Erfahrungsbericht über den Studienaufenthalt an der Ritsumeikan Universität in Kyoto (Wintersemester 2011/2012 Juli Semineth) 1. Formalitäten vor Abreise (Versicherungen, Visum, etc.) 2. Anreise und Unterkunft 3. Studium (Einstufung, Angebot, Studienbedingungen, Anerkennung) 4. Integration an der Hochschule, Land und Leute 5. Gesamteindruck: Wie beurteilen Sie die Erfahrung? Hat es Ihnen gefallen? 1. Formalitäten vor Abreise (Versicherungen, Visum, etc.) Bewirbt man sich an der Ritsumeikan, sollte man damit rechnen, dass die verschiedensten Dokumente eingefordert werden, die eine zeitintensive Vorbereitung erfordern. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Die Zusage der Ritsumeikan Universtiät kam in meinem Fall zwar gefühlt etwas knapp, man hat allerdings genug Zeit, sich um alles Nötige zu kümmern. Per E-Mail stand ich regelmäßig in Kontakt mit dem International Office, auch um mich nach Fukushima über die Lage in der Kansai-region zu informieren. Die Antworten meines zuständigen Korrespondenten kamen sehr fix und waren äußerst hilfreich. Auch per EMail erhielt ich ein „Pre-Arrival Package“ als PDF Version zugesandt, in der alle nötigen Vorbereitungen, die getroffen werden sollten, aufgelistet waren. Neben der Erinnerung an die Visumbeantragung, was man wegen der Bearbeitungsdauer zeitig tun sollte, sind zum Beispiel auch zur Orientierung Preislisten alltäglicher Lebensmittel abgedruckt, was das Bemühen von Seiten der Ritsumeikan deutlich macht, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Zudem wird die Bewerbung für Studentenhaus und traditionelle Kurse per Email versendet, weswegen man auf die dort gesetzten Deadlines achten sollte. Ich habe eine Auslandsversicherung beim ADAC abgeschlossen, die Uni dort ermutigt jedoch zusätzlich dazu, eine Versicherung vor Ort abzuschließen. Durch den doppelten Schutz habe ich mich sehr sicher gefühlt. Da Japan ein Land ist, in dem man mit Bargeld bezahlt, wurde uns zudem empfohlen, bei der Ankunft einen bestimmten Geldbetrag mit uns zu führen. Ich habe mir neben Bargeld auch Travellerschecks zugelegt. Was zwar einerseits sicherer ist, auf der anderen Seite lassen sich diese Checks nicht wie vorerst angenommen überall umtauschen, bzw. japanische Banken haben nur sehr geringe Öffnungszeiten und neben Ausweis und gültiger Adresse kann man auch mit Wartezeiten bis zu einer Stunde rechnen, weswegen ich dies nicht empfehlen kann. Mit sehr vielen EC-Karten hat man die Möglichkeiten, an ATMs das Geld abzuheben, weswegen man sich bei der jeweiligen Bank informieren sollte, ob dies eine günstigere Alternative darstellt. 2. Anreise und Unterkunft Nach der Zusage empfiehlt es sich, zeitig nach Flügen Ausschau zu halten, da die Flugpreise sehr unterschiedlich ausfallen können. Als Zielflughafen habe ich mich für den Kansai International Airport (KIX) bei Osaka entschieden, weil sich dieser am nächsten an Kyoto befindet. Im vorhin schon erwähnten Arrival Packages werden von der Ritsumeikan alle empfohlenen Wege vom Flughafen nach Kyoto ausführlich beschrieben. Vom KIX aus kann man mit Taxi, Zug oder Shuttlebus weiterfahren. Ich wurde von Freunden, die ich zuvor in Würzburg kennengelernt hatte, abgeholt und mit dem Auto zu meiner Unterkunft gefahren. Bei der Rückreise allerdings habe ich einen Shuttlebus genommen, da dieser einen direkt von Haustür zu Haustür bringt und man zudem noch Studentenrabatt bekommt. Von anderen Austauschschülern war dies auch die häufigste Anreiseoption, da es sich besonders bei viel und schwerem Gepäck anbietet. Als Unterkunft habe ich mich für ein von der Ritsumeikan gestelltes