Selbstveränderliche Materialien eröffnen neue Wege zu

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM160114_Phasenuebergang.pdf
Selbstveränderliche Materialien eröffnen neue Wege zu
hochentwickelten optischen Technologien
Physikerteam reguliert den Phasenübergang von Vanadiumdioxid so,
dass die Übergangstemperaturen präzise eingestellt werden können
Foto: Jura Rensberg
Durch selektive Ionenbeststrahlung wird die Übergangstemperatur von Vanadiumoxid in den
Regionen gezielt verändert, die dem Ionenstrahl ausgesetzt sind. Die erzeugten optischen
Stukturen im Nanometerbereich werden bei ganz bestimmten Temperaturen sichtbar - hier bei
60°C - und sind die Grundlage neuartiger veränderlicher Metaoberflächen.
Im einen Moment siehst du etwas, doch im nächsten ist es plötzlich verschwunden: In Büchern und
Filmen gelingt es Zauberern mühelos, einen undurchsichtigen Körper in einen transparenten zu
verwandeln. Doch auch in der Realität gibt es Materialien, die dieses Kunststück vollbringen
können: Man nennt diese Eigenschaft Phasenübergang. Das bedeutet, dass das Material
abhängig von seiner Temperatur oder einem äußeren elektrischen Feld von einem transparenten
in einen trüben Zustand wechseln kann. Jüngst ist es einem internationalen Team von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Forschungseinrichtungen - unter
Beteiligung der Friedrich-Schiller-Universität Jena - gelungen, den Phasenübergang von
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Vanadiumdioxid so zu regulieren, dass sie die Übergangstemperaturen präzise selbst einstellen
können. Die Forschungsarbeit, die heute in der Fachzeitschrift "Nano Letters" veröffentlicht wurde,
könnte zu neuen Arten von veränderbaren Materialien für die Optik und die Wärmeregulierung
führen.
Veränderlichkeit ist erwünscht
"Im Grunde wäre jedes optische Element besser, wenn es veränderlich wäre", erklärt Mikhail Kats,
Assistenzprofessor für Elektrotechnik und Technische Informatik an der University of
Wisconsin-Madison (USA) und Seniorautor des Artikels.
Anstatt sich auf mechanische Komponenten zu verlassen, um ein Objekt zu fokussieren, wie die
Linse einer Kamera oder eines Teleskopokulars, würde ein veränderliches Material seine
wesentlichen optischen Eigenschaften auf Abruf verändern und anpassen. Die Wissenschaft weiß
seit über 50 Jahren, dass Materialien wie Vanadiumdioxid zwischen transparentem und trübem
Zustand wechseln können. Normalerweise wechseln diese Materialien ihren Zustand jedoch nur
unter ganz bestimmten Bedingungen, was den praktischen Einsatz erheblich einschränkt. "Bei den
meisten dieser Materialien erfolgt die Umwandlung unter Bedingungen, die weit von der normalen
Raumtemperatur entfernt sind. Somit ist es schwierig, sie in nützliche Geräte einzubauen", erklärt
Kats.
Die Wissenschaftler veränderten die Übergangstemperatur von Vanadiumdioxid nun nicht nur von
68 °C auf unter Raumtemperatur, sondern können diese eben auch auf jeden beliebigen Wert
einstellen. "Diese Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für photonische Geräte und Apparate",
sagt Shriram Ramanathan, Professor für Werkstofftechnik an der Purdue University in West
Lafayette (USA), der ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat.
Einsatz in "intelligenten" Wänden denkbar
Weil die optischen und strukturellen Eigenschaften auf denselben physikalischen Prinzipien
beruhen, ändern sich auch die thermische und elektrische Leitfähigkeit des Vanadiumdioxids
aufgrund des Phasenübergangs. Diese Art von Materialien könnte zum Beispiel in Wohnhäusern in
"intelligenten" Wänden oder Fenstern verbaut werden, die dann auf die jeweilige
Umgebungstemperatur reagieren. "Objekte, die so konzipiert sind, dass sie Licht bei hohen
Temperaturen effizient emittieren, nicht aber bei niedrigen Temperaturen, könnten als rein passive
Temperaturregler eingesetzt werden, die keinerlei externe Schaltung oder Energiequelle
benötigen", so Kats.
Bisher hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die Umwandlungstemperatur von
Vanadiumdioxid zu verändern versuchten, im Laufe des Prozesses stets Verunreinigungen
eingebracht. Dies veränderte jedoch das gesamte Material einheitlich - das deutsch-amerikanische
Team hingegen beschoss nur bestimmte Regionen des Vanadiumdioxids mit energiereichen
Ionen. Ein solcher Ionenbeschuss verursacht Schäden am Material, was normalerweise eine
unbeabsichtigte Begleiterscheinung ist. Aber der mitwirkende Festkörperphysiker Prof. Dr. Carsten
Ronning von der Friedrich-Schiller-Universität Jena erklärt, dass die aktuelle Entwicklung der
Wissenschaftler gerade auf diesen Schäden aufbaut. "Das Großartige unseres Ansatzes ist, dass
wir uns diese 'ungewollten' Schäden zunutze machen", sagt er. Die Ausrichtung des Ionenstrahls
auf bestimmte Regionen der Proben ermöglichte es dem Wissenschaftlerteam, Veränderungen
des Materials im Nanometerbereich hervorzurufen.
Physikerteam reguliert den Phasenübergang von Vanadiumdioxid so,dass die Übergangstemperaturen präzise eingestellt werden können
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"Wir können die Umwandlungstemperatur überall auf der Probe mit einer Genauigkeit von etwa 20
Nanometern präzise steuern", so Ronning. "Mit dieser Methode konnten wir hocheffiziente optische
Metaoberflächen schaffen, die mehrere Phasenumwandlungen gleichzeitig durchlaufen." Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten so beispielsweise einen neuen optischen
Polarisator entwickeln und bauen, dessen Selektivität sich je nach Temperatur verändert.
An dem Forschungsprojekt waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt
beteiligt. Die Erstautoren des Manuskripts, Jura Rensberg von der Friedrich-Schiller-Universität
Jena und Shuyan Zhang von der Harvard Universität, promovieren bei Professor Carsten Ronning
bzw. Professor Federico Capasso.
Original-Publikation:
Nano Letters (2016), Artikel ASAP, DOI: 10.1021/acs.nanolett.5b04122
http://pubs.acs.org/toc/nalefd/0/0
Kontakt:
Prof. Dr. Carsten Ronning
Institut für Festkörperphysik der Universität Jena
Helmholtzweg 3
07743 Jena
Tel.: 03641 / 947300
E-Mail: [email protected]
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