachen Griechenland? E N D E R S : Darüber maße ich mir kein Urteil an. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe für Politiker, und ich bewundere Angela Merkel und Wolfgang Schäuble für ihre Ausdauer. Ich würde mir aber wünschen, dass sich unsere Politiker auch wieder mit anderen Europa-Themen beschäftigen. So bin ich fest davon überzeugt, dass ein Ausscheiden Großbritanniens der EU nachhaltiger schaden würde als ein Austritt Griechenlands. E X C L U S I V E : Halten Sie diese Gefahr für realistisch? E N D E R S : Ich halte es zumindest nicht für ausgeschlossen. Die Briten, die im nächsten Jahr über ihren Verbleib in der EU abstimmen, stehen unter den Eindrücken einer nicht enden wollenden Abfolge von Krisen. In den Augen der britischen Wähler drängen diese Eindrücke womöglich die rationalen Vorteile der EU in den Hintergrund. E X C L U S I V E : Es geht ein Gespenst um in der EU: ein neuer, zum Teil aggressiver Nationalismus. Sie hingegen leben auch im Alltag den europäischen Geist. Sollte dieser auch institutionell gestärkt werden? E N D E R S : Absolut. Doch die engere europäische Integration scheitert an der Souveränitätsfrage. Die Regierungschefs von Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien sind nicht wirklich bereit, Souveränität abzugeben und in Richtung einer europäischen Zentralregierung zu gehen. Ich habe außerdem zum ersten Mal den Eindruck, dass sich auch in Deutschland, wo über Jahrzehnte eine engere Integration unterstützt wurde, die Stimmung in eine andere Richtung entwickelt. Aber die derzeit größte Herausforderung für Europa ist zweifelsohne die Flüchtlingskrise. Auch hier sind die Zentrifugalkräfte nicht zu übersehen. E X C L U S I V E : Unter der Woche leben Sie in Toulouse, am Wochenende bei Ihrer Familie am Tegernsee, dazu besuchen Sie regelmäßig Produktionsstandorte in aller Welt. Was bedeutet Heimat für Sie? E N D E R S : Mit Heimat verbinde ich weder meinen Geburtsort, noch kann ich behaupten, dass ich in meiner Heimatgemeinde bislang starke Wurzeln geschlagen hätte. Für mich ist Heimat da, wo meine Familie ist. Aber Oberbayern ist schon schön und lebenswert, da bin ich sehr gern „dahoam“! ENDERS: In Europa gibt es zu viele Regulierungen. Hat hier jemand eine Idee, werden Komitees und Ethikräte gegründet, die überlegen, was alles schiefgehen könnte. Erst wenn hinter allen Bedenken ein Häkchen steht, kann’s losgehen. In Amerika ist es umgekehrt. Da geht es ohne Beschränkungen los, und wenn man dann feststellt, dass es Probleme gibt, werden sie nach und nach gelöst. E X C L U S I V E : Was muss passieren? E N D E R S : Wir benötigen Freiräume und die Einsicht, dass man ein zartes Pflänzchen nicht gleich mit Steuern und Auflagen erdrücken darf. Und es fehlt die gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass Scheitern normal ist – und zum Fortschritt dazugehört. E X C L U S I V E : Zurück zum Geschäft: Wie wird sich Fliegen in den nächsten 20 bis 25 Jahren verändern? E N D E R S : Bald wird es Internet auf allen Flügen geben. Wir haben einen Auftrag über 900 Satelliten für das OneWeb-Projekt ergattert, das eine flächendeckende Versorgung der Weltbevölkerung mit Internet gewährleisten möchte. Wenn diese Satelliten im All sind, wird es eine permanente Breitbandverbindung auf allen Flugstrecken geben. Entscheidend wird aber sein, dass wir Flugzeuge entwickeln, die immer weniger verbrauchen. Bis 2050 wollen wir den CO2Ausstoß um 75 Prozent, den von Stickoxiden um 90 Prozent und den Fluglärm um 65 Prozent senken. E X C L U S I V E : Airbus gilt mit Standorten in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien als europäischer Musterkonzern. Macht sich der AirbusChef derzeit Sorgen um Europa – nicht nur um den ENDERS: 801_2015_011_0_072_0_Enders.indd 78 THOMAS ENDERS „Major Tom“, so sein Spitzname, wurde 1958 als Sohn eines Schäfers im Westerwald geboren. Nach Stationen in Wissenschaft und Politik wechselte er 1991 in die Luftund Raumfahrt. 2000 ging Enders zu Airbus (damals EADS), seit 2012 ist er Vorstands vorsitzender. Enders lebt in Toulouse und am Tegernsee, er ist verheiratet und hat vier Söhne. 29.09.15 10:05 Anzeige Kazakhstan: Transforming the Nation. Samruk-Kazyna, Kazakhstan’s sovereign wealth fund, is transforming its business to become an active investor in the nation’s future. As most sovereign wealth funds look abroad for growth and investment opportunities, Samruk-Kazyna is looking within; it manages the largest strategic state assets, which are worth more than USD 90 billion. But with Kazakhstan emerging as one of the most promising markets for growth, Samruk-Kazyna is transforming its current business model as an administrator of assets transferred by the state, and moving to a role as an active investor. Via Samruk-Kazyna, Kazakhstan is driving through an agenda that will see 802_2015_010_0_000_0_samruk_kazyna.indd 1 key sectors of the economy privatised, giving foreign investors the opportunity to actively participate in one of the world’s most high-potential economies. Known for being rich in natural resources, the country also has thriving agriculture, renewable energy, telecoms and technology industries. Samruk-Kazyna is transferring 106 companies to the private sector, a key initiative to diversify the economy and support the development of new industries. To date 34 facilities have been sold at a total price of $ 300 million. Privatization is a priority both for the Fund and the government of the Republic of Kazakhstan, as it is required to reduce state involvement in the business sector while at the same time strengthening the private sector. By 2020 the share of state-owned property in the Republic should be brought down to 15 % of the GDP, the level of OECD countries. SOME FACTS ABOUT SAMRUK-KAZYNA: • 600 companies • Investment portfolio: 161 projects with an investment of USD 121 billion • More than USD 90 billion in assets • More than USD 28 billion in revenue Hotline: +7 7172 552 266 Website: www.sk.kz For more details of the privatisation strategy please visit: privatization.sk.kz/en WITH CONFIDENCE TO THE FUTURE 05.10.15 15:37
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