Studentenhaus entschieden. Für mich war das International House II. nur mit guten Erfahrungen verbunden. Bei den Zimmern sind Bett, Schrank, Schreibtisch, Klimaanlage sowie eine eigene Toilette, ein Waschbereich und ein Balkon mit inbegriffen. Die Zimmer sind sehr sauber und im guten Zustand gehalten. Neben gemeinsamer Küche, Duschen und Waschmaschinen gab es noch einen großen Aufenthaltsraum, in dem man sich genauso wie auch in der Küche gern untertags oder auch abends zusammensetzten konnte. Für 45oooYen im Monat ist die Miete zwar höher als beim International House I., für japanische Verhältnisse liegt dies aber noch weit unter dem Durchschnitt. Das Haus wird geleitet von einem sehr freundlichen Ehepaar, welches neben den anderen Austauschstudenten schnell zur Familie wurde. Da das Studentenhaus von der Universität unterhalten wird, gibt es einige Regeln, an die man sich zu halten hat, vor allem der Mülldienst oder das An- und Abmelden von Besuch. Dies stellte aber nie ein Problem dar. Die Anbindung vom I House II. ist auch hervorragend, da ein Citybus direkt vor der Tür hält, beziehungsweise mit dem Fahrrad lässt sich auch vieles in näherer Umgebung gut erreichen. Verglichen mit anderen Studenten, die sich selbst ein Apartment suchen und sich nach Ankunft erst einmal komplett ausrüsten mussten, war die Wahl des Studentenhauses sehr entspannt und ich kann empfehlen, sich auf einen Platz zu bewerben. 3. Studium (Einstufung, Angebot, Studienbedingungen, Anerkennung) An der Ritsumeikan kann man sich entweder ein oder zwei Semester auf einen Studienplatz bewerben. Das Study in Kyoto Program ist aufgeteilt in Japanese Language Track und Japan and World Perspectives Track. Beim Japanese Language Track handelt es sich um Kurse für fortgeschrittenes Japanisch, weswegen es meistens von Japanologen belegt wird. Bei Zweiterem werden in Englisch politikwissenschaftliche, historische, gesellschaftliche und kulturelle Kurse angeboten, die zusammen mit japanischen Studenten besucht werden. Studenten beider Tracks nehmen zunächst an einer Orientierungswoche teil, bei der alle nötigen Informationen rund um den Campus und das Leben in Japan erläutert werden. Zudem finden Einstufungstests statt, in denen man (falls man das will) seinem Level entsprechend Japanischkursen zugewiesen wird. Im JWP Track ist es allerdings nur möglich Anfängerkurse zu besuchen, weswegen ich in meiner Studienzeit an der Ritsumeikan keinen Sprachkurs besuchen konnte. Track-übergreifend hat man die Chance, sich für kulturelle Kurse zu bewerben, die jedoch von Semester zu Semester unterschiedlich sind und wegen der Materialien extra kosten. So wurden im Wintersemester Teezeremonie, Kalligrafie, Shamisen und ein Keramikkurs angeboten. Ich empfehle, diese einmalige Chance auf jeden Fall wahrzunehmen, da sie erstens verglichen mit öffentlichen Kursen vor Ort günstig sind und zweitens da der Wechsel von normalen zu praktisch orientierten Unterrichtsstunden für Abwechslung sorgt. Sollten während der gesamten Studienzeit Fragen aufkommen, kann man sich stets an das International Office wenden, die einem gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das Vorlesungsverzeichnis kann man schon vor Abreise auf der Internetseite der Ritsumeikan einsehen, um einen Überblick über das Kursspektrum zu erhalten. Da jedoch kurzfristig Änderungen vorkommen können, wird die letztendlich geltende Liste an Kursen nochmals während der Orientierungswoche ausgegeben. In der ersten Vorlesungswoche empfiehlt es sich, alle Kurse, die einen interessieren, einen Besuch abzuhalten, unter anderem auch weil manche Professoren schon in der ersten Woche mit dem Stoff anfangen. Um in Japan als eingeschriebener Student zu gelten, muss man mindestens sieben Veranstaltungen besuchen, wobei Sprachkurse auch dazu zählen. Vom Kursaufbau ist der JWP Track mit Anwesenheitspflicht und Hausaufgaben zwar etwas verschult, da aber viel Wert auf Gruppenarbeit unter Aufsicht des jeweiligen Dozenten ein Hauptbestandteil der Prüfungsleistung darstellt, wird auch Wert auf selbstständiges Erarbeiten gelegt. Dies fördert desöfteren den Austausch zwischen internationalen und japanischen Studenten, was es mir möglich machte, gute Freunde im Unterricht zu finden. Inhaltlich schwankt das Unterrichtsniveau, wobei es auch sehr anspruchsvolle Kurse gibt, was sich schon während der ersten Woche abschätzen lässt. Die Prüfungsleistungen sind auf jeden Fall machbar. Als Psychologiestudentin konnte ich mir das halbe Jahr an der Ritsumeikan nicht anrechnen lassen, dies war mir aber schon vor Abreise durch Gespräche am Lehrstuhl klar gewesen. Es empfiehlt sich, dies vor der Abreise abzuklären, um dann keine böse Überraschung zu erleben. Obwohl ich keine Credits erhalten habe, bin ich sehr zufrieden mit dem Hochschulangebot gewesen, weil in vielen Kursen psychologische Themen bearbeitet wurden, die mir dabei geholfen haben, meinen Wissenshorizont zu erweitern. 4. Integration an der Hochschule, Land und Leute Wenn es um die Integration in Land und Leute geht, ist an erster Stelle die Sprache ein wichtiges Verbindungsmittel. Da ich mich schon längere Zeit vor Abreise für Japan interessiert hatte, habe ich ein Jahr zuvor mit einem Sprachkurs an der Uni begonnen, mich in der Freizeit mit japanischen Austauschstudenten getroffen, um zusammen mit ihnen japanisch zu üben und über sie und zahlreiche Lektüren mehr über die Kultur kennenzulernen. Dies erwies sich als goldrichtig, da die Schüchternheit von vielen Japanern abfällt, wenn sie merken, dass man sich mit ihnen in ihrer Landessprache unterhalten kann und über Gepflogenheiten Bescheid weiß. Sehr zu meiner Überraschung war es mir möglich, durch dieses Vorwissen viel lockerer als einige Japanologen mit Japanern in meinem Alter zu reden. Natürlich ist es nicht zwingend nötig, Sprachkenntnisse vorweisen zu können, so besuchten auch Studenten die Ritsumeikan, die kein Wort japanisch sprechen konnten, aber von deren Seite konnte ich oft hören, dass ihnen der Zugang zu Leuten ihres Alters fehlt oder vor allem außerhalb des Campus Verständigungsschwierigkeiten auftraten. Insgesamt sollte man in Japan offen auf Leute zugehen und von sich aus Treffen oder ähnliches vorschlagen. Japaner begegnen einen stets freundlich und respektvoll, aber auch etwas zurückhaltend, weswegen es einfacher ist, man selber geht den ersten Schritt. An der Uni gibt es viele Aktivitäten, die von Seiten der Studenten organisiert sind, bei denen man Japaner wie auch andere Austauschstudenten kennenlernen kann. Buddies, eine Gruppe aus japanischen Studenten, die öfters Events organisieren oder auch in den Pausen beziehungsweise zwischen den Stunden immer gerne auf ein Pläuschchen einlassen, werden auch schnell zu guten Freunden und kümmern sich darum, dass einem das Leben in Kyoto und Japan sehr erleichtert wird. An der Uni wird man somit sehr gut integriert und das International Office gibt sich sehr große Mühe, für alle Fragen offen zu sein. Die Mitbewohner des I-Houses werden auch sehr schnell zu sehr guten Freunden, mit denen man viel unternehmen kann. Die Angst, dass man also alleine bleibt, ist vollkommen unbegründet. Da Kyoto als alte Kaiserstadt mit wunderbaren Tempelanlagen und Schreinen auftrumpfen kann, lässt sich zudem auch die Freizeit leicht gestalten. Neben Kawaramachi, dem Stadtviertel, in dem es neben Kinos, Restaurants und Karaokebars auch die Möglichkeit für Einkäufe jeglicher Art gibt, kann man sich auf den Weg machen und viele atemberaubende Gebäude und Gärten ansehen. Die Mischung aus moderner Großstadt und Tradition ist der Grund, warum Kyoto seinen ganz eigenen Charme hat. Mit dem Citybus kann man alle berühmten Örtlichkeiten erreichen, mein persönliches Highlight war allerdings mit dem Fahrrad Tagestouren zu unternehmen, da man somit auch unterwegs viele kleine schöne Nebengassen entdecken kann. Aufpassen sollte man hierbei aber, dass man sein Fahrrad nicht im Parkverbot für Fahrräder (!) abstellt, denn sonst wird das Fahrrad nach kurzer Zeit abgeschleppt. Ausgewiesene Parkplätze (manchmal mit Gebühr) lassen sich jedoch überall finden. Durch die guten Zuganbindungen ist es zudem ein Leichtes, in die nahe gelegenen Städte einen Tagesausflug zu unternehmen, oder mit Shuttlebussen (Tickets kann man auf dem Campus kaufen) ferner liegende Ziele zu erreichen. Da Japaner selbst sehr reisefreudig sind, gibt es überall Prospekte und Zeitschriften über interessante Reiseziele und die besten An- und Abreiseoptionen, allerdings auf Japanisch. Deswegen würde ich empfehlen, mit japanischen Freunden zu reisen, da sie stets ein besseres Auge dafür haben, wo ein guter Ort zum Fotografieren ist oder wo man am billigsten gutes Essen erhalten kann. 5. Gesamteindruck Die Erfahrung, in Japan an der Ritsumeikan Universität zu studieren, war für mich genau richtig. Eine andere Kultur kennenzulernen, die sich in vielen Dingen im Alltag so stark von der unseren unterscheidet, in anderen Beziehungen wiederum sehr stark an deutsche Gepflogenheiten erinnert, führt dazu, dass man viel über sich selbst und seine eigene Kultur lernt. Ich habe dieses halbe Jahr sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten Verhältnissen und Ländern der Welt kennengelernt, mit ihnen lustige und lehrreiche Erfahrungen sammeln können und mein japanisch verbessert. Da die Ritsumeikan schon seit Jahren das Study in Kyoto Program anbietet, haben sie sehr viel Erfahrung mit den Problemen ausländischer Studenten gesammelt und konnten in nahezu jeder Situation mit gutem Rat zur Seite stehen. Bei organisatorischen Dingen jeglicher Art war das International Office stets hilfreich. Die besuchten Kurse ließen mich über den Tellerrand meines Studiums hinausblicken und zeigten mir durch die zahlreichen Projekte, aber auch durch das Engagement außerhalb des Hörsaals an der Uni (Circles, Sportangebot, traditionelle Kurse,…) den Spaß am Lernen. Vor allem weil Japaner bei der ersten Begegnung eher zurückhaltend sind, habe ich in diesem halben Jahr gelernt, über mich selbst hinauszuwachsen und selbstbewusst mit ungewohnten Situationen umzugehen. Auch kulturell und geschichtlich war Kyoto goldrichtig. Wenn es die Zeit erlaubt hätte, wäre ich gern ein ganzes Jahr geblieben. Was ich auf jeden Fall auf den Weg geben will ist, dass man in Japan offen und vorbehaltslos viele Dinge ausprobieren sollte, denn so sammelt man die unglaublichsten und spannendsten Erfahrungen schlechtweg. Bevor ich losgefahren bin, habe ich mir über alle möglichen Dinge Gedanken gemacht, was aber angesichts der Tatsache dass man von allen Seiten Beistand erhält und vor allem durch das I-House nie alleine ist, völlig umsonst war. Sollten noch Fragen offen geblieben sein, so kann man sich gerne per E-Mail an mich wenden. [email protected] Julia Semineth
